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Mittwoch (Vormittag), 12. Juni 2019 / Mercredi matin, 12 juin 2019

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2019.RRGR.56 1

Der Grosse Rat des Kantons Bern

Le Grand Conseil du canton de Berne

Mittwoch (Vormittag), 12. Juni 2019 / Mercredi matin, 12 juin 2019

Polizei- und Militärdirektion / Direction de la police et des affaires militaires

62 2019.RRGR.56 Motion 038-2019 Ammann (Bern, AL) Pilotversuch mit B&T-Werfer GL06 sofort stoppen

Richtlinienmotion

62 2019.RRGR.56 Motion 038-2019 Ammann (Berne, LG) Arrêt immédiat de l’essai pilote avec les lance-grenades GL06 Motion ayant valeur de directive

Präsident. Ich begrüsse den Polizei- und Militärdirektor Philippe Müller und sein Team bei uns. Wir kommen zu Traktandum 62, einer Motion von Christa Ammann. Ich gebe der Motionärin das Wort.

Christa Ammann, Sie haben das Wort.

Christa Ammann, Bern (AL). Der vorliegende Vorstoss fordert, dass das Pilotprojekt zur Nutzung der Werfer bei Personen, beziehungsweise bei grösseren Personenansammlungen, abgebrochen wird, da das Risiko für bleibende Schäden zu hoch ist und die Zielgenauigkeit bei Personen- ansammlungen nicht genügend gewährleistet werden kann. Der polizeiliche Auftrag lautet, Gefah- ren für die öffentliche Sicherheit unter Beachtung des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes abzuweh- ren und Strafverfolgungsmassnahmen durchzuführen. In beiden Fällen kann es notwendig sein, unmittelbar Zwang, auch in Form von Schusswaffeneinsatz, auszuüben. Der Werfer, über den wir hier sprechen, ist in meine Augen eine Schusswaffe, und die Grundsätze der Verwendung sollten sich nach dem entsprechenden Artikel im Polizeigesetz (PolG) richten.

Das Schiessen in Menschenmengen ist in mehreren europäischen Staaten grundsätzlich verboten.

In der Schweiz hingegen gehört das schon seit Langem zu den angemessenen Mitteln staatlicher Gewaltanwendung, und dagegen wehrt sich dieser Vorstoss. In Deutschland und Portugal bei- spielsweise ist das Bewusstsein dafür vorhanden, dass auch Gummigeschosse zu den Schusswaf- fen gehören und somit eben den gleich strengen Bedingungen unterliegen. Sie sollten zur Verhinde- rung eines Verbrechens verwendet werden oder in Notwehr. Sie sollten in erster Linie den Einsatz einer tödlichen Waffe verhindern. Bei uns, vor allem in der Deutschschweiz, ist die Erzählung genau umgekehrt. Der Umstand, dass Gummigeschosse in der Regel nicht tödlich wirken, wird dazu ge- nutzt, die Waffen auch präventiv verwenden zu können, also zum Fernhalten von Personengruppen wie Fussballfans oder Demonstrantinnen und Demonstranten, oder auch, um sie als Sanktionsmittel verwenden zu können.

Der Werfer, über den wir diskutieren, kann bei Einsätzen gegen kriminelle Einzelpersonen wirksam genutzt werden, aber nicht, um auf Demonstrantinnen und Demonstranten oder Fussballfans zu schiessen, selbst dann, wenn diese gewalttätig sind. Oder, um es mit den Worten des Journalisten David Dufresne auf den Punkt zu bringen: «Wer von der Aufrechterhaltung der Ordnung spricht, redet von einer Menschenmenge und somit von Bewegung. Die GL06 verlangt jedoch, das Ziel sauber anvisieren zu können, was unter solchen Bedingungen oft unmöglich ist.» Aus diesem Grund ist die Verwendung dieser Waffe bei Personenansammlungen nicht verhältnismässig. Das erhebliche Verletzungsrisiko, die bleibenden Schäden, die Leberrisse, die tödlich enden können, die Bystander, die an einem Wochenende oder an einem Fussballmatch zu Tausenden anwesend sind, werden in der Diskussion und auch in der Antwort des Regierungsrates nur am Rande erwähnt.

Mindestens während des Einsatzes im September war eine Menschenmenge vom Werfer-Einsatz betroffen. Der Regierungsrat gibt an, es sei immer auf einzelne geschossen und jedes Mal gezielt worden. Trotzdem ist es zu massiven Gesichts- und Augenverletzungen und zu Verletzungen von Ausgängern und Ausgängerinnen gekommen. Das weist eben gerade darauf hin, dass die Zielge- nauigkeit nicht gewährleistet werden kann. In diesem Sinne und im Sinne der Verhältnismässigkeit bitte ich Sie, diese Motion zu unterstützen, sodass diese Werfer bei Personenansammlungen nicht mehr genutzt werden dürfen.

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Präsident. Wir befinden uns in einer reduzierten Debatte. Das Mikrofon ist offen für Fraktionsspre- chende. Zuerst: Samuel Leuenberger für die BDP.

Samuel Leuenberger, Trubschachen (BDP). Das dauernde Gejammer über die böse Polizei und das ewige Märchen der lieben und friedlichen Demonstranten und Fussball-Rotten gehört in der Stadt Bern bereits zur festen politischen Klaviatur der Linken. Auch der vorliegende Vorstoss will dieses, aus Sicht der BDP verkehrte, Weltbild zementieren. Die Motionärin will uns vorgaukeln, dass die Polizei mit grobem Geschütz auf friedliche und nette Demonstranten losgeht. Das ist aus unserer Sicht falsch. Die Art und Weise, wie das in der Realität geschieht, kennen wir alle spätes- tens seit den Angriffen auf Polizisten vor ein paar Wochen. Entgegen der Ansicht in der Motion geht die Polizei hier im Auftrag von uns allen auf Leute los, die kriminelle Handlungen vornehmen, die Recht und Ordnung stören und die schlussendlich vorsätzlich gegen unsere Rechtsordnung ver- stossen. Wir sind als Parlament dazu verpflichtet, unseren Polizistinnen und Polizisten die nötigen Mittel zum Eigenschutz und zum Schutz von Recht und Ordnung zur Verfügung zu stellen. Es ist auch unsere Pflicht, zu schauen, dass solche Rechtsverletzungen nicht stattfinden können. Aus Sicht der BDP stellt dieser Vorstoss auch ein wenig einen Affront gegen unsere Polizistinnen und Polizisten dar. Er suggeriert nämlich, dass diese vorsätzlich auf Demonstranten losgehen und diese verletzen wollen. Das ist in keiner Art und Weise so. Und übrigens – das ist an die Motionärin und ihre Klientel gerichtet: Das einfachste Mittel, den Einsatz des hier infrage stehenden Gummige- schosswerfers zu verhindern, sind friedliche und geordnete Demonstrationen und Fanmärsche. Ge- schätzte Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, diesen Vorstoss abzulehnen.

Stefan Hofer, Bern (SVP). Ich kann mich dem Vorredner nur anschliessen. GL06-Werfer sofort stoppen: Wie man der Antwort des Regierungsrates entnehmen kann, werden diese Werfer nur eingesetzt, wenn Polizistinnen und Polizisten massiven Angriffen ausgesetzt sind und mit Steinen, Flaschen, Feuerwerkskörpern und so weiter angegriffen werden. Diese Werfer werden nur gezielt gegen Personen eingesetzt, wenn diese die Polizei direkt angreifen. Die Polizei muss sich gegen Leib und Leben bedrohende Angriffe mit den nötigen Mitteln zur Wehr setzen können. Deshalb b e- fürwortet die SVP-Fraktion den Einsatz dieser Werfer. Bei der SVP poppte die Frage auf, weshalb ausgerechnet aus dem Dunstkreis der Reithalle ein solcher Vorstoss eingereicht wurde. Wahr- scheinlich will man Wähler und Gefolgschaft bei Laune halten, billigt die Angriffe auf die Kantonsp o- lizei Bern (Kapo) und nimmt Verletzungen von Polizistinnen und Polizisten in Kauf und will die Tä- terschaft – sorry, die Klientel – schützen. Es erübrigt sich zu sagen, dass wir diesen Vorstoss ein- stimmig ablehnen.

Andreas Hegg, Lyss (FDP). Als ich diese Motion las, meinte ich, ich sei im falschen Film. Da ste- hen auf der einen Seite Angestellte des Kantons Bern, Frauen, Männer, Familienväter – Menschen, würden Sie wahrscheinlich sagen –, und erfüllen einen Auftrag des Kantons oder der Stadt, für Ru- he und Ordnung zu sorgen und auch unbeteiligte Bürgerinnen und Bürger zu schützen. Das wird schlussendlich mit unseren Steuergeldern finanziert. Ich frage Sie ernsthaft: Wer von Ihnen möchte sich denn einmal nachts dort hinstellen und sich gegen diese Leute wehren? – Auf der anderen Seite haben wir Chaoten – ich kann es nicht anders sagen –, welche mit Eisenstangen, Steinen und anderen Wurfgegenständen und Lasern wie in einem Krieg angreifen und unsere Polizisten verle t- zen wollen – und dies mit grösster Aggressivität und sehr genau geplant. Diese Chaoten nehmen wie selbstverständlich in Kauf, dass Polizisten und Polizistinnen verletzt werden. Diese Verletzun- gen werden die Polizisten und Polizistinnen zum Teil ein Leben lang haben. Ich sage bloss: Die Laser, welche sie einsetzen, sind sehr gefährlich. Aber wehe, wenn dann ein Chaot verletzt wird.

Dann geht das Geschrei los, und man sagt, die Polizei habe wieder einmal überreagiert.

Jetzt will man der Polizei verbieten, sich mit wirkungsvollen Mitteln zu verteidigen. Dass Polizisten immer wieder durch Chaoten verletzt werden, wird mit keinem einzigen Wort erwähnt. Werte Da- men und Herren, die Polizei verteidigt sich und versucht, das Ganze im Griff zu haben. Sie wehrt sich mit den Mitteln, die einer Polizei zur Verfügung stehen, unter anderem mit diesen Werfern. Was sonst soll die Polizei denn tun? Wahrscheinlich bringt es nichts, Wattebällchen rüber zu werfen. Es ist aus unserer Sicht, der Sicht der FDP, eine massvolle Reaktion auf die brutalen, gefährlichen und nicht tolerierbaren Angriffe auf unsere Angestellten. Ich frage auch: Wo ist denn der Gewerk- schaftsgedanke, wonach man diese Polizistinnen und Polizisten schützt? – Aus unserer Sicht ist diese Motion absolut unverständlich. Ja, sie zeugt von einer Respektlosigkeit gegenüber unserer Polizei, unseren Angestellten und unseren Steuerzahlern. Aus unserer Sicht müsste man die Kraft

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nicht für solche Motionen aufwenden, sondern man müsste sie für das Zurechtweisen und die Ma s- sregelung dieser ungesetzlichen Chaoten aufwenden, die jegliche Gesetze missachten. Wir von der FDP werden diese Motion einstimmig ablehnen.

Haşim Sancar, Bern (Grüne). Die grüne Fraktion unterstützt die Motion und bittet Sie, die Motion als Richtlinienmotion ebenfalls zu unterstützen. Die Motion verlangt, dass der GL06-Werfer der Fir- ma B&T bei grossen Personenansammlungen während des Pilotversuchs nicht zum Einsatz kom- men soll. Dies aus folgendem Grund: Seine Anwendung birgt irreparable Verletzungsgefahren. Be- sonders heikel ist dabei, dass das zu grosse Risiko besteht, dass vor allem auch Unbeteiligte zu Schaden kommen, wenn der Werfer im Rahmen von grösseren Personenansammlungen, wie Kundgebungen und Sportanlässen, zum Einsatz kommt. Während des Pilotversuchs der Kapo muss demzufolge auf den Einsatz der Werfer während solcher Anlässe gänzlich verzichtet werden. Wir möchten festhalten, dass wir jede gezielte und bewusste Aktion verurteilen, die eine Verletzungsge- fahr für Mensch, Tier und eigentlich auch Natur bedeutet. Wir akzeptieren nicht, dass Polizistinnen und Polizisten mit Gegenständen mit einem Verletzungspotenzial beworfen werden.

Ich habe aber kein Verständnis für den Regierungsrat, wenn er den Einsatz von 40-Millimeter- Werfern während des Pilotversuchs rechtfertig, auch als Reaktion auf die Angriffe auf Polizistinnen und Polizisten. Während grosser Personenversammlungen wie Kundgebungen ist das Verletzungs- risiko für Unbeteiligte einfach zu hoch. Hier geht es nicht um einen Rachefeldzug. Ein Rechtsstaat zeichnet sich gerade dadurch aus, dass Rachegefühle keinen Platz haben. Unverhältnismässige Mittel mit hohem irreparablem Verletzungspotenzial einzusetzen und dazu noch das grosse Risiko in Kauf zu nehmen, dass Unbeteiligte zu Schaden kommen, widerspricht der Rechtsstaatlichkeit.

Ein Smiley-Zeichen ändert daran nichts. Es geht nicht darum, den Pilotversuch zu stoppen, sondern darum, sicherzustellen, dass dieser Werfer bei grossen Personenversammlungen wie Kundgebun- gen nicht zum Einsatz kommt. Danke für die Unterstützung.

Katharina Baumann-Berger, Münsingen (EDU). Die Angriffe aus dem Hinterhalt gegen die Polizei bei gewissen Anlässen entwickeln sich immer subtiler. Die Hemmschwellen sind sehr niedrig. Der Einsatz von Gummigeschosswerfern ist als Reaktion auf die sich steigernden Zusammenstösse zu werten. Polizisten, welche die entsprechenden Dienste leisten müssen, bedürfen einer Möglichkeit, um sich entsprechend gegen die ausgeführten Angriffe zu schützen und eine aufgebrachte Menge beruhigen zu können. Diese Werfer sind ein geeignetes Mittel, um in Situationen, in denen dies not- wendig ist, reagieren zu können. Daneben sei erwähnt: Niemand, ausser den aufgebotenen Polizis- ten, muss an den entsprechenden Anlässen teilnehmen. Die EDU-Fraktion lehnt diese Motion klar ab.

Präsident. Für die SP-JUSO-PSA: Tanja Bauer.

Tanja Bauer, Wabern (SP). Ich möchte noch einmal daran erinnern, worum es eigentlich geht. Es geht darum, dass der Pilotversuch der Kapo mit GL06-Werfern im Rahmen grösserer Personenan- sammlungen gestoppt wird. Es geht also nicht darum, diesen GL06-Werfer zu verbieten. Die Regie- rung anerkennt in der Antwort auf diesen Vorstoss, dass es beim Einsatz dieser Werfer zu Verlet- zungen kommen kann. Deshalb darf der Einsatz des Werfers auch nur unter Berücksichtigung der Verhältnismässigkeit erfolgen. Die Regierung schreibt, deshalb müssten zwei Punkte erfüllt sein. Er darf nur gegen Einzelpersonen gerichtet sein und nicht auf die Menge. Er darf nicht genutzt werden, um in die Menge zu schiessen, und eine Einschiessdistanz von 20 bis 25 Metern muss erfüllt sein.

Sind die beiden Bedingungen nicht erfüllt, ist der Werfer schlicht zu gefährlich. Das steht in der Antwort der Regierung.

Zur ersten Bedingung: Der Werfer darf also nur gegen Einzelpersonen gerichtet werden. Gerade bei Grossanlässen scheint das aber relativ schwierig zu sein. Erstens halten sich an Grossanlässen per Definition viele Menschen auf, zweitens sind diese Menschen auch ständig in Bewegung. Dass es in solchen Situationen möglich ist, nur auf Einzelpersonen zu schiessen, scheint unrealistisch. Es könnten bei Grossanlässen also Unbeteiligte betroffen sein, ohne dass die Polizistinnen und Polizis- ten das eigentlich wollten. Zur zweiten Bedingung: Die Einschussdistanz muss laut Regierung 20 bis 25 Meter betragen. Auch das scheint an einem Grossanlass, an dem die Menschenmenge stän- dig in Bewegung ist, schwer einzuhalten. Es gibt auch die grosse Problematik der Abpraller, dass das Geschoss also erst auf den Boden trifft und danach die Person, ob sie jetzt gemeint war oder eine unbeteiligte ist, an Körperbereichen trifft, die man eigentlich nicht treffen wollte. Das war eben gera- de bei den «Gilets jaunes»-Protesten ein grosses Problem, und es gab sehr schwere Verletzungen.

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Es geht hier in keiner Art und Weise darum, die Polizei gegen die Zivilbevölkerung auszuspielen.

Wir sind auch nicht im Krieg, wie hier vorhin suggeriert wurde. Es geht um Verhältnismässigkeit und darum, dass diese bei Grossanlässen nicht gegeben ist. Werte Anwesende, es geht auch nicht um eine Kleinigkeit. Diese Waffe ist sehr gefährlich. Es kann zu Leberrissen, Brustbeinbrüchen und Frakturen des Schädels kommen. Leberrisse sind lebensgefährlich. Das hat ein Gutachten der Uni- versität Bern gezeigt, und es hat weiter festgehalten, dass noch aus 60 Metern Entfernung Rippen- brüche und irreversible Augenschäden auftreten können. Laut Regierungsrat kamen diese Werfer bisher nach zwei Fussballspielen auf der Schützenmatt zum Einsatz, eben bei grösseren Perso- nenansammlungen, bei denen es viele Unbeteiligte gab und, im Falle von Sportanlässen, auch Kin- der. Deshalb findet meine Fraktion die Verletzungsgefahr schlicht zu gross. Es geht nicht darum, dass die Polizei keine Mittel hat, sondern es geht darum, bei Grossanlässen den GL06-Werfer nicht einzusetzen.

Barbara Streit-Stettler, Bern (EVP). Die EVP wird diesen Vorstoss ablehnen. Uns leuchtet die Antwort des Regierungsrates ein. Offensichtlich hat man sich mit sehr viel Sorgfalt daran gemacht, dieses neue Instrument einzuführen. Zum Beispiel dürfen es nur Polizistinnen und Polizisten an- wenden, die auch eine Ausbildung auf diesem Instrument hatten. Für die EVP ist aber diese Sache nicht einfach schwarz-weiss, wie das zum Teil meine Vorredner suggeriert haben. Dass ein solches Instrument Angst macht und dass es zu Unfällen führen kann, ist für uns klar. Im Moment ist es aber noch ein Pilotversuch, und wir erwarten deshalb von der Polizei, dass dieser Pilot sorgfältig ausge- wertet wird und die definitive Einführung noch einmal genau überdacht wird.

Wir möchten auch Folgendes zu bedenken geben: Gerade in letzter Zeit kam es in der Stadt Bern an verschiedenen Orten, nicht nur bei der Reithalle, zu massiver Gewalt. Dabei stellt sich die Frage, wie Polizistinnen und Polizisten in diesen Situationen eingreifen und Unbeteiligte und sich selbst schützen können, wenn zum Beispiel Pflastersteine fliegen oder andere – in Anführungszeichen – Waffen eingesetzt werden. Wir finden es legitim, dass die Polizei hier nach neuen Instrumenten sucht. Die Polizei muss gerade bei Demos, bei der Reithalle oder bei Fussballmatches für Dinge den Kopf herhalten, die sie nicht direkt verursacht, die in der Gesellschaft allgemein falsch laufen.

Es kommt ihnen zum Teil massive Aggression entgegen, wobei die einzelnen Polizistinnen und Po- lizisten nicht viel dafürkönnen. Wir können die Polizistinnen und Polizisten in diesen Situationen nicht einfach ausliefern. Alle Einsatzmittel, welche die Polizei einsetzt, oder bisher eingesetzt hat, haben Vor- und Nachteile. Für eine andere Taktik der Polizei, ohne irgendwelche Einsatzmittel, bräuchte es viel mehr Polizistinnen und Polizisten an solchen Veranstaltungen. Und wir wissen, dass die Polizei ja heute schon sehr stark gefordert ist. Das würde eben diese Überlastung noch verstärken, abgesehen davon, dass die Polizistinnen und Polizisten, welche massiert, also in hoher Anzahl auftreten und Schutzkleidung tragen, auch nicht gerade zur Entschärfung der Situation be i- tragen. Es ist also schwierig, hier den richtigen Weg zu finden, vor allem auch für uns Grossrätinnen und Grossräte, die wir nur von aussen auf diese Situation blicken können und sie nicht von innen kennen. Wir werden also diesen Vorstoss ablehnen, erwarten aber, dass die Polizei diesen Pilo t- versuch noch einmal sorgfältig überprüft.

Thomas Brönnimann, Mittelhäusern (glp). Die Glp-Fraktion sieht das durchaus auch differenziert und nicht schwarz-weiss. Wir sind aber mit der Antwort der Regierung zufrieden. Wir warnen davor, dass sich die Politik in operative Fragen einmischt. Ich erlaube mir eine persönliche Bemerkung.

Wenn man die Geschehnisse der letzten Monate via Medien ein wenig verfolgt, oder es zum Teil auch via Augenzeugenberichte mitkriegt, dann wird einem doch bewusst, wie schwierig es für die Einsatzkräfte ist, vor Ort verhältnismässig zu reagieren. Es ist eine Herausforderung, das geeignete, das mildeste Mittel anzuwenden, so wie man ja die Verhältnismässigkeit ein wenig de lege artis interpretiert. Ich habe den Eindruck, dass das der Kapo in der vergangenen Zeit eigentlich gar nicht so schlecht gelang. Ich wünsche mir – aber das bleibt wohl ein frommer Wunsch –, dass man sich vielleicht wieder einmal zusammen an einen Tisch setzt, anstatt dass die eine Seite die andere Se i- te via Politik kritisiert, angreift. Ich möchte in diesem Sinne auch verdanken, dass die Kapo mit dem Kommandanten hier einen ersten Schritt gemacht hat – jedenfalls in meiner Wahrnehmung. Ich habe auch wahrgenommen, dass nach den letzten Vorfällen bei der Reithalle jetzt auch bei diesen Kreisen eine gewisse Einsicht Eingang gefunden hat, wonach man gewisse Probleme einfach zu- sammen lösen muss, dass sie nicht einfach zu lösen sind und dass es der falsche Weg ist, wenn man sich gegenseitig immer mit Vorwürfen eindeckt.

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Präsident. Wenn ein Glp-ler einen frommen Wunsch hat, dann gibt das fraktionsintern noch Dis- kussionen. (Heiterkeit / Hilarité) Ich gebe das Wort Polizeidirektor Müller.

Philippe Müller, Polizei- und Militärdirektor. Brennende Barrikaden, Eisenstangen, Pyrotechnika und Steinschleudern gegen Polizistinnen, und insbesondere starke Laserpointer gegen die Augen von Polizisten und Polizistinnen: Diese Angriffe sind nicht auf Polizistinnen und Polizisten be- schränkt, es werden auch Sanitäter und Feuerwehrleute angegriffen. Die Ereignisse der letzten Mo- nate haben uns vor Augen geführt, wie präsent das Gewaltphänomen im Rahmen von grösserem Personenaufkommen sein kann. In diesem pulsierenden Umfeld hat die Kapo den Auftrag, für die öffentliche Sicherheit zu sorgen. Dabei müssen sich Polizistinnen und Polizisten auch selbst schü t- zen können. Damit die Kapo das kann, sind geeignete Mittel nötig, von der Strategie über den Res- sourceneinsatz bis hin zur Ausrüstung, den verwendeten Fahrzeugen und Einsatzmitteln.

Die hier zur Diskussion gestellten Gummigeschosswerfer sind eines der zahlreichen Einsatzmittel der Kapo. Der Regierungsrat ist klar der Ansicht, dass die Kapo über die nötige Erfahrung und Kenntnis verfügt, um zu beurteilen, welche Mittel wann und wie zum Einsatz kommen. Deshalb hält der Regierungsrat auch fest, dass der Vorstoss nur Richtliniencharakter aufweist. In der Antwort wird dargelegt, dass sich der Einsatz nach wie vor in der Pilotphase befindet. Es ist das Ziel jedes Pilotversuches, Aufschlüsse über die mögliche Verwendung eines Einsatzmittels zu erlangen. Vor diesem Hintergrund befremdet es ein wenig, dass der Vorstoss die Testphase abbrechen will, noch bevor alle verwertbaren Ergebnisse vorliegen. Das ist umso schwerer nachvollziehbar, als sich der Einsatz dieses Werfers nach den Empfehlungen der Konferenz der kantonalen Polizeikommanden (KKPKS) richtet. Begründet wird diese Forderung nach einem Abbruch der Testphase mit mögli- chen Verletzungen. Auch das befremdet. Denn auch mit einem Schlagstock, einem Pfefferspray und erst recht mit einer Schusswaffe sind Verletzungen möglich. Mit derselben Begründung könnte man ja alle Waffen der Polizei verbieten.

Dieser Werfer ist ein milderes Mittel als eine Schusswaffe. Verletzungen, egal ob von Krawallanten oder von Polizisten, sind bedauerlich und sind, wenn immer möglich, zu verhindern. Man darf aber in diesem Zusammenhang vor allem eines nicht vergessen: Warum wird dieser Werfer überhaupt eingesetzt? – Dieser Einsatz erfolgt, damit sich unsere Sicherheitskräfte bei Ausschreitungen vor Angriffen mit Laserpointern oder anderen gefährlichen Gegenständen gezielt schützen können, und nicht umgekehrt. Weil die Polizei mit Laserpointern und anderem angegriffen wird, wehrt sie sich, und nicht umgekehrt. Von einem solchen Laserpointer kann man erblinden – nicht einfach während ein paar Sekunden nichts mehr sehen, sondern blind für den Rest des Lebens sein. Das ist kein Kavaliersdelikt, sondern eine schwere Körperverletzung. Es handelt sich hier, bei unseren Polizis- tinnen und Polizisten, um kantonale Angestellte. Deshalb äussere ich mich als kantonaler Polizeidi- rektor auch zu den Ereignissen rund um die Schützenmatte. Denn dort werden Kantonspolizisten eingesetzt. Das sind meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, und eigentlich sind es auch Ihre Mita r- beiterinnen und Mitarbeiter. Man stelle sich einmal vor, andere kantonale Angestellte würden re- gelmässig bei ihrer Arbeit für den Kanton Bern dem Risiko ausgesetzt, zu erblinden. Es würde hier, im Grossen Rat, nur so Vorstösse hageln. Stattdessen haben wir hier einen Vorstoss, der diesen kriminellen Gewalttätern noch helfen will, ein Vorstoss, bei dem die Motionärinnen und Motionäre die vielen verletzten Polizistinnen und Polizisten mit keiner Silbe erwähnen. Einzelne gewalttätige Personen nehmen schwere Verletzungsfolgen aufseiten der Polizei in Kauf. Davor müssen sich die Einsatzkräfte schützen können.

Damit Sie sehen, wie solche Laserpointer eingesetzt werden und funktionieren, haben wir auf der Webseite meiner Direktion einen Link auf ein Video hinterlegt. Sie finden es unter www.pom.be.ch.

Gehen Sie runter zum Schnellzugriff, dort sehen Sie «Laserpointer». Es ist ein Video der «Tages- schau», hat also quasi offiziellen Charakter. Es ist nicht ein Video der POM. Auf der POM-Webseite gehen Sie auf Schnellzugriff und wählen «Laserpointer». In diesem Video auf der Homepage der POM äussert sich auch ein Wissenschaftler. Er sagt, der Laser, der eingesetzt werde, sei ein soge- nannt koordinierter Laser. Diese sind sehr gefährlich, weil sie auch über sehr weite Strecken noch wirksam sind. Sie können auch Dritte treffen, und sie können nur illegal in die Schweiz eingeführt werden. Ich will hier einfach verdeutlichen, weshalb die Kapo adäquate Einsatzmittel zur Hand ha- ben muss. Der Pilotbetrieb des Gummigeschosswerfers kann dazu einen Beitrag leisten. Die Regie- rung hat kein Verständnis für diesen Vorstoss und lehnt deshalb den Stopp der Testphase ab.

Präsident. Wir kommen zur Abstimmung über diese Motion. Wer die Motion annehmen will, stimmt Ja, wer diese ablehnt, stimmt Nein.

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Abstimmung (Geschäft 2019.RRGR.56) Vote (Affaire 2019.RRGR.56)

Der Grosse Rat beschliesst: / Décision du Grand Conseil : Ablehnung / Rejet

Ja / Oui 30

Nein / Non 104

Enthalten / Abstentions 12

Präsident. Sie haben diese Motion abgelehnt, mit 104 Nein- gegen 30 Ja-Stimmen bei 12 Enthal- tungen.

Ein kurzer Hinweis: Es wurde ein Lenovo-Ladegerät gefunden. Wenn jemand einen Lenovo- Computer hat und diesen auch weiterhin aufladen oder an den Strom anschliessen möchte, soll er bitte nach vorne kommen. Das Netzgerät liegt hier vorne bereit.

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