SEPARATABDRUCK
aus
IMAQO
ZEITSCHRIFT FÜR ANWENDUNG DER PSYCHO-
ANALYSE AUF DIE GEISTESWISSENSCHAFTEN.
Herausgegeben von Prof. Dr.
S1GM. FREUD,
redigiertvon Dr.
OTTO RANK
und Dr.HANNS SACHS.
VIII. Jahrgang, 1922. 4. Heft.
Internationaler psychoanalytischer Verlag Ges. m. b. H.
m
440 Dr. Alfred Winterstein
Zur Entstehungsgeschichte der griechischen Tragödie.
Von
Dr.ALFRED WINTERSTEIN
<Wien>.Die folgendenAusführungen sinddem
dritten und vierten Kapitel eines hoch nicht veröffentlichten Werkes »Die Entstehung der griechischen Tragödie« entnommen.
Jegliche
Untersuchung
über dieEntstehung
der griechischenTra-
* gödie
wird
sich zunächst mitden Ausführungen
des Aristoteles/im
4. Kapitel seiner Poetrk auseinandersetzenmüssen,
die bis in die jüngste Zeit richtunggebend für alleTheorien
überden Ur=
sprung
des antikenDramas
geblieben sind.1»Hervorgegangen
aber ist es« <das Trauerspiel), heißt es an der einen Stelle,2 »jedenfallsaus
Stegreifversuchen nichtminder
als das Lustspiel, jenes
%mlich aus den Vorträgen
derVorsänger im Dithyrambus,
diesesaus
jenen inden
Phallosliedern, die nochjetzt in vielen Städten
im Schwange
sind.«Und
weiter:3»Ent-
standenaus
der possenhaften Diktion, hat das Trauerspiel sicherst spät infolge einer
Umänderung aus dem
Satyrspielartigerizu
höhererWürde
erhoben,-was
dasVersmaß
anbelangt, so ist derJambus
an die Stelle desTrochäus
getreten.«Aristoteles gibt also
zwei Quellen
an:den Dithyrambus und
das Satyrspielartige.Wir werden
später sehen,daß
dieHer-
1 Als Urkunden
kommen
einigeKunstdenkmäler und die ältestenTragödien selbst in Betracht. Die VitadesArion bei Suidas und das Buch desPeripatetikersChamaileon
sindwohl nur aufdenAngaben desAristoteles selbst aufgebaute Hypothesen. Aristoteles selbst gibt bloß mehr oderweniger wahrscheinlicheVer»mutungen, die ihm die Beobachtung aufdrängte, ohne sich auf die alte Über-
lieferung oder Lirkundenmaterial stützen zu können. Ihn interessierte in erster Linie die ausgebildete Form der Tragödie,i
DieAngaben des Aristoteles sind übrigens auch nicht in sich geschlossen, da er kurz vorher die Tragödie mit dem alten Epos in Zusammenhang bringt.
Ob
Chorlyrik oder Epik—
beides würde gleich gut gegen dieAnnahme
sprechen, daßdertragischeStilsichaus einerpossenhaftenArtungder Diktionentwickelthabe.' Arist. Poet. 4, 1449a 9ff ' L. c. 4, 1449a 19 ff.
a INTERNATIONAL OANALYTIC UNIVERSITY
*DIEPSYCHOANALYTISCHEHOCHSCHULEINBERLIN
Zur
Entstehungsgeschichte der griechischen Tragödie 441leitung
aus
toaatvQixöv
nicht berechtigt erscheint,und
fassen zu*nächst
den Dithyrambus
insAuge. Von
vornhereinkann
nicht entschiedenwerden, ob
Aristoteles anden Dithyrambus
seiner Zeit, der eigentlich dieChorlyrik umfaßte und
ein mimetischesElement
aufwies,oder an
eine frühereKunstform
dachte.Im
Hinblick
auf
die Tatsache,daß
die chorischen Teile offenbar eineum
so größere Rolle spielen, je älter dieTragödien
sind,mochte
es eineetwas
allgemeine, schwächlicheWahrheit
sein,wenn
Aristoteles verkündigte,
daß
derKeim
derTragödie im Auf-
treten der
Vorsänger
bei derartigenDithyramben
lag.An-
sprechender ist
wohl
dieVermutung, daß
eran
eine speziell charakterisierte, ursprünglicheForm
desDithyrambus
anknüpfte, wie sie dieVerse
des Archilochos1 erraten lassen:Cog Aicovvaoi
avantog xa?Äv
i^dgt-ai fiiXog olöa övd'VQaßßov, oivq> ovyxEoavvco'deig cpQ&vag.Es
ist ja auchbemerkenswert, daß
derim
siebenten Jahr- hunderte lebende Dichterden
nämlichen, anscheinendherkömmlichen Ausdruck
&&qxbiv- didvQafißovwie
Aristoteles gebrauchte/zudem würde
dieBeziehung
aufden
dionysischenDithyrambus
mitdem
sonstigen
Zusammenhange
zwischenTragödie und Dionysos-
kult übereinstimmen. Dieser ältere
Dithyrambus,
beidem
dasDramatisch-Mimetische
höchstens imKeime
entwickelt war, erhielt seinekunstmäßige Form
durchArion
2im
siebentenund
sechsten Jahrhundert v. Chr.,muß
aber sdion vorher alsungefüge Im-
provisationbestanden
haben.Über
seinen ursprünglichenCharakter
sindwohl nur Vermutungen
erlaubt. Sicherlich handelte es sichum
ein Chorlied
im
griechischenSinne
miteinem
i^dg^cov alsVor-
sänger*
zur
Flötegesungen von
einer Schar trinkfroherVerehrer
des Gottes.Wenn
wir in Betracht ziehen,daß Arion und
Archilochus derUrbevölkerung angehörten und
eineVerwandtschaft
zwischen dieserund den
dunkelhaarigenThrakern
behauptet wird,3 dürfen wir dieEntstehung
eines derartigen lyrischenGesanges auf den
thrakischenGott Dionysos
in eine sehr frühe Zeit verlegen.Ge*
stützt
auf
dieErgebnisse
der Psychoanalyse,werden
wirim
1 Fragm. 77. Bergk.4
s Suidas s. v. Arion: 2aru<?oii£ eiaeveyxelv i(if.isxoa ?Jyovxag. lbid:
xQayixov xQÖnoo 6&eevfjg.
3
Ridgeway:
The Origin of Tragedy. Cambridge 1910. P. 5.—
DieFlöte ist ein ungriediiscfiesInstrument, das dem Dionysoskult seit jeherangehört.
Dithyrambus
eineÄußerung
dermannmännlichen
Erotik1 erblicken dürfen.Die Beziehung zum
kultisch verehrten awxf, dieMänner-
gesellschaft
und
dieRauschstimmung
2 reden eine deutliche Sprache.Die
erotischeLyrik
der Griechen ist jaüberhaupt
einevorwiegend
männlicheund
bedient sich zur Verschleierung gerne einesmytho-
logischen
Gewandes. Ohne den
erotischen Charakter» derMänner^
bünde
erkanntzu
haben, hat schonH.
Schurtz indem
Kapitel»Klubs und Geheimbünde«
seines Buches »Altersklassenund Männerbünde«
<S. 323> die »geselligkeitsförderndeMacht
der narkotischen Stoffe« hervorgehoben.Er
schreibt:»Die
meisten hierhergehörigenGetränke und
Stoffehaben
die Eigenart, einegemeinsame,
in der Regel fröhlicheund
beimäßigem Genuß wohlwollende Stimmung zu
erzeugen, die der Geselligkeit außerordentlich zustattenkommt und den Zusammenhalt
derMänner
besser bewirkt als bloßegemeinsame Schmausereien
. . .Es kann
nicht fehlen,daß Zechen und Rauchen
stellenweiseden Charakter
einer religiösenHandlung. annimmt.«
Das von uns
aufgezeigte männerbündlerischeElement
im früheren, rein rituellenDithyrambus vermag
vielleicht einerseit:die
Erscheinung
erklären helfen,daß
in späterer Zeit die Stoffe des dionysischenHymnus
derHeroensage entnommen wurden
3<Heroendithyrambus>,
und kann
anderseits die Herleitung derTragödie
aus Pubertätsbräuchen4psychologischverständlicher machen.Wir
sehenuns nunmehr vor
dieFrage
gestellt,ob
der ursprüng-liche Inhalt des
Dithyrambus
durch dieEtymologie
desWortes
ermittelt
werden
kann.Unter den
antikenEtymologien
ist die bekannteste diejenigevon
der doppelten Tür, die sich offenbarauf
die inden »Bakchen«
des Euripides (v,
518
ff.> erzählte zweiteGeburt
desDionysos-
kindes»Dithyrambus
« aus derHüfte
5 seinesVaters Zeus
bezieht.* Vgl. hiezu auch Hans Blüher: Die Rolle derErotik in der männlichen Gesellschaft. II. Bd. Jena 1919.
s Analysen von Psychoanalytikern haben gezeigt, daß unbewußte homo*
sexuelle Begierde viele Männer zum Alkohol greifen läßt, der durch Zerstörung der Sublimierungen die gleichgeschlechtliche Erotik zum Vorschein bringt. Siehe auch K.
Abraham:
Die psychologischen Beziehungen zwischen Sexualität und Alkoholismus. Zeitschrift für Sexualwissenschaft. I. Jahrgang, 1908.* Ovbev siQÖg Aiövvoov
* Über die anderenQuellen zurEntstehung derTragödiesiehe weiterunten.
6 Diemythologische Vorstellung von Geburten aus
dem
Beine ist alt undweitverbreitet. Liebrecht <Zur Volkskunde. Heilbronn 1879. S. 490> erinnert außer der Geburt des Dionysos Uxt]QOQQa(pi]g, fir)Qolgaq>i)g} und der Geburt
Zur Entstehungsgeschichte der griechischen Tragödie 443
Man
hatden Vorgang umkehren und behaupten
wollen,daß
dieseEtymologie Anlaß zu
einer wunderlichenFabel gegeben
habe, diewiederum dem Chorgesang
des Euripides zugrundegelegtworden
sei.
Aber
die Darstellung des griechischen Dichters weist soun- verkennbare Züge
eines urtümlichen Rituals1 auf,daß man
sich die falscheEtymologie
nicht nur durch die mißverständlicheAuf-
fassung einer alten rituellen Bezeichnung, sondern auch durch eine tatsächliche
Wiedergeburtszeremonie
verursachtdenken muß.
Plato
kommt
unsererErklärung zu
Hilfe. Inden »Gesetzen«*
sagt er bei
Besprechung
der verschiedenenArten von Oden:
»Einige sind
Gebete zu den Göttern und
diese heißenHymnen/
andere
von
entgegengesetzterArt werden
Klagelieder genannt,wiederum
anderePäane und
eine weitereArt von Oden —
dieGeburt
desDionysos meine
ich— Dithyrambus«.
Wir
wissen auch,daß Timotheos
einenDithyrambus
dichtete, der »dieGeburtswehen
derSemele«
(Ssfiilrjg cbölvsg) hieß,und daß
der 75.Dithyrambus
des Pindar dieGeburt
desBromios aus
derSemele im
Frühling besang.So
viel scheint festzustehen: es handelt sichum
einenGeburts-
gesang.
Aber
gibt es eine befriedigende etymologische Erklärung?Lateinische
Grammatiker haben
ötfrvQa/xßogvon
9Qia/.tßog abgeleitetund
diesesWort wieder
in dieNähe von
triumpus <der drei- schrittige Siegestanz) gerückt.Eine
andere Erklärung, die der englische PhilologeA.
B.Cook
3 gibt, scheintmehr zu
befriedigen.Die
erste Silbe AI für Ali entspringt der nämlichenWurzel wie Zevg und Aiög* Die Endigung
afißog ist wahrscheinlich die gleichewie
beispielsweise in Xafißog. Bleibt die Silbe Gvq, die stets eine crux interpretum gebildet hat.Nun
hatHoffmann
5 nachgewiesen,daß
die nördlichen Völkerschaften Griechenlands unter gewissendes Hephaestos aus Heras Hüfte daran, daß in der indischen Sage Aurva von
seiner Mutter
Vamöru
<d. i. Linksschenkel) in ihrem Schenkel verborgen gehalten wurde und aus diesem ans Licht trat, daß ferner aus dem geriebenen linken Schenkel der toten Vena einMann
hervorkam, daß nach einer altfranzösischenLegende Phanuel ein Mägdlein aus dem Schenkel gebiert,- daß nach einer mada- gaskarischen Sage von
Adam
gleiches erzähltwird und daß endlich in der nordi- schen Mythologie der eine Fuß Hymirs mit dem andern einen Sohn zeugt.1 Euripides
muß
etwas ähnliches gesehen oder davon gehört haben.* III, 700 B.
8 In J. E. Harrison: Themis.
A
study of the social origins of Greekreligion. Cambridge 1912. S. 204.
* So auch Farnell: The Cults of the Greek Staates. V. S, 144.
Die Makedonen. S. 242.
Bedingungen v
für ö setzen.Wir
hätten also statt Ai-frvQ-aiißog Ai-ftoQ-afißog—
derGesang,
derZeus
springenoder zeugen
macht.Der Dithorambus wäre
ein rituellerGesang
mitTanz zu Ehren
desZeus und Dionysos,
der in mimetischerWeise
nad>Art
desAnalogiezaubers
dasgewünschte
Ereignis derWieder-
geburtaus dem Vater
darstellt.1Aus dem Vorhergehenden haben
wir bereitsentnehmen können, daß Dithyrambus
nichtnur
eineArt
Tanzlied,sondern
auch—
wenngleich seltener—
einen kultischenBeinamen
2 desGottes Dionysos
bezeichnet.Es
istnun
nicht unwahrscheinlich,daß
derEigenname
3 sichaus dem Namen
des Ritus entwickelthat/ es ist ja eine in der Religionsgeschichte audi sonst nach»
zuweisende
Erscheinung,daß bedeutsame
Tätigkeiten dieTendenz
zeigen, sich in
einem Menschen, Dämon oder Gott zu
verpersön-lichen.*
Ein
Vergleich zwischen jenenZeremonien
beiden Stammes*
und Geheimbundweihen
der Primitiven, beidenen
derNovize von einem Ungeheuer
6wiedergeboren
wird,und dem
Ritual, das offenbar dervom Chor
der»Bakchen« gesungenen Geburtssage
unterliegt
und im
Frühlingbegangen wurde,
läßt sich nichtvon
- l Alfred
D
ö h rin g <Mitra. Monatsschrift für vergleichende Mythen*forschung. 1914. Nr. 2> teilt öi&-vQ-a/ißog ab/ ÖC& soll dem deutschen
Wort
Zeit, as. tid entsprechen.Da
wie im Germanischen auch in anderen Sprachen die Bedeutungen Fest und Zeit, Jahreszeit vereinigt sind, so ist 6 df&Uaa/xßog der Festgesang, Festtanz Dionysos zu Ehren.2 Außer der früher zitierten Euripidesstelfe in einem kürzlich entdeckten delphischen
Hymnus
aus dem vierten Jahrhundert und in einem Fragmente des Pratinas, eines der ältesten Satyrspieldichter <,&Qta/.iße öi'ihüQafiße).s
Kommt
nachHerodot
<V1I, 227) auch als menschlicherEigennamevor.* Farneil <a. a. O. p. 144> führt als Beispiele die
Magd
Jambe <aus lapßog) und den Schäfer Linos <aus /.ivog, der Linosgesang) an.5 Im ersten Kapitel des Buches wird der Versuch unternommen, einen in derGegenwart von Dawkins imGebietedesaltenThrakiens beobachtetenKarnevals»
brauch, dem ähnliche Veranstaltungen in Nordgriechcnland zur Seite treten, aus einer antiken ländlichenDionysosfeier herzuleiten, die die Keimzelle des attischen
Dionysosdramas gebildet haben dürfte. Anderseits wird das moderne Masken-
spiel in die weitverbreitete Gattung der Frühlingsfeste des »Vegetationsdämons«
(Mannhardt)
eingereihtund an reichem Materiale derenVerwandtschaft mitden Pubertätsriten <Knabenweihen> der Wilden nachgewiesen, die in Reiks gleich»namiger Arbeit (Imago, IV. Jahrgang, 3. und 4. Heft) eine eingehende Be- handlung erfahren haben. Die Untersuchung gelangt zu
dem
Ergebnisse, daßin den Vegetationsbräudien und Sündenbockzeremonien die nämlichen psychi- schen unbewußten Mechanismen wirksam sind wie bei den Mannbarkeits- Zeremonien der Primitiven. s
8 Dhuramoolan ist ja der
—
Vater. Vgl. das Dröhnen des Schwirrholzes und das Euripideische »ävaßoäoag*.Zur Entstehungsgeschichte der griechischen Tragödie 445
der
Hand
weisen.Die Vermutung
drängt sich auf,daß
wir es bei dieserSage
mitdem
auf dieGötterweit
projiziertenÜberrest
eines Wiedergeburtsritus1
zu
tun haben,dem
sich dieKnaben
behufs
Aufnahme
in die männliche Gesellschaft unterziehenmußten,
mag man nun an
dasVorhandensein
der totemistischenDenkstufe
bei der ältesten
Bevölkerung
Griechenlands glauben oder nicht.8Die Entstehung
des Bildes desHelden,
3 des jugendlichenGottes
durch narzißtische Projektion des egao^og unterden einzuweihenden
'
kovqoi
—
ein erotischesPhänomen,
4dem
dasGefühl
der Willens- steigerung innerhalb derGemeinschaft
der Jünglingeoder Knaben
vorhergeht
— muß zur Erklärung
der mythologischenFassung
der
Sage herangezogen werden. Das
Schicksal desGottes
ist ja die Lebensgeschichte seiner Verehrer.'Gegen vorstehende Deutung erheben
sich offenbarschwer^
wiegende Einwände.
Festzuhalten ist ja vorerst,daß
derDithy- rambus
alsGesang auf
dieGeburt
desDionysos — wir
sehenvon dem
hypothetischen Ritual ab—
geschichtlich nichtmehr
nach»weisbar ist, insoweit er eine eigene
Gattung von Hymnen
gebildethaben
soll. In der späteren, derForschung
erschlossenen Zeit bildet dieHeldensage ohne Beschränkung auf
dionysische Stoffe seinen Inhalt.Weiter
istzu
beachten,daß
dieNovizen
beiden
Pubertäts»brauchen
zumeist heranwachsende
Jünglinge sind,während
es sich in derSage um
einKind
handelt. DiesesArgument
läßt sich allerdings durchden Hinweis auf den
gern vernachlässigtenUnter-
schied zwischen physiologischer
und
sozialerPubertät,den
namentlich1
Bachofen
hat in seinem »Mutterrecht« <S. 243,256,259. Stuttgart 1861)als erster dieVermutung ausgesprochen, daß sich in derGeburt aus dem Vater Zeus ein soziales Phänomen spiegelt. Für ihn bestand es freilich im Obergange
vom
Mutterrecht zur dionysischen Paternität, die noch nicht die höchste,Stufe des Vaterrechts darstellt. Der Übergang von dem rein natürlichen zu demehelichen System soll hier durch die Fiktion des Muttcrtums in der Person des Erzeugers vermittelt werden. Die Auffassung der zweiten Geburt des Dithyrambus -als Spiegelung eines Ritus der Stammesweihe bei Harrison:
Themis. P. 35.
* Die Zeugnisse für das
Vorkommen
des Totemismus bei den Griechen sind trotz der von Aelian (Natura animal. XII, 39/ auch Krates in Plin. nat.hist. II, 13) angeführten Ophiogeneis von Parion unzureichend. Auch die mykeni=
sehe Kultur weist keinerlei Spuren desSystems der exogamen Heiratsklassen auf.
Mythen, -in denen Tiere oder Pflanzen eine Rolle spielen, dürfen nicht ohne weiteres totemistisch gedeutet werden.
s Völlig im Sinne Blühers, a. a. O. I, S. 241 ff.,- II, S. 108.
* Le dieu c'est le desir exteriorise, personnifie <E. Doutte: Magie et Religion. 1909. P. 601).
-
Vgl. hiezu meine späteren Ausführungen.A.
v.Gennep
1hervorgehoben
hat, entkräften.Die Einweihungs-
riten bei
den
Altersklassenund Geheimbünden
sind zeitlich nichtan das Alter der Pubertät
gebunden. Die
physiologischeund
die»soziale Pubertät« sind
etwas
Grundverschiedenesund
fallen nicht regelmäßigzusammen. Die
soziale Pubertät bedeutetden Über*
gang von
der Kindheitzum
Jünglingsalter,aus
der geschlechtslosenWelt
in dieGesellschaft des männlichen oderweiblichen Geschlechtes.• Hierunter fallen
außer den
Riten der physiologischen Pubertät die Riten desAbschneidens
derNabelschnur und
sonstige ZerenTonien der Kindheitund
des jugendlichen Alters, so unterUrnständen
auch dieAufnahme
inden
totemistisdien .Clan,dem
dasKind
durdi seineGeburt an
sich vielleicht noch nicht angehört.Manch- mal
erhält dasKind
erst indiesem
Zeitpunkt eine Seele.Daß
der• Eintritt in
den Geheimbund
nicht geradedem
Pubertätsaltervor-
behalten ist, lehrenuns
die ineinem anderen
Kapitel angeführten Beispiele.Man
darf auch nicht übersehen,daß
dieSage
ihrebesondere
Gestalt wahrscheinlich einer rationalisierendenTendenz
verdankt, dieden
altenBrauch
nichtmehr
verstandund
umdeutete.Zu-
gegeben,
daß
ein Ritus derWiedergeburt
wirklich inden
Bakchi- sehenMysterien begangen wurde,
so folgt daraus doch nicht »- lautet ein neuerEinwand —
,daß
dieserBrauch
aus einerähn-
lichen
Zeremonie
bei derMännerweihe,
dieauf
magischeWeise außer dem Leben
derKandidaten
auch das derStammesgemeinschaft
(vielleicht auch des
ganzen Totems)
erneuerte,hervorgegangen
ist.Gewiß
darfman
nicht jeden Ritusund
jeden seiner Bestandteile, der ineinem Geheimbund vorkommt, ohne
weiteresaus den Kulthandlungen
einesTotemclans
herleiten,- aber einen Brauch, der in antikenMysterien
sonst nicht anzutreffen istund
über- raschendeÜbereinstimmungen
mit der zweitenGeburt aus dem Ahnen
beiden
Jünglingsweihen aufweist, mit diesen in einen genetischenZusammenhang zu
bringen, heißtdenn
doch nicht unkritischeVermutungen
aufstellen.21 Les Rites de Passage. Paris 1909. P. 93ff.
— Gennep
erläutert denUnterschied durdi den Hinweis auf die physische <Bluts«> und sozialeVerwandt-
schaft, die physische und soziale <Großjährigkeit> Reife.
2 Nach
Schurtz
<a. a. O. S. 392> zeigen die Zeremonien der Geheim-- bünde die engste Verwandtschaft mit den Knabenweihen und sind eben nichts weiter als umgestaltete und umgedeutete Bräuche dieser Art.Auch
Webster
vertritt in seinemWerk
»Primitive Secret Societies* dieZur
Entstehungsgeschichte der griechischen Tragödie 447Wenn
unsere vorigenBehauptungen zu
Recht bestehen, sokann
natürlichnur auf
»survivals« einesthrakischen
Brauches geschlossen werden,-denn
die BakchischenWeihen
sind nicht griechi- schenUrsprunges. Doch
soll hier nochmalsdarauf
verwiesenwerden, daß
dieUrbevölkerung
Griechenlands mitden
dunkelhaarigenThra-
kern, die das Pangäische
Gebirge bewohnten, verwandt gewesen
sein dürfte.
Was
in der geschichtlich hellen Zeitan
Pubertätsriten oderrichtiger
Überresten von
solchen beiden
Griechen anzutreffen ist, läßt allerdings— abgesehen von den
Riten derKouretes
1 inden Rhea-Kybelemysterien Kretas und
Phrygiens,3 derenUrsprung
nadidem Stammsitze
derThraker
zeigt— den
Kardinalritus der Jünglingsweihen nichtmehr
erkennen.Auch
dieanderen
antiken Mysterien, indenen
das liturgische Bildvon Tod und Wieder*
geburt
—
freilichohne
manifesteBeziehung auf den Vater oder
Ahnen — bedeutsam
hervortritt: der Adonis-Attiskult, Isiskulr, Mithraskult,wohl
auch die Eleusinien," sind nicht griechischer Herkunft.Es mag nun
sein,daß
dievom Norden
nach Griechen*land als
Eroberer eingewanderten Gebirgsstämme
das Bildvon Tod und Wiedergeburt
in ihrenKnabenweihen überhaupt
nichtkannten
4oder daß
es einer rationalisierendenTendenz,
dieden
Anschauung, daß alle geheimen magischen Brüderschaften auf die Altersklasse der erwachsenen jungen Männer der Totemsippe zurückgehen.A.
van Gennep
<a. a. O.) erscheinen diese beiden Theorien unzulässig.Für ihn handelt es sich bei der Einweihung hier und in anderen Fällen
um
eine eindeutig charakterisierte Kategorie von Riten, die ähnlich sind, weil sie den- selben Zweck haben. Auch wir meinen, daß die Behauptungen von Scfaurtz und Webster in dieser allgemeinen Fassung unhaltbar sind.
1 In^ historischer Seit sind nur wenige Überreste eines tatsächlich vor*
handenen Einweihungsfestes der Kouretes durch Inschrift bezeugt (Bosanquet,
B. S. A.
XV.
1908/09, S. 347 ff.).2 Im* Mittelpunkte steht das
Drama
vonTod
und Wiedergeburt eines göttlichen Kindes, das bald Zeus, bald Dionysos, bald Zagreus heißt. In der auf Palaikastro vor einigen Jahren entdecktenHymne
der Koureten wird es geradezu y.oügog genannt. Indem
Kult des Kretischen Zeus spielten die Be-gleiter des Gottes (nQÖTio2.oi)f die als xovQrjteg (eingeweihte junge Männer?) bezeichnet wurden, eine wichtige Rolle. Strabo vergleicht sie mit den Satyrn und Bakchen (X, 466, 468>.
3 Der angeblicheBegründer der eleusinischenMysterien Eumolpus stammte aus Thrakien.
Spuren der Vorstellung von Tod und Wiedergeburt lassen sich im Kulte des Pän, in den Legenden und im Ritual der Artemis-Iphigenie und Aphrodite aufzeigen. Siehe Farnell: The Evolution of Religion. London 1905. P. 60, 61.
* Geradeso wie die Juden, ja die Semiten überhaupt, dieses Bild nie kultisch verwendet haben. Vgl. Dieterich: Eine Mithrasliturgie. 1910. S. 161.
Vielleicht steht damit in einem tieferen Zusammenhange, daß die Semiten kein
Drama
haben.staatlichen
Charakter
derEinweihungsriten immer mehr
inden Vordergrund
stellte, frühzeitigzum Opfer
fiel.Wir müssen
auch zugeben,daß uns nur wenige Begehungen
erhalten sind, die zweifellos
Züge
der altenWeihebräuche
auf=weisen, wenngleich die magisch-mystische Seite bei ihnen auffallend
wenig
hervortritt.Von
vornhereinwerden
wirvermuten
dürfen,daß
beidem
kriegerischen, konservativenHerrenvolk
der Dorier Altersklassen,Männerbünde und
ihre Eigentümlichkeiten,wie
sie inden Knabenweihen, Männerhäusern, im Heroen* und Toten»
kult hervortreten, eine größere Rolle als beispielsweise bei
den
Ioniern spielen.Hand
inHand
damit geht,daß
die Knabenliebe,wie
wir seitBethes ausgezeichneter
Untersuchung
1 wissen, dortden Charakter
einer öffentlichanerkannten
heiligen Institution trug,während
sie beiden
nicht dorischen Staaten als schmählich galtoder
höchstensals indifferent betrachtet
wurde,
sofern sieüberhaupt bekannt war.
2In Kreta,
wo
urtümliches rituellesGut
sicham
längsten er»halten hat, finden wir nicht nur die meisten
Äußerungen
über die dorische Knabenliebe, sondern auch die deutlichstenSpuren
dervorerwähnten
altenBräuche und
Einrichtungen.Kreta
ist der Schauplatz des Rituals der Kureten, die alsdämonisches Gefolge den Mtyiotog novQog
begleiten, der einmal'
, als
Zeus=Zagreus,
ein anderesMal
alsDionysos
erscheint, gleich»wie Dionysos
auchvom Thiasos
der,Bakchanten und
Satyrnumgeben
auftritt/auf
dieser Inselwurden
die jungenLeute
beiderlei Geschlechts
vor
Eintritt der <sozialen) Pubertät oxövtoifs»die im
Dunkel
desHauses
lebten«, genannt.Ähnliche Vorstellungen spielen bekanntlich bei
den
austrank sehenund anderen Einweihungsfesten
eine Rolle.Auf
einigen1 Die dorische Knabeniiebe, ihre Ethik und ihre Idee. Rhein. Mus. LXII.
1907. S. 438 ff.
>Uralt und weitverbreitet ist die festliche FeierderAufnahme derKnaben
unter die Männer,in den ,Männerbund',oftgenug unterwunderlichenBegehungen.
Sollte nicht vielleicht der päderastische Akt unter sie zu zählen sein?« (S. 459.)
Und
bei Bcsprediung der dorischen Vorstellung, daß des LiebhabersSeele, seine Zauberkraft, seine dgezt) durch seinen Samen mittels des der Begattung ahn»liehen Aktes auf den geliebten Knaben übertragen werden könne: »Das strenge Geheimnis, das die überall, vorhandenen Männerbünde meist umgibt, verbirgt vielleicht manches derartige* <S. 471, 472,
Anm.
74>.s
Wie
wir ausHomer
schließen können, war die Knabenliebe zu seiner Zeit den asiatischen Aeolern und Ioniern fremd.5 Schol. Eur. Alk. 989, Et. Mag. 543.
-
Zitiert beiFarn
eil: Magic and Religion in early Hellenic society. Arch. f. Rel. XVII. 1914. S. 33.Zur Entstehungsgeschichte der griechischen Tragödie 44Q
Inseln der Torresstrafic ! z. B.
müssen
dieNovizen
sich tagsüber unter einer zeltartigenBedeckung
in Dunkelheit aufhalten, sodaß beim Gehen nur
ihreFüße
sichtbar sind. .Wenn
die kretischen Jünglinge als vollwertige Mitglieder der Gesellschaft in das Licht desTages
hinaustraten, fand ein Fest derwövoia,'
2 des»Herauskommens«
statt,das
der Leto PhytUigeweiht
war. Wahrscheinlich fiel mitdiesem
Zeitpunkte dieAuf' nähme
der xovgot in dasMännerhaus zusammen,
sofern wir dievon
Strabo <X, 483)erwähnten
äyeÄai mit ihrenäg/pivsc
und
pvaaiTta als solche deuten dürfen. .Auch
in Spartahaben
sich Reste desSystems
der Alters- klassenund
seineräußeren
Kennzeichen,wie gemeinsames
Speisen derMänner,
dasMännerhaus
<die Leschewar wohl
nichts anderes), Jünglingsproben <die Peitschung derEpheben am
Altar derArtemis
Orthia"war
möglicherweise auch nachAnalogie
der Sitten, dieMannhardt
als »Schlag mit derLebensrute«
bezeichnet, eineEin- weihung zum Leben)
u. dgl., iänger alsirgendwo
sonst erhalten.Unter den
Festen, die im übrigen Griechenland gefeiertwurden, werden
eigentlichnur
dieApaturien
4 inAthen und
die äoxTsia1' derArtemis
inBrauron
mit ziemlicherGewißheit
als Initialzeremonienzu
erklären sein,während
beispielsweise dieDeutung
der Hybristikaoder
derMysterien
desDryops
7im vorgenannten
Sinnemehr oder
weniger geistreicheVermutung
bleibt.Spuren
ältererZustände
erblicktH. Usener
s auch mit Rechtin
den
geschlossenenVerbänden
der ecftjßoiund
rioi, die zumeist eine straffe staatliche Organisation besaßen,- er zeigtan dem
politischund
militärischbedeutsamen
Institute der athenischenEpheben, wie
es einerseits in späterer Zeit vergeistigt, mit derhöheren Jugend-
bildung inVerbindung
gesetztund zu
einerArt
Universitäts-1 A. C.
Haddon:
Sociology,Magic and Religion oftheWestern Islanders Cambridge 1904 <V. Bd. der Reports of the CambridgeAnthropological Expe-dition to Torres Straits). P. 209, 212.
2
Roschers
Lexikon s. v. 2xoxLa.3 Vgl. A.
Thomsen,
Orthia. Arch. F. Rel. IX. 1906. S. 397.* In einer
vom
Schol. des Aristophanes überlieferten Legende wird die Stiftung des Festes mit der Erscheinung des Aiövvoog MeÄüvac/i;—
offenbar unrichtigerweise—
in Verbindung gebracht.1 Nach Ar. Lys. 645 mußte jedes zu Jahren gekommene Mädchen an
dem Bärentanz teilnehmen, sonst fand sie keinen Mann.
« So J. E.
Harrison:
Themis. S. 507.7 Bei
Farn
eil: Magic and Religion in early Hellenic society. P. 32.8 Verhandlungen der 42. Versammlung deutscher Philologen und Schul- männer in Wien. Leipzig 1894. S.-22 ff.
Imigo VIII < 2»
korporation
wurde,
anderseits durch die Rolle, die der athenischenEphebie im
Gottesdienst eingeräumt war,auf
eine ältereGrund-
lage zurückwies.
Hier
istnun
dieBeziehung
derEpheben zu gewissen Kulten
beachtenswert,wie Abholung und
Geleit des Dionysosbildesund
der eleusinischen Heiligtümer.1Auch Brinne*
rungsfeiern
an
dieHeldentaten
derAhnen
begingen dieEpheben, vor
allem aber veranstalteten sie Festspiele,wie
Fackelläufe,Schiffs-kämpfe und
ähnliches.Bei
dem
außerordentlich entwickelten staatlichenLeben
der Griechen erscheint es Schurtz2 nichtwunderbar, daß
die Jünglings»bünde, durch die ursprünglich das staatliche
Leben geweckt und
gefördert
wurde,
spätervon diesem
seinenZwecken angepaßt und
dadurch in ihrer Eigenart vielfach entstellt
wurden.
Wir haben
die wesentlichenZüge
einer primitiven gesell- schaftlichenFormbildung aus
ihren fossilenÜberresten
deshalb—
mit der
gebotenen
Vorsicht— zu
rekonstruieren versucht,um
eine breitere
Grundlage
für unsereBehauptung zu
gewinnen,daß
dieTragödie
mit einer ihrerWurzeln
biszu den Pubertätsweihen
zurückreicht.Neuere Forschungen haben
es wahrscheinlich gemacht,daß
in vorhellenischenTagen
eine früheWelle
die orgastische thrakophrygische Religion desDionysos
direkt nachKreta
hinüber- getragen hat.3Hier begegnen uns
auch dieÜberreste
einer alter- tümlichenvon
Schurtz in ihrenGrundformen
gezeichneten Gesell-vsdiaftsstufe
und
somag immerhin
derVermutung Raum gegeben werden, daß
derDithyrambus von Kreta
4 so gutwie von Theben,
der Geburtsstätte desSohnes
der Semele, seinenAusgang genommen
hat.
Als
derKult
desDionysos, von den Eroberern
zurückgedrängt,zu einem
ländlichen Sektendienste herabsank, bemächtigten sich die nämlichenim mann=männlichenEros wurzelnden Tendenzen,
dieform-
bildend beiden
Einweihuhgsriten gewirktund anderwärts
die <auch inden
Pubertätszeremonien liegenden)Keime von Ahnenverehrung
» »Die beide mit ihren Mummereienan den Vorstellungskreis der Knaben- weihe gemahnen< (Schurtz, a. a. O. S. 123>.
s A. a. O. S. 122, 124.
3 Mit dieserHypothesewill Farneil (Cults of theGreek states. V,p. 117>
für Kreta das Vorwiegen des Kultes des Götterkindes, des Sohnes der großen Erdmutter, und die Entstehung derVorstellung einer höhlenbewohnenden Gott-
heit, die zeitweise dahinschwindet und begrabenwird, erklärlichmachen. Erführt auch einen von Firmicus Maternus für Kreta bezeugten orgiastischen Dienst auf diese älteste Periode zurück.
* Vgl. hiezu auch Eur. Bacch. 119.
Zur Entstehungsgeschichte der griechischen Tragödie 451
zum Heroenkulte
gesteigert1und
sublimiert hatten, des alten,nun- mehr
unverständlichoder
zwecklosgewordenen
Ritualliedes desDionysos und
erfülltenden Dithyrambus
mit ^Qcoiy.alvnoMoEig,
sodaß
schließlichGötter^ und Heroensagen
allerArt den
Inhalt dieser unterden
Begriff der Ballade fallendenKunstgattung
dar»stellten.
An und
für sich hatte ja schon dieVerbindung
desDio- nysos
mitdem
Heroenkult,wie
wir später sehenwerden,
nichtsBefremdendes.
Auf
altesDionysoszeremoniell
deuten jetztnur
vereinzelte Lieder,wie
der volkstümliche vfivog xhjtiKÖg der eleischenWeiber
8und
dervon
Pindarerwähnte
ßorjXdvTjg <rinder treibende)3 dvfrv-oa^ißog.*
Korinth
ist nach Pindar dieHeimat
desDithyrambus und
in
Korinth
lebteam Hofe
des Periander.(625-
585)Arion,
derHerodot
5und
Suidas6 als Erfinder desDithyrambus,
jadiesem
auch alsBegründer
des tragischen Stiles galt. Tatsächlich bestand derDithyrambus
inmehr oder weniger
kunstloserForm wohl
schon lange, aberArion
veranstaltete zuerstAufführungen
eines neuartigen, veredeltenDithyrambus
miteinem aus 50
7Sängern
bestehendenChor. Hingegen
scheint dieBehauptung, daß
er inVersen
sprechendeSatyrn
einführte,auf
keinen historischenVor- gang zurüdtgehen
8und
nachträglich als Stütze der AristotelischenTheorie von dem Ursprünge
desDramas aus dem
Satyrspiel1 »Die Verlobung oder vielmehr fleischliche Vereinigung <erg.: mit
dem
geliebtenKnaben) an heiligen Orten selbst unter
dem
Schutze eines Gottes oder Heros steht für Thera und für Theben sicher.« Bethe, a. a. O. S. 449.2 Plut. quaest. graec.
XXXVI:
'Etöelv )}(>'
$ Aiöwas
'AXeibiv ig vaöv dfvbv ovv zagkeaaiv,
ig vaöv tc5 ßoe(p noöi {H>®v.
'A^lb xavQB, clgte tavge.
*
Harrison
<Themis,Anm.
4zu S.34> macht mit Beziehung auf den von Euripides in den Bakcfaen gebrauchten Ausdrude ävaßoaoag dieBemerkung, daߣ017, urspr. ßofrj, das Blöken, Brüllen des Viehs, eine regelmäßige rituelle Be=
Zeichnung gewesen zu sein scheint.
* Ol. XIII, 18—9: rai Atavioov aöftev lUcpiyoviv abv ßo?.ära Jjdpirec;
dvd-vodiißQi. /
* Herod'l, 23.
6 s. v. Arion.
7 Auch der Chor der Danaiden in Aeschylos frühestem
Drama
»Die Schutzflehenden« dürfte aus 50 Jungfrauen bestanden haben.8
W. Schmid: Zur
Geschichte des griechischen Dithyrambus. Tübingen 1901. S. 19.29«
erfunden
worden zu
sein, wieüberhaupt
dieNeigung
später Schriftsteller, selbst unterBerufung auf Solon
'Arion
als Schöpfer derTragödie
hinzustellen,demselben Motiv entstammen
dürfte.Da
derDithyrambus
einElement
derTragödie
bildet, liegtimmer
ein
Körnchen Wahrheit
solchen literarhistorischenKonjekturen
z\i=gründe, die aber
um
dieBedeutung
desWortes
Tgaycpdianun
einmal nichtherumkommen. Eine
in jüngster Zeitzu Ansehen
gelangte Theorie,2 die
den Ursprung
derTragödie vom Dionysos*
kult völlig loszulösen
und
in mimetischenTänzen und Klage«
gesängen
anden Gräbern von Heroen,
Städtegründernund Stammeskönigen zu
entdecken versucht, hat alswirksamstes Argu- ment
diebekannte
Herodotstelle überden Kult
desHeros Adrast
in Sikyon, der
Nachbarstadt
Korinths,verwenden zu
sollen ver- meint,nachdem
schon. antike Schriftsteller, z. B. Themistius3und Suidas/
.die Sikyonierwegen
derAufführungen zu Ehren
desAdrast und wegen
desRuhmes
ihresLandsmannes
Epigenes, eines Dithyrambendichters, der bereitsim
siebenten JahrhundertTragödien
geschriebenzu haben
scheint, als Erfinder derTragödie anerkannt
hatten.Über
diesen Sdiutzheros einer peloponnesischen Stadt, die nochvon
der ursprünglichen pelagischenBevölkerung bewohnt
war,berichtet
nun Herodot,
6daß auf dem Marktplatze
seinGrab-
heiligtum stand
und daß
die Sikyonier ihn mit »tragischenChören«,
die aufseine
Leiden Bezug nehmen,
ehrten. Kleisthenes, der letzteTyrann aus dem
Geschlechte des Orthagoras, der seinerzeit die Herrschaft derDorier
gestürzt hatte, wollte dieGebeine
des Adrast, der alsArgeier Landesfeind
7war,
nadieinem — wahr^
sdieinlich unglücklichen
— Kriege
mitArgos
über dieLandes-
grenzewerfen und
erbat sich hiezu die Erlaubnis des delphischen Orakels, dieihm
verweigertwurde. Dessenungeachtet
änderte Kleisthenesden Heroenkult
in derWeise
ab,daß
erypoovz
[ifa1 Vgl. den Kommentar des Johannes Diaconus zu Hermogenes. (Zitiert bei H. Rabe:
Aus
Rhetoren Handschriften. Rhein. Mus. LXIH. 1908. S. 150)-
W. Ridgeway:
The Origin of Tragedy. Cambridge 1910.» or. XXVII, S. 406 <Dindorf>.
4 s. v. Thespis.
4 Suidas: s. v.Thespis.
—
Epigenessoll der älteste derfünfzehnTragödien»dichter gewesen sein, die Thespis' Vorgänger waren. Sie stammten
zum
über- wiegenden Teil aus dem Peloponncs. Eigentliche Dramen werden sie wohl nidit geschrieben haben.,; V, 67-8.
: Ähnlich ödipus auf Kolonos.
Zur Entstehungsgesehicht« der griechischen Tragödie 453
rq) Alovvöiü äneöcoy.t, vijv de
üXfap Qvohyv Me/.avm^U).
1Das
heißt: er wies' die
Choraufführungen dem Gotte Dionysos
alsetwas ihm Gebührendes
zu,während
er dasHeroenopfer dem Heros Melanippus
zuteilte.Der Tyrann
hatte nämlich dieGebeine
desMelanippus,
der einTodfeind
desAdrast gewesen war, aus Theben
holen fassenund
sieim
Prytaneion verwahrt.An zwei
Stellen des Herodotberichtes hatnun
die wissen- schaftlicheKontroverse
angesetzt:man
hat anedtoy.e mit>gab
zurück« übersetztund daraus
gefolgert,daß
derDionysoskult
inSikyon
schonvor
Kleisthenesbestanden
hätte.Diese Auffassung würde
jedochdem Zusammenhange
beiHerodot
widersprechenund uns
anderseits nötigen, einZeugma anzunehmen, da
javon
einer Wiedererstattung des
Opfers an Melanippus
nicht dieRede
sein kann.
Herodot,
der in einer Zeit lebte, in der derDionysos-
dienst bereits in die Staatsreligion siegreich
eingedrungen
war,erblickte in derartigen
Chören
eine spezifische Eigentümlichkeit dieses Kultes <ermochte
auch dieChöre
der ältestenTragödien- aufführungen
anden Großen Dionysien im Sinne
haben)und mußte daher
die Zuteilung derChöre an den großen Gott
durch Kleisthenes, der sowie
die dieTyrannis
tragende ParteiDionysos
eifrig verehrte, als
etwas
durchausRechtmäßiges
empfinden.2Auch
die richtige Interpretation dieser TQayr/.oi yogoi stießauf
Schwierigkeiten.Es
geht dochwohl
nicht an, hier an eine Satyrverkleidung oderan
Bockschöre zu denken,-denn was haben
die mit
dem Heroenkult
3zu
tun?Man kommt
derAuffassung
des
Herodot,
derden ganzen Hergang vom Standpunkte
seiner Zeitaus
beurteiltzu haben
scheint, vielleichtam
nächsten,wenn man
die Stelle mit »tragischeChöre«, »Chöre, wie
sie in derTragödie
üblich sind«, wiedergibt.Es
ist ja bekannt, welche große Rolle derThrenos,
dieTotenklage im
ÄschyleischenDrama
spielt.Da
hatte esnun
nichtsBefremdendes, wenn Herodot
ähnlicheChor- aufführungen
aneinem Heroengrabe
als tgayixol %o$öi bezeichnete.1 Die vollständige Stelle lautet: xd it öi/ a/la ul
Swwbvm
«(/cor CO»''Aöotiozov y.ai a'gög rä
ndftm
afoov xQtiyiy.olai %ÖQo£öi iysgai(Joi; cor fliviiövvoor ob Tif.tö>vzzg, xbv öt 'Adoyörov. lü.t.tol>iii^ dt '/.ogobg pff» rq>
äiovtföcp änidaxe. n)v dt d.?.}.i)v &vatijv M&avlTCMp.
f >Ahnliche Totenklagen, in denen der
Keim
der Tragödie liegt, wurde»bei den Orgien für den getöteten Gott vorgetragen,- daher war der Austausch von Adrastos gegen Dionysos leicht und die Bezeichnung .tragische Chöre' ver=
ständlich.* Nilsson: Der Ursprung der Tragödie. S. 303.
8 Der Bock