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Die Motivation ist hoch die Mittel knapp der Output

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Academic year: 2022

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Interview mit Prof. Dr. med. Hans-Joachim Schmoll, Halle 05. Juni 2002

Die Motivation ist hoch – die Mittel knapp – der Output gering

Krebsforschung und Krebstherapie in Deutschland

Bessere interdisziplinäre Kooperation der onkologischen Fachrichtungen. Stärkere Förderung klinischer Studien mit relevanten Fragestellungen. Verbesserte gesetzliche und finanzielle

Bedingungen für die praktische Tumortherapie. Was davon ist machbar, was bereits Realität und wo liegen Defizite? Eine Standortbestimmung zur Krebsforschung und –therapie Deutschland versucht der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Internistische Onkologie, Prof. Schmoll, im Gespräch mit journalOnkologie.

0 Herr Professor Schmoll, wie beurteilen Sie den Stellenwert der Krebsforschung in Deutschland im internationalen Vergleich?

Man muss sehr genau zwischen der experimentellen, eher grundlagenorientierten Krebsforschung und der klinischen Krebsforschung trennen. Im internationalen Vergleich gibt es in einigen Bereichen der Grundlagenforschung im Schwerpunkt Zellbiologie/Tumorbiologie einige hervorragende Zentren, die durchaus international mithalten können. Allerdings ist die Forschungsfinanzierung im Vergleich zu anderen Ländern, insbesondere den USA und zum Teil auch England, in Deutschland deutlich geringer, was sich in dem Output an Originalpublikationen in Zeitschriften mit

hohem Impactfaktor niederschlägt. Dies gilt auch für die Zeitschrift „Cancer Research“, in der ich Associate Editor bin und daher einen relativ guten Überblick über die eingereichten Arbeiten habe.

Für den klinischen Bereich gilt im Prinzip das Gleiche; allerdings liegt das besondere Problem in der Tatsache, dass es in Deutschland keine straff durchgeführte Studienorganisation gibt, die nicht nur die Studien reviewt und für eine standardisierte Durchführung durch Studien in den einzelnen Institutionen sorgt, sondern auch zentrales Management und Finanzierung übernimmt. Die ist zwar bei weitem nicht in allen europäischen Nachbarländern der Fall, aber Institutionen wie das Medical Research Council in England, FFCD in Frankreich oder die hervorragenden Strukturen in Holland sind leuchtende Beispiele,

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ebenso wie die EORTC bzw. Länder, die sich sehr aktiv an EORTC-Studien beteiligen.

Aber es gibt doch sehr aktive Studiengruppen?

Hervorragend sind einzelne „Inseln“ in Deutschland wie die Leukämie-, Lymphom- oder Hodgkin- Studiengruppen, die Interdisziplinäre Arbeitsgruppe für Hodentumoren der AIO oder die AGO, insbesondere im Bereich Ovarialkarzinom, die z.T. nicht nur mit der internationalen Krebsforschung mithalten können, sondern darüber hinaus z.T. vorbildhafte Arbeit geleistet haben. Die gesamte Breite der Onkologie, insbesondere im Bereich der soliden Tumoren, wird allerdings von der deutschen klinischen Forschung nur äußerst unzureichend abgedeckt, was am Anteil der Publikationen aus

deutscher Quelle in den europäischen und amerikanischen Fachjournalen für Onkologie leicht ablesbar ist.

Warum hört man so wenig von herausragenden Ergebnissen?

Erst langsam setzt sich die Erkenntnis durch, dass kleine regionale klinische Studien – von Ausnahmen abgesehen – keinen relevanten Beitrag zur Innovation liefern können, die den therapeutischen Standard in der Onkologie im internationalen Kontext verbessert, sondern dass mehr und mehr nur eine breit angelegte Kooperation der Schlüssel zum Erfolg ist. Unter diesem Aspekt ist die neu begonnene

Kooperation von internistischen, gastroenterologischen sowie pulmologischen und endokrinologischen Onkologen im Rahmen der AIO von besonderer Bedeutung, da hierdurch der Grundstein gelegt wird für interdisziplinäre, fachübergreifende, breit angelegte Studien.

Die Motivation zu innovativen Projekten und zur Kooperation ist außerordentlich hoch und wird sich sicherlich in guten klinischen Studien umsetzen. Das Ziel dieser klinischen Studien muss sein, dass therapeutische Fortschritte erzielt werden, unter Umsetzung der zeitweise sehr schnell wachsenden Erkenntnisse aus der Substanzentwicklung und präklinischen sowie frühklinischen Forschung. Wenn die klinischen Studien gut angelegt sind, die Fragestellung relevant und die Fallzahl groß genug ist, wird das Ergebnis nicht nur für die Patienten außerordentlich fruchtbar sein, sondern sich auch in guten

Publikationen niederschlagen, die im internationalen Konzert mithalten können.

Es ist allerdings beklagenswert, dass der gesamte Finanzrahmen für die grundlagenorientierte, sowie translationale und klinische Krebsforschung in Deutschland nur einen Bruchteil dessen ausmacht, was in anderen Ländern und insbesondere in den USA vorhanden ist; z.B. werden in den USA allein vom NCI ca.

4 Milliarden Dollar pro Jahr für die Krebsforschung ausgegeben – die Investitionen der pharmazeutischen Industrie nicht eingerechnet!

Wird hierzulande zu wenig angewandte Krebsforschung betrieben?

Die klinische Forschung wurde von den forschungsfördernden Institutionen lange Zeit extrem

vernachlässigt und für „wissenschaftlich geringwertig“ erachtet – trotz in den letzten Jahren zunehmender andersartiger Bekenntnisse z.B. der DFG etc. Dieses Denken scheint nunmehr dem eindeutigen Votum für die wissenschaftliche und klinische Relevanz von klinischen Studien, vor allem im Bereich der

Krebsforschung, zu weichen. So werden Programme von DFG und BMB+F gerade für den Bereich

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Klinische Studien aufgelegt, wobei zwar translationale Komponenten im Vordergrund stehen sollten, was aber keinesfalls mehr Bedingung sein wird. Es ist somit zu hoffen, dass diese zarte Pflanze der Förderung klinischer Studien in Deutschland ausreichend „gedüngt“ wird. Es ist dringend notwendig, dass über die Netzwerke bei Leukämien und Lymphomen – die ja nur einen marginalen Anteil der Krebserkrankungen in Deutschland betreffen – hinaus eine klinische Netzwerkforschung entsteht. Es ist hierfür allerhöchste Zeit!

Die Tumorzentren sind in letzter Zeit in die Kritik geraten. Hier sollten ja eigentlich Forschung und Klinik eng miteinander verknüpft sein. Was liegt hier

im argen?

Die Tumorzentren sind keine forschenden Institutionen, sondern sie dienen eher dazu, diejenigen klinischen Bereiche der zentralen und umliegenden Krankenhäuser zu vernetzen, in denen

Krebspatienten behandelt werden. Das Ziel ist, dass Patienten mit Tumorerkrankungen nicht nach individuellem Gutdünken behandelt werden, sondern auf der Basis der zentralen Leitlinie der Deutschen Krebsgesellschaft einerseits und auf der Basis der interdisziplinären Diskussion und Kooperation. Dass dies oft nur auf dem Pa-pier steht und praktisch nicht wirklich umgesetzt wird, ist leider oft der Fall; dies wird die derzeit laufende Evaluation der Tumorzentren, die die Deutsche Krebsgesellschaft zusammen mit der Krebshilfe vorantreibt, zeigen.

Es müssten also bei uns echte interdisziplinäre Krebszentren eingerichtet werden?

Meines Erachtens sind die deutschen sogenannten Tumorzentren keine Alternative zu wirklichen Zentren im Sinne der amerikanischen oder französischen „Comprehensive Cancer Centers“, sondern als

Ergänzung zu solchen noch zu institutionalisierenden wirklichen interdisziplinären Krebsforschungs- und Behandlungszentren zu sehen. Die Tumortherapie wird immer komplexer und die Anforderungen an die Therapieforschung immer größer, so dass unter dem Aspekt von Innovation, Qualität und begrenztem Budget eine Zentralisierung der Tumortherapie und therapienahen klinischen Forschung in Zukunft eine conditio sine qua non wird.

Sind die Arbeitsgemeinschaften der Deutschen Krebsgesellschaft effektiver?

Die AG’s der Deutschen Krebsgesellschaft sind z.T. äußerst aktiv und erfolgreich, wie z.B. die AG

Gynäkologische Onkologie, während andere AGs sehr gute Fortbildungsarbeit leisten, aber keine oder nur wenige übergreifende klinische Studien initiieren. Dies hängt vorwiegend damit zusammen, dass die Arbeitsgemeinschaften auf ehrenamtlicher Basis geführt werden und keine finanzierte Struktur haben.

Dennoch sind die AGs in der Deutschen Krebsgesellschaft derzeit der einzige fachübergreifende Rahmen für eine bundesweite und z.T. auch fachübergreifende Kooperation im Rahmen klinischer Studien.

Zumindest die AIO will hier innerhalb der nächsten 3 Jahre ein besonderes Zeichen setzen; über die jetzt schon existierenden und z.T. sehr aktiven Studiengruppen hinaus im Bereich Hodentumoren,

gastrointestinale Tumoren, Bronchialtumoren etc. sollen aktive Studiengruppen initiiert und gefördert werden. Dabei ist die AIO aber überwiegend auf die finanzielle Hilfe der pharmazeutischen Industrie

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angewiesen. Leider wird die Arbeitskraft der ehrenamtlichen Mitglieder der AIO zur Zeit durch

berufspolitische und ökonomische Fragen, wie z.B. die Frage „Finanzierung von off label use“ etc., besetzt.

Wir können hoffen, dass diese Fragen bald gelöst werden und wir uns wieder schwerpunktmäßig den wissenschaftlichen Fragestellungen zuwenden können.

Gibt es ausreichende Kommunikation bzw. auch Zusammenarbeit zwischen den Fachgesellschaften, um multimodale Therapiekonzepte voranzutreiben?

Die Kommunikation und Koordination zwischen den Fachgesellschaften ist äußerst gering, allerdings auf der Ebene der Arbeitsgemeinschaften der Deutschen Krebsgesellschaft deutlich besser. Dies liegt daran, dass sich hier Kollegen zusammen finden die therapie- und forschungsorientiert sind und

berufspolitische Interaktionen und Querelen nach Möglichkeit außer acht lassen wollen. Die Kooperation auf dieser Ebene ist als sehr positiv einzuschätzen.

Leider hapert es vielfach vor Ort, in den einzelnen Kliniken, an der notwendigen Kooperation für die Umsetzung moderner Erkenntnisse für Therapiestrategien bei Tumorpatienten. Es gibt leider noch nicht viele Kliniken, in denen Patienten mit Tumoren vor dem ersten Skalpellschnitt interdisziplinär besprochen werden und – wenn notwendig – eine präoperative Strategie und die gesamte Therapiestrategie

besprochen und umgesetzt wird. Allerdings nimmt die Zahl der Kliniken, die im Sinne eines Tumorboard agieren – was an sich eine Selbstverständlichkeit und klinische Notwendigkeit bei der Behandlung von Patienten mit soliden Tumoren sein sollte – zu.

Kommen Fortschritte der Krebsforschung und innovative Therapien den Patienten ausreichend zu gute?

Die in den bisherigen Punkten dargestellten Probleme behindern zum Teil erheblich, dass die Informationen in der Krebstherapieforschung zügig für einzelne Patienten umgesetzt werden, Kompetenzstreitigkeiten, Unkenntnis und Inkompetenz sowie fächerorientiertes Denken anstelle

krankheits- und tumorzentriertem Strategiedenken sind in weiten Teilen der behandelnden Institutionen in Deutschland vorherrschend. Wir benötigen dringend und zügig eine Veränderung dieser Situation.

Welchen Nutzen haben Therapieleitlinien überhaupt, wenn Fachkreise immer wieder beklagen, dass sie nicht ausreichend oder überhaupt nicht umgesetzt werden?

Therapieleitlinien setzen die Basis für Standards, die aber bisher nur auf „freiwilliger Basis“ eingehalten werden müssen. In den USA sorgen Schadensersatzprozesse mit hohen Geldsummen dafür, dass die Ärzte sich zunehmend an Standardvorgaben halten; die Entscheidungs- und Prozessqualität ist allerdings abhängig von der Kompetenz. Insofern ist die Einhaltung von Therapieleitlinien an die Kompetenz

gebunden und zwar in den Bereichen, in denen der Patient betreut wird. Bei Planung von Diagnostik- und Therapiestrategien in einem Tumorboard unter Einschluss eines kompetenten internistischen Onkologen (wobei es keine Rolle spielt, welcher Fachrichtung dieser Onkologe angehört, so lange er wirklich

kompetent ist), sollten die Therapieleitlinien eingehalten werden und darüber hinaus die für den

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individuellen Patienten optimale Therapiestrategie definiert werden können.

Bewegung hat es in letzter Zeit bei der Diskussion um Früherkennung von Tumoren der Brust, der Prostata und des Darms gegeben. Sehen Sie darin einen Fortschritt?

Der entscheidende Durchbruch zur Reduktion der Krebstodesfälle kann nur durch Prävention, d.h.

Vermeidung von krebsauslösenden Faktoren, erzielt werden. Hierzu wird das Vermeiden von

Tabakkonsum an erster Stelle und die Reduktion ernährungsbedingter und beruflicher Noxen gezählt. Die Früherkennung der häufigen Tumoren ist aber ebenso wichtig, da es eine Binsenweisheit ist, dass die Heilungswahrscheinlichkeit höher ist, je früher der Tumor entdeckt wird. Dies gilt insbesondere für Tumoren von Prostata und Darm. Die kürzlich gefasste Vorgabe und hoffentlich auch finanzpolitische Umsetzung durch die Krankenkassen, dass jeder Mensch ab dem 45. Lebensjahr mindestens einmal innerhalb von 10 Jahren eine Koloskopie durchführen lassen sollte, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit die Mortalität an kolorektalen Karzinomen halbieren, und zwar geschieht dies durch die Früherkennung von Tumoren sowie die Verhinderung der Tumorbildung durch Polypektomie mit entsprechenden

Kontrolluntersuchungen etc..

Dies gilt hoffentlich auch für die breit angelegte mammographische Screeninguntersuchung mit

entsprechender Qualitätssicherung der Untersuchung, wie es in dem kommenden Disease-Management- Programm in Deutschland vorgesehen ist.

Ein weiterer Durchbruch kommt möglicherweise von der aktuellen Proteomikforschung; es gibt Hinweise darauf, dass z.B. beim Ovarialkarzinom – und sicherlich auch bei einer Reihe anderer Tumoren –

frühzeitig die zelluläre Peptidexpression verändert ist und der klinisch erfassbaren Manifestation eines malignen Ovarialkarzinoms um Jahre vorausgehen kann. Von besonderer Bedeutung werden dabei die Ergebnisse interventioneller Studien sein, wie z.B. der laufenden Studie zur Selensupplementierung bei Männern mit Risiko für die Entwick-

lung eines Prostatakarzinoms, die derzeit in den USA bei mehr als 20.000 Probanden durchgeführt wird.

Welche vordringlichen Ziele haben Sie sich als AIO-Vorsitzender, der größten onkologischen Arbeitsgemeinschaft, gesetzt?

Die Besserung der interdisziplinären Kooperation, aktive klinische Studienarbeit mit vielen klinischen Studien bei einer breiten Palette von soliden Tumoren, aber nur mit relevanten und motivierenden Fragestellungen, Verbesserung der gesetzlichen und finanziellen Rahmenbedingungen für die praktische Tumortherapie in Deutschland, insbesondere im Bereich der Kliniken und niedergelassenen

Hämatologen und Onkologen, Verbesserung der Kommunikation und des Stellenwertes der internistischen Onkologie in

der gesamten Krebstherapie in Deutschland. Wenn ein Teil hiervon erreicht wird, hätten wir schon sehr viel getan. Der Vorstand der AIO ist sehr motiviert und aktiv, diese Ziele umzusetzen. Entscheidend ist aber nicht der Vorstand und der Vorsitzende, sondern die Mitglieder der AIO. Für deren Mithilfe danke ich an dieser Stelle schon voraus.

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Das Interview führte Ulrich Ravens

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