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Künstliche Ernährung ohne medizinische Indikation als Quälen / eingereicht von Pia Victoria Kühtreiber

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Academic year: 2021

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(1)

JOHANNES KEPLER UNIVERSITÄT LINZ Altenberger Straße 69 4040 Linz, Österreich jku.at DVR 0093696 Eingereicht von

Pia Victoria Kühtreiber

Angefertigt am

Institut für

Strafrechtswissenschaften

Beurteiler / Beurteilerin

Univ.- Prof. Dr. Alois Birklbauer

Mitbetreuung

Univ.- Ass. MMag. Dr. Kathrin Stiebellehner September 2019

KÜNSTLICHE

ERNÄHRUNG OHNE

MEDIZINISCHE

INDIKATION ALS

QUÄLEN

Diplomarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades

Magistra der Rechtswissenschaften

im Diplomstudium

Rechtswissenschaften an der

Johannes-Kepler-Universität Linz

(2)

EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG

Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbstständig und

ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel

nicht benutzt bzw. die wörtlich oder sinngemäß entnommenen Stellen als solche

kenntlich gemacht habe.

Die vorliegende Diplomarbeit ist mit dem elektronisch übermittelten Textdokument

identisch.

Linz, September 2019

Ort, Datum

______________________________________________________

(3)

Inhaltsverzeichnis

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS ... 5

I. Einleitung ... 6

A. Themenfindung und Problemstellung... 6

II. Theoretischer Rahmen ... 7

A. Künstliche Ernährung ... 7

1. Enterale und parenterale Ernährung ... 7

a) Enterale Nahrungszufuhr ... 7

b) Parenterale Nahrungszufuhr ... 7

2. Definition PEG-Sonde ... 8

B. Rechtsrahmen zur Behandlung ... 8

C. Medizinische Indikationsstellung ... 8

1. Definition Medizinische Indikation ... 8

a) Evidenzbasierte Bewertung ... 8

b) Bewertung der Vor- und Nachteile und Festlegung eines Therapieziels ... 9

2. Juristischer Rahmen einer Indikation: ... 9

3. Hauptindikationsstellung einer PEG Sonde ... 9

D. Künstliche Ernährung in der Palliativmedizin ... 10

1. Palliativmedizin ... 10

a) Mangelernährung bei Demenzpatienten ... 10

E. Selbstbestimmungsrecht und Einwilligungsfähigkeit des Patienten ... 10

1. Das Recht auf Selbstbestimmung vs Medizin am Lebensende ... 10

2. Der Patientenwille und das Instrument der Patientenverfügung ... 11

a) Patientenwille ... 11

b) Das Instrument der Patientenverfügung ... 11

3. Terminale Phase ohne Patientenwille ... 11

a) Ermittlung des mutmaßlichen Willens ... 12

(1) Objektive Interessenslage ... 12

b) Ärztliche Grundsätze, wenn kein Patientenwille vorliegt... 12

4. Rechte und Pflichten aus dem Behandlungsvertrag ... 12

a) Die ärztliche Aufklärungspflicht ... 12

5. Ethische und Juristische Aspekte ... 13

(4)

1. Schilderung des Sachverhalts... 13

a) Entscheidung des Landesgerichts München und OLG ... 15

b) Entscheidung des Bundesgerichtshofs Karlsruhe ... 15

c) Kritik am Urteil des BGH Karlsruhe ... 15

IV. Rechtslage in Österreich ... 16

1. Sterbehilfe – Verbotenes, aktives Ingangsetzen des Sterbeprozesses ... 16

2. Eigenmächtige Heilbehandlung gem §110 StGB ... 16

3. Quälen oder Vernachlässigen unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen gem §92 StGB ... 17

(1) Die Tatbestandsmerkmale des §92 StGB ... 18

(a) Tatbestandsmerkmale des Abs 1 ... 18

(b) Tatbestandsmerkmale des Abs 2 ... 18

(c) Definition einer Fürsorgeverpflichtung ... 19

(d) Tathandlung des Abs 1 (Zufügung von Qualen) ... 20

(e) Definition einer wehrlosen/gebrechlichen Person... 20

(f) Ergebnis Abs 1 ... 21

(g) Tathandlung des Abs 2 (gröbliche Pflichtvernachlässigung) ... 21

(2) Ergebnis: ... 23

4. Erlaubtes Zulassen des Sterbevorgangs versus eigenmächtige Änderung des Therapieziels durch den Arzt ... 23

(1) Palliative Care ... 23

(a) ÖGARI - Österreichische Gesellschaft für Anästhesiologie ... 24

5. Künstliche Ernährung als unzulässiges Quälen bei Weiterbehandlung ohne Indikation 24 a) Künstliche Ernährung ohne Indikation als fortgesetzte Körperverletzung ... 24

(1) Ein Schaden im Weiterleben? ... 24

V. Therapeutisches Dilemma und ethische Rechtfertigung ... 25

(1) Risiko und Nutzen einer PEG-Anlage ohne Indikation und Plausibilisierung ... 25

(2) Evidenzbasierte ethische Analyse- Nutzen der PEG-Sonde ... 25

(3) Praxisorientierter Entscheidungsalgorithmus bei fortgeschrittener Demenz: ... 27

VI. Resümee ... 28

(5)

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

ABGB Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch

ARGE Arbeitsgemeinschaft Art Artikel ÄrzteG Ärztegesetz BGBl Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof Bspw beispielsweise bzw beziehungsweise

CTC Comfort Terminal Care

DNE Do Not Escalate

DNR Do Not Resuscitate

ErwSchG Erwachsenenschutzgesetz

f. folgende

gem gemäß

iHv in der Höhe von

iSd im Sinne des/der

LG Landesgericht

lit litera (Buchstabe)

ÖGARI Österreichische Gesellschaft für Anästhesiologie,

Reanimation und Intensivmedizin

ÖGERN Österreichische Gesellschaft für Ethik und Recht in

der

Notall- und Katastrophenmedizin

OGH Oberster Gerichtshof

PatVG Patientenverfügungsgesetz

PEG Perkutane Gastrostomie

PV Patientenverfügung

RID Reevaluate Indication and Deescalate

Rz Randziffer S Satz S. Seite StGB Strafgesetzbuch Vgl vergleiche Z Ziffer zB zum Beispiel

(6)

I.

Einleitung

A.

Themenfindung und Problemstellung

Eine Vielzahl an Patienten leiden unter einer Störung der Nahrungsaufnahme. Darunter fallen bspw diejenigen, die wegen einer schweren Erkrankung nicht mehr in der Lage sind, ihre Nahrung auf normalen Weg zu sich zu nehmen. Die Folge daraus ist, dass die Patienten von einer Mangelernährung bedroht sind. Um dieser entgegenzuwirken, wird die Nahrungszufuhr mit Hilfe der künstlichen Ernährung durchgeführt.1 Gerade im letzten Lebensstadium wird die

klinische Ernährung oft herangezogen.2 Mit den unzähligen Möglichkeiten der Heilkunde, gibt

es viele Wege das Leben aufrecht zu erhalten.3 Die Einführung der Intensivmedizin hat jedoch

auch ihre Schattenseiten, denn die Verpflichtung des Arztes, das Leben des Patienten zu erhalten, stößt an ihre Grenzen, daoft der Verzicht auf eine lebensverlängernde Maßnahme geboten wäre.4 Für die Ärzte stellt es sich als äußerst schwierig dar, zu erkennen, ab wann

die lebenserhaltende Maßnahme beendet werden soll, sprich ab wann die kurativen Versuche in den Hintergrund treten müssen.5 Der Nutzen der künstlichen Ernährung ist meist schwer zu

ermitteln, vor allem, wenn keine Patientenverfügung vorliegt und der Patient sich nicht mehr selber äußern kann.6 Erst jüngst ist ein Urteil des BGH Karlsruhe ergangen, das sich mit dieser

Problematik befasst.7

In der vorliegenden Diplomarbeit möchte ich mich mit der Rechtslage zu der angeführten Problemstellung in Österreich auseinandersetzen. Vor allem soll die Frage beantwortet werden, inwiefern sich ein Arzt strafbar macht, wenn er die künstliche Ernährung aufrechterhält, wenn dafür keine eindeutige medizinische Indikation mehr besteht und komme daher zu folgender Fragestellung: Künstliche Ernährung ohne medizinische Indikation als

Quälen?

Vorweg möchte ich mich bei Herrn Univ.- Prof. Dr. Alois Birklbauer und Frau Univ.- Ass. MMag. Dr. Kathrin Stiebellehner bedanken, dass ich im Rahmen des Diplomandenseminars aus Strafrecht, die Möglichkeit bekommen habe, mich mit diesem spannenden Thema auseinanderzusetzen.

1 Österreichische Apothekerkammer, Enterale Ernährung,

https://www.apothekerkammer.at/internet/oeak/NewsPresse.nsf/e02b9cd11265691ec1256a7d005209ee/079e803 a30f19ceec1256bfb00374dba?OpenDocument (abgefragt am 13.05.2019).

2 Sieber, Z Gerontol Geriat, 2007, 1.

3 Bottke/Fritsche/Huber/Schreiber, Lebensverlängerung aus medizinischer, ethischer und rechtlicher Sicht 4. 4 Sahm, Sterbebegleitung und Patientenverfügung 14.

5 Unterpaul, Der Umgang mit Flüssigkeiten und künstlicher Ernährung am Lebensende, 6. 6 May/Kreß/Verrel/Wagner, Patientenverfügungen 5.

(7)

II.

Theoretischer Rahmen

A.

Künstliche Ernährung

Zu Beginn stellt sich die Frage, wann eine künstliche Ernährung bei einem Patienten durchgeführt werden muss. Grundvoraussetzung der menschlichen Existenz ist eine angemessene Nahrungsaufnahme. Kann, darf oder will ein Mensch nicht mehr ausreichend Nahrung zu sich nehmen, so liegt die Notwendigkeit einer künstlichen Ernährung nahe. Es muss jedoch immer geprüft werden, ob die künstliche Ernährung für den konkreten Patienten medizinisch indiziert ist.8 Dazu wird unter litera B ausführlich eingegangen. Infolge werden die

einschlägigen Durchführungsformen der künstlichen Ernährung erläutert.

1. Enterale und parenterale Ernährung

Es gibt mehrere Arten zur Durchführung der künstlichen Nahrungszufuhr. Man unterscheidet zwischen der enteralen und der parenteralen Ernährung. Welche Form sich für den individuellen Patienten am besten eignet, hängt von etlichen Faktoren ab. Man muss zum einen die Schwere der Erkrankung, den Ernährungszustand des Patienten und zum anderen auch das aktuelle Krankheitsstadium miteinbeziehen.9

a) Enterale Nahrungszufuhr

Bei der enteralen Ernährung wird die Nahrungsaufnahme über den Magen-Darm-Kanal durchgeführt. Diese Form der künstlichen Ernährung umfasst zum einen Trinknahrung und zum anderen auch Ernährungssonden, wie bspw die PEG-Sonde.10

b) Parenterale Nahrungszufuhr

Im Gegensatz zur enteralen Nahrungszufuhr wird bei der parenteralen Ernährung der Verdauungstrakt völlig umgangen und die Nährstoffe werden direkt in die Blutbahn geleitet.11

In der vorliegenden Diplomarbeit möchte ich mich mit der enteralen Ernährung, mit einer PEG-Sonde, im terminalen Lebensstadium befassen, da ich die jüngst ergangene Entscheidung des BGH Karlsruhe erörtern möchte.12

8 Wolff/Weihrauch, Internistische Therapie 64. 9 Wolff/Weihrauch, Internistische Therapie 64. 10 Wolff/Weihrauch, Internistische Therapie 68. 11 Wolff/Weihrauch, Internistische Therapie 68, 69. 12 BGH Karlsruhe, 2.4.2019, VI ZR 13/18.

(8)

2. Definition PEG-Sonde

1980 wurde von Gauderer und Ponsky die perkutane endoskopische Gastrostomie, kurz PEG, in der Pädiatrie, das ist die Kinderheilkunde, eingeführt.13 Konkret handelt es sich bei diesem

Verfahren der künstlichen Ernährung um einen elastischen Kunstschlauch, welcher durch einen Schnitt durch die Bauchdecke in den Magen eingeführt wird.14

B.

Rechtsrahmen zur Behandlung

Jede medizinische Vornahme am Patienten erfordert drei Voraussetzungen, die zwingend vorliegen müssen. Erstens muss eine positive Indikation vorliegen, zweitens der dementsprechende Patientenwille und drittens muss die Behandlung fachgerecht durchgeführt werden, das heißt nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft. Dabei handelt es sich um die „Behandlungs-Trias“, das sind die juristischen Voraussetzungen für eine Behandlung.15

C.

Medizinische Indikationsstellung

Bei der Indikation handelt es sich um den Schlüsselbegriff für die medizinische Heilbehandlung. Liegt keine Indikation vor, so darf auch keine Behandlung durchgeführt werden.16

1. Definition Medizinische Indikation

Laut Definition handelt es sich um eine auf Evidenz basierende beruhende Bewertung, der Vor- und Nachteile einer medizinischen Maßnahme, immer im Hinblick auf ein konkretes Therapieziel, für den zu behandelnden Patienten.17

a) Evidenzbasierte Bewertung

Als erstes geht es um eine evidenzbasierte Bewertung. In die Bildung des Fachurteils fließen also medizinische Erkenntnisse ein, die auch eine Überprüfung eines Fachmannes überstehen müssen.18

13 Wirth/Volkert/Bauer/Schulz/Borchelt/Fleischhauer/Steinhagen-Tiessen/Sieber, Z Gerontol Geriat 21 (22) 14 May/Kreß/Verrel/Wagner, Patientenverfügungen 211f.

15 Halmich, Patientenverfügung 17. 16 Wallner, RdM 2017/69, 101. 17 Wallner, RdM 2017/69, 101 (102) 18 Wallner, RdM 2017/69, 101 (102)

(9)

b) Bewertung der Vor- und Nachteile und Festlegung eines Therapieziels

Hier muss der konkrete Nutzen, aber auch die möglichen Schäden, die im Zuge der Behandlung aufkommen könnten, erörtert werden. Bei der Bewertung der Vor- und Nachteile fließen auch rechtsethische Elemente mit ein. Die Festlegung eines Therapieziels ist von großer Relevanz, da man die Abwägung der Vor- und Nachteile nur im Hinblick auf ein bestimmtes Ziel vornehmen soll.19

Feststellung der Indikation:

Primär muss die Anamnese des einzelnen Patienten berücksichtigt werden. Im Rahmen der Anamnese erfolgt die Erfragung von Informationen bezüglich der Krankengeschichte des Patienten. Wenn sich dann auf Basis der Untersuchungen, die Diagnose einer Krankheit bestätigt, muss ein Therapieziel festgelegt und anschließend die in Frage kommenden Behandlungsoptionen erörtert werden. Daraus ergibt sich schlussendlich entweder eine positive oder eine negative Indikation der jeweiligen Behandlungsoptionen.20

2. Juristischer Rahmen einer Indikation:

Eine Indikation ist als Fachurteil der Ärzte anzusehen und bildet den Rahmen für die Aufklärung und Einwilligung des Patienten, den sogenannten informed consent.21

3. Hauptindikationsstellung einer PEG Sonde

Hauptindikation für die Applikation einer PEG-Sonde besteht in der Mangelernährung. Diese spielt gerade bei Demenzpatienten eine große Rolle. Folglich werden bei Demenzerkrankten PEG-Sonden häufig appliziert. 22 Es herrscht jedoch viel Kritik um dieses Verfahren, da oftmals

befürchtet wird, dass die Applikation einer PEG-Sonden aus Gründen der Erleichterung der Pflegesituation und/ oder aus ökonomischen Gründen gelegt werden.23 Es gibt allerdings

Leitlinien wie zB der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin, im Folgenden ÖGARI, die festlegen, wann die Legung einer Sonde tatsächlich medizinisch indiziert ist, aber dazu weiter unten mehr.24

19 Wallner, RdM 2017/69, 101 (102) 20 Wallner, RdM 2017/69, 101 (103) 21 Wallner, RdM 2017/69, 101 (102) 22 Birklbauer/Kröll, JMG 2018, 79. 23 Duttge, MedR 2017, 892 (89)

24 ÖGARI, Arbeitsgruppe Ethik in Anästhesie und Intensivmedizin, Therapiezieländerungen auf der Intensivstation – Definition, Entscheidungsfindung und Dokumentation,

https://www.oegari.at/web_files/dateiarchiv/editor/friesenecker_therapiezielaenderungen__ains_2013.pdf (abgefragt am 06.06.2019)

(10)

D.

Künstliche Ernährung in der Palliativmedizin

1. Palliativmedizin

Der Begriff „palliativ“ kommt aus dem lateinischen und wird auf „pallium“, das bedeutet Mantel, bzw „palliare“, was bedecken oder auch lindern heißt, zurückgeführt.25 Unter einem

Palliativpatient versteht man einen sterbenden Menschen, der darüber hinaus krank ist und Schmerzen bzw. einen hohen Leidensdruck empfindet. Bei diesen Patienten wird der Fokus darauf gelegt, Schmerzen zu lindern.26 Das Entscheidende bei der Palliativmedizin ist der

Wechsel des Therapieziels, indem man von einer bestmöglichen Wiederherstellung der Gesundheit, durch eine dementsprechende Therapie, zu einer symptomatischen Therapie und der Sterbebegleitung wechselt.27

a) Mangelernährung bei Demenzpatienten

Gewichtsverlust im höheren Alter spielt eine große Rolle. Speziell Personen im demenziellen Formenkreis sind von einer Mangelernährung gefährdet. Bei Patienten der Geriatrie steht die frühzeitige Vermeidung von Mangelernährung im Vordergrund.28 Die herrschenden Argumente

für die Anlage einer PEG bei Demenzpatienten sind die Verlängerung des Lebens, die Aufrechterhaltung der Lebensqualität, die Verhinderung der Aspirationspneumonie und der Mangelernährung.29 Diese Ansicht kann jedoch klinisch nicht bewiesen werden.30 Die

Applikation einer PEG bei Demenzpatienten ist in den meisten Fällen eher kontraindiziert. Zudem wird die Frage der Indikation meist zu spät gestellt.31

E.

Selbstbestimmungsrecht und Einwilligungsfähigkeit des Patienten

1. Das Recht auf Selbstbestimmung vs Medizin am Lebensende

Jede Entscheidung über eine medizinische Behandlung muss das Recht auf Selbstbestimmung miteinbeziehen.32 Aus diesen Rechten kann man ableiten, dass ein Eingriff

in die körperliche Integrität nur mit der dementsprechenden Einwilligung des Patienten zulässig ist.33 Gerade im letzten Lebensabschnitt befinden sich die Ärzte des Öfteren auf einer

Gratwanderung zwischen Selbst- und Fremdbestimmung.34 Demnach müssen gewisse

25 Schnell/Schulz, Basiswissen Palliativmedizin 4. 26 Schnell/Schulz, Basiswissen Palliativmedizin 26f. 27 Plauth, Gastroenterologe 2011, 380.

28 Wolff/Weihrauch, Internistische Therapie 64. 29 Duttge, MedR 2017, 892 (894)

30 Birklbauer/Kröll, JMG 2018, 78 31 Sieber, Malnutration im Alter, 200.

32 Sahm, Sterbebegleitung und Patientenverfügung 15f. 33 Halmich, Patientenverfügung 11.

(11)

Voraussetzungen vorliegen, dass der behandelnde Arzt einen Eingriff vornehmen darf und dieser dann gerechtfertigt ist. Die drei Voraussetzungen sind, wie oben bereits ausgeführt die positive Indikation, die Übereinstimmung mit dem Patientenwillen und die fachgerechte Durchführung.35

2. Der Patientenwille und das Instrument der Patientenverfügung a) Patientenwille

Die medizinische Maßnahme darf nur ausgeführt werden, wenn der Patientenwille vorliegt. Um diesen zu eruieren gibt es mehrere Möglichkeiten. Grundsätzlich gilt das Prinzip der Selbstbestimmung, das heißt, dass der Patient selbst einwilligt. Liegt ein Notfall vor und der Patient kann nicht einwilligen, darf die Notfallmaßnahme auch ohne Einwilligung durchgeführt werden. Wenn ein Patient aktuell nicht entscheidungsfähig ist, kann sekundär ein befugter Vertreter die Zustimmung erteilen.36

b) Das Instrument der Patientenverfügung

Es gibt jedoch auch das Instrument der Patientenverfügung, im Folgenden PV. Durch eine PV wird das Recht auf Selbstbestimmung auch in dem Falle gewahrt, in dem man nicht mehr entscheidungsfähig ist.37 Die gesetzliche Grundlage ist das PatVG.38 Die PV hat nur dann

Wirkung, wenn die Person die Behandlungsentscheidung nicht mehr selbst treffen kann. Die darin festgelegten Wünsche der Patienten müssen von den Ärzten beachtet werden.39 Eine

Umfrage zeigte jedoch, dass ein Drittel der befragetn Intensivmediziner noch keine Erfahrungen mit einer PV hatten.40

3. Terminale Phase ohne Patientenwille

Wenn eine volljährige Person wegen einer Krankheit nicht mehr selbst entscheiden kann, ist die Aktivierung einer Vertretung möglich. Man kann eine Vorsorgevollmacht errichten oder gewählte, gesetzliche oder gerichtliche Erwachsenenvertretung in Anspruch nehmen. Das Erwachsenenschutzgesetz hat die Sachwalterschaft im Juli 2018 abgelöst. Für den Behandlungsvertrag gelten die §§252-254 ABGB.41

35 Halmich, Patientenverfügung 14. 36 Halmich, Patientenverfügung 20. 37 Halmich, Patientenverfügung 33f.

38 Bundesgesetz vom 29.März 2006 über Patientenverfügungen (Patientenverfügungs-Gesetz – PatVG), BGBl. I 55/2006

39 Halmich, Patientenverfügung 33f.

40 ÖGARI, Arbeitsgruppe Ethik in Anästhesie und Intensivmedizin, Therapiezieländerungen auf der Intensivstation – Definition, Entscheidungsfindung und Dokumentation,

https://www.oegari.at/web_files/dateiarchiv/editor/friesenecker_therapiezielaenderungen__ains_2013.pdf (abgefragt am 06.06.2019) 222.

(12)

a) Ermittlung des mutmaßlichen Willens

Kann der Patientenwille nicht festgestellt werden, ist der vermeintliche Wille des Patienten zu ermitteln. Der mutmaßliche Wille steht unter dem Vorbehalt einer Vernünftigkeitskontrolle. Demnach wird der Interessenssaldo nach vernünftigen Maßstäben bestimmt.42

(1) Objektive Interessenslage

Liegen keine Indizien für einen mutmaßlichen Willen wie bspw einer Patientenverfügung, oder die Möglichkeit zur Befragung von nahen Angehörigen vor, so muss als letztes Mittel auf die objektive Interessenlage, in der sich der Patient befindet, zurückgegriffen werden. Stellt man darauf ab, kann man von einer Einwilligung des Patienten nur ausgehen, wenn ihm die Behandlung einen dementsprechenden Vorteil bringt.43

b) Ärztliche Grundsätze, wenn kein Patientenwille vorliegt

Grundsätzlich gilt die Unterstützungspflicht. Das heißt, dass der Arzt Kontakt mit den Angehörigen des Patienten aufnehmen muss. Diese sollen den Patienten dann bei der Entscheidung unterstützen. Zudem gilt es die Zustimmung des Vertreters einzuholen. Die Zweifelsregel ist, dass man, im Falle einer medizinisch indizierten Behandlung, davon ausgehen kann, dass der Patient die Behandlung wünscht.44

4. Rechte und Pflichten aus dem Behandlungsvertrag

Aus dem Behandlungsvertrag resultieren bestimmte Hauptpflichten, wie die fachgemäße Behandlung und die ärztliche Aufklärung.45 Der Arzt soll seine Pflichten, die ihm im Rahmen

des Behandlungsvertrages treffen, sorgfältig erfüllen und der Patient soll den Arzt dafür dementsprechend entlohnen.46 In Österreich gilt das allgemeine Schadenersatzrecht für Ärzte.

Für ärztliche Handlungen gibt es keine Haftungsprivilegien und somit kann bereits ein fahrlässiges Fehlverhalten zu einer Haftung des Arztes wegen einer Pflichtverletzung führen.47

Eine Pflichtverletzung ist meist ein Behandlungsfehler, oder die fehlerhafte Aufklärung.48

a) Die ärztliche Aufklärungspflicht

Die ärztliche Aufklärungspflicht dient der Respektierung des Selbstbestimmungsrechts, das dem Patienten zusteht. Durch die auferlegte Pflicht soll der Patient vor schädlichen Eingriffen bewahrt werden. Die Aufklärungspflicht umfasst auch die Aufklärung über den

42 Joerden/Hilgendorf/Thiele, Menschenwürde und Medizin 232. 43 Joerden/Hilgendorf/Thiele, Menschenwürde und Medizin 232. 44 Joerden/Hilgendorf/Thiele, Menschenwürde und Medizin 232.

45 Barta, Zivilrecht Online – Grundriss und Einführung in das Rechtsdenken,

https://www.uibk.ac.at/zivilrecht/buch/autorenliste.html (abgefragt am 22.06.2019) 679f. 46 Alfred Tanczos/Dalia Tanczos, Arzthaftung2 3.

47 Resch/Wallner, Handbuch Arzthaftung, Rz 1. 48 Resch/Wallner, Handbuch Arzthaftung, Rz 22.

(13)

Therapieverlauf.49 Liegt eine fehlerhafte Aufklärung vor, so ist entscheidend, ob der Patient bei

richtiger Aufklärung in die Behandlung eingewilligt hätte. Das Verhalten des Arztes ist nur dann ursächlich für den Schaden, wenn dieses auch geeignet ist den Schaden herbeizuführen.50

Dies liegt nicht vor, wenn bloß eine Verkettung ungünstiger Umstände den Schaden herbeiführt. Im Allgemeinen kann gesagt werden, dass die Folgen eines ärztlichen Rates oder eines Fehlers bei der Behandlung bzw der Verletzung des Behandlungsvertrages immer innerhalb der allgemeinen Lebenserfahrung liegen und somit ursächlich für den entstandenen Schaden sind.51

5. Ethische und Juristische Aspekte

Gerade im letzten Lebensabschnitt erlangen ethische und juristische Aspekte eine hohe Relevanz, denn nicht alle medizinischen Eingriffe bringen gleichzeitig den Nutzen für den jeweiligen Patienten.52 Es ist fraglich, ob eine häufige Anwendung von PEG-Sonden ethisch

gerechtfertigt ist, denn immer mehr Vertreter fordern, den Verzicht einer künstlichen Ernährung mittels PEG-Sonde. Gerade die Angehörigen sind sich meist unsicher, ob die Aufrechterhaltung des Lebens mit einer Sonde die richtige Entscheidung ist. Für die Ärzte und Betreuer wird eine PEG-Sonde oftmals routinemäßig appliziert, ohne eine ethische Analyse vorzunehmen. Diese gravierenden Mängel zeigen, dass man die empirische Evidenz und die ethische Analyse zusammenführen muss, um eine Entscheidung fällen zu können. Zu dieser Analyse werde ich weiter unten Bezug nehmen.53

III.

Urteil des BGH Karlsruhe

54

Nun komme ich zum eigentlichen Fall, der sich durch diese Diplomarbeit zieht.

1. Schilderung des Sachverhalts

Im gegenständlichen Fall handelt es sich um einen Mann (infolge Patient), der am 19.10.2011 verstorben ist. Sein Sohn machte nach dem Tod seiner Vaters, gegen den Beklagten, den Hausarzt des Mannes, Schadenersatzansprüche geltend, da dieser die künstliche Ernährung, mit einer PEG-Sonde, in den Jahren 2010 und 2011 bei seinem Vater länger als nötig aufrechterhalten habe. Der Kläger findet, dass es dadurch zu einer sinnlosen Leidens- und Lebensverlängerung seines Vaters gekommen ist. Wegen seiner Demenzerkrankung stand

49 Barta, Zivilrecht Online – Grundriss und Einführung in das Rechtsdenken,

https://www.uibk.ac.at/zivilrecht/buch/autorenliste.html (abgefragt am 22.06.2019) 679f. 50 Resch/Wallner, Handbuch Arzthaftung Rz 16f.

51 Resch/Wallner, Handbuch Arzthaftung Rz 16f. 52 Halmich, DAG 2016/38, 81.

53 Synofzik, Nervenarzt 2007, 418.

(14)

der Patient von September 1997 bis zu seinem Tod unter Betreuung eines Rechtsanwalts. Diese Betreuung umfasste die Gesundheitsfürsorge, aber auch die Personensorge. Ab 2006 lebte der Patient in einem Pflegeheim. Im September 2006 wurde dem Patienten schlussendlich wegen Mangelernährung und Austrocknung des Körpers mit Einwilligung des Rechtsanwalts, eine PEG-Sonde gelegt, durch diese er bis zu seinem Tod künstlich ernährt wurde.55

Beim Beklagten handelt es sich, wie bereits erwähnt um den Hausarzt des Patienten. Er betreute ihn seit dem Frühjahr 2007. Es gab weder eine Patientenverfügung, noch konnte man den mutmaßlichen Willen anderweitig feststellen. Schon 2003 war die dementielle Erkrankung weit fortgeschritten und zudem wurde eine mutistische Störung diagnostiziert, durch die seit 2008 jegliche Kommunikation unmöglich geworden ist. Zudem war der Patient seit 2003 nicht mehr fähig, sich eigenständig fortzubewegen.56

Der streitgegenständliche Raum reicht vom 1. Januar 2010 bis 19. Oktober 2011. In diesem Zeitraum hatte der Patient regelmäßig Fieber, Atembeschwerden und Druckgeschwüre. Außerdem wurde mehrmals eine Lungenentzündung festgestellt. Wegen einer Gallenblasenentzündung mit zwei Abszessen, befand sich der Patient von Ende Mai bis Mitte Juni 2011 in stationärer Behandlung. Während dieser wurde wegen des schlechten Allgemeinzustandes des Patienten von einer Operation abgesehen. Wegen einer Aspirationspneumonie erfolgte am 8.Oktober 2011 abermals eine stationäre Aufnahme. Es wurde abermals auf eine intensivmedizinische Behandlung verzichtet. Kurz darauf, am 19. Oktober, verstarb der Patient im Krankenhaus.57

Der Sohn des Patienten ist der Meinung, dass die Ernährung mittels PEG-Sonde spätestens ab Anfang 2010 nicht mehr medizinisch indiziert gewesen sei und auch von keinem Patientenwillen gerechtfertigt war. Er war der Meinung, dass der Beklagte das Therapieziel ändern hätte müssen und zwar hätte er das Sterben unter palliativmedizinischer Betreuung, durch die Beendigung der künstlichen Ernährung zulassen müssen. Der Sohn behauptet außerdem, dass der Arzt den Betreuer seines Vaters nicht hinreichend aufgeklärt habe und keine Indikation mehr bestanden hat. Demzufolge forderte er seinen ererbten Anspruch auf Schmerzensgeld und das entstandene Geld für die im streitgegenständlichen Raum entstandenen Behandlungs- und Pflegekosten.58

55 BGH Karlsruhe, 2.4.2019, VI ZR 13/18, BeckRS 2019, 6883 Rz 2. 56 BGH Karlsruhe, 2.4.2019, VI ZR 13/18, BeckRS 2019, 6883 Rz 3,4. 57 BGH Karlsruhe, 2.4.2019, VI ZR 13/18, BeckRS 2019, 6883 Rz 4,5. 58 BGH Karlsruhe 2.4.2019, VI ZR 13/18, BeckRS 2019, 6883 Rz 6, 7.

(15)

a) Entscheidung des Landesgerichts München und OLG

Das Landesgericht hat die Klage im Urteil 9 O 5246/14 abgewiesen.59 Der Kläger hat daraufhin

Berufung erhoben und das OLG hat ihm ein Schmerzensgeld zugesprochen. Das hat das OLG damit begründet, dass der Arzt im Rahmen seiner ihm treffenden ärztlichen Aufklärungspflicht, die Frage der Aufrechterhaltung des Lebens, mit dem Betreuer eingehend erörtern hätte müssen. Durch die Verletzung der ärztlichen Pflichten hat der Patient eine unnötige Leidens- und Lebensverlängerung erlitten und somit ist dem Kläger ein Schadenersatz zuzusprechen.60

b) Entscheidung des Bundesgerichtshofs Karlsruhe

Der Zivilsenat, der für das Arzthaftungsrecht zuständig ist, hat auf die Revision des Beklagten das die Klage abweisende Urteil des LG München wiederhergestellt. Der BGH Karlsruhe entschied, dass dem Beklagten kein Schmerzensgeld zusteht, da es an einem immateriellen Schaden fehlt. Im Fall steht dem Weiterleben das Sterben gegenüber und der BGH stützt das Urteil vor allem darauf, dass gem Art 1 Abs 1, Art 2 Abs 2 S 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland das menschliche Leben ein höchstrangiges Rechtsgut ist und auf jeden Fall erhaltungswürdig ist. Im Urteil ging es vor allem darum, dass es keinem anderem zusteht über das Leben Dritter zu entscheiden. Dem Kläger wurde auch kein Ersatz der entstandenen Pflegekosten zugesprochen, da der Schutzzweck ärztlichen Aufklärungs- und Behandlungspflichten nicht darin liegt, wirtschaftliche Belastungen, die im Weiterleben entstanden sind, zu verhindern.61

c) Kritik am Urteil des BGH Karlsruhe

Auf die Entscheidung wurde in Bezug auf die zivilrechtlichen Aspekte äußert kritisch reagiert. Strafrechtlich hat die Entscheidung nichts neues hervorgebracht. Wenn der Arzt die künstliche Ernährung nicht durchführt, wenn es an der medizinischen Indikation fehlt und keinerlei Aussicht auf Besserung besteht, macht er sich nicht strafbar, wenn er die künstliche Ernährung unterlässt, oder abbricht. Strafrechtlich geht es nämlich um die konkrete Wirksamkeit und Verhältnismäßigkeit der durchzuführenden Maßnahme und das im Hinblick auf ein festgelegtes Therapieziel. Außerdem entfällt eine Strafbarkeit, wenn der Patientenwillen berücksichtigt wird, die künstliche Ernährung wegen der fehlenden Zustimmung unterlassen wird, oder die Verweigerung aus einer PV, oder dem mutmaßlichen Willen des Patienten ersichtlich ist.62 Wenn man die Entscheidung unter zivilrechtlichen Aspekten beleuchtet sieht

das jedoch anders aus. Der BGH hat sich nicht mit der Frage beschäftigt, wie sich der Patient

59 LG München I 18.1.2017, 9 O 5246/14

60 BGH Karlsruhe, 2.4.2019, VI ZR 13/18, BeckRS 2019, 6883 Rz 7. 61 Pressestelle des BGH Karlsruhe,

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&nr=94143&linked=pm (abgefragt am 27.08.2019).

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entschieden hätte, wenn er noch entscheidungsfähig gewesen wäre. In Folge dessen ist er der Frage ausgewichen, ob die Missachtung des Willens des zu behandelnden Patienten, eine Schadensersatzpflicht begründen könnte. Nach der jetzigen Rechtslage wäre der Patient gegen eine so gennannte Übertherapie des Arztes immer machtlos, weil kein konkreter Schaden besteht. Selbst ein vorzeitig erklärter Patientenwille würde das nicht ändern, weil mangels Vorliegens eines Schadens, keine Schadenersatzpflicht begründet werden kann. Zudem hat der BGH den Ersatz der entstandenen Therapiekosten untersagt. Hierbei hat er gegen den Grundsatz der vertraglich vereinbarten Dienstleistungen gehandelt, der besagt, dass der Dienstleister haftet, wenn die konkrete Leistung nicht wie vereinbart durchgeführt worden ist. Würde er dem Grundsatz folgen, so könnte sich die Einrichtung, die die Behandlung durchführt vom Patienten, oder dem Zahlungspflichtigen keine Zahlung fordern, wenn die Behandlung nicht ordnungsgemäß durchgeführt wird.63

IV.

Rechtslage in Österreich

Es sind drei Fallkonstellationen bezüglich des strafrechtlichen Rahmens bei Therapien am Lebensende zu unterscheiden. Zum einen das verbotene aktive Ingangsetzen des Sterbeprozesses, das erlaubte Zulassen des Sterbens und die Zulässigkeit einer Therapiezieländerung um die Symptome zu lindern, im Rahmen einer palliativmedizinischen Behandlung.64

1. Sterbehilfe – Verbotenes, aktives Ingangsetzen des Sterbeprozesses

In Österreich gilt das Verbot der aktiven Sterbehilfe. Strafbar ist die aktive Lebensbeendigung eines Patienten, durch eine medizinische Maßnahme, beispielsweise durch eine gezielte Tötung durch Medikation. Der Sterbeprozess wird demnach durch einen Dritten in Gang gesetzt.65 Sterbehilfe liegt in unserem Fall jedoch nicht vor, da der Arzt die lebenserhaltende

Maßnahme fortgesetzt hat und somit für das Leben, also pro vita, gehandelt hat.66

2. Eigenmächtige Heilbehandlung gem §110 StGB

§110 StGB schützt die freie Zustimmung zu einer medizinischen Behandlung. Demnach steht es jedem selbst zu, Eingriffe am eigenen Körper zuzulassen oder nicht.67 Dadurch wird auch

die generelle Behandlungspflicht von Ärzten eingeschränkt, denn diese endet dann, wenn der Patient die Fortsetzung untersagt.68 Dieses Delikt kann in unserem Fall einschlägig sein, da 63 Birklbauer, JMG 2019, 69 (71, 72)

64 Halmich, DAG 2016/38, 81 (82) 65 Halmich, DAG 2016/38, 81 (82)

66 BGH Karlsruhe, 2.4.2019, VI ZR 13/18, BeckRS 2019, 6883 RZ 1f. 67 Birklbauer/Hilf/Tipold, Strafrecht Besonderer Teil I, §110 Rz 1. 68 Birklbauer/Hilf/Tipold, Strafrecht Besonderer Teil I, §110 Rz 2.

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der Arzt in unserem Ausgangssachverhalt die Behandlung ohne medizinische Indikation und ohne Einholung der Zustimmung eines gesetzlichen Vertreters fortsetzt.69

Jedoch handelt es sich bei §110 StGB um ein Privatanklagedelikt, was bedeutet, dass die praktische Relevanz äußerst gering ist.70 Wenn es sich also um einen nicht mehr

entscheidungsfähigen Patienten handelt, wird dieser nicht mehr in der Lage sein eine Privatanklage zu erheben. Da mit einem Privatanklageverfahren erhebliche Kosten verbunden sind, werden auch die vertretungsbefugten eher zurückhaltend mit dem Privatanklagedelikt umgehen.71 Somit ist auch dieses Delikt in unserem Fall nicht einschlägig.

3. Quälen oder Vernachlässigen unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen gem §92 StGB

Wenn man die Weiterbehandlung des Arztes als „Quälen“ einstuft, könnte §92 StGB einschlägig sein. Demnach muss zunächst erörtert werden, ob die Norm im vorliegenden Fall anzuwenden ist und es muss vor allem die Frage geklärt werden, ob ein Arzt in den Anwendungsbereich des §92 StGB fällt.72

Im Abs 1 wird derjenige bestraft, der einer anderen Person entweder körperliche oder aber auch seelische Qualen zufügt. Im Abs 1 liegt der Erfolg in den Qualen, die dem Opfer zugefügt worden sind. Im Abs 2 liegt die Tathandlung im gröblichen Vernachlässigen der Pflicht zur Fürsorge oder Obhut. Bei beiden Absätzen handelt es sich um Erfolgsdelikte.73

Abs 1 ist ein Vorsatzdelikt und daher muss in Bezug auf alle Tatbestandsmerkmale ein Eventualvorsatz vorliegen. Beim Abs 2 muss der Täter sowohl auf die Täter- und Opfereigenschaft, als auch auf die Tathandlung Eventualvorsatz haben. Das gröbliche Vernachlässigen des Abs 2 muss als Erfolg zu einer beträchtlichen Schädigung an der Gesundheit, oder der körperlichen, oder geistigen Entwicklung des Opfers führen, hierfür genügt jedoch Fahrlässigkeit.74

Das geschützte Rechtsgut liegt beim §92 in der körperlichen und seelischen Integrität des Opfers.75

69 Birklbauer/Hilf/Tipold, Strafrecht Besonderer Teil I, §110 Rz 11. 70 Birklbauer/Hilf/Tipold, Strafrecht Besonderer Teil I, §110 R 4. 71 Birklbauer/Kröll, JMG 2018, 78.

72 Birklbauer/Hilf/Tipold, Strafrecht Besonderer Teil I, §92 Rz 1. 73 Birklbauer/Hilf/Tipold, Strafrecht Besonderer Teil I, §92 Rz 1. 74 Birklbauer/Hilf/Tipold, Strafrecht Besonderer Teil I, §92 Rz 2. 75 Birklbauer/Hilf/Tipold, Strafrecht Besonderer Teil I, §92 Rz 4.

(18)

In Folge wird auf den Fall des BGH Karlsruhe Bezug genommen und erörtert, ob sich der Arzt gem §92 strafbar macht.

(1) Die Tatbestandsmerkmale des §92 StGB

Bei §92 StGB handelt es sich um ein Sonderdelikt. Unmittelbarer Täter kann nur sein, wem gegenüber einer Person Fürsorge- oder Obsorgeverpflichtungen zukommen.76 Es stellt sich

zunächst die Frage, was man unter den eben genannten Verpflichtungen versteht und ob ein Arzt darunterfällt. Darauf werde ich unter (1) lit c Bezug nehmen.

Als Opfer ist anzusehen, wer das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, oder unter einer geistigen Behinderung leidet, gebrechlich ist oder unter einer schweren Krankheit leidet und dadurch wehrlos ist. Unter einer Gebrechlichkeit versteht man eine dauernde körperliche Behinderung der Bewegungsfreiheit. Bestehende Krankheiten begründen eine Schwächung der Abwehrkräfte.77

In unserem Ausgangsfall handelt es sich um einen Demenzpatienten, der nicht mehr geschäftsfähig war und wegen seiner Demenzerkrankung von 1997 bis zu seinem Tod, im Jahre 2011, unter Betreuung eines Rechtsanwalts stand. Somit war er bereits zu Beginn des Behandlungsvertrages und auch bei der Legung der PEG-Sonde im September 2006 geschäftsunfähig.78 Durch seine Demenzerkrankung leidet er unter einer schweren Krankheit

und ist dadurch wehrlos. Die Opfereigenschaft des §92 StGB ist somit erfüllt.79

(a) Tatbestandsmerkmale des Abs 1

Den §92 Abs 1 begeht, wer einem anderen, der in seiner Fürsorge oder Obhut untersteht und der das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, oder wegen Gebrechlichkeit, Krankheit oder einer geistigen Behinderung wehrlos ist, vorsätzlich körperliche oder auch seelische Qualen zufügt.80

(b) Tatbestandsmerkmale des Abs 2

Den §92 Abs 2 begeht, wer seine Verpflichtung zur Fürsorge oder Obhut, gegenüber einem anderen, der das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder wegen Gebrechlichkeit, Krankheit oder einer geistigen Behinderung wehrlos ist, vorsätzlich, gröblich vernachlässigt und dadurch, wenn auch nur fahrlässig, dessen Gesundheit oder dessen körperliche oder geistige Entwicklung beträchtlich schädigt.81

76 Jerabek in WK2, §92 Rz 3.

77 Birklbauer/Hilf/Tipold, Strafrecht Besonderer Teil I, §92 Rz 7. 78 BGH Karlsruhe, 2.4.2019, VI ZR 13/18, BeckRS 2019, 6883 Rz 2. 79 Birklbauer/Hilf/Tipold, Strafrecht Besonderer Teil I, §92 Rz 7. 80 Jerabek in WK2 §92 Rz 1f.

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(c) Definition einer Fürsorgeverpflichtung

Bei beiden Absätzen muss dem Täter, dem Opfer gegenüber eine Fürsorge- oder Obsorgeverpflichtung treffen.82 Unter einer Fürsorgepflicht versteht man die rechtliche

Verpflichtung, sich um das seelische oder körperliche Wohl einer anderen Person zu sorgen. Der Fürsorgepflichtigen Person kommt eine Art Beschützerfunktion für einen längeren Zeitraum zu und ist daher von einer längeren Abhängigkeit geprägt. Hiervon sind alle Rechtsverhältnisse umfasst, welche diese Pflicht auferlegen, dem Fürsorgepflichtigen eine Beschützerstellung einräumen.83 Die Fürsorgepflicht resultiert bspw aus dem Gesetz, sie kann

auf einem behördlichen Auftrag beruhen oder auf einem Vertrag. Als Beispiele sind die Eltern, Babysitter, Tagesmütter, Pfleger in Altersheimen oder Sachwalter zu nennen.84

Es stellt sich jedoch die Frage, ob auch Ärzte unter diesen Tatbestand zu subsumieren sind. Fallen die Pflichten die aus einem Behandlungsvertrag resultieren, wie die Behandlung nach fachgerechtem, objektivem Standard und die gewissenhafte Betreuung iSd ÄrzteG unter den Tatbestand?85 Dem OGH zufolge entspricht ein ärztlicher Behandlungsvertrag selbst bei

wiederholtem Kontakt zwischen dem Arzt und dem Patienten noch nicht den Voraussetzungen einer Fürsorgepflicht iSd §92. Dies resultiert aus der vergangenen Entscheidung 13 Os 163/11m. 86 Hierbei handelte es sich jedoch um einen Behandlungsvertrag, der sich bloß über

über zwei Wochen erstreckte. Zudem ging es in diesem Fall um einen Behandlungsvertrag, der von den Eltern eines minderjährigen Kindes mit dem Arzt abgeschlossen wurde.87 In

unserem Fall handelt es sich jedoch um einen deutlich längeren Zeitraum und der Behandlungsvertrag wurde vom Erwachsenenschutzvertreter des Patienten abgeschlossen.88

Den vorliegenden Tatsachen zufolge treffen den behandelnden Arzt durchaus Fürsorgeverpflichtungen iSd §92 StGB, da diese im vorliegenden Fall anders zu beurteilen ist, als in dem vom OGH entschiedenen Fall. Vor allem deswegen, weil der Patient schon beim Eingehen des Behandlungsvertrages mit dem Arzt geschäftsunfähig war und einen Betreuer an seiner Seite hatte, der seit 1997 für die Gesundheits- und Personenfürsorge zuständig war. Der Betreuer handelt als Erwachsenenschutzvertreter iSd §§252ff ABGB. Der Arzt muss im stetigen Kontakt mit dem Betreuer sein und seine Aufklärungspflichten hinsichtlich der Behandlung erfüllen. Er hat für das körperliche und seelische Wohl seines Patienten zu sorgen und demnach auch Rücksprache mit dem bestellten Vertreter zu halten, da keine

82 Birklbauer/Hilf/Tipold, Strafrecht Besonderer Teil I, §92 Rz 6. 83 Zagler in SbgK40 §92 Rz 8

84 Jerabek in WK2, §92 Rz 4.

85 Bundesgesetz vom 29.März 2006 über Patientenverfügungen (Patientenverfügungs-Gesetz – PatVG), BGBl. I 55/2006

86 Jerabek in WK2 §92 Rz 4.

87 Birklbauer/Kröll, JMG 2018, 78 (81)

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Patientenverfügung vorgelegen ist und der mutmaßliche Wille nicht mehr festgestellt werden konnte.89 Aus der ärztlichen Aufklärungspflicht, die auch eine Aufklärung über den

Therapieverlauf verlangt, resultiert demnach eine Fürsorgepflicht aus dem Behandlungsvertrag.90 Die hausärztliche Betreuung reichte vom Frühjahr 2007 bis zum Tod

des Patienten im Herbst 2011. Das Rechtsverhältnis war also durchaus von einer längeren Abhängigkeit geprägt. Der Arzt hat sich nicht ausreichend bemüht, Kontakt mit dem Rechtsanwalt aufzunehmen, um mit ihm die Fortführung der künstlichen Ernährung durch die PEG-Sonde zu erörtern, was jedoch aufgrund der Symptome, die der Patient aufwies, nötig war.91 Demnach handelt es sich um eine Pflichtverletzung des Arztes und zwar um eine

Verletzung einer aus dem Behandlungsvertrag entsprungenen Pflicht, der Fürsorgepflicht bzw. der Aufklärungspflicht gegenüber dem Vertreter zu handeln. Den geschilderten Tatsachen zufolge ist die Tätereigenschaft erfüllt.92

(d) Tathandlung des Abs 1 (Zufügung von Qualen)

Die Tathandlung des Abs 1 liegt im Zufügen von körperlichen oder auch seelischen Qualen.93

Unter Qualen versteht man über längere Zeit anhaltende Schmerzen, Leiden oder auch Angstzustände, welche das psychische, oder physische Wohl enorm beeinträchtigen. Man unterscheidet körperlichen und seelischen Qualen. Der Erfolg, der durch die Qualen hervorgerufen worden ist, muss mit der Tathandlung in Zusammenhang stehen. Die Qualen müssen eine gewisse Zeit andauern.94

(e) Definition einer wehrlosen/gebrechlichen Person

Wehrlose Person: Eine Wehrlosigkeit ist gegeben, wenn wegen der dementsprechenden

Schwächung keine Abwehrhandlung möglich ist.95 Demnach versteht man unter einer

wehrlosen Person jemanden, der sich nicht gegen Angriffe wehren kann, oder sich nicht dementsprechend verteidigen kann. Diese Angriffe können entweder im Quälen oder Vernachlässigen liegen.96

Gebrechliche Person: Eine Person ist gebrechlich, wenn sie in ihrer Bewegungsfreiheit

beschränkt ist.97

89 BGH Karlsruhe, 2.4.2019, VI ZR 13/18, BeckRS 2019, 6883 Rz 2-7. 90 Barta, Zivilrecht Online – Grundriss und Einführung in das Rechtsdenken,

https://www.uibk.ac.at/zivilrecht/buch/autorenliste.html (abgefragt am 22.06.2019) 679f. 91 BGH Karlsruhe, 2.4.2019, VI ZR 13/18, BeckRS 2019, 6883 Rz 2-7.

92 Birklbauer/Hilf/Tipold, Strafrecht Besonderer Teil I, §92 Rz 6. 93 Birklbauer/Hilf/Tipold, Strafrecht Besonderer Teil I, §92 Rz 8. 94 Jerabek in WK2-§92 Rz 12.

95 Birklbauer/Hilf/Tipold, Strafrecht Besonderer Teil I, §92 Rz 8. 96 Jerabek in WK2 §92 Rz 7ff.

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(f) Ergebnis Abs 1

Dem Patienten werden im vorliegenden Fall körperliche und seelische Qualen zugefügt, da er durch das Aufrechterhalten des Lebens, obwohl keine medizinische Indikation vorliegt, in seiner Freiheit beschränkt wird und einer unnötige Leidens- und Lebensverlängerung erlegen war. Der Zeitraum, in dem keine medizinische Indikation vorgelegen ist, reichte vom 1. Januar 2010 bis 19. Oktober 2011 und somit liegen Qualen von einer gewissen Dauer vor. Zusätzlich handelt es sich in unserem Fall um eine wehrlose und gebrechliche Person. Der Patient konnte wegen einer mutistischen Störung ab 2008 nicht mehr kommunizieren und sich seit 2003 nicht mehr eigenständig bewegen und erfüllt somit die Tatbestandsmerkmale der Wehrlosigkeit und Gebrechlichkeit erfüllt. Er kann sich nicht gegen die Eingriffe des Arztes wehren und ist daher als wehrlos anzusehen.98

Der Erfolg steht mit der Tathandlung im Zusammenhang. Hätte der Arzt Rücksprache mit dem Betreuer gehalten, so hätte dieser dem Arzt eine eventuelle Therapiezieländerung vorgeschlagen und der Erfolg wäre nicht eingetreten. Der Arzt handelte hinsichtlich aller Tatbestandsmerkmale zumindest mit Eventualvorsatz. Er unterlässt es, mit dem Betreuer Kontakt aufzunehmen und ein konkretes Therapieziel auszuarbeiten. Somit nimmt er es in Kauf, dass der Patient eventuelle Qualen erleiden könnte und findet sich schlussendlich damit ab.99

(g) Tathandlung des Abs 2 (gröbliche Pflichtvernachlässigung)

Beim Abs 2 liegt die Tathandlung im gröblichen Vernachlässigen der Fürsorgeverpflichtung. Ein Fall der gröblichen Vernachlässigung liegt vor, wenn zwischen den Verpflichtungen und dem Erbrachten ein grobes Missverhältnis besteht.100 Der Abs 2 ist an strengere

Voraussetzungen gebunden, da die Verletzung der Pflichten auch Personen, die ihre Fürsorge- oder Obsorgepflichten mit Bedacht wahrnehmen, passieren können.101

i. Gröbliche Pflichtverletzung und gröbliche Vernachlässigung

Eine Pflichtverletzung ist nur dann vom Tatbestand erfasst, wenn diese gröblich erfolgt ist. Die gröbliche Vernachlässigung liegt dann vor, wenn sich diese über einen längeren Zeitraum erstreckt, oder wenn es sich um eine wiederkehrende Vernachlässigung handelt. Man vernachlässigt eine Person dann, wenn man keine Bereitschaft aufzeigt, seinen Pflichten nachzukommen. Wenn der Täter die Handlung gut meint, diese aber aus objektiver Sicht falsch ist, ist das in der Regel nicht vom Abs 2 erfasst.102

98 BGH Karlsruhe, 2.4.2019, VI ZR 13/18, BeckRS 2019, 6883 Rz 2-7. 99 BGH Karlsruhe, 2.4.2019, VI ZR 13/18, BeckRS 2019, 6883 Rz 2-7. 100 Birklbauer/Hilf/Tipold, Strafrecht Besonderer Teil I, §92 Rz 11. 101 Jerabek in WK2 §92 Rz 14, 15.

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ii. Veranlassung eines beträchtlichen Schadens

Die zweite Voraussetzung ist die Veranlassung eines beträchtlichen Schadens, entweder an der Gesundheit, der geistigen oder der körperlichen Entwicklung des Schutzbefohlenen durch die begangene Pflichtverletzung. Für eine Gesundheitsschädigung wird meist von einem Richtwert von etwa vierzehn Tagen ausgegangen.103

iii. Zusammenhang zwischen Vernachlässigung und Schaden

Es muss ein Zusammenhang zwischen der Vernachlässigung und dem Schaden sein. Es kommt darauf an, ob der Erfolg mit großer Wahrscheinlichkeit wegzudenken ist, wenn die vom Täter pflichtwidrig unterlassene Handlung hinzugedacht wird. Pflichtverletzungen, die auch pflichtbewussten Menschen unterlaufen, scheiden aus.

Aus dem Begriff Vernachlässigen ist ersichtlich, dass der Tatbestand primär einen erheblichen Mangel an Bereitschaft, seinen Pflichten nachzukommen, meist Untätigkeit erfasst.104

Wie bereits erwähnt handelt es sich beim Abs 2 um ein echtes Unterlassungsdelikt, da es sich beim Vernachlässigen um ein Unterlassen handelt. Der Täter muss sowohl auf seine Eigenschaft als Fürsorgepflichtigen, auf die Opfereigenschaft, als auch auf die Tathandlung einen Eventualvorsatz haben. Für den Erfolg ist Fahrlässigkeit ausreichend.105

iv. Ergebnis Abs 2

In unserem Fall hat der Arzt seine Fürsorgepflicht aus dem Behandlungsvertrag gröblich verletzt. Er hat nicht dafür gesorgt, dass er eine Absprache mit dem Betreuer macht und folglich wurde die lebensverlängernde Maßnahme ohne Erörterung eines Therapieziels fortgesetzt. Zwischen den Verpflichtungen des Arztes und dem Erbrachten besteht ein grobes Missverhältnis. Die gröbliche Vernachlässigung erstreckt sich zudem über einen längeren Zeitraum, und zwar vom 1. Januar 2010 bis 19. Oktober 2011, da in diesem Zeitraum keine medizinische Indikation mehr vorgelegen ist. Er hat nicht die Bereitschaft gezeigt seinen ärztlichen Verpflichtungen nachzukommen. Dadurch hat er einen beträchtlichen Schaden hervorgerufen, und zwar eine sinnlose Leidens- und Lebensverlängerung, die man als Quälen ansehen kann. Der Richtwert von vierzehn Tagen wird im vorliegenden Fall deutlich überschritten. Zwischen der Vernachlässigung und dem Schaden besteht außerdem ein Zusammenhang. Hätte der Arzt seine Aufklärungspflicht nicht pflichtwidrig unterlassen, so wäre der Erfolg, des unnötigen Quälens wegzudenken, da der Betreuer höchstwahrscheinlich eine Therapiezieländerung vorgeschlagen hätte. Der Arzt hat mit dem Behandlungsvertrag gewissen Pflichten übernommen und ist diesen nicht nachgekommen. Sein Verhalten war von

103 Jerabek in WK2 §92 Rz 16. 104 Jerabek in WK2 §92 Rz 18.

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Untätigkeit geprägt. Auch hinsichtlich dieser Tatbestandsmerkmale liegt zumindest Eventualvorsatz vor.106

(2) Ergebnis:107

Wenn wir den Fall des BGH Karlsruhe heranziehen, so sind Abs 1 und Abs 2 einschlägig. Der Arzt macht sich den vorliegenden Tatsachen zufolge wegen „Quälens“ iSd §92 StGB strafbar.

4. Erlaubtes Zulassen des Sterbevorgangs versus eigenmächtige Änderung des Therapieziels durch den Arzt

Ein Arzt ist aus rein rechtlicher Sicht nicht verpflichtet, ein Leben zu verlängern, wenn der Sterbevorgang bereits begonnen hat und keine Besserung des Lebenszustands mehr in Sicht ist. Durch das sowohl rechtlich, als auch ethisch gebotene Zulassen eines natürlichen Todesvorgangs, soll bei Patienten verhindert werden, dass sie durch wirkungslose und unverhältnismäßige medizinische Vorgangsweisen, wie in unserem Fall dem Setzen von PEG-Sonden, das Leben unnötig verlängert wird. Demnach führt die Unterlassung einer lebenserhaltenden Maßnahme, bzw die Beendigung einer solchen, bei fehlender medizinischer Indikation zu keinem Vorwurf der unterlassenen Hilfeleistung und hat keine strafrechtliche Bedeutung im Hinblick auf die Sterbehilfe-Debatte. In genau solchen Fällen bedarf es einer Therapiezieländerung, in Richtung Palliative Care.108

(1) Palliative Care

Hierbei steht die Lebensqualität des Patienten im Rahmen einer Palliativbetreuung im Mittelpunkt. Unter Palliative Care versteht man die Begleitung, Beratung und Versorgung von schwerkranken Menschen, die einer nicht mehr zu heilenden Grunderkrankung erlegen sind.109 In der Praxis kommt es dann zu einem sukzessiven Therapierückzug und die

Palliativmedikation wird immer mehr gesteigert.110 Eine Palliativbehandlung kann unter

gewissen Umständen lebensverlängernd wirken. Beispielsweise indem man die Lebensqualität durch eine Optimierung der Atemsituation, der Beherrschung von Angst, Übelkeit und Schmerzen das Leben verlängert. Wenn eine Heilbehandlung keine kurativen Erfolge zeigt, kommt es in der Regel zu einer Änderung des Therapieziels. Der Vorgang des Sterbens wird als Prozess angesehen. Diesen gilt es weder zu beschleunigen noch zu

106 BGH Karlsruhe, 2.4.2019, VI ZR 13/18, BeckRS 2019, 6883 Rz 2-7. 107 BGH Karlsruhe, 2.4.2019, VI ZR 13/18, BeckRS 2019, 6883 Rz 1-7. 108 Halmich, Patientenverfügung 19f.

109 ÖGARI, Arbeitsgruppe Ethik in Anästhesie und Intensivmedizin, Therapiezieländerungen auf der Intensivstation – Definition, Entscheidungsfindung und Dokumentation,

https://www.oegari.at/web_files/dateiarchiv/editor/friesenecker_therapiezielaenderungen__ains_2013.pdf (abgefragt am 06.06.2019).

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behindern, oder unnötig in die Länge zu ziehen. Wenn gewisse Symptome einer bestmöglichen Lebensqualität entgegenstehen, sind etwaige Maßnahmen im Einvernehmen mit dem Patienten, der Patientenverfügung oder dessen Vertreter einzuholen bzw. abzustimmen.

(a) ÖGARI - Österreichische Gesellschaft für Anästhesiologie

Der Therapiezielwechsel fällt Ärzten nicht immer leicht, da das Leben Vorrang hat. Zudem wollen die Angehörigen den Patienten nicht verhungern lassen und wollen meist, dass der Patient am Leben erhalten wird, da die Ernährung schließlich zu den Grundbedürfnissen gehört. Genau deswegen wurde von der ÖGARI ein Leitfaden für Ärzte publiziert. Damit sich der Arzt nicht strafbar macht, muss er die fachlichen Vorgaben einhalten. Meist stellt sich die Frage der Sinnhaftigkeit einer Behandlung erst im Rahmen von intensivmedizinischen Einrichtungen und ist dann oftmals schon zu spät. Die bisher als Regelfall angesehene Grundauffassung, dass das Leben um jeden Preis erhalten werden muss und der Tod eine Niederlage ist, wird immer mehr kritisiert und das Gegenteil bewiesen. Eine ausgearbeitete Checkliste, soll die Aspekte des Handels hinterfragen, unüberlegtes Handeln verhindern und eine bessere Argumentation für die Indikation ermöglichen.111

5. Künstliche Ernährung als unzulässiges Quälen bei Weiterbehandlung ohne Indikation

Ich habe bereits festgehalten, dass man die Weiterbehandlung ohne medizinische Indikation unter gewissen Umständen, als Quälen iSd §92 StGB ansehen kann.

a) Künstliche Ernährung ohne Indikation als fortgesetzte Körperverletzung

Ist eine medizinische Maßnahme nicht indiziert, so beruht die Durchführung der Behandlung meist bloß auf dem Willen des behandelnden Arztes. Dabei handelt es sich um die sogenannte „wunscherfüllende Medizin“. Führt der Arzt die Maßnahme ohne Indikation aus, wird das folglich als Körperverletzung angesehen. Für derartige Handlungen gelten andere Zustimmungsregelungen, als für indizierte medizinische Maßnahmen, oder Verbote.112

(1) Ein Schaden im Weiterleben?

Wie der BGH Karlsruhe ausgeführt hat, liegt kein Schaden im Weiterleben vor, da das menschliche Leben ein höchstrangiges Rechtsgut ist, dass absolut erhaltungswürdig ist. Aus

111 ÖGARI, Arbeitsgruppe Ethik in Anästhesie und Intensivmedizin, Therapiezieländerungen auf der Intensivstation – Definition, Entscheidungsfindung und Dokumentation,

https://www.oegari.at/web_files/dateiarchiv/editor/friesenecker_therapiezielaenderungen__ains_2013.pdf (abgefragt am 06.06.2019).

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diesen Gründen darf das Leben, selbst wenn es leidensbehaftet ist, nicht als Schaden angesehen werden.113

V.

Therapeutisches Dilemma und ethische Rechtfertigung

(1) Risiko und Nutzen einer PEG-Anlage ohne Indikation und Plausibilisierung

Es ist ein äußerst schwieriger Entscheidungsprozess herauszufinden, ob eine medizinische Maßnahme nun indiziert ist oder nicht. Vor allem ist die Entscheidungsfindung für die Angehörigen meist nicht nachvollziehbar. Demnach ist das Instrument der Plausibilisierung einer fehlenden Indikation von Vorteil. Um den Nutzen festzustellen, sind die evidenzbasierte, ethische Analyse und der praxisorientierte Entscheidungsalgorithmus ein guter Ansatzpunkt.114

Plausibilisierung einer fehlenden Indikation - Am einfachsten ist es, für einen Arzt,

rechtsethisch zu argumentieren, und zwar dahingehend, dass die medizinische Behandlung wirkungslos ist und zu keinem erstrebenswerten Ziel mehr führt. Um das den Beteiligten nahe zu bringen wird man am ehesten mit dem Argument der Verhältnismäßigkeit zu einem plausiblen Ergebnis kommen.115

Verhältnismäßigkeitsprüfung - Die Verhältnismäßigkeit wird sowohl im ethischen als auch

im rechtlichen Bereich zur Bildung eines Urteils herangezogen und die Interessen werden ausgeglichen. Man kann die Verhältnismäßigkeit beurteilen, in dem man sich ansieht, ob die Maßnahme einen bestimmten Die Behandlung muss geeignet sein, das konkrete Therapieziel zu erreichen. Wenn eine Behandlung grundsätzlich geeignet ist muss die Notwendigkeit nachvollziehbar sein und dementsprechend geprüft werden. Hier müssen die Vor- und Nachteile abgewogen werden. Zuletzt muss eine wertende Gesamtschau beurteilen, ob die Behandlung ein Therapieziel verfolgt. Hierbei muss festgestellt werden, ob die Behandlung mit Risiken, einem hohen Aufwand, verbunden ist. Durch die Erörterung der Verhältnismäßigkeit muss man sich mit den wichtigsten Bezugspunkten auseinandersetzen und aus diesem Grund stellt sie ein geeignetes Mittel zur Erörterung der Indikation dar.116

(2) Evidenzbasierte ethische Analyse- Nutzen der PEG-Sonde

Um den Nutzen einer ärztlichen Behandlung zu gewährleisten und einen Schaden zu vermeiden, gibt es auch das Instrument der evidenzbasierten ethischen Analyse.

113 BGH Karlsruhe, 2.4.2019, VI ZR 13/18, BeckRS 2019, 6883 RZ 1f. 114 Wallner, RdM 2017/69, 101 (104, 105)

115 Wallner, RdM 2017/69, 101 (104, 105) 116 Wallner, RdM 2017/69, 101 (104, 105)

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Ausgangspunkt für diese Analyse sind die drei Grundprinzipien ärztlichen Handelns: dem Prinzip des Wohltuns, des Nichtschadens und der Autonomie.117

Nutzen der künstlichen Ernährung mittels PEG-Sonde

Die in Folge angeführten Effekte sind besonders relevant und wurden bei einer Studie untersucht, die ich in Folge anführen möchte.118

1. Effekt: Verlängerung der Überlebenszeit

Dieser Effekt wird meist als Hauptgrund für die Legung einer Sonde gesehen. Hierfür eignet sich die retrospektive Kohortenstudie von Murphy und Kollegen. Bei dieser Studie diente eine Gruppe von 41 Patienten mit fortgeschrittener Demenz als Studienteilnehmer. Bei den Teilnehmern wurde eine Indikation zur Legung einer PEG festgestellt. Die gegenüberstehende Kontrollgruppe unterschied sich von der Fallgruppe in der Hinsicht, dass seitens ihrer Betreuer eine Einwilligung zur Legung einer Sonde fehlte und somit keine Ernährung mit einer PEG vorgenommen wurde. Als Ergebnis konnte festgestellt werden, dass es keinen Unterschied in der medizinischen Überlebenszeit zwischen den beiden Gruppen gab und somit konnten die Autoren darauf schließen, dass die PEG-Sonde keine Verlängerung der Überlebenszeit garantiert.119

2. Effekt: Sicherung der Lebensqualität/Wiederherstellung der Lebensqualität

Es besteht eine Schwierigkeit bei Patienten mit fortgeschrittener Demenz, eine Lebensqualität zu erheben. Demnach beziehen sich die meisten durchgeführten Studien bloß auf den funktionalen Status der Patienten, den mentalen Status, die Sprache, die Mobilisierung, die Aktivitäten des täglichen Lebens und die Darm- Blasenfunktion. Es gab eine retrospektive Studie mit kognitiv eingeschränkten Altenheimbewohnern. Diese wurde über 18 Monate durchgeführt und es konnte trotz Legung einer Sonde keine Besserung gesehen werden.120

3. Effekt: Verhinderung einer Aspirationspneumonie

Bei der Studie von Pick und Kollegen wurden ältere Patienten mit einer erhöhten Anzahl an Aspirationsereignissen, die mit einer PEG ernährt werden mit einer Patientengruppe, die oral ernährt wurden verglichen. Es wurde festgestellt, dass Aspirationspneumonien zu den häufigsten Todesursachen gehören, wenn die Patienten mit einer PEG künstlich ernährt werden.121

4. Effekt: Verhinderung von Druckulzera

Es fehlen Nachweise, dass die Legung einer PEG-Ernährung die Entstehung einer Druckulzera verhindert.122 117 Synofzik, Nervenarzt 2007, 418. 118 Synofzik, Nervenarzt 2007, 418 (420) 119 Synofzik, Nervenarzt 2007, 418 (420) 120 Synofzik, Nervenarzt 2007, 418 (420) 121 Synofzik, Nervenarzt 2007, 418 (420, 421) 122 Synofzik, Nervenarzt 2007, 418 (421)

(27)

Ergebnis - Diese Analyse zeigt, dass bei den meisten Patienten, die an fortgeschrittener

Demenz erkrankt sind, auf die Sondenernährung verzichtet werden sollte. Es kann jedoch auch nicht automatisch der Entschluss gezogen werden, dass die PEG-Ernährung gar keinen Nutzen erbringt. Um das festzustellen braucht man Studien, die viel konkreter sind.123

(3) Praxisorientierter Entscheidungsalgorithmus bei fortgeschrittener Demenz:

Zuerst muss das individuelle Nutzen-Schadenrisiko durch das Palliativ-Team abgeschätzt werden. Das Team sollte beispielsweise aus Logopäden, Ernährungsberater, Gastroenterologen, Pflegekräften, dem behandelndem Arzt und einem Ethikberater, der in diesem Bereich geschult ist, zusammengesetzt sein. Abhängig von der jeweiligen Nutzen-Risiko-Einschätzung, kann das gesamte Team Empfehlungen aussprechen.124

Für die Entscheidungsfindungen gibt es 4 Szenarien, die in Folge angeführt werden:125

1. Der Nutzen übersteigt das Risiko

Dann sollte eine künstliche Ernährung nicht angeboten werden.126

2. Der Nutzen ist gleich dem Schadensrisiko

Das Team kann die künstliche Ernährung anbieten, die Ausführung aber noch offenlassen. In diesem Fall ist es wichtig, dass es eine Aufklärung gibt, dass es keinen Nachweis gibt, dass der Nutzen erreicht werden kann.127

3. Das Risiko übersteigt den Nutzen ein wenig

Die künstliche Ernährung sollte angeboten werden, jedoch sollte davon abgeraten werden.128

4. Das Schadensrisiko übersteigt den Nutzen um ein Vielfaches

Die PEG-Sonde sollte nicht angeboten werden.129

Ergebnis

Die Präferenzen des Patienten sind entscheidungsrelevant, also die subjektiven Wertvorstellungen. Hier kann es zu Diskrepanzen kommen. Schließlich gibt es Menschen, die einer künstlichen Ernährung immer schon kritisch gegenübergestanden sind und dann gibt es welche, für die es immer schon klar war, dass sie im Ernstfall eine solche medizinische Maßnahme gelegt haben möchten.130

123 Synofzik, Nervenarzt 2007, 418 (422) 124 Synofzik, Nervenarzt 2007, 418 (424) 125 Synofzik, Nervenarzt 2007, 418 (424, 425, 426) 126 Synofzik, Nervenarzt 2007, 418 (424). 127 Synofzik, Nervenarzt 2007, 418 (424, 425, 426) 128 Synofzik, Nervenarzt 2007, 418 (426) 129 Synofzik, Nervenarzt 2007, 418 (426) 130 Synofzik, Nervenarzt 2007, 418 (426)

(28)

VI.

Resümee

Die Legung einer PEG-Sonde hat wie ich ausführlich dargestellt habe, eine Vielzahl an Vor- und Nachteilen. Meiner Meinung nach ist die Kritik durchaus berechtigt, dass Sonden oftmals gelegt werden um den Pflegeaufwand zu verringern und viel zu selten die Frage der Indikation gestellt wird, insbesondere, wenn die Sonde schon über einen längeren Zeitraum liegt, wie im Fall, den der BGH Karlsruhe entschieden hat. Natürlich steht es außer Frage, dass die behandelnden Ärzte vor einer herausfordernden ethischen und rechtlichen Entscheidung stehen, wenn es um die Fortsetzung einer lebenserhaltenden Maßnahme in Form einer PEG-Sonde geht, wenn keine medizinische Indikation mehr vorliegt. Sie geraten regelrecht in ein moralisches Dilemma. Dennoch ist meiner Meinung nach generell ein Umdenken notwendig. Wie bereits ausführlich erläutert liegt keine Evidenz vor, dass man mithilfe einer PEG-Sonde die angestrebten Behandlungsziele auch tatsächlich erreicht, es geht eher in die Richtung, dass PEG-Sonden bei Demenzpatienten kontraindiziert sind. In diesem Bereich müssen viel mehr Untersuchungen gemacht werden. Nachdem ich mich intensiv mit der Thematik auseinandergesetzt habe, müssen meiner Meinung nach zwingend konkrete Behandlungsziele ausgearbeitet werden und das nicht erst im fortgeschrittenen Stadium, sondern schon bereits zu Beginn der medizinischen Behandlung. Diese Ziele sollten mit anderen Fachärzten und den Angehörigen erarbeitet werden. Zusätzlich finde ich, dass die Indikation in regelmäßigen Abständen nachgeprüft und mit den Betreuern des Patienten erörtert werden muss und die Frage der Indikation stetig präsent sein muss. Des Weiteren sehe ich es als Auftrag des Arztes generell im stetigen Kontakt mit anderen Fachärzten, Angehörigen oder Betreuern zu kooperieren, wenn der Patient selbst nicht mehr in der Lage ist zu kommunizieren und keine Patientenverfügung für solche Fälle vorliegt. Meines Erachtens sollten Ärzte erkennen, wann eine Therapiezieländerung in Richtung Palliative Care vorgenommen werden soll. finde, dass es eine Vielzahl an Methodiken und ausgearbeiteten Leitlinien gibt, die für derartige Gewissensentscheidungen herangezogen werden können und diese konsequent herangezogen werden müssen, um Patienten, die nicht mehr kommunizieren können, eine unnötige Leidensverlängerung am Lebensende zu ersparen und die Ärzte vor einer strafrechtlichen Verfolgung zu schützen, denn ich würde den Arzt im Fall des BGH Karlsruhe unter Heranziehung des §92 Abs 1 und Abs 2 als schuldig ansehen. Diese Thematik betreffend wird es in Österreich bestimmt noch einige spannende Diskussionen geben, gerade in Hinblick auf das Urteil des BGH Karlsruhe, das ich in der vorliegenden Diplomarbeit ausführlich erörtert habe.

(29)

VII. LITERATURVERZEICHNIS

Bücher/Zeitschriften

Birklbauer, Kein Schadenersatz bei PEG-Sonden-Ernährung trotz fehlender Indikation, JMG

2019, 69 (71, 72)

Birklbauer/Hilf/Tipold, Strafrecht Besonderer Teil I (4.Auflage) §92 Rz 1, 2, 4, 7, 8, 9, 11, 13;

§110 Rz 1.

Birklbauer/Kröll, Künstliche Ernährung als unzulässiges Quälen eines Sterbenden, JMG

2018, 78 (81)

Bottke/Fritsche/Huber/Schreiber, Lebensverlängerung aus medizinischer, ethischer und

rechtlicher Sicht (1994) 4.

Duttge, Anmerkung zu LG München I, Urt. v. 28.11.2016 – 9 O 5246/14, MedR 2017, 892

(894)

Halmich, Patientenverfügung. Rechtsgrundlagen für Patienten und Gesundheitsberufe(2019) 11, 14, 17, 19f, 20, 33f.

Halmich, Therapie am Lebensende, DAG 2016/38, 81 (81, 82, 83)

Joerden/Hilgendorf/Thiele, Menschenwürde und Medizin – ein interdisziplinäres Handbuch

(2013) 232.

May/Kreß/Verrel/Wagner, Patientenverfügungen. Handbuch für Berater Ärzte und Betreuer

(2014) 5, 211f.

Plauth, Ernährung in der Palliativmedizin, Gastroenterologie 2011, 380.

Sahm, Sterbebegleitung und Patientenverfügung. Ärztliches Handeln an den Grenzen von

Ethik und Recht (2007) 15f.

Schnell/Schulz, Basiswissen Palliativmedizin(2. Auflage)4, 26f.

Sieber, Malnutration im Alter. Wenn Fehl- in Mangelernährung umkippt, Z Gerontol Geriat

2007, 1.

Synofzik, PEG-Ernährung bei fortgeschrittener Demenz. Eine evidenzgestützte ethische

Analyse, Nervenarzt 2007, 418 (418, 420, 421, 422, 424, 425, 426)

Alfred Tanczos/Dalia Tanczos, Arzthaftung2 (2016) 3.

Unterpaul, Der Umgang mit künstlicher Ernährung und Flüssigkeit am Lebensende – eine

Referenzen

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