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Neues zur Selbstständigkeit von Sätzen

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Academic year: 2022

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Neues zur Selbstständigkeit von Sätzen

Buske

Robert Külpmann, Rita Finkbeiner (Hg.)

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Herausgeber Markus Steinbach (Göttingen) Günther Grewendorf (Frankfurt a. M.) Arnim von Stechow (Tübingen) Redaktion Nina-Kristin Pendzich Markus Steinbach Georg-August-Universität Göttingen Seminar für Deutsche Philologie Käte-Hamburger-Weg 3 D-37073 Göttingen Tel. +49 551 39 98 44 Fax +49 551 39 75 11 E-Mail: lb@uni-goettingen.de

www.buske.de/lb

Auswertung der Zeitschrift u. a. in: BLLDB, CIRC, CSA Arts & Humanities, Dialnet, ERIH PLUS, IBR, IBZ Online, Linguistics and Language Behavior Abstracts, MLA International Bibliography

Erscheinungsweise: Jährlich erscheinen vier Hefte (Februar, Mai, August, Novem- ber) mit einem Umfang von je ca. 128 Sei- ten. Zudem kann jährlich ein Sonderheft erscheinen, das den Abonnenten mit ei- nem Nachlass von 15 % auf den jeweili- gen Ladenpreis geliefert wird.

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sowie jede Buchhandlung entgegen.

© 2021 Helmut Buske Verlag GmbH, Hamburg. ISSN Print: 0024-3930 / ISSN Online: 2366-0775.

Linguistische Berichte

Beirat

Jannis Androutsopoulos (Hamburg) Katrin Axel-Tober (Tübingen) Ursula Bredel (Hildesheim) Nicole Dehé (Konstanz) Stefanie Dipper (Bochum) Christa Dürscheid (Zürich) Ellen Fricke (Chemnitz) Sascha Gaglia (Berlin) Peter Gallmann (Jena)

Hans-Martin Gärtner (Budapest) Jost Gippert (Frankfurt a. M.) Katharina Hartmann (Frankfurt a. M.) Nikolaus Himmelmann (Köln) Ans van Kemenade (Nijmegen) Manfred Krifka (Berlin) Cecilia Poletto (Frankfurt a. M.) Björn Rothstein (Bochum) Petra Schumacher (Köln) Angelika Wöllstein (Mannheim) Malte Zimmermann (Potsdam)

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Neues zur Selbstständigkeit von Sätzen

Linguistische Berichte Sonderheft 30

Herausgegeben von Robert Külpmann

und Rita Finkbeiner

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Gedruckt mit Unterstützung der Fritz Thyssen Stiftung für Wissenschaftsförderung

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ‹https://portal.dnb.de› abrufbar.

ISBN (Print) 978-3-96769-169-6 ISBN (eBook-PDF) 978-3-96769-170-2

LB-Sonderhefte – ISSN 0935-9249

© 2021 Helmut Buske Verlag GmbH, Hamburg. Alle Rechte vorbehalten.

Dies gilt auch für Vervielfältigungen, Übertragungen, Mikroverfilmun- gen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Syste- men, soweit es nicht §§ 53 und 54 UrhG ausdrücklich gestatten. Satz:

Reemers Publishing Services, Krefeld. Druck und Bindung: Beltz Grafi- sche Betriebe, Bad Langensalza. Printed in Germany.

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Inhalt

Vorwort

... 5

Teil I: Grundlagen

Rita Finkbeiner & Robert Külpmann

Selbstständigkeit von Sätzen: Forschungsfragen ... 7 Jürgen Pafel

Selbständigkeit, Satzwertigkeit und Illokutivität ... 23

Teil II: Selbstständigkeit außerhalb kanonischer Haupt- sätze

Franz d’Avis

Zur Grammatik-Pragmatik-Schnittstelle am Beispiel schwedischer und deutscher ‚Exklamativsätze‘ ... 51 Robin Lemke

Satzäquivalente – Syntax oder Pragmatik? ... 81 Andreas Jäger

Selbständige dass-Sätze als Prohibitivausdruck: eine emergente

Konstruktion ... 105 Rita Finkbeiner, Robert Külpmann & Julian Stawecki

Zur Selbständigkeit von W-Überschriften. Explorative Studien zu ihrer kontextuellen Lizenzierung ... 129 Jan Seifert

Syntaktische Autonomie durch Interpunktion? Hypotaktische Satz-

strukturen in ‚Leichter Sprache‘ ... 153

Teil III: Graduelle Selbstständigkeit und Verbstellungs- variation

Augustin Speyer & Sophia Voigtmann

Informationelle Bedingungen für die Selbständigkeit kausaler Satz-

aussagen. Eine diachrone Sichtweise ... 177 Frank Liedtke

Mischungsverhältnisse und Intensivierung: Das Beispiel des V1-Neben- satzes ... 207

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Christian Fortmann

Non-Syntax in der Satzsyntax – nicht-integrierte Parenthesen als ein

Phänomen der Sprachverarbeitung ... 233 Mailin Antomo, Yuqiu Chen & Maik Thalmann

(Un-)Selbstständigkeit von Sätzen und Main Point of Utterance:

Appositive Relativsätze und deren Erwerb ... 257 Nathalie Staratschek

Diskursverankerung als distinktiver Indikator für Selbstständigkeit? ... 281

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Vorwort

Dieses Sonderheft versammelt Beiträge, die zum großen Teil als (Online-)Vor- träge auf der Tagung „Selbstständigkeit von Sätzen und Satzwertigkeit von Äußerungen“ vom 01.–02.10.2020 an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz gehalten wurden. Den Autorinnen und Autoren danken wir für ihre Bereitschaft, in ihren Beiträgen neue Perspektiven auf den Begriff der Selbstständigkeit zu entwickeln und in einen Dialog zu bringen. Weiter danken wir herzlich den Gut- achterinnen und Gutachtern dafür, dass sie sich die Zeit genommen haben, sich kritisch mit den Beiträgen auseinanderzusetzen. Wir erhoffen uns, mit diesem Sonderheft weitere, fruchtbare Debatten über ein etwas in Vergessenheit gerate- nes Thema anzustoßen. Dem Herausgeber der Linguistischen Berichte, Markus Steinbach, danken wir für die Aufnahme dieses Bandes als LB-Sonderheft. Für die umsichtige Begleitung des Projekts bedanken wir uns bei Ulla Hansen und Ilse Roxani Manola vom Buske-Verlag. Ein herzlicher Dank geht außerdem an Charlotte Eisenrauch und Nina Jakob, die uns bei der redaktionellen Arbeit unter- stützt haben. Sowohl die Tagung als auch der Druck des vorliegenden Sonderhefts wurden durch die großzügige Unterstützung der Fritz Thyssen Stiftung ermög- licht, der wir ebenfalls herzlich danken.

Abschließend sei noch angemerkt, dass wir die Entscheidung, wie das Wort Selbstständigkeit/Selbständigkeit geschrieben wird – mit einfachem oder doppel- tem <st> –, den Beiträgerinnen und Beiträgern selbst überlassen haben. Der Du- den gibt die beiden Alternativen als gleichberechtigt an. Die gewählte Schreib- weise wird je Beitrag konsequent durchgehalten.

Mainz, im Oktober 2021 Robert Külpmann Rita Finkbeiner

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Linguistische Berichte Sonderheft 30 . © Helmut Buske Verlag 2021

Teil I: Grundlagen

Selbstständigkeit von Sätzen: Forschungsfragen

Rita Finkbeiner & Robert Külpmann

1 Motivation

Der Begriff der Selbstständigkeit ist für die Analyse von Sätzen fundamental, denn auf ihm beruht die sehr alte Unterscheidung zwischen Hauptsatz und Ne- bensatz. Danach ist ein Hauptsatz ein selbstständiger Satz und ein Nebensatz ein unselbstständiger Satz. Selbstständigkeit lässt sich damit zunächst einmal rein syntaktisch verstehen als die Eigenschaft eines Satzes, nicht Teil eines anderen Satzes zu sein (vgl. Pafel 2011; Pafel, in diesem Band). Interessant ist nun, dass man in vielen Sprachen die Beobachtung machen kann, dass die Eigenschaft der Selbstständigkeit regelmäßig zusammen mit bestimmten weiteren Eigenschaften, sogenannten „Hauptsatzcharakteristika“, auftritt. Im Deutschen gehört dazu ins- besondere der Verbstellungstyp. So wurde schon früh beobachtet, dass prototypi- sche Hauptsätze V2- oder V1-Stellung aufweisen, während prototypische Ne- bensätze VL-Stellung aufweisen (Paul 1919; Behaghel 1932). Die Forschung zu Satztyp und Satzmodus, die in der Germanistik eine lange Tradition hat, hat auch aufgezeigt, dass es eine enge Verbindung gibt zwischen Selbstständigkeit und der Eigenschaft eines Satzes, ein Sprechaktpotential aufzuweisen (vgl. z. B.

Brandt/Reis/Rosengren/Zimmermann 1992; Altmann 1993; Meibauer/Stein- bach/Altmann 2013; Finkbeiner/Meibauer 2016a). So lässt sich normalerweise nur mit der Äußerung eines Hauptsatzes ein Sprechakt vollziehen, nicht aber mit der Äußerung eines Nebensatzes. Ein Indikator für die Illokutivität eines Satzes ist u. a. die Möglichkeit, Modalpartikeln zu verwenden. Dies ist in der Regel nur in Hauptsätzen möglich. Aufgabe der Forschung ist es, die systematischen Ten- denzen bei den Beziehungen zwischen Selbstständigkeit, Verbstellungstyp und Illokutivität zu erklären.

Besonderen Aufschluss über diese Frage versprechen nun gerade die nicht- kanonischen Fälle, also die Fälle, die diesen systematischen Tendenzen zuwider- laufen. Solche Abweichungen von Standardbeziehungen müssen vor dem Hinter- grund des Wissens über die Normalfälle erklärt werden. Zum einen sind dies selbstständige Sätze mit VL-Stellung (Ob Heinz immer noch kubanische Zigarren mag?; Wenn wir doch nur schon in Seefeld wären!), zum anderen unselbstständige Sätze mit V2- (Peter findet, Anna kennt sich gut mit Wein aus) bzw. V1-Stellung

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8 Rita Finkbeiner & Robert Külpmann

(Ist die Katze gesund, freut sich der Mensch). Diese weichen von den Standard- beziehungen zwischen Selbstständigkeit und Verbstellungstyp ab. Zu den Fällen, die von den Standardbeziehungen zwischen Selbstständigkeit und Illokutivität abweichen, gehören Nebensätze, die illokutiv sind, etwa weiterführende Relativ- sätze, denen assertive Kraft zugeschrieben wird (z. B. Um neun Uhr schlief das Kind ein, was alle erleichterte). Dagegen scheint es keine nicht-illokutiven Hauptsätze zu geben. Allerdings lässt sich beobachten, dass Hauptsätze mit Ne- bensatzcharakteristik illokutiv oft stark eingeschränkt sind. Wären selbstständige Sätze nicht illokutiv, dann wäre nach Pafel (in diesem Band) ihr kommunikativer Stellenwert völlig offen und damit eine effiziente Kommunikation nicht möglich.

Insgesamt zeigen die nicht-kanonischen Fälle deutlich, dass der Unterschied zwi- schen selbstständigen und unselbstständigen Sätzen nicht auf Eigenschaften der Verbstellung und die Fähigkeit, Illokutionen auszudrücken, reduziert werden kann.

Diesem Umstand trägt die Satztypforschung der vergangenen 20 Jahre Rech- nung, indem sie die alte Hauptsatz-Nebensatz-Unterscheidung sehr differenziert betrachtet. Zwei Schwerpunkte in der neueren Forschung sind dabei auszu- machen: Zum einen ist dies die Beschäftigung mit abhängigen (uneingeleiteten bzw. argumentrealisierenden) V2- und V1-Sätzen, also mit Sätzen, die Hauptsatz- charakteristika aufweisen, aber zugleich in (gradueller) Abhängigkeit zu einem Bezugssatz stehen. In diesem Zusammenhang wurde der Begriff der Unintegriert- heit von Sätzen eingeführt, der in der aktuellen Forschung eine wichtige Rolle spielt (Reis 1997; Freywald 2013). Zum anderen sind verstärkt Phänomene von Verbstellungsvariation in selbstständigen Satztypen in den Fokus gerückt (An- tomo/Müller 2018), wobei nicht nur Möglichkeiten der V1-Stellung in Deklara- tivsätzen und Verbstellungsvariation in bestimmten Randtypen wie z. B. Exkla- mativsätzen untersucht worden sind, sondern auch Deklarativsätzen mit V3-Stel- lung verstärkte Aufmerksamkeit gewidmet wurde.

Es ist aber auffällig, dass die Diskussion um den Begriff der Selbstständigkeit an sich dabei zunehmend in den Hintergrund gerückt ist. Er wird in der aktuellen Forschung in der Regel als gesichert vorausgesetzt und nur selten kritisch hinter- fragt. Dies geht einher mit einem abnehmenden Interesse an selbstständigen VL- Sätzen und den Herausforderungen ihrer Beschreibung in der aktuellen For- schung. Während die Selbstständigkeit von VL-Sätzen in den 1980er Jahren (seit der Arbeit von Buscha 1976) ein gut beforschtes Gebiet war, sind dazu in den letzten Jahren nur noch wenige Publikationen erschienen.

Mit diesem Band wollen wir die Diskussion um den Selbstständigkeitsbegriff neu aufrollen, indem wir uns nicht nur, unter den Vorzeichen aktueller For- schungsergebnisse, rückbesinnen auf die grundlegende Frage, was Selbstständig- keit ist, in welchen Dimensionen sich Selbstständigkeit eines Satzes zeigt und wie diese Dimensionen miteinander zusammenhängen, sondern indem wir auch den Blick gezielt auf solche Phänomene richten, die ein wenig in Vergessenheit gera- ten sind, und auf solche, die in der bisherigen Forschung noch gar nicht systema- tisch untersucht wurden. Wir versammeln in diesem Band Arbeiten zu

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Selbstständigkeit von Sätzen: Forschungsfragen 9 unterschiedlichen Typen selbstständiger VL-Sätze sowie – komplementär dazu – Arbeiten zu V2-Sätzen in abhängigem Gebrauch und zur Variation zwischen VL- und V2-Typen, gehen aber auch über diese traditionellen Beschreibungsbereiche hinaus, indem wir die Betrachtung auf Parenthesen, Satzäquivalente und Phäno- mene der ‚graphischen Suggestion‘ von Selbstständigkeit (im Bereich der ‚Leich- ten Sprache‘) erweitern.

Ziel des Bandes ist es, verschiedene aktuelle Forschungsperspektiven auf das Phänomen der Selbstständigkeit zu bündeln, um so zu neuen Einsichten zu die- sem alten Begriff zu gelangen. Die Beiträge nähern sich dem Phänomen aus kon- zeptionell-theoretischer wie aus empirischer Sicht und wählen dafür sowohl kor- puslinguistische als auch experimentelle Zugänge. Die abgedeckten Bereiche um- fassen neben der Synchronie auch die Diachronie, den Sprachvergleich, Sprach- erwerb und die Sprachvariation. Ein weiterer Fokus des Bandes liegt auf pragma- tischen Dimensionen der Selbstständigkeit und der Interaktion zwischen Gram- matik und Pragmatik.

Die zentralen Forschungsfragen, um die die Beiträge dieses Bandes kreisen, skizzieren wir im nächsten Abschnitt, bevor wir kurz auf Inhalte der Beiträge im Einzelnen eingehen.

2 Forschungsfragen

2.1 Wie lässt sich die Selbstständigkeit von VL-Sätzen theoretisch model- lieren?

Eine erste, grundlegende Forschungsfrage ist, wie sich die Selbstständigkeit von VL-Sätzen theoretisch modellieren lässt. Diese Frage ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass sich in der generativ orientierten Satztypforschung die Standardan- nahme etabliert hat, dass die illokutionäre Selbstständigkeit eines Satzes mit syn- taktischen Gegebenheiten, speziell der Bewegung des finiten Verbs in die C-Po- sition zusammenhängt (Lohnstein 2000; Truckenbrodt 2004, 2006). Bleibt diese Bewegung aus, ist im Standardfall keine illokutionäre Selbstständigkeit zu erwar- ten. Für die Modellierung selbstständiger VL-Sätze sind folglich andere Mecha- nismen als Lizenzierungsfaktoren heranzuziehen.

Bis in die 1980er Jahre war in der Satztypforschung die Auffassung vorherr- schend, dass selbstständige VL-Sätze Ellipsen aus komplexen (V2- oder V1-)Sät- zen sind (vgl. aber Brugmann 1918: 20). Unter einer solchen Analyse stellen sie kein Problem für die Annahme dar, dass nur solche Sätze Hauptsatzstatus haben, bei denen das finite Verb in der C-Position steht – in diesen Fällen läge ja ein (komplexer) V1- bzw. V2-Satz (mit getilgtem Matrixsatz) vor. Seit Weuster (1983) lehnen allerdings die meisten Ansätze – z. B. Reis (1985), Meibauer (1989), Altmann (1987, 1993), Oppenrieder (1989), Zimmermann (2013), Tru- ckenbrodt (2006, 2013b) – eine Ellipsenanalyse ab, u. a. mit Verweis auf

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10 Rita Finkbeiner & Robert Külpmann

bestimmte Verhältnisse bei der Modalpartikelselektion und beim Gebrauch als Antwortfragment sowie auf bestimmte Fälle, in denen kein Matrixsatz rekonstru- ierbar ist (z. B. und ob-Sätze). Immer wieder werden aber auch Argumente für einen Ellipsenansatz ins Spiel gebracht, etwa von Schwabe (2006: 22) für VL- Sätze mit satzexternen Elementen, die einem Matrixsatz anzugehören scheinen (Nicht, dass er jetzt an die Ostsee fährt!).

Die Frage, ob eine Ellipse oder eine „basisgenerierte“, selbstständige Struktur vorliegt, stellt sich nicht nur für selbstständig verwendete VL-Sätze, sondern auch für selbstständig verwendete Ausdrücke wie Einen Cappuccino! (vgl. Reich 2007; vgl. auch Finkbeiner/Meibauer 2016b). Stuft man diese Ausdrücke als

„satzwertig“ (bzw. sentential) ein, ist damit impliziert, dass es sich um (redu- zierte) Sätze handelt, die ihr Illokutionspotential aus dem ihnen zugrundeliegen- den vollständigen Satz bekommen. Man kann aber auch die Ansicht vertreten, dass es sich hier um Nicht-Sätze (maximale Projektionen einer beliebigen Kate- gorie, z. B. NP) handelt, und dass auch Nicht-Sätze ein Illokutionspotential haben können. Die Debatte scheint hier nicht entschieden zu sein, vielmehr gibt es so- wohl (syntaktische) Ellipsenansätze (Merchant 2004; Reich 2007; Lemke, in die- sem Band) als auch Ansätze, die für basisgenerierte Nicht-Satz-Kategorien argu- mentieren, die pragmatisch angereichert werden (Barton/Progovac 2005; Stainton 2006). Ein weiterer Fall, der im Zusammenhang mit der Diskussion um Ellipsen relevant ist, sind infinite Hauptsätze (Fries 1983; Reis 1995). Neuere Ansätze zeichnen ein differenziertes Bild dieser Strukturen (Gärtner 2013).

Bereits in den Arbeiten zu selbstständigen VL-Sätzen, die in den 1980er Jah- ren entstanden sind, wird die Notwendigkeit gesehen, den Begriff der Selbststän- digkeit weiter zu differenzieren. So unterscheidet Winkler (1989) vier verschie- dene Selbstständigkeitsbegriffe: einen syntaktischen, einen illokutionären, einen inhaltlichen und einen gebrauchsbezogenen. Der Begriff der syntaktischen Selbstständigkeit ist nach Winkler für kanonische Hauptsätze vorbehalten. Sie meint damit Satzstrukturen, die isoliert vorkommen können, ohne von anderen syntaktisch abhängig zu sein. Gebrauchsbezogene Selbstständigkeit bemisst sich nach Winkler (1989: 122) daran, ob ein Satz isoliert, d. h. alleinstehend verwendet werden kann. Demnach wären beide Sätze in Paul fragte mich, wann der Zug kommt unselbstständig. Hier wird allerdings ein aus heutiger Sicht inadäquater Satzbegriff deutlich, insofern als es sich bei Paul fragte mich in diesem Beispiel nicht um einen vollständigen Satz (allenfalls um einen „Satzrest“) handelt. Inhalt- lich selbstständig sind nach Winkler solche Sätze, deren Bedeutung nicht von der anderer Sätze abhängt. Dabei führt die Verwendung kohärenzstiftender Mittel, etwa die Verwendung des deiktischen Pronomens der, zur inhaltlichen Unselbst- ständigkeit eines Satzes. So wäre der zweite Satz im Beispiel Die Auswahl an schwarzen Hüten ist recht groß. Der dort hinten gefällt mir aber besser als dieser hier nach Winkler inhaltlich unselbstständig. Als illokutiv selbstständig bezeich- net Winkler schließlich solche Sätze, die eine eigenständige illokutive Funktion erfüllen.

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Selbstständigkeit von Sätzen: Forschungsfragen 11 Oppenrieder (1989) differenziert nicht-eingebettete VL-Sätze nach der Stärke ihrer Selbstständigkeit und geht auf dieser Grundlage von vier verschiedenen Ty- pen aus. Den niedrigsten Grad an Selbstständigkeit weisen nach Oppenrieder (1989: 169) jene nicht-eingebetteten VL-Sätze auf, bei denen der Matrixsatz per Ellipse getilgt wurde und bei denen die Rekonstruktion des Matrixsatzes durch den Kontext lexikalisch vollständig vorgegeben ist (Typ I), z. B. A: Er trinkt Jä- germeister, weil schon seine Vorfahren Jägermeister getrunken haben. – B: Und weil er den Geschmack von Freiheit und Abenteuer liebt. Etwas selbstständiger sind nicht-eingebettete VL-Sätze wie Und wenn er nicht kommt?, bei denen ein Matrixsatz dem Sinn nach rekonstruiert werden kann und dieser Matrixsatz zu- sammen mit dem VL-Satz als Träger der Illokution angesehen werden muss (Typ II), vgl. die Rekonstruktion (Und was wäre / was willst du tun,) wenn er nicht kommt? (Oppenrieder 1989: 173). Einen hohen Grad an Selbstständigkeit weisen nicht-eingebettete VL-Sätze auf, die sich von jenen vom Typ II darin unterschei- den, dass der VL-Satz allein Träger der Illokution ist, vgl. Ob so viel Wein gesund ist? (Oppenrieder 1989: 173) (Typ III). Den höchsten Grad an Selbstständigkeit weisen schließlich solche nicht-eingebetteten VL-Sätze auf, die nicht nur über eine eigene Illokution verfügen, sondern bei denen auch kein passender Mat- rixsatz rekonstruiert werden kann (Und ob ich was von Linguistik verstehe!) (Typ IV) (Oppenrieder 1989: 166).

Offen ist, welchen Status die bei Winkler (1989) genannten Dimensionen der Selbstständigkeit besitzen und ob es möglicherweise noch weitere gibt. Hier ist insbesondere an die Rolle von Prosodie (z. B. Brandt 1990; Truckenbrodt 2013a), aber auch Graphematik (vgl. dazu Bredel 2008) und Typographie bei der Markie- rung von Selbstständigkeit zu denken (vgl. Seifert, in diesem Band). Ungeklärt ist auch, wie man sich den bei Oppenrieder anklingenden graduellen Charakter von Selbstständigkeit genau vorzustellen hat. Diese Frage ist insofern von zent- ralem Interesse für die Linguistik, als grammatische Unterscheidungen in der Re- gel kategorial konzeptualisiert werden (bspw. +/– finit, +/– belebt, +/– stimmhaft etc.). Im Bereich der aktuellen Forschung zur Unintegriertheit von V2-/V1-Sät- zen, die in gewissem Sinn komplementär zur Forschung zu selbstständigen VL- Sätzen ist, hat sich bereits gezeigt, dass man von verschiedenen Parametern aus- gehen muss, bezüglich derer ein Satz mehr oder weniger integriert sein kann (z. B.

Verbstellungstyp, topologische Position, Prosodie).

Eng verwandt mit diesen Fragestellungen ist die Frage nach der Herausbil- dung selbstständiger VL-Sätze. Hierbei wurden verschiedene Ansätze verfolgt, wobei insbesondere die Annahme der zunehmenden Verselbstständigung im Rah- men eines Sprachwandelprozesses, für die Evans (2007) den Begriff der Insubor- dination geprägt hat, in der aktuellen typologischen Forschung viel Aufmerksam- keit erhält (z. B. D’Hertefelt 2018; Beijering et al. 2019). Nach Evans verläuft der Prozess der Insubordination in vier Phasen: Ein ursprünglich eingebetteter Ne- bensatz (Phase 1) wird zunächst okkasionell uneingebettet verwendet (Phase 2).

Die uneingebettete Verwendung wird dann zunehmend konventionalisiert, indem die Rekonstruktion des Matrixsatzes nur noch unter bestimmten Bedingungen

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12 Rita Finkbeiner & Robert Külpmann

möglich ist und die Verwendung des ehemals eingebetteten Satzes an spezielle Kontexte gebunden wird (Phase 3). In Phase 4 verliert der Satz endgültig seinen Status als eingebetteter Satz, wobei sich zusätzliche formale Merkmale herausbil- den können, die seine Selbstständigkeit signalisieren.

2.2 Wie lässt sich die Variation zwischen VL- und V2-/V1-Sätzen in selbst- ständigen und abhängigen Umgebungen erklären?

Betrachtet man die eingangs skizzierten Beziehungen zwischen Verbstellungstyp und Selbstständigkeitsstatus, dann scheint es, dass Sprecherinnen und Sprecher sowohl im Bereich der Einbettung als auch im Bereich der Selbstständigkeit zwi- schen verschiedenen Verbstellungsalternativen wählen können. Dies führt zu ei- ner zweiten, zentralen Forschungsfrage, nämlich der Frage, wie sich diese Varia- tion bzw. Alternation zwischen VL- und V1-/V2-Stellung erklären lässt. Geht man davon aus, dass es sich um echte Alternativen handelt, dann impliziert dies, dass die verschiedenen Verbstellungstypen gleichbedeutend sind und einen äqui- valenten Gebrauch haben. Man muss dann erklären, warum die Sprache solche Alternativen bereitstellt. Geht man davon aus, dass es sich nicht um echte Alter- nativen handelt, sondern dass sich spezifische Bedeutungs- bzw. Verwendungs- unterschiede ausmachen lassen, dann bieten diese möglicherweise einen Weg, die Variation zu erklären.

Für die Alternation zwischen VL-Sätzen und V1- bzw. V2-Sätzen in selbst- ständigen Umgebungen ist schon früh darauf aufmerksam gemacht worden, dass sich die verschiedenen Verbstellungstypen in ihren Verwendungsbedingungen un- terscheiden (z. B. Altmann 1987; Oppenrieder 1989), insofern als die selbststän- digen VL-Typen regelmäßig eine eingeschränkte illokutive Verwendungsbreite bzw. „spezialisierte“ Verwendungsweisen – im Vergleich zu den entsprechenden selbstständigen V1- bzw. V2-Typen – aufweisen (Truckenbrodt 2006, 2013b).

Hier schließen sich Fragen danach an, unter welchen Bedingungen welche Alter- native gewählt wird, welche Faktoren zur eingeschränkten Verwendungsbreite beitragen und in welcher Hinsicht genau das Illokutionspotential eines VL-Satzes

„spezialisiert“ ist. So wäre etwa zu fragen, ob es sich hierbei durchweg um Spe- zialisierungen von „Grundtypen“ von propositionalen Einstellungen handelt, ent- sprechend der bei Altmann (1987: 49) vertretenen Auffassung, oder ob bestimmte VL-Funktionstypen möglicherweise auch über das Spektrum der Funktionstypen im Satzmodussystem hinausgehen. Bisher wenig beachtete VL-Typen, die inte- ressante Funktionen aufweisen, sind u. a. die freien als-ob-Sätze (z. B. Als ob wir Ideologen wären!, vgl. Uebel/Pafel 2019; Uebel 2020), expressive wenn-Sätze (z. B. Wenn dir klar wird, dass du den Backofen morgen nur noch mit Napalm sauber kriegen wirst, vgl. Gutzmann/Turgay 2019; Turgay 2020) und w-VL-Sätze als Überschriften (z. B. Warum Ambrosiakäfer den Alkohol lieben, vgl. Finkbei- ner 2018, 2020). Zum Teil scheinen diese auch speziellen genre- oder textsorten- relatierten Beschränkungen zu unterliegen, etwa die genannten wenn-Sätze, die

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Selbstständigkeit von Sätzen: Forschungsfragen 13 Turgay (2020) als „Minimal-Narrationen“ beschreibt, oder W-Überschriften, die an den „Textbaustein“ Überschrift gebunden sind (Finkbeiner/Külpmann/Sta- wecki, in diesem Band).

Auf einen diachronen Erklärungsansatz sind wir oben bereits eingegangen, vgl. die Insubordinationshypothese von Evans (2007). In dem Ansatz von Evans (2007: 393) spielen bestimmte pragmatische Faktoren eine Rolle, die die ange- nommene, sich diachron vollziehende Verselbstständigung von VL-Sätzen moti- vieren können. So nimmt Evans an, dass mit dem Nebensatzstatus ein abmildern- der Effekt in Bezug auf potentiell gesichtsbedrohende Sprechakte (z. B. Direk- tive) einhergehen kann, was ihre Verselbstständigung in bestimmten Kontexten begünstigt (vgl. dazu Jäger, in diesem Band). Höflichkeit könnte also ein Faktor sein, der die selbstständige Verwendung von VL-Sätzen motivieren kann. Ein weiterer möglicher Faktor ist der Ausdruck bestimmter Diskurs- bzw. Interakti- onsfunktionen, für die sich selbstständige Sätze mit Nebensatzcharakteristik auf- grund ihrer Präsuppositionalität eher eignen als Sätze mit Hauptsatzcharakteristik (vgl. z. B. Gohl 2000 zu diskursstrukturierenden wenn-Sätzen in begründender Funktion; Gras/Sansiñena 2015 zu spanischen que-Konstruktionen). Nach Liedtke (1998: 261) führen die Merkmalsmischungen, durch die sich selbststän- dige VL-Sätze auszeichnen und die gerade aus den prototypischen Form-Funkti- ons-Zuordnungen heraustreten, dazu, dass sich ein Intensivierungseffekt einstellt, der zu einer erhöhten Expressivität dieser Sätze beiträgt. Diesen Effekt kann man unter Rückgriff auf generelle pragmatische bzw. semiotische Prinzipien, etwa das M-Prinzip (vgl. Levinson 2000), ableiten, wonach eine markierte Form mit einem markierten kommunikativen Effekt einhergeht (vgl. dazu auch Liedtke, in die- sem Band).

In neueren, stärker formal orientierten Ansätzen der germanistischen Satz- typforschung zu selbstständigen VL-Sätzen werden aktuell verschiedene Lizen- zierungsfaktoren für selbstständige VL-Sätze diskutiert. Hier sind insbesondere die Arbeiten von Truckenbrodt zu nennen (Truckenbrodt 2004, 2006, 2013b;

Sode/Truckenbrodt 2018). Truckenbrodt (2013b: 236–237) geht von der Be- obachtung aus, dass die Verwendungsbedingungen selbstständiger VL-Sätze sich für alle VL-Formtypen von denen entsprechender selbstständiger V1-/V2-Sätze unterscheiden. So transportieren etwa V1- und V2-Fragen die Erwartung, dass der Adressat die Antwort kennt, VL-Fragen dagegen tun dies nicht. Um diese Ver- hältnisse zu erklären, entwickelt Truckenbrodt (2004, 2006) einen Ansatz, wo- nach grammatische Elemente in der linken Peripherie (finites Verb, +w-Merkmal) Komponenten einer illokutionären Interpretation (Adressatenbezug, epistemische Interpretation) lizenzieren, wobei in V1- bzw. V2-Sätzen mehr illokutionäre Komponenten lizenziert werden als in VL-Sätzen. Diesen Ansatz erweitert Tru- ckenbrodt (2013b: 242–243) um eine semantische Beschränkung der inhärenten Anaphorizität, der nur VL-Sätze, nicht aber V1- bzw. V2-Sätze unterliegen. Aus dieser Perspektive in Bezug auf die wörtliche Bedeutung von selbstständigen VL- Sätzen lassen sich nach Truckenbrodt auch neue Ansatzpunkte zum Verständnis ihrer illokutionären Verwendungsmöglichkeiten ableiten (vgl. dazu auch

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14 Rita Finkbeiner & Robert Külpmann

Sode/Truckenbrodt 2018). Auch die Arbeit von Driemel (2018) zur Verbstellungs- variation bei Exklamativsätzen (vgl. dazu aus kontrastiver Sicht d’Avis, in die- sem Band) geht von einer Verknüpfung von Adressatenorientierung und Verb- stellung aus.

Insgesamt scheint aber zu den Motiven für die selbstständige Verwendung von VL-Sätzen deutlich weniger bekannt zu sein als zu den Motiven für die abhängige Verwendung von V2-Sätzen. Der vorliegende Band versammelt hierzu eine Reihe von neuen Perspektiven, u. a. aus der Expressivitäts- und Höflichkeitsforschung, aber auch aus der Perspektive der Sprachverarbeitung / Leichten Sprache.

Für die Alternation zwischen VL-Sätzen und V2-Sätzen in abhängigen Um- gebungen sind insbesondere die Bedingungen untersucht worden, die mit dem Prädikat des Matrixsatzes verknüpft sind. Eine zentrale Erkenntnis der Forschung ist, dass die Möglichkeit der Einbettung von V2- bzw. V1-Sätzen im Vergleich zur Einbettung von VL-Sätzen stärker restringiert ist. So wurde gezeigt, dass die Einbettung von V2-Sätzen nur von bestimmten Matrixprädikaten lizenziert wird, u. a. Verben des Sagens, Denkens und Meinens, Perzeptionsverben, volitive Ver- ben und Präferenzprädikate (vgl. u. a. Reis 1997; Meinunger 2004; Freywald 2013). Vielfach wird angenommen, dass faktive und semi-faktive Prädikate sowie negierte Matrixsätze/Matrixprädikate generell keine V2-Komplemente zulassen.

Aktuelle Ansätze wie der von Freywald (2018) zeigen jedoch, dass diese Be- schränkungen nicht ausnahmslos gelten und weisen auf die Notwendigkeit ge- nauerer Differenzierung hin. Zu Unterschieden zwischen V1- und VL-Stellung in abhängigen Umgebungen liegen insbesondere Arbeiten zu Konditionalgefügen (Reis/Wöllstein 2010) und zur asymmetrischen Koordination vor (Reich 2009;

Reich/Speyer 2016).

Versuche, die speziellen Lizenzierungsbedingungen argumentrealisierender V2-Sätze zu erklären, nehmen ihren Ausgangspunkt meist in der Frage, worin die semantischen und pragmatischen Unterschiede zwischen den Verbstellungsalter- nativen bestehen. In diesem Zusammenhang wurde u. a. darauf aufmerksam ge- macht, dass die V2-Alternativen gegenüber den VL-Alternativen assertive Kraft („assertional proto-force“, vgl. Gärtner 2001) aufweisen (vgl. auch Reis 1997;

Truckenbrodt 2006). Ein neuerer Ansatz sieht die Unterschiede weniger in der illokutiven Kraft als vielmehr in der unterschiedlichen Diskursverankerung von V2- vs. VL-Sätzen (Lohnstein 2020; Lohnstein/Staratschek 2020; Staratschek, in diesem Band). Andere Ansätze fokussieren auf Unterschiede im informations- bzw. diskursstrukturellen Status der Alternativen, wobei die These vertreten wird, dass VL-Sätze normalerweise non-at-issueness, V2-Sätze dagegen at-issueness signalisieren (Holler 2009; Antomo 2016; Antomo/Chen/Thalmann, in diesem Band). Auch Unterschiede in der Informationsdichte werden für die Alternation verantwortlich gemacht (vgl. Fabricius-Hansen 1999; Speyer 2015;

Speyer/Voigtmann, in diesem Band). Zur Verwendung von V2-Sätzen in abhän- gigen Umgebungen gibt es auch vermehrt Studien aus diachroner Sicht. So unter- sucht Petrova (2020) das Lizenzierungsverhalten argumentrealisierender V2- Sätze im Alt- und Mittelhochdeutschen und kommt zu dem Ergebnis, dass sich

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Selbstständigkeit von Sätzen: Forschungsfragen 15 nur bei Prädikaten mit inhärent negativen Merkmalen Variation in der Diachronie beobachten lässt, nicht aber bei anderen Typen von Prädikaten.

2.3 Wie verhalten sich die Begriffe Selbstständigkeit und Unintegriertheit zueinander?

Für Phänomene, die im Zusammenhang mit der Forschung zu V2-Sätzen in ab- hängigen Umgebungen beschrieben worden sind, ist in der neueren Forschung der Begriff der Unintegriertheit geprägt worden (vgl. u. a. Reis 1997; An- tomo/Steinbach 2010; Freywald 2013). Die Begriffe Selbstständigkeit und Unin- tegriertheit beschreiben verschiedene Phänomene, hängen aber eng miteinander zusammen. Während Selbstständigkeit auf die selbstständige Verwendung von (Haupt-)Sätzen abzielt, zielt Unintegriertheit auf die Frage, wie tief ein Nebensatz in seinen Bezugssatz eingebettet ist bzw. ob überhaupt Einbettung (Integration) vorliegt. Unintegriertheit ist damit zwar eine Eigenschaft von eingebetteten Sät- zen, sie äußert sich aber gerade darin, dass die betreffenden Sätze sich in bestimm- ten Hinsichten wie selbstständige Sätze verhalten. Allgemein lässt sich sagen, dass eingebettete Nebensätze dann als integriert bezeichnet werden, wenn sie über einen Kopf im Bezugssatz lizenziert werden, wie etwa bei dass-Komplementsät- zen (Ich habe ihr erzählt, dass Max in Paris ist) (vgl. Reis 1997). Nebensätze, deren Verwendung nicht durch einen Kopf im Bezugssatz lizenziert wird und die entsprechend keine syntaktische Funktion im Bezugssatz übernehmen, sind da- gegen unintegriert (Ist denn etwas los, dass Max so schreit?). Während freie dass- Sätze wie auch argumentrealisierende V2-Sätze als ‚relativ unintegriert‘ gelten können (vgl. Reis 1997), sind weiterführende Relativsätze (Da traf ich einen Bau- ern, bei dem ich mich nach dem Weg erkundigte) Kandidaten für absolut uninte- grierte Sätze. Bei Unintegriertheit handelt es sich demnach um eine graduelle Ei- genschaft eines Satzes. Reis (1997) unterscheidet in ihrer Analyse von argument- realisierenden V2-Sätzen drei Grade von (Un-)Integriertheit (integriert > relativ unintegriert > absolut unintegriert). Demgegenüber nimmt Freywald (2013) für uneingeleitete V1- und V2-Sätze vier Grade von (Un-)Integriertheit an (absolut integriert > relativ integriert > relativ unintegriert > absolut unintegriert). Einen speziellen Fall stellen hauptsatzförmige Parenthesen dar. Deren Verhältnis zum Trägersatz lässt sich so charakterisieren, dass die Parenthese selbst syntaktisch, prosodisch und pragmatisch desintegriert erscheint, jedoch in einem Verhältnis der seriellen Integration zum Trägersatz steht (vgl. dazu Fortmann, in diesem Band).

Es stellt sich neben der Frage nach Gründen für die unterschiedlichen Verb- stellungen in einem bestimmten Umgebungstyp (eingebettet vs. selbstständig) auch die Frage danach, was Sätze eines Verbstellungstyps in unterschiedlichen Umgebungen verbindet, also was beispielsweise Ich möchte wissen, ob so viel Wein gesund ist mit Ob so viel Wein gesund ist? gemeinsam hat. Obwohl diese Frage, u. a. im Zusammenhang mit der Debatte zum Satzmodus, schon sehr lange

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16 Rita Finkbeiner & Robert Külpmann

diskutiert wird (vgl. Meibauer et al. 2013), ist nach wie vor offen, wie die Ge- meinsamkeiten zwischen Haupt- und Nebensätzen mit gleicher Verbstellung ge- gebenenfalls ausfallen. In einer aktuellen Arbeit zu V2-Sätzen geht Freywald (2020) dieser Frage nach und vertritt die These, dass V2-Komplementsätze sich strukturell von V2-Hauptsätzen darin unterscheiden, dass sie im Vergleich zu V2- Hauptsätzen ein reduziertes Vorfeld aufweisen.

Die Nähe zwischen den beiden Konzepten Selbstständigkeit und Unintegriert- heit wirft eine Reihe von konzeptuellen Fragen auf, u. a. die Frage, ob die Kon- zepte auf demselben grammatischen Fundament beruhen. Geht man von einem graduellen Konzept von Selbstständigkeit bzw. Unintegriertheit aus, so ist ferner die Frage zu stellen, ob man daraus die Konsequenz ziehen sollte, die Dichotomie zwischen Hauptsatz und Nebensatz – bzw. zwischen selbstständigem und un- selbstständigem Satz – ganz aufzugeben, oder ob es Gründe gibt, an dieser Un- terscheidung festzuhalten.

3 Die Beiträge in diesem Band

Die Beiträge in diesem Band beziehen sich aus unterschiedlichen Perspektiven, mit unterschiedlichen Zielsetzungen und unter Betrachtung unterschiedlicher Ar- ten von Evidenz auf die oben angerissenen Forschungsfragen, wobei auch wei- terführende Fragen behandelt werden, die hier nicht im Einzelnen besprochen werden konnten.

Der Band ist in drei Teile gegliedert. Teil I widmet sich übergreifenden Fra- gestellungen und enthält neben der vorliegenden Forschungsübersicht den Bei- trag „Selbständigkeit, Satzwertigkeit und Illokutivität“ von Jürgen Pafel, der sich mit klassischen Auffassungen von Selbstständigkeit, Satzwertigkeit und Il- lokutivität auseinandersetzt und diese in eine systematische Betrachtung über- führt. Pafel unterscheidet zwischen drei Klassen von Satztypen (mereologische, topologische und funktionale) und leitet auf dieser Grundlage Normalitätsbezie- hungen zwischen Satzwertigkeit und Illokutivität ab. Eine zentrale Rolle spielt dabei der Begriff des funktionalen Satztyps und seine Beziehung zum Gesetz der kommunikativen Funktion.

Teil II versammelt fünf Beiträge, die sich mit Selbstständigkeit außerhalb ka- nonischer Hauptsätze beschäftigen, insbesondere in Bezug auf VL-Sätze. Franz d’Avis untersucht in seinem Beitrag „Zur Grammatik-Pragmatik-Schnittstelle am Beispiel schwedischer und deutscher ‚Exklamativsätze‘“ die Eigenschaften von Sätzen, die unter exklamativen Prädikaten eingebettet oder als Exklamationen verwendet werden können. D’Avis argumentiert, dass sich Unterschiede zwi- schen den relevanten Sätzen in beiden Sprachen auf die Selektionseigenschaften von einbettenden Prädikaten und, im selbstständigen Fall, auf die Selektionsei- genschaften von intentionalen Modi im Sinne von Pafel (2016) zurückführen las- sen.

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Selbstständigkeit von Sätzen: Forschungsfragen 17 Der Beitrag von Robin Lemke, „Satzäquivalente – Syntax oder Pragmatik?“, untersucht anhand empirischer Daten die Frage, ob Satzäquivalente wie Einen Kaffee, bitte! sentential sind, d. h. durch Ellipse aus vollständigen Sätzen gene- riert werden, oder ob sie als wohlgeformter, subsententialer Output der Syntax zu betrachten sind. Die Ergebnisse von zwei Experimenten zu struktureller Kasus- markierung liefern Evidenz für einen sententialen Ansatz. Zur Frage, wie die nicht artikulierte syntaktische Struktur genau aussieht, stellt Lemke zwei weitere Ex- perimente zu Bewegungsrestriktionen vor, die für einen in situ-elliptischen An- satz sprechen.

In seinem Beitrag „Selbständige dass-Sätze als Prohibitivausdruck: eine emergente Konstruktion“ behandelt Andreas Jäger das Phänomen negativer hö- rerorientierter dass-Sätze als Prohibitiv- bzw. Präventivausdrücke (Dass Du nicht zu spät kommst!). Basierend auf der Beobachtung, dass diese Sätze im Gegen- wartsdeutschen illokutiv stärker restringiert sind als ihre positiven Pendants (Dass du nur weitermachst!), vertritt Jäger die Hypothese, dass es sich bei diesem Satz- typ um eine emergente Konstruktion handelt, die sich im Verlauf des Neuhoch- deutschen im Zuge der Vermeidung gesichtsbedrohender direktiver Sprechakte herausgebildet hat.

Im Beitrag „Zur Selbständigkeit von W-Überschriften. Explorative Studien zu ihrer kontextuellen Lizenzierung“ argumentieren Rita Finkbeiner, Robert Külpmann und Julian Stawecki für die Annahme, dass Überschriften wie Wie Flüsse wieder sauber werden in syntaktischer, (typo-)graphischer und pragmati- scher Hinsicht als selbstständige Sätze einzustufen sind. Der Schwerpunkt des Beitrags liegt auf der empirischen Überprüfung – mittels einer Korpus- und einer Fragebogenstudie – der in Finkbeiner (2018) entwickelten Hypothese, dass die relevanten Sätze auf den Kontext von Überschriften restringiert sind. Die Au- tor*innen deuten dies als Hinweis darauf, dass neben satzinternen auch satzex- terne Lizenzierungsfaktoren für die Selbstständigkeit von Sätzen berücksichtigt werden müssen.

Jan Seifert nimmt in seinem Beitrag „Syntaktische Autonomie durch Inter- punktion? Hypotaktische Satzstrukturen in ‚Leichter Sprache‘“ eine neue Sicht- weise auf das Phänomen der Selbstständigkeit ein. Er betrachtet die ‚Leichte Sprache‘, ein reduziertes sprachliches Register, das verschiedenen Personengrup- pen mit bestimmten Beeinträchtigungen die Informationsaufnahme erleichtern soll. Seifert zeigt verschiedene Strategien auf, wie die Empfehlung, komplexe Sätze zu vermeiden, die sich in Regelwerken zur ‚Leichten Sprache‘ findet, von bestimmten Medien umgesetzt wird. Ein zentrales Ergebnis ist, dass die realisier- ten Sätze in der Regel keineswegs weniger komplex sind, sondern lediglich mit- tels typographischer und graphematischer Mittel kurze, selbstständige Sätze sug- geriert werden.

Teil III enthält fünf Beiträge, die sich mit gradueller Selbstständigkeit und Verbstellungsvariation beschäftigen. Der Beitrag von Augustin Speyer und So- phia Voigtmann, „Informationelle Bedingungen für die Selbständigkeit kausaler Satzaussagen. Eine diachrone Sichtweise“, untersucht die Variation zwischen

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18 Rita Finkbeiner & Robert Külpmann

integrierten und selbstständigen Kausalsätzen (…, weil es regnet vs. … Denn es regnet) auf der Grundlage einer diachronen Betrachtung. Unter der Prämisse, dass sich die beobachtbare Variation zu großen Teilen durch informationelle Aspekte erklären lässt, wird anhand von zwei Korpusstudien zum Mittel- und Frühneu- hochdeutschen untersucht, welche dieser Aspekte die Verwendung der beiden Va- rianten steuern. Als zentrale Erklärungsgröße für das Auftreten der integrierten Varianten stellen Speyer und Voigtmann die Informationsdichte eines Satzes her- aus.

Frank Liedtke argumentiert in seinem Beitrag „Mischungsverhältnisse und Intensivierung: Das Beispiel des V1-Nebensatzes“ für die These, dass Merkmals- mischungen, die aus den prototypischen Form-Funktions-Zuordnungen im Be- reich der Satztypen heraustreten, einen Intensivierungseffekt mit sich bringen.

Am Beispiel von V1-Nebensätzen mit der Modalpartikel doch zeigt Liedtke, dass sich diese Intensivierung als verstärkte Expressivität gegenüber weil-V2- oder denn-Kausalsätzen fassen lässt. Die Funktion des Satztyps lässt sich nach Liedtke genauer fassen als der Versuch, die Aufmerksamkeit des Adressaten auf etwas Bestimmtes zu lenken, das evident ist, auch wenn es dem Adressaten bisher ent- gangen zu sein scheint.

Christian Fortmann widmet sich in seinem Beitrag „Non-Syntax in der Satz- syntax – nicht-integrierte Parenthesen als ein Phänomen der Sprachverarbeitung“

dem Problem der Disparität von Linearisierung und Konstituenz bei Parenthesen.

Vor dem Hintergrund einer kritischen Evaluation vorliegender Ansätze im Rah- men von mehrdimensionaler Syntax und parenthetical Merge entwickelt der Au- tor einen eigenen Erklärungsansatz, wonach Parenthesen als Phänomen der Sprachverarbeitung einzuordnen sind. Dieser Ansatz hat den Vorteil, dass weder besondere Mechanismen hinsichtlich des Aufbaus von syntaktischen Phrasen- strukturen noch spezifische phonologische Operationen angenommen werden müssen.

Der Beitrag „(Un-)Selbstständigkeit von Sätzen und Main Point of Utterance:

Appositive Relativsätze und deren Erwerb“ von Mailin Antomo, Yuqiu Chen und Maik Thalmann behandelt integrierte, appositive Relativsätze (Frank, der übrigens Peter verprügelt hat, wohnt in Mainz). Die Autor*innen widmen sich zunächst der Modellierung der diskurstheoretischen Beschränkung, dass apposi- tive Relativsätze nicht dazu geeignet sind, At-Issue-Inhalte auszudrücken, und möglichen Implikationen daraus für ihren Status als unselbstständiger Satz. Sie überprüfen dann experimentell, ob Testpersonen im Kindes- und Erwachsenenal- ter für die informationsstrukturelle Beschränkung sensibel sind. Das Experiment bestätigt grundsätzlich, dass appositive Relativsätze dieser informationsstruktu- rellen Beschränkung unterliegen. Es zeigt sich zudem, dass bereits Vorschulkin- der für die Nicht-At-Issue-Bedingung sensibel sind, diese aber noch nicht in vol- lem Umfang zielsprachenkonform erworben haben.

Nathalie Staratschek geht in ihrem Beitrag „Diskursverankerung als distink- tiver Indikator für Selbstständigkeit?“ der Frage nach, ob sich Diskursveranke- rung – die Interpretation der Proposition eines finiten Satzes in Bezug auf die

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Selbstständigkeit von Sätzen: Forschungsfragen 19 Sprechsituation – als distinktives Merkmal für Selbstständigkeit eignet. Hierzu vergleicht sie verschiedene Arten von finiten Kausalsätzen, die sich in Bezug auf die Position des Finitums unterscheiden, und überprüft, inwieweit Tempus bei diesen Sätzen in Bezug auf die Äußerungszeit interpretiert wird. Es zeigt sich, dass selbstständige Sätze nicht zwingend einer deiktischen Tempus-Interpretation unterliegen, solange diese nicht durch Finitumvoranstellung erzwungen wird.

Diskursverankerung geht somit nicht notwendigerweise mit Selbstständigkeit einher.

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Mainz Rita Finkbeiner & Robert Külpmann

Johannes Gutenberg-Universität Mainz, FB 05, Deutsches Institut, Jakob-Welder-Weg 18, 55128 Mainz. E-Mail: finkbeiner@uni-mainz.de, robert.kuelpmann@uni-mainz.de

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Linguistische Berichte Sonderheft 30 . © Helmut Buske Verlag 2021

Selbständigkeit, Satzwertigkeit und Illokutivität*

Jürgen Pafel

Abstract

Several basic generalizations are proposed and discussed, which might throw light on the rela- tion between the (in-)dependence of clauses, their syntactic type, and their illocutivity (i.e., their having an illocutionary potential). The most basic one is the ‘law of communicative function’:

If a clause is independent, it is illocutive. Second comes the fact that an illocutive clause nor- mally is a main clause – normally, but not always: there are illocutive subclauses (appositive relative clauses, for instance). Finally, in many languages it is the case that main clauses have characteristic features which distinguish them from subclauses (cf. main clause or root phenom- ena). As for German, a main clause normally is a V2- or V1-clause, and a subclause normally is a VE(nd)-clause. Definitions of main clause, subclause, and co-clause are proposed and com- pared with traditional conceptions of these notions. The importance of functional clause types (like declarative, imperative, or interrogative) for the relation between clauses and illocutionary acts, as well as for the law of communicative function is emphasized.

1 Einleitung

Um das Verhältnis von Selbständigkeit, Satzwertigkeit und Illokutivität zu klären, ist es notwendig, aber auch hinreichend, drei Klassen von Satztypen zu unter- scheiden und sich über ihr Verhältnis klar zu werden, was in theorieneutraler Weise geschehen kann. Dies zu zeigen, ist mein Anliegen in diesem Beitrag. Bei der Durchführung werden wir auf eine Gesetzmäßigkeit stoßen, das ‚Gesetz der kommunikativen Funktion‘, und auf Normalitätsbeziehungen, die alle Kandida- ten für sprachliche Universalien sind.

Zuerst eine terminologische Anmerkung. Selbständigkeit und Satzwertigkeit sind geläufige Termini in der Linguistik, für die es jedoch keine allgemein akzep- tierten Definitionen gibt. Ich werde Definitionen für diese Begriffe vorschlagen, die ich beide als rein formale, syntaktische Begriffe betrachte. Illokutivität ist kein geläufiger linguistischer Terminus, er ist – wie auch sein englisches Pendant il- locutivity – nur vereinzelt anzutreffen. Mit Illokutivität sei das gemeint, was

* Bedanken möchte ich mich für sehr wertvolle Anregungen und Kritikpunkte bei Franz d’Avis, Rita Finkbeiner, Andreas Jäger, Robert Külpmann, Frank Liedtke, Jan Seifert, Eva Maria Uebel sowie bei denen, die sich die Mühe machten, die Arbeit zu begutachten.

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24 Jürgen Pafel

manchmal pragmatische, illokutive oder illokutionäre Selbständigkeit genannt wird: die Eigenschaft von Ausdrücken, insbesondere von Sätzen, ein illokutives Potenzial aufzuweisen, auf dessen Grundlage mit der Äußerung der Ausdrücke ein Sprechakt, d. h. ein illokutionärer Akt, eine Illokution, vollzogen werden kann. Ausdrücke mit dieser Eigenschaft seien ‚illokutiv‘ genannt. Illokutivität ist klar von Illokution unterschieden: Illokution ist eine Handlung, Illokutivität eine Eigenschaft von Ausdrücken.1

2 Drei Klassen von Satztypen

Hier eine erste Orientierung, was mit den drei Klassen von Satztypen gemeint ist:

Haupt- und Nebensatz sind MEREOLOGISCHE Satztypen (Klasse I), V2-, V1- und VE-Satz sind TOPOLOGISCHE Satztypen (Klasse II) und Deklarativ, Imperativ und Interrogativ sind FUNKTIONALE Satztypen

(Klasse III).

Die Anwendung dieser drei Typen auf einen Satz wie Maus meinte, dass das kaum gehen würde ergibt Folgendes: Die Klammerung in (1) gibt die Teil-Ganzes- Struktur (= mereologische Struktur) des Satzgefüges an: S2 ist Teil von S1. Mit S1

haben wir einen Hauptsatz und mit S2 einen Nebensatz. Der Hauptsatz ist ein V2- Satz, der Nebensatz ein VE-Satz. Der Hauptsatz ist illokutiv, und zwar ein Dekla- rativ, genauer: ein V2-Deklarativ. Der V2-Deklarativ ist ein funktionaler Satztyp, d. h. ein Satztyp mit illokutivem Potenzial. Der Nebensatz ist nicht illokutiv und gehört keinem funktionalen Satztyp an.

(1) [S1 Maus meinte, (S2 dass das kaum gehen würde)]

2.1 Die mereologischen Satztypen (Klasse I)

Die Taxonomie dieser Klasse von Satztypen sieht wie folgt aus:

(2)

Mereologischer Satztyp Ganzsatz/

Hauptsatz

Teilsatz Nebensatz Beisatz

Die beiden Haupttypen sind der Hauptsatz einerseits und der Teilsatz andererseits.

1 Ausdrücke mit dieser Eigenschaft entsprechen den „kommunikativen Minimaleinheiten“ der IDS-Grammatik (1997: 91). Allerdings würde ich von illokutiven Ausdrücken nicht definitiv verlan- gen wollen, dass sie, auch wenn dies der Normalfall ist, einen propositionalen Gehalt haben, sondern dies offenhalten, so dass auch ‚interaktive Einheiten‘ wie die Antwortpartikeln illokutiv sein könnten.

Ein illokutiver Ausdruck vom Typ des Satzes ist nicht das selbe wie das, was in der Nachfolge von Emonds (1976: 2) „Wurzelsatz“ (root sentence, root clause) genannt wird. Die beiden Begriffe sind weder intensional noch (obwohl es Überlappungen gibt) extensional identisch.

(27)

Selbständigkeit, Satzwertigkeit und Illokutivität 25 D1 Ein HAUPTSATZ ist ein selbständiger Satz.

D2 Ein TEILSATZ ist ein unselbständiger Satz.

Dabei gilt: Ein Satz ist genau dann selbständig, wenn er nicht Teil eines anderen Ausdrucks ist; ein Satz ist genau dann unselbständig, wenn er nicht selbständig ist, d. h. wenn er Teil eines anderen Ausdrucks ist. Jeder Satz ist entweder ein Haupt- oder ein Teilsatz, aber nicht beides.

Eine solche Unterscheidung der beiden mereologischen Satztypen ist mindes- tens 200 Jahre alt – siehe Herling (1821: §2), der schreibt:

„Die Sätze werden eingetheilt in Haupt- und Nebensätze. Die Nebensätze stellen nämlich nur Satz- oder Sprachtheile des Hauptsatzes dar und sind demnach unselbstständig; die Hauptsätze aber sind syntactisch selbstständig.“2

In Pafel (2011a) habe ich diese Definitionen wieder aufgegriffen. Selbständigkeit ist damit mittels der Teil-Ganzes-Relation, also mereologisch definiert.

Es fehlt bei Herling nur die Unterscheidung zwischen Nebensatz und Teilsatz.

Die braucht man vor allem, um Satzgefüge, Satzreihen und Satzsequenzen be- grifflich klar unterscheiden zu können. Bei der Satzreihe sind zwei oder mehr Teilsätze koordiniert, die zusammen einen Hauptsatz (HS) oder wieder einen Teil- satz (TS) bilden; bei einem Satzgefüge ist ein Teilsatz nicht-koordiniert Teil eines Haupt- oder eines anderen Teilsatzes; bei einer Satzsequenz folgen Hauptsätze aufeinander. Schematisch und vereinfacht:

(3) Satzgefüge: [HS/TS … TS …] Satzreihe: [HS/TS TS und TS]

Satzsequenz: HS. HS.

Zwei Arten von Teilsätzen gilt es zu unterscheiden:

D3 Ein BEISATZ ist ein koordinierter Teilsatz.3

D4 Ein NEBENSATZ ist ein nicht-koordinierter Teilsatz.4

2 Auch in der Schulgrammatik von Becker (1852: §12) ist der Nebensatz ein Teil des Hauptsat- zes, wie wohl schon früher in Becker (1827: §100) und später in Becker (1870: §9). Allerdings wird in Becker (1829: §222) der Satz Er hofft, daß er befördert werde in den Hauptsatz er hofft und den Nebensatz daß er befördert werde zerlegt. Hier liegt vielleicht der Ursprung der schulgrammatischen Hauptsatz/Nebensatz-Unterscheidung (s. u. Abschnitt 2.1.1).

3 Diese Verwendung von Beisatz hat natürlich nichts mit seiner Verwendung als Bezeichnung für ein Appositiv zu tun.

4 In Pafel (2011a: 79) hatte ich noch eine etwas engere Definition von Nebensatz angesetzt: „Ein Nebensatz ist ein Teilsatz, der nicht mit einem anderen Satz koordiniert ist.“ Mit D4 ist wenn der Föhn weht weder in (i) noch in (ii) ein Nebensatz, sondern beide Male ein Beisatz, was mehr Sinn ergibt, als ihn in (ii) als Neben- und in (i) als Beisatz bezeichnen zu müssen:

(i) Wenn große Dürre herrscht oder wenn der Föhn weht, ist das Rauchen hier streng verboten.

(ii) Bei großer Dürre oder wenn der Föhn weht, ist das Rauchen hier streng verboten.

Man könnte erwägen, Nebensatz als subordinierten Teilsatz zu definieren. Doch der Begriff der Subordination ist viel problematischer als der der Koordination. Koordination ist – im Unterschied zur Subordination – ein evidentes syntaktisch-semantisches Phänomen, das wir, sofern wir es nicht zu genau wissen wollen, recht gut verstehen. Möglicherweise ist der Begriff der Subordination sogar theoretisch überflüssig (vgl. Reich/Reis 2013: 541, wo ein Satz genau dann subordiniert ist, wenn er unselbständig ist). Was Koordinationen angeht, so ist allerdings in der Forschung umstritten, was für eine syntaktische Kategorie eine Koordination aufweist. Eine Koordination von zwei Sätzen wird

Referenzen

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