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Hauptsache gesund – koste es was es wolle

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786 Bayerisches Ärzteblatt 12/2008

BLÄK informiert

befinden würden. Der rechtliche Dschungel im Gesundheitswesen sei mittlerweile nicht mehr durchdringbar. Und das ginge auf Kosten der Patientenversorgung, da die Zeit für den zu- sätzlichen Verwaltungsaufwand nicht mehr für die Patienten zur Verfügung stehen würde.

Kostentransparenz in Kliniken

Privatdozent Dr. Michael A. Weber, Vizepräsi- dent des Verbandes der Leitenden Kranken- hausärzte und Chefarzt Innere Medizin I am Klinikum Dachau, begrüßte aus Sicht der Kli- niken das System der Fallpauschalen, da da- durch eine gewisse notwendige Transparenz geschaffen würde. Weber beurteilte die Lage der Krankenhäuser in Deutschland differen- ziert: „Ein Drittel der Krankenhäuser schreibt schwarze Zahlen, ein Drittel kommt gerade noch auf eine schwarze Null und das letzte Drittel ist hoch defizitär“. Auf Grund des ho- hen Technikeinsatzes in Krankenhäusern sieht er eine Mindestgröße von 250 Betten, um wirtschaftlich über die Runden zu kommen.

Weber zog eine nüchterne Bilanz: „Wir werden nicht mehr Geld in das System bekommen.“ Es sei deshalb notwendig, auch in den Kranken- häusern über die Mittelverwendung offen zu diskutieren und auch bisher weitgehend ausge- sparte Themen anzusprechen.

Jodok Müller (BLÄK)

Mehr Eigenverantwortung

Dr. Max Kaplan, Vizepräsident der Bayerischen Landesärztekammer (BLÄK), berichtete aus sei- ner langjährigen Erfahrung als Hausarzt: „Ich sehe vier wesentliche Gründe für diese Entwick- lung. Der medizinisch-technische Fortschritt verursacht hohe Kosten. Durch die Zunahme der Lebenserwartung und die demografische Entwicklung steigt die Zahl der chronisch Kranken. Das fehlende Wirtschaftswachstum verringert den finanziellen Spielraum und der Staat nimmt sich in der Finanzierung auch im- mer mehr zurück.“ Die Konsequenzen aus dieser Entwicklung seien vor allem Rationalisierungen und Rationierungen im Gesundheitswesen. Je- der Arzt müsse sich immer wieder überlegen, wo er noch sparen könne. Als Beispiele für Rationierungen nannte Kaplan den ärztlichen Zeitaufwand pro Patient, die Verordnungen für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel, die Überwei- sungen an einen Facharzt und die Einweisungen in ein Krankenhaus. Kaplan plädierte für eine stärkere Betonung der Eigenverantwortung der Patienten. „Die Finanzierung muss aufge- teilt werden in einen solidarisch finanziellen Anteil durch den Krankenkassenbeitrag, einen Steueranteil und eine Eigenbeteiligung“, schlug Kaplan vor. Der Rückgriff auf die Solidarge- meinschaft sollte nur erfolgen, wenn das Indi- viduum das Risiko allein nicht mehr schultern könne. Kaplan beklagte besonders, dass sich die Ärzte in einem ständigen Konflikt zwischen Sozialgesetzen, Berufsordnung und Zivilrecht Viele Politiker würden noch immer die Illusion

wecken, dass sich dieses Dilemma durch wei- tere Kostendämpfungen und Kostenverlage- rungen lösen ließe. Doch weitere Leistungsein- schränkungen seien unvermeidlich, auch wenn noch nicht alle möglichen Rationalisierungs- reserven ausgeschöpft seien. Über die Frage, welche medizinischen Leistungen wann und für wen erbracht würden und könnten, werde bisher nicht offen und schon gar nicht öffent- lich diskutiert. Entsprechende Entscheidungen würden stillschweigend den Ärzten und Kran- kenhäusern aufgebürdet.

Die Journalistin und Buchautorin Sibylle Her- bert aus Köln zerpflückte in ihrem Impulsrefe- rat die von Politikern gern aufgestellte These:

„Alle haben das gleiche Recht auf bestmögliche Versorgung“. Es sei ein Trugschluss, dass im Gesundheitswesen genug Geld vorhanden sei.

Sie berichtete aus vielen Gesprächen mit Pa- tienten, Ärzten und Kassenvertretern und ver- suchte, einen Blick hinter die Kulissen zu wer- fen. Eine Hausärztin habe ihr einmal gesagt:

„Ich bin eine weisungsgebundene Medizinerin“.

Herbert betonte, dass das Gesundheitssystem in Deutschland zwar auf einem hohen Niveau sei. Für alle würde das Geld im Gesundheitswe- sen aber nicht reichen. Wer soll entscheiden, welche Patienten therapiert würden? Wer soll am medizinischen Fortschritt teilnehmen? Ab- rechnungstechnisch sei für jeden Arzt der „ge- sunde Kranke“ aus Kostengründen besonders attraktiv.

Hauptsache gesund – koste es was es wolle

Dr. Max Kaplan beantwortet Fragen aus dem Publikum.

Viele Menschen sehen in ihrer Gesundheit ihr höchstes Gut und erwarten, dass im Krank- heitsfall alles medizinisch Mögliche zur Heilung unternommen werde. Ein wachsendes medizinisches Angebot komme dem entgegen und wecke bei den Patienten immer neue Begehrlichkeiten. Die finanziellen Ressourcen aber blieben begrenzt, und so würde die Kluft zwischen medizinisch-technisch Machbarem und Bezahlbarem stetig größer. Ex- perten und Betroffene diskutierten diese Problematik bei der Tagung „Gesundheit – um welchen Preis?“ der Evangelischen Akademie in Tutzing am Starnberger See.

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