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(1)Beilräge zur Kenntniss der indischen Pliilosophie

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(1)

Beilräge

zur Kenntniss der indischen Pliilosophie.

Von

Dr. max NAIIer.

I.

kanäda's V a i (; c s Ii i k u - L e b r c.

bis ist eine ang^cnelinie Pfliclit, Beriebt abzustatten über die

Bestrebungfen , deren Gegenstand dns Sanskrit seit einigen Juhren

wieder in Indien selbst geworden ist. Seitdem Wilson nach Kng¬

land zurückgekehrt und Juuies l'rinsep gestorben war, scbien

alles Interesse an indischer Literatur in Indien erkaltet zu sein,

und selbst die Journale von Caleutta, liombuy und Madras brach¬

ten nur selten wissenscbaftlicb bedeutende Artikel über die Sprache

und das Altertbum Indiens. .Seit kurzem regt sich aber wieder

ein neuer Eifer für diese Studien , und wir verdanken es nament¬

lich den Bemühungen des Dr. K. Röer in Caleutta und des Hrn.

James Ballantyne in Benares, dass uns mit jeder neuen Mail

interessante Bereicherungen auf dem (ieliiete der Sanskrit-l'hilo- logie zugehen.

Die Werke des Dr. Röer haben bereits anderweit ihre ver¬

diente Anerkennung gefunden, und es ist nieine Absicht, iu dem

Folgenden eine Uebersicht der Arbeiten zu geben , welche Herr

Ballantyne seit den letzten Jahren der Oeffentlichkeit übergeben.

.Sie bestehen meist aus klcintMi Aufsützcn und Abhandlungen über

indische Philosophie, und siud als Vorläufer eines grössern Werkes

zu betrachten, welches derselbe Gelehrte vorbereitet hat und, wie

zu hoffen, bald der Oeffentlichkeit übergeben wird. Hören wir

darüber seine eigenen Worte : ,, Das grosse Ganze der indischen

Pliiluso|)liie ruht auf 0 Sainniluiigcn kurzer Lclirsälze. Ohne

einen Commentar sind die liclirs.ntzc kaum verstündlieli , da sie

nicht suwohl bestimmt sind , die Lehren verschiedener Schulen

darzulegen , als vielmehr das Gedäcbtniss zu unterstützen , nach¬

dem man selbst bereils mit den l^icliren vertraut isl. Zu diesem

Zwecke sind sie ausserordentlich geeignet, nnd ihre Dunkelheit,

welche man ihnen zuerst zum Vorwurf niarlien möchte, hört hier¬

durch auf ein Kelller zu sein. Ks ist ans verschiedenen Griin-

M. Rd. I

1 •

(2)

'2 Müller , Ueilräge zur Kenntniss der indisehen Philosophie.

den wÜDSchenswerth eine Ueiiersetzung der Lulirsätzc zu hüben,

zugleich mit einem Theile des Commentars , der zu ihrem Ver¬

ständniss unerlässlich ist. Ua eine Anzahl von l'undits in dem

Sanskrit-College von Benares sicb bewogen fühlte Englisch zn

lernen, so ist der Plan gefasst worden, eine l'ebersctzung der

Lehrsätze ihrer Prüfung zu übergeben, und durch ibre Vermitte¬

lung dieselbe auch andern gelebrten Brahmanen vorzulegen, um

auf diese Weise Fehler in derselbeo sicher zu beseitigen und

zu verbessern."

Uemnach werden wir also in Kurzem in den Besitz der Lehr¬

bücher der sechs wichtigsten Systeme der indischen Pliilosopl'.ic

gesetzt werden, und es liegt mir bereits das erste Heft dieses

VVerkes vur, welches den Text der Lehrsätze des Gotama zur

Ny.iya oder Logik enthält. Der Titel des Werkes ist: „The

Aphorisms of tbe Nyiiyn-Pbilosopby by Gautama '). with illu¬

strative Kxtracts from tbe Coninientary by \'i^'vanatha. Allahabad 185(1. b." Das erste Heft umfasst das ersle Uucb, Sanskrit-Text,

Uebersetzung. nebst Auszügen und Uebersetzungen aus dem Com¬

mentar Ausserdem sind mir aber auch sebun Aushängebogen

von den „Voga-Apliorisms of Patanjali", von den „Vai(;esliika- Aphorisms", und vou den „Aphorisms known as the Urabma-sütras, the <päriraka-siitra8 , or tbe Vedänta-sütras", zur Ansicbt mitge¬

theilt wurden. — Dicss wird also eine der grussnrtigsten Unter¬

nehmungen sein , deren sich das Sanskrit seit langem zu erfreuen

gehabt hat, uud zwar wird das Werk seiner ganzen Anlage nach

von dem griissten Nutzen werden , nicht nur für .Sanskrit-Philo¬

logen , sondern auch für das grössere wissenscbuftliche Publicum.

In letzterer Beziehung habeo wir von den Engländern nucb viel

zu lernen I

Die erste Veranlassung zu diesem schönen Unternehmen ha¬

beo wir in mehreren kleinen Aufsätzen zu suchen, die vor Kur¬

zem io dem „Benares Magazine" erschienen, und die zu einer so

lebhaften Discussion über gewisse streitige Punkte des Nyäya-

Sfstems führten, dass es gerathen schien, die hauptsächlichsten

lextbücher dem Publicum in ihrer ur8|irünglicben Form vorzu¬

legen. Die Brahmanen selbst, namentlich in Bengalen, nehmen

nuch immer ein grosses Interesse nn Logik , und ihnen gebührt

ein grosser '^IMicil des \'erdicnstes in der Ausführung dieses um¬

fassenden Planes.

Im Itenares Magazine vom Februar 1849 erschien ein Auf¬

satz: „Dn the Nyäya-.System of l'bilosopliy , and the correspon¬

dence of its divisions witb those uf modern Science." Der Ver¬

fasser unterzeichnet sich^mit K., und es ist jetzt kein Geheiuiniss

t) Der Sanskrit-Text nehst dem i.ommentar von Vi^vanälha. „Njäya- sötra-vritti", ward bereils t828 in Calnill.i lnw.insRegebi-n , i.sl aber Iiis jetzt ohne l'eberselznng geblielini.

(3)

Müller, Ueiträge zw Kenntniss der indischen Philosophie. 3

mulir, <lu8S diess die Cliiffre des Hrn. ItallaiityDe ist. Wir dürfen

Wold mit Hru. Uallantyne voraussetzen, es sei unsern Lesen

bcicannt, dass die drei liau|itsackiicLsten Schulen der indischer

Philosophie die Vedänta-, Nyäya-, und .Sänkhya-Systeme sind

Das erste ist ein Versuch, eine philosophische Theorie des Uni

versums aus den Lehren der Vedas abzuleiten. Das dritte ver

sucht das All zu erklären ohne irgend welche Voraussetzung einei

schaffenden Gottheit. Das zweite ist gewöhnlich „indiscbe Logik'

genannt worden. Es ist aber, gleich den beiden andern Systemen,

ebenfalls ein Versuch das Universum zu erklären, und nur die Me¬

thode ist es, welche ihm den Numen „Logik" ') verschaft't bat.

Uallantyne bemerkt sehr richtig, dass die Nyäya-Philosuphie eigent¬

lich „de omnibus rebus" oder vielmehr „de omni scibili" handelt,

und besonders aus diesem Grunde, sowie in der Absicht den

Rahmen der Nyäya-Pbilosophie zu einer Einfügung der verschie¬

denen europäischen Wissenschaften für die Indier zu gebraucheo,

hat er diesem System seine Aufmerksamkeit geschenkt.

Eine interessante Darstellung drei Hauptansichten der

indischen Pliilosophie findet sich in xiem Prastbänabbeda , d. b.

„die Verschiedenheit der Wege die zum Ziele führen", einem

Werke Madhusüdana-Sarasvuti's , welcbes Colebrooke mehrmals

in seinen . Abhandlungen Uber die Vedas citirt, und welches

Dr. Trithen °) unter den MSS. des Bast-India-House vorfand.

„Die Logik, heisst es hier, ist im Nyäya-System in 5 Abschnitten

von Gotama verfasst worden ''). Ihr Zweck ist Erkenntniss der

Wahrheit durch Aufstellung, Erklärung und Erforschung der

1) Nyäya von ni, herein, und ay, führen, bedeutet ursprünglich In¬

duction, ßalinntyne erklärt es mit fiäS-oSos- Uas techaiscbe Wort fdr Induction im Beweis ist up am iti; und das vierte Glied io einem Syllo¬

gismus (nyäya) heisst upanaya.

2) Der Te.xt ist abgedruckt in Weber's Indischen Studien mit einer wenig befriedigenden L'ebersctzung. Das richtige Versliindniss der .Abhandlung, am Anfang sowohl als am Ende, hat zuerst Prof. Stenzler nachgewiesen, doch ist auch seine L'ebersetzung nicht frei von Fehlern. Die Darstellung des Vedänta namentlich ist gänzlich verfehlt. Vivarta kann nicht Entfal¬

tung sein, wie es Prof. Stenzler übersetzt. Die Wurzel, vun der es her¬

kommt, ist nicbt vri, sondern vrit, und bedeutet Abwendung, Täuschung.

3) Dr. Weber übersetzt die Worte „Nyäya invikshiki pancädh^äyi

Gotamena pranitä" durch „Die Logik (Nyäya) ist in Gotama's Aavixiki (L'ebersieht) in 5 Büchern dargestellt". Anvikshiki heisst nicbt L'ebersieht.

Anvikshiki ist eines der gewübniichsten Synonyme von Nyäya and heissi Logik, So wird es sogleich im Coinineutur zum ersten Sutra Gotama's (p. 7.

I. 7.) erklärt, „(,'ravanäd anu pu9cdd ikshä anvikshä unnayanum. tannirvähikä sä 'iyam anvikshiki nyayatarkäditabduir api vyavahriyale." Wenn ejs aber aucb Lebersicht hiesse, su könnte man doch nyäyali (masc.) nicht mit pranitä (fem.) construiren, und noch viel weniger anvikshiki als Apposition zu nyäyah fassen. Ich bemerke übrigens, dass icb den Gründer des Nyäya Gotama

nenne, nicht Guutuma. Die .MSS. weichen ab, did Aasgabe der Nyäya-

sütras liest aber Gotama; ebenso nennt ihn Colebrooke, wäbrend er den Gesetzgeher gewöhnlich Gaulaina nennt. Bis man genauer hierüber bestim-

1 •

(4)

4 Müller, Beilräge zur L'ennlniss der indischen Philosophie.

folgenden scchzelin Dinge: 1) Mittel des richtigen Wissens (lie-

weise); 2) Gegenstände des riciitigen Wissens (zu liewcisendes) ;

3) Zweifel; 4) Zweck; 5) Ueispiel; 6) Nrliluss; 7j .Sclilussglie-

dcr; 8) Widerlegung; 9) Vergewisscrung ; 10) Uesprccliung ;

11) Uestreitung; 12) Geschwätz; 13) Scheingründe; 14) Vcr-

«Ireliung; 15) Fulsche \'erallgcuieinerung ; 16) Ungehörigkeit."

Diese Durstellung ist nicht gunz genau, da Gotama's Endzweck

nicht sowohl die Erkenntniss dieser Dinge, uls die, nach ihm,

hieraus allein folgende Uefreiung vom Uebel ist. Was aber die

16 hier aufgezählten Dinge selbst betrilft, so muss es jedem, der

mit Philoso|)bie vertraut ist, klar sein , duss dieselben niemals als

Kategorien (so übersetzt Dr. Weber) gegolten hüben können.

Das Sanskritwort ist zwar jiadarlba, aber diess bedeutet auch

Ding im Allgemeinen , und Colebrooke , der zuerst die technische

Uebereinstimmung von pudArtliu und kutegorie erkannt hat, über¬

setzt dieses Wort hier mit topic. Was bei Kanada pad Art ha,

Kategorie, beisst, findet bei Gotama seine .Stelle unter Prameya

(Gegenstände des richtigen Wissens), und zwar hier wieder unter

artha (Nr. 4.), wo auch k'Bt.'uva (in der 'Farka-bliäsliiii die i'adiir-

thas aus kanäda's Systeme herüber nimmt ' )■ VVas für Uegriilc

müsscu aber Gelehrte, die des Sanskrit unkundig sind, von der

l'biluso|iliie der Indier bekommen , wenn sie huren , duss Uespre-

cbuiig, Geschwätz und Verdrehung bei den Indiern als kategorien

gegolten habend Keiu Wunder, dass mau dann Urtheile über

indische Philosophie zu hören bat, wie sie sich selbst in Dr. Kil¬

ter's Geschichte der Philosophie linden! .Madhiisiidana fährt dann

fort: ,,Eben so ist das \ ai(;esliika-liclirbuch in 10 Abschnitten von

kanäda verfasst worden. Der Zweck desselben ist die 6 kate¬

gorien ( (»egenstand , Eigenschaft, Bewegung, das Allgemeine,

das Uesondcre, Inliiireiiz , wozu Nichtsein als siebente tritt) durch

ibre gegenseitige Gleichlieit und Verschiedenheit darzulegen.

Diesa wird auch Nydyu gcouuut, "

mcD kann, wird diese Unterscheidung am praktischsten sein. Das Schwanken zwischen tiutania und Gautama lindet sicli schon in den Ijruhmanas, z. il.

im Shadvin^a , in der Erzählung vnn Gautama. Hier heisst es : cacära Gotain»- rüpena Gnntauia iti janair ucyamano vi.

1} Vgl. Colebrooke's Mise. Essays I, 2TJ. In Bezug auf udde9a, l.ikshana und pariksbä vgl. Colebrooke, Mise. Essays I, 2t>4. The order observed by Gotama and by Hanüda, in delivering the precepts of the science which they engage to unjold, is that which has been intimated in a passage oi the Vedas (?) cited in the BhAsbya, as reqaisite steps of instruction and study:

viz. ennncialion , definition and investigation. Enunciation (udde(a) is the mention of a thing by its name; that is, by a term signifying it, as taught by revelation : for language is considered lo have been revealed to man.

Definition, (lakshona) sets forth a peculiar properly, constituting the essential character nf a thing. Investigation (parikshü) consists in disqui.siliuu u|>(in Ihe pertinence and sufficiency uf the definition.

2) Ich weiss nichl uli ich die Worte südhuriny vaidharmyäbbyäm , welche Dr. Weber als unwesentlich ausgelassen, richtig aufgefasst habe, liaiiilda

(5)

Müller, Beitrage zur h'enniiiiss der inütschen Philosophie, T)

„So ist auch die Miinnnsu zwcifacli, die Kiirma-mtmänsä und

(,'äriraliu-miniäiisä '}. Die Kanna-niininnsä ist in 12 Abschnitten

von Jaimini verfasst worden. Der Zweeli der 12 Abschnitte ist

der Reihe nacli fulg-endcr: zu behandeln 1 ) die Autorität des

geoffenbarten Gesetzes; 2) seine Verscliiedcnlieiten und ücber-

einstimmungen ; 3) seinen Zusammenhang; 4) die besondere Aus¬

übung je nacb verschiedenen Zwecken ; 5) die verschiedene Reihen¬

folge; ti) die Erfordernisse für den Ausüber des Gesetzes; 7)

allgemeine Ergänzungen; 8) besondere Ergänzungen; 9) IModifi-

cationen; 10) Aufbebungen ; 1 1) die allgemeine Regel ; 12) Neben¬

zwecke. Sodann ist aucb das Sankarshanakäiida in vier Ab¬

schnitten von Jaimini verfasst; und auch dieses, welches meist

unter dem Titel Devatäkända bekannt ist, gehört zur Mimänsä,

da es die besondere Verehrung der Götter behandelt."

,,Die ^äriraka-mim.-insä sodann ist in vier Abschnitten von

Bädaräyunu verfasst. Ihr Zweck ist, die Einheit des menschlichen

und des ewigen Selbst offenbar zu machen, indem sie nachweist,

wie mnn die Stellen der Offenbarung zu erklären hat. Im ersten

Abschnitt wird die „Beziehung" nachgewiesen, nämlich dass alle

vedantischen Stellen unmittelbar oder mittelbar auf das eine, von

seiner Erscheinung ungetrennte Brahma hinzielen. Im ersteu

Capitel werden die Stellen erklärt, welche deutlicb auf das

Brahma hinweisen; im zweiten die, welche zwar nicht deutlich

auf das Brahma hinweisen, sicb aber auf das Brahma, als gött¬

licher Verehrung würdig, beziehen; im dritten werden Stellen

derselben Art behandelt, welche sicb aber meist auf das Bruhina,

als ein Unerkennbares, beziehen. Hiermit ist die Erklärung

vedäntischer Stellen beendigt. Im vierten Capitel werden sodann

schwierige Worte, wie „ Unentfaltct ", „Ungeboren" u. s. w. in

ihrer hauptsächlichen Beziehung (auf dns Brahma) iu Betracht

gezogen. Nachdem hiermit im ersten Abschnitt die Beziehung

der Vedänta-Stcllen auf dns einige Brahma nucligcwiesen , wird

im zweiten Abschnitt die Widerspruchslosigkeit derselben gezeigt;

giebt nümlich in der Erklärung der Kategorien .an , nicht nur was den ver¬

schiedenen Kategorien gemeinsam ist , sondern auch wodurch sie sich von einander wesentlich unterscheiden und somit für sich selbst Anspruch auf padürlhntva (Katcgoric-scin) gewinnen. Dass das Vaii,'cshika-.S)'stcui mit dem des Gutaiua vcrw;nidt sei, steht nicht im Text. Niclicicht dass liric aiidcie Stelle zu dieser Ansicht Vcranliissuiig g.ib, wo es heisst, ilass, d.i es nur 14 oder 18 Wissenschaften gehe, das V.iieeshikii-I.chrbuch mit zum Ny'iya gercehiict werden müsse. In diesem kiiiiKiliclieii Srliema wird aber auch Ma- hühhüralu, Uämüyana, Sänkliya und l'ätnnjala zum l)h.'irinni,'ristrn ( Juri.sprudenz) und der Vedänta zur .Vliinänsä gerechnet. Diess bat also nichts zn bedeuten.

1) Dr. Weber übersetzt diese beiden IVamen durch Werke-Theil und

Speculatiuiistheil. Ks ist schwer, passende Ausdrücke für teelmisehc Namen zu tindcn. Auch die I'ebcrscliriftcn der verschiedenen Abschnitte lassen sich nur annähernd Überselzen. Ihre technische lledeutung kann nur durch weit läulige Ausruhruiigen erklärt werden.

(6)

0 Uüller, Beiträge zur Kennlniss der indischen Philosuphie.

indem zuerst der Widerspruch nach den (Jeg-engründen , welche

von der hierauf bezüglichen Tradition , der Philosophie u. s. w.

vorgebracht sind, als möglich angenommen, dann aber vernichtet

wird. Und zwar wird im ersten Capitel der Widerspruch , wel¬

cher durch die Tradition und durch die philosophisclien (iegen-

gründe der .Sänkhya- , Yoga- und Känäda-Schulen gegen die vedän-

tische lieziehung vorgebracht wird, zurückgewiesen. Im zweiten

Capitel wird die Unrichtigkeit der zurückgewiesenen Ansichten

selbst dargethan, indem jede Discussion nothwendig aus zwei

Theilen besteht, und aus der siegreichen Vertheidigung der

eigenen Ansicbt nothwendig die Widerlegung der entgegenge¬

setzten folgt. Im dritten Capitel werden zuerst die anschei¬

nenden Widersprüche zwischen Veda-Stellen , die sich auf elc-

mentarische Schöpfung, sodann zwiscben denen, die sich auf

die menschliche Seele beziehen, gelöst, und im vierten Capitel

Stellen, die von sinnlicher Wahrnehmung handeln, als wider¬

spruchslos dargethan. Sodann folgt im dritten Abschnitt die

Betrachtung der Heilsmittel. Hier wird im ersten Capitel die

Leidenschaftslosigkeit erörtert, mit Beziehung auf die Seelen¬

wanderung oder das Gehen und Kommen der menschlichen Seele

durch verscbiedene Welten. Im zweiten wird zuerst der Sinn

des tvam (des Wirklichen, des „Du"), sodunn des tat (des Ab¬

soluten, des „Diess") erklärt. Im dritten Capitel werden die einmal

in verschiedenen ^äkhäs (Textscbulen) vorkommenden Ausdrücke

aiif das eigenschaftslose Brahma zurückgeführt, wobei zugleich

erörtert wird, wie die in verschiedenen (,'äkhas vorkommenden

Eigenschaften entweder auf das Wissen des Eigenschaftslosen

oder auf das des Eigenschaftsvollen zurückgeleitet werden kön¬

nen. Im vierten Capitel folgen die Mittel zur Erkenntniss des

Eigenschaftslusen , die entweder äusserlich sind, wie Einsiedler¬

leben, Opfer u. 8. w. , oder innerlich, wie Beruhigung, Bezäh¬

mung, Versenkung u. 8. f. Im vierten und letzten Abschnitt wird

die Verschiedenheit des Lohnes je nach dem Wissen des Eigen¬

schaftsvollen oder Eigenscbaftslosen auseinandergesetzt, und zwar

wird im ersten Capitel die auf Erden erreichbare Freiheit dar¬

gelegt, welche darin besteht, dass der Mensch, nachdem er durch

wiederholtes Hören der Oll'enbarung das eigenschaftslose Brahma

geschaut hat, von Sünde und Tugend nicht mehr berührt werdeu

kann. Im zweiten Capitel wird sodann die Art, wie die .Seele

uus dem gestorbenen Körper emporsteigt, in Betracht gezogen.

Im dritten folgt der weitere Pfad , welchen der zu geben but,

welcher bei seinem Tode dus Brahma nnch nicht als eigenschufts-

los erkannt hat. Das letzte Capitel lehrt hierauf, wie der, wel¬

cher das eigenscbaftslose Brahma erkannt hat, körperlos Einheit

mit dem körperlosen Brahma erreicht, während der weniger Voll¬

endete nur in der Welt des Brahma weilt." „Dieses LeLrbucb,

sagt Madhusudana, ist das höchste; alle audern sind nur Kr-

(7)

Müller, Beiträge zur Kenntniss der indischen Philosophie. 7

gänzungen desselben, und wer Befreiung wUnsebt, muss ihm fol¬

gen , und zwur nuch der Auffassung des heiligeu ^ankura."

„Das Sänkbya-System , sagt derselbe Gelehrte , ist von Ka¬

pila verfasst in 6 Abschnitten. Es beginnt mit den Worten:

„„das höchste Ziel der Menschen (summum bonum) ist die gänz¬

liche Aufhebung der drei Leiden."" Im ersten Abschnitt werden

die Gegenstände behandelt; im zweiten die Wirkungen der ersten

Ursache; im dritten Gleichgültigkeit gegen die Gegenstände; im

vierten folgen die Erzählungen von Pingala u. A. ; im fünften

die Auseinandersetzung entgegengesetzter Ansichten ; im sechsten

endlicb wird nochmals eine kurze Uebersicht des Ganzen ge¬

geben. Der Zweck des Sänkhya - Systems ist unterscheidende

Kenntniss der Materie und des Geistes."

„Die Yogalebre sodann ist von Patanjali verfasst worden in

vier Abschnitten. Der erste betrifft Versenkung, d. h. das Auf¬

halten der Gedankenthätigkeit, und sodann dns Mittel dazu, näm¬

lich I.<eidcnscliaftslosigkeit. Im zweiten Abschnitt werden die acht

Werkzeuge, welche dazu dienen den zerstreuten Geist zu sam¬

meln, behniuielt, nämlich: Hnitung, Einhaltung, Sitzen, Athem

anhalten, Gefülillusigkeit , Bewegungslosigkeit, Betrachtung und

Versenkung. Im dritten folgen die wunderbaren Kräfte des Yoga,

und im vierten die Einheit. Der Zweck dieses Systems ist Er¬

reichung der Versenkung durch Abhalten fremder Eindrücke."

Nachdem Madliusiidunn diese kurze Uebersicht der 6 haupt¬

sächlichsten Systeme gegeben , fasst er mit grosser Klarlieit die

drei Hnuptnnsicbten auf, welche in iiineu der indische Geist vom

Göttlichen und Irdischen und ibrer gegenseitigen Beziehung auf¬

gestellt bat. „Fasst man Alles zusammen, sagt er, so giebt es

ilocli nur drei verscbiedene Wege zum Ziele! Der erste ist die

Annahme eines Anfangs; der zweite die Annahme einer Entwicke¬

lung; der dritte die Annahme einer Täuschung. Die erste An¬

nahme gehört den Logikern und den Mimänsakas. Nacb ihnen

beginnen die vierfachen elcmcntnrisclicn Atome, vom Doppelntum

an bis zum Brahina-Ei hinauf ; die Welt und das (als Ursache,

kärann) Nichtsciende wird wirklich (kärya) durch die Thätigkeit

eines Schöpfers. Die zweite ist die Ansicht der Sänkhya- und

Yoga-pataiijaln-Systeme '). Nnch ihnen entwickelt sich der Ur¬

grund, der in sich die drei Eigciiscbnften von Licht, Dunkel

und Finsterniss trägt, in bcstimnitcr Reihenfolge zur weltlichen

Existenz. Dns Wirkliche ist bereits zuvor in feinerer Form;

1) Dr. Woher übersetzt: „der Yogalehre , der Lehre des Patanjali" etc., und fragt : „warum diese Wiederholung? die Yogalebre ist ja dueb eben die des Patanjali." Die Bezeichnung „Yoga-piilanjairis" dient dazu, um die An¬

hänger der philosoiihischen Lebren Patanjali's von nndern zu unterscheiden, welche den gramiuatiscbcn oder metrischen Lehren Patanjali's folgen. Vgl auch den Numen Yuga-vnsi«btha.

(8)

8 Müller, Beiträge zur k'enntniss der indischen Philosophie.

aber es wird uft'enbiirt erst durrli die Tbiitig-Iteit seiner eigenen

Ursuche. Die dritte Ansicbt ist die der Kruhinu-Wissenden. Nucb

ibnen stellt sich dus Itralima , verniüge seiner eigenen Mäyä ge¬

täuscht, in Weltgestalt vor."

„Kouiint man nun einmal zu der Annahme, dass die wirkliche

Welt eine Täuschung ist, su ist, wie Madiiusridana sagt, das

Endziel aller Weisen, die ein .System begründet haben, doch nur

dieses , zu beweisen , dass es eineu einigen obersten Herrscher

giebt. Denn die Weisen, sagt unser Indier, du sie allwissend

waren, sind frei vom Irrtbum, und nur weil sie wussten, dass

Wesen , die den äussern sinnlichen Dingen ergeben siud , nicht

von selbst den Weg zum Heile finden, haben sie, um dem Un¬

glauben zu steuern, verschiedene Arten der Erkenntniss durgelegt.

Die Menschen aber, welche dieses letzte Endziel der Weisen nichl

verstanden, und meintun, dass ihre .Absicht sogar auf Ansichten,

die dem Veda zuwiderlaufen, ausgehn könne, liaben sicb in ver¬

schiedene Schulen getheilt , indem sie die Lehren der Weisen als

die höchste Autorität annahmen. Versteht man diess , so fallen

alle Hinwürfe hinweg."

Wenn wir nun auch hierin dem Madhusudana im Allgemeiueu

beistimmen, und namentlicb die Aiiscbauungeu von einem Anfang,

einer Entwickelung und einer Täuschung als die drei lluu|il-

punkte des indischen Denkens in liezug auf das /eilliclie und

Ewige gelten lassen , so ist es doch von grossem Interesse die

Vcrschiedcnliuiteii der (i .Seliuleii genauer in's Auge zu fassen.

Mag auch der Endpunkt mehrerer Systeme derselbe sein, ihr

.\usgungspunkt ist oft ein gänzlich verschiedener, und das Inter¬

esse der (ileschichtc der Philosophie besteht nicht sowobl in der

Wahrheit, die gefunden ist, uls in der kenntniss der verschie¬

denen Wege, auf denen der menscbliehe Geist nach Wabrbeit

gestrebt hat. „Duo si dicuiit idem , non est idem" ist eiu .Salz,

der nirgend su wahr ist, als in der Geschichte der Philosophie.

.Mag also auch Madhusüdaua von seiuem Standpunkte aus nur

Eine Wahrheit, oder nur drei Ansichten von der Wahrheit in der

indischen Philosophie anerkennen, su iiiiiss dem Geschichtsforscher iloch liauptsäclilicb daran liegen, die •> Wege der philusopbischeii

Forschung so viel als möglich getrennt zu halten. Auch wird

wohl ein .leiler, der mit indischer Philosophie vertraut isl, zu¬

gestehen, dass z. I{. eine Kenntniss der Uttara-nnmänsä (Vedänla)

uns durchaus keine IkTeelitigiiiig zu einem Urtheile über die

Piirvu-mimänsä giebl, und dass der Geist des .Sänkliya-Systeins

ein gänzlich verschiedener ist vun dem des Vogu. Desshalb sind

diese vier .Systeme auch meist getrennt gehalten worden. Die

Lehren Gotama's und Kanäda's liiiigegeii sind stets zusaiiiiiien-

getusst und als Ein S\stein lieliaiidelt worden, welcbes man mit

dem Namen der „indischen Logik" belegte. Es ist uicht zu

leugnen , dass das Vai^eshika-Svsleni Kanäda's grössere Ueber-

(9)

Müller, Beilräge zur k'ennlniss der indischen Philosopltie. 9

einstiinniuiig mit dem Nyäya-System (xotama's bat, als mit deu

vier übrigen indiscben Scbulen, und dass die Indier selbst zu¬

weilen beide Systeme zusammengefasst, ja sogar das eine aus

dum andern ergänzt baben. Nicbtsdestoweniger waren die Scbulen

kanäda's und Gotama's ursprünglich verschieden , uud es ist noch

die Frage, welches von den beiden Systemen das ältere ist. Es

ist auffallend, dass das Ny.äya-System Gotama's weder im Text

nocb in den Commentaren der Vedänta-sütras erwähnt wird,

wäbrend kanäda's Lehren daselbst häufig besprochen werden ').

Wir müssen uns also von vorn berein entschieden dagegen er¬

klären , dass Herr Uallantyne , nach dem Vorgange Colebrooke's,

Nyäya und Vai^esbika wie Ein System . behandelt. Colebrooke's

Aufsatz „ Ou the Nyäya aud Vai^esbika systems " hat durclr die

Verinengung dieser beiden Schulen zu so unklaren und falschen

Ansichten über indische Logik geführt, dass selbst Gelehrte wie

Kittcr nicht im Stande waren irgend welche systematische Klar¬

heit darin zu entdecken.

Ebe wir duber zu den Punkten Ubergeben künnen , welche

in Ucnares Gegenstand so lebhafter Discussion geworden^ und

die, wie wir im \ oraus bemerken, nicht sowobl aus Gotama's

als aus Kanäda's Systeme entnommen sind, wird es nötbig sein,

eine kurze Uebersicbt des Vai^eshika-Systems zu gebeu, uhne

irgend welche Ueimischung der Lehren Gotama's. Wir folgen

bierbei hauptsächlich dem Tarka-sangraba des Annambbutta, einem

einfachen nnd in Itcngalen sehr gebräuclilichen Compendium derVai-

(;esliika-Lehre '). Am Schlüsse dieses Werkes heisst es zwar, dass

es verfasst sei vom gelehrten .Annambhatta um Schülern Verständ¬

niss zu verschaffen in deu Lebren des Kanäda und des Nyäya

seine ganze Einrichtung aber ist dem Vai^esbika-Systeme entlehnt.

1) y^l. Culchrooke , Mi.sccll.inoiius F.ssnys I, 35'i. Der L'mstand, dass der Name Golaina im <i,iiiupa|ha (gauri'iili), so wie (iautuma im särngaravädi vorkommt, beweist noch nieht, dass (■oluina, di'r (Jriiiider des >ydya , vorjiainneisrh sei.

Wohl aber scheint das Wint Maiyäyika und lievala-naiyäyika (l'än. II, 1, 49) die vorpanineischc Kxistenz des Nyüyasystcms anzudeuten. Von den JVamen der andern Stifter der (i Systeme lassen sich in Fänini nachweisen liadara und Bädaräyana, vgl. nadädi und gaurädi. üas Hcstehen des Yoga-Systems liesse sieh vielleicht durch das Wort Vogi (l'än. III, 2, 142) bestimmen.

2) Dieses Bueh ist herausgegeben vuu Ballantyne unter dem Titel : Lectures nji Ilie INyüya l'hilusujiliy , embracing the text of the Tarkasaiigraha. Alla¬

habad 1.S49. 8.

3) lianädanyäyainatayor bäla\ yulpattisiddbaye Anuambhallcna vidusha lai i- tas tarkasaiigrahali. l\yä\,i, als Titel, licziehl sieh immer nuf die Seliuli;

des lidtiniiu, wiihrerid die Aiiliiingcr des Kaiiüda „\'aii,'cshikas'' heissen, «eil sie für die Atome die Hatcgurie des „Vivesha" gellciiil luaehen, was Anilin:

leugnen. Die Krklärung des Namens Naiveshika, welehe Colebrooke giehl, ist wühl nur eine N'crmulhuiif;. I'.r sagt: Tbe liest (tlic Nyäya «r reasuuiii};) as its title implies, is cbielly uccupied with the metaphysics of logic; the second wilh physics : that is , wilh „parliculars" or sensible objects ; and hence iUs nume.

(10)

10 Müller, Beilräge zur A'enntnt»« der indischen Philosophie.

und es enthält nichts von dem , was dem Systeme Gotama's eigen¬

thümlich ist. Dasselbe gilt vom Bhäshä-puricheda, einem andern

Compendium vou Vi^vanätha-Pancänana-bhatta , mit einem Cum-

mentar desselben Verfassers, der Siddhänta-muktävali. Auch dieses

Werk, zuweilen KarikAvali genannt, folgt dem Systeme des ka¬

näda, obgleich es nebenher auf die Ansiebten Gotama's Rücksicht

nimmt '). Dieses Buch ist bereits 1827 in Caleutta herausge¬

geben worden, unter dem etwas unpassenden Titel: An elementary

treatise on the terms of Logic

Kanada's System, nach Annambbatta's Darstellung, beginnt

sogleich nit den Padärthas , die wir bei ihm füglich mit „Kate¬

gorien" fibersetzen können , da sie wirklich das ausdrücken, was

sich von den Dingen als höchster Begriff aussagen lässt, und

worunter demnach die ganze menschliche Erfahrung systematisch

eingeordnet werden kann. In den Siltras des Kanäda treffen wir

zu Anfang die gewöhnlichen einleitenden Gedanken an, welche sich

auch in den andern philosophischen Systemen finden. Kanäda's

erstes Sütra lautet „Athäto' dharmarn vyäkhyäsyämah" „Nun

also wollen wir die Pflicht erklären." Was Pflicht sei, nach

der Weltansicht der Vai^eshikas, lernen wir im zweiten Sütra:

„Pflicht ist das, -woraus Weisbeit und .Seligkeit folgt *)." Weiter

heisst es dann, „dass Seligkeit aus der Erkenntniss der Wahr¬

heit ( tattvajnäna ) folgt, wenn diese Erkenntniss in bestimmter

Weise erzeugt ist, nämlich durch die gegenseitige Gleichheit und

Verschiedenheit der 6 Kategorien."

Dann folgen diese Kategorien selbst. Sie sind die folgenden:

Gegenstand (dravya), Eigenschaft (guna), Bewegung (karma),

das Allgemeine (sämänya), das Besondere (vi^esha), lubärenz

(samaväya), und Nichtsein (abhäva).

Das Sanskritwort , welcbes wir hier nach dem Vorgang von

Colebrooke mit Kategorie übersetzt haben, ist padärtlia. Diess

bedeutet im gewöhnlichen Gebrauch Gegenstand ; etymologisch

1) Nachdem der Autor die sieben Kategorien (padartha). aufgezählt, sagt er: diese 7 Kategorien der Vai^eshikas stehen nicht im Widerspruche mit ,den Naiyäyikas. Auch in Vers 105 und 10t> werden die Naiyäyikas mit den

Vaifcshikas cuntraslirt.

2) Dasselbe Weik bildet jetzt einen Theil der Bibliotheca Indica, No. 32 und 35. Division of the Categories of Ihe Nyäya-Pbilosophy with a Coninien¬

tary by V. P., edited, nnd the texl translated by Dr. Riicr. Dr. liiicr be¬

merkt in seiner Einleitung, dass er bhäsha , Rede, durch Kategorien der Nyiiya-Philosophie übersetzt hahc, und dass bhäsh* soviel als nyilya-bhashä , die Terminologie des Nyäya, bedeute. Im Cabda - kalpadruma wird bhäsha durch paribhäshä erklärt, d. h. die technischen Ausdrücke in Bezug auf die padärlhas. Nur gegen eins müssen wir Verwahrung einlegen. Obgleich näm lieh Nyäya auch zur Bezeichnung des Vaiecshika-.Systems gehrauchl werden kann, so sollte es doch als Titel auf tiulauiu's System besehiänkt werden.

Es für beide Systeme zu gebrauchen , bringt zu leicbt Verwirrung hervor.

MS. E. I. H. '2X2.

4) Yalo 'bhyuduyanilivieyasasiddbil.i .sa dharinah.

(11)

Müller, Beiträge zur h'ennlniss der indischen Philosophie. i\

aber drückt es aus „Bedeutang, Ziel oder Gegenstand (artha)

eines Wortes" (pada). Dieser Name bebt sebr passend alle

Discussion über Nom'inalismus und Realismus von vornherein auf,

und stimmt genau mit den Forderungen der formalen Logik, die

nicbts mit den Dingen , sondern nur mit Begriffen za schaffen

haben will, das beisst, mit-dem was durch das Wort ausgedrückt

wird. An unserer Stelle dürfen wir jedoch das Wort nicbt durch

Begriff übersetzen , wenigstens nicht in dem gewöhnlichen Sinne

von complexus. — Padilrtbas, im technisch-philosophischen Ge¬

hrauch, sind vielmehr die „Begriffe von Begriffen ," das beisst die

Kategorien , oder das was von den Gegenständen in letzter In¬

stanz ausgesagt werden kann. So erklärt denn ancb Vi^vanätha

das was allen Kategorien gemeinsam ist als „Erkennbarkeit ')", und

es ist hieraus klar, dass die Absicht Kanäda's in der Aufstel¬

lung der Padärtbas dieselbe war, welche Aristoteles in seinen

Kategorien hatte. Die Schematisirung ist jedoch verschieden ;

denn während Kanäda nur 7 Padärtbas annimmt, hält Aristote¬

les 10 '), Locke 8, Kant 12 für nöthig.

Es ist interessant zu beobachten , wie die Aufstellung der

Kategorien in Indien dieselben Zweifel hervorrief, welche in

der abendländischen Philosophie eine so hervorragende Bedeutung

gewannen. Sogleich in Bezug auf die erste Kategorie, welche

das Gegenstand-sein prädicirt, linden wir den bekannten Einwurf:

„Warum sprecht Ihr vnn einem Gegenstand , da Ibr wobl Wasser,

Feuer u. s. w. sinnlich wahrnehmt, aber durchaus nichts von

ihrem Gegenstand-sein?" Hierauf entgegnet der Vui^esbika, dass

die Gegenständlichkeit dadurcb bewiesen wird, dass etwas sein

mnss, was, wie die Fäden das Dasein eines Gewebes, so das

Dasein einer Wirkung, einer Eigenschaft, einer Trennung und

Vereinigung möglich macht. So heisst es denn auch im 12ten

Sütra Kanäda's: „Na dravyam käryarn käranam ca bädbati" —

,, Wirkung und Ursache schlagen den Gegenstand nicht", d. Ii.

der Gegenstand wird nicht aufgehoben (oder wenigstens nur im

Hegel'schen .Sinne des Aufhebens ) durch seine Wirkung oder

seine Ursache. Die Eigenschaft (guna) hingegen wird nach beiden

.Seiten bin aufgehoben durch Ursache sowohl als durcb Wirkung ->),

1) Saplänrnii api .sAdliarmyain jncyntväilikam ucyate. 12. Den Bauddhus /.ulciige sind diese l'riidicaiiieulo des (Jewussteii idenlisch mit dem Wissen, während die X edäiilis sie mil dem Alleiii-seieudcu , dem Brahma (wie lleuel mil der Idee) ideiililieiren ; vgl. Ciile|pr(>ol.e , .Mise. Kssays I, 2li4.

2) Die Kalegerien des Arisliileles siud ovoid (Sein), noaov ((Juunliläl), TToitiv (Oualiliii), TTiim ri (\ erhiilliiiss) , jtoO (Orl) , noTt (Zeil), xelaS-ai (l.ape), t'xfiT (üesitz), noif'iv (ILiiidliiiig) , iinuyi.ir (Leiden).

;t) Tun /,. 11. i.sl eine Ivinenscliall des Aelliers (ük;'n'a) n:ich indischer Anseliaiinii);. \\ cnii durch Schwingungen eine Iteiiie von 'fönen hervnigehraehl wird, su lillrl ilic {'.igensehaft des lielerii Tuns diiirli deu ans diesem liervor- geliraelilen niiilisl Mlliern , d. h. durch sein Bewirktes (karya) auf. Wenn der letzte l'un uul'liiirl zu Innen, sn hört er auf, weil seine t'rsache, d. h.

(12)

12 Müller, Beilräge zur Kennlrtiss der indischen Philosophie.

während Bewegung oder Kraft (karma) nur einseitig, d. Ii. diircli

Wirkung vernichtet wird '). Im nächstfolgenden .Siitra dclinirt

Kanäda Gegenstand (dravya) durch dns wns Kigcnsclinft und

Bewegung besitzt, und der innige oder unjnittclliare Grund (der

Erscheinung) ist'). Eigenschaft (guna) hingegen erklärl er

im 16ten Sütra durch das, wus im Gegenstand liegt, selbst keine

Eigenschaft bat, und ftir sich selbst keine Veränderung in Hezug

auf Trennung oder Vereinigung hervorbringt ^ ). Die letzten

Worte sind nothwendig, damit die Definition von Guiin, Eigen¬

schaft, nicbt auch Karma, Bewegung, in sich schliesse. Dem

Bewegung ist, was nur einem Gegenstand angehört, keine Eigen¬

schaft hat, und für sich selbst Trennung und Vereinigung her¬

vorbringt ').

Hiermit sind die Definitionen und unterscheidenden Merkmale

der drei ersten Kategorien erledigt. Ehe wir jedoch zu den vier

folgenden l'adärtlias, die auch Upädhi genannt werden, über¬

geben, ist es nöthig anzugeben, was für Dinge nacb indischer

Auffassung unter diese drei ersten Kategorien füllen^

Auf Gegenständlichkeit haben Anspruch: Erde, Wasser, Licht,

I.,uft, Aether, Zeit, Raum, das Selbst, und die Seele "•).

Eigenschaften sind: Farbe (riipa) , Geschmack (rusa), Geruch

(gandha), Gefühl (sparen), Zahl (sankhyä), Munss (pnrimäiia),

Einzelnheit (pritbaktva ), Verbundensein (samyoga), Gefrennheit

(vibhäga), Nahesein (paratva) , Entferntsein (aparatva) •*), Schwere (gurutva), Flüssigkeit (dravatva) , Zähigkeit (sneba), Ton (^abda),

der vorletzte Ton , aufgehört hat. Dicss scheint der Sinn des Commentars zu sein, obgleich die Idee nicht ganz klar ist. „Iiäryahadhyali küranabadhyai; ea ity arthah ädyädi^abdabuddhyädinäm käryabaddhatvam. Caramasya lu kär.'ina- baddhatvain ; upintyena ^abdena antyasya nai,'äl." Das lieispiel von buddhi bezieht sich auf Gedanken, die, wie die Töne als Eigenschaften des Aethers, so als Eigenschaften des Geistes aufgefasst werden.

1) Karyavirodhi karma.

2) Kriyägunavat samavayi käranam iti dravyalaksbanam. I'eher samaväya siehe später.

.3) Dravyäjrayy agunavän samyogavibhügeshv ukäranain auapeksha iti gunalakshaiiam.

4) Ekadravyam agunam samyogavibhägcshu käranam anapcksha Iii kar- nialakshanam. Ur. Ilöer'd). 4) liest bier wieder samyngavibhägeshn akäia- n.ini , und übersetzt: ,,an(l does nui depend npun cuiijnnctioii and sepaialion without cause." Diess kann schwerlich richtig sein, da karma (liewegung) der Grund (käranam) von Trennung und Vereinigung isl. Aueh anapcksha ist nichl sowohl „without cause" , als „without reference to something else."

Eine Eigenschaft für sich selbst bringt keine Veränderung hervor, wohl aber kann eine Veränderung mittelbar von einer Eigenschaft abhängen. liarnia (liewcgung) hingegen bringt unmittelbar die Veränderung hervor.

5) Tatra dravyäni pritliivy - ap - tcjo-väyv-äkä(;a-kula - dig- äluia - niauäösi nava 'eva.

ti) Paralva und .iparatva übersetzte Ballantyne mit distance und proximity, Dr. Köer mit priority und iposleriorily.

(13)

Müller, Beilräge sur Kennlniss der indischen Philosophie. 13

»Vubrneliinung (buddhi), Freude (sukba), Schmerz (duhkha), Wunsch'

(icchä), Uass (dvesha), Wille (prayatna), Tugend (dharma), Laster

(adhanna) '), und Anlage (sanskära) '),

Bewegungen sind: Hinauf (utkshepana) , Hinunter (avakshe-

pana) , Zusammen (iikuncana) , Au8einaoder.(prasärana) , und Fort¬

gehen (gumana). Bewegung belindet sicb nur iu Erde, Wasser,

Licht, Luft und Seele *).

Die vierte Kategorie ist Sämänya '*), das Allgemeine. Sie

zerfällt in zwei Arten , die höhere und die niedere, welche unserem

Genus und Species entsprecben. Dus Allgemeine, heisst es weiter,

ist ewig, einfach, aber stets mehr als Einem Dinge angehörig,

und lindet sicb nur in Gegenständen, Eigenschaften und Bewe¬

gungen. Das höchste Allgemeine oder das summum genus ist

„Sein." Das niedere ist Classe oder Genus (jäti), wie z. B.

Gegenstandscin.

Die fünfte Kategorie ist das Besondere, Vi(;esba. Die Be-

sonderlieitcu sind unendlich und siud begründet in ewigen Gegen¬

ständen ') (d. b. in den Atomen). Sie beissen auch vyävartaka,

uls sicb gegenseitig ausscbliessend. Die Dinge, in welchen sie

vorkommen, sind Erde, Wasser, Licht, Luft, Aetber, Ort, Zeit,

Seele und Selbst.

Die secbste Kategorie ist die der Inhärenz oder Untrenn-

barkeit, Samaväya. Inhärenz wird erklärt durcb ewiges\er-

knüpftscin, und wird Dingen zugeschrieben, die nur in dieser

Verknüpfung zur Existenz kommen. Eine Eigenschaft z. B. exi¬

stirt nicht allein, sondern immer nur mit eiuem Gegenstand, dessen

Eigenschaft sie ist. Ebenso giebt es keinen Gegenstand ohne

1) Iin Bhäsbä-parichcda sind dharma und adharina zusammengezogen als adrishla.

2) .Sanskära übersetzen Dr. Röer und Ballantyne mit faculty. Der Letztere .schlügt jedoch jetzt vor self-reproductive quality. Kr sagt: Most of the com¬

mentators on the Nyäya appear to have overlooked the necessity for deliniiig

the connotation of the term sanskära. We bave been able to meet with

only one attempt to define it — the explanation being to this effect, that a sanskära, acting as a cause, reproduces itself as an effect.

3) Prithivyädicatushtayamanomätravritti.

4) Param aparam ca 'iti dvividham söinänyam.

5) Nityadravyavrittayo vi^cshas tv ananta eva. Ballantyne übersetzt:

„But particularities or differences abiding in eternal substances are endless."

Ks isl möglich, duss nitya sich auf vritli , nichl auf dravya bezieht, da l'n¬

lerschied sich auch iu den vergänglichen Gegenständen findet. Es kommt übrigens nicbt viel darauf an, ob wir sagen: die Unterschiede befinden sicb auf ewig in den Gegenständen (wie es die Bengili-Ueberselzung ausdrückt:

bis zur allgemeinen Verbrennung der Well) oder: sie befinden sich in den

ewigen Substanzen, welche nach Kanäda die Atome sind. Was den Unter¬

schied ausmacht, liegt nur in dem Atom — scbon die Verschiedenheit zwi¬

schen zwei Aloin-Dyadcn ist nicht mehr vi^esha, sondern bheda. Vgl. Bhäshä p. 9. ghalädinäin dvyanukaparyantänäm tälladavayuvabbedat parasporam bhedali.

Paramununäm parasparabbedako vivesha eva.

2

(14)

14 Müller, Beilräge zur Kennlniss der indischen Philosophie.

lüigenscliaft ■). Dieses untrennbare Zusammensein nennen die

indier Samaväya, und es ist diess eine Anschauung', die ihrem

philosophischen Scharfsinne die grösste Ehre macht. Ebenso kann

naeh ihnen ein Tbeil nur in einem Ganzen , eine Bewegung nur

in einem Bewegenden, eine Species nur in einem Genus, ein

Unterschied nur in einer Substanz bestehen Dus was sie ver¬

knüpft, nennen die Brahmanen Samaväya, notbwendiges Zusam¬

mensein, und unterscheiden es vom zufälligen Zusammensein,

Samyoga, welches ibneu für eine Eigenschaft der Dinge gilt.

Die letzte Kategorie ist das Nichtsein, Abhäva Hier¬

von giebt es vier Arten. Früber - nichtsein (Präg-abhäva) oder

Sein-werden; Später-nichtsein (Pradhvansäbbäva) oder Gewesen¬

sein; vollkommenes Nichtseiu (.Atyautäbbäva), und bedingtes Nicbt-

,1) Dr. Riier bcslrcilcl diess. Kr sagl: The existence of qualities is de¬

pendent upon the existence uf the substance, whose qualities they are, but nut vice versa.

2) Samavüyas tu rka eva. I\il\asambundhuii samaväya äyutusiddhavritlili.

Yayor dvayor uiadhya ckaui aparayrilani eva 'avalishlhutc lav äyutasiddhau.

Avayava - avayavinau, gunaguninau, kriyäkriyävantau, jälivyakti, vi(,csbani- tyadravye ca 'iti.

.3) Ks ist zu bemerken, dass in Kanäda's Aufzahlung der Kategorien der Abhäva, das Nichtsein, fehlt. Nacb der Dinakari 'fikä, einem Commenlar zum Bhüshu-pai'icbedu von .Mahädcva - bhujta , wird die dritte Kategorie, die der liewcgung, in einem Werke (Bhushana genannt) geleugnet, sowie die I'rahhäkaras die siebente Kategorie ablehnen. Der V'erfasscr der L'pamäna- cintämaiii, wie wir aus der Siddhänta-muktävali Icrnco, schlägt vor, „Kraft"

und „Aehnlichkeit" als 2 neue Kategorien anzunehmen. Seine Aulfassung ist die folgende : \\ enn man eine Klamme mit einem Kdelstein zusammenbringt, so entsteht kein lirand ; bringl man sie mit etwas Anderem zusammen, so entsteht ein Bnind. Also wird die Kraft in der Flamme , welche zu einein Brande dient, durch den Kdelstein vernichtet; während sie durch etwas Kni¬

zündendes nml durch V\ egnalime des Kdeisteins hervorgebracht wird. Kbenso isl Aehnliehkeil eine sclbstständige Kategorie. Sie belindet sich unter keiner der I) ii'utegoricn , nnd besteht selbst uoch neben und über der Kategorie des Allgemeinen. So nehmen wir z. B. eine Aehnlichkeit wahr, wenn wir '(nach Anwendung der Kategorie des Allgemeinen) sagen, die Kuh-heit ist ewig;

ebenso auch die Pferde-heil: und diese Kalegurie der Aehnlichkeit ist nichl Nichtsein, denn sie wird als seiend wuhrgenummcn. — Hiergegen bemerkt nun \'i(;vanütba : Ks ist nicht passend unendliche liräfle und dus Aufheben ihres \drbcr-nicht-scins anzunehmen, du es sehr wohl angeht, das Brennen einer I'laniinc (wenn sie durch die Abwesenheit eines unverbrennbaren Gtgen- standes modilicirt isl) entweder durcb ihr eigenes Wesen , oder vermittelst der Abwesenheit des Kdeisteins zu erklären. Nimmt man das Lelztere an, so isl es kein Kinwurf, zu sagen, dass trotz des verbindernden Daseins deg Edelsteins dennoch ein Brand Statt lindet, wenn etwas Zündbares dabei ist

— denn was wir als (irund des Brennens angaben, war ,, Nichtsein der Classe von Kdelsteinen, welche durch Nieht-cnUündbarkeit beslimml sind." Auch Aehnlichkeit ist keine neue Kategorie, sondern besteht im Besitz von meh¬

reren Kigenschaflen , die sich in einem Dinge belinden, von welchem ein anderes Ding verschieden isl. Zum Beispiel die Aehnlichkeit mit dem Monde, welehe sich in einem (iesichl lindel, besteht, bei seiner Verschiedenheit vom Moudu, im Besitz der Kigenscbaft des Erheiternden und Glänzenden, welche auch der Mond besitzt.

(15)

Müller, Beilräge zur Kennlniss dei- indischen Philosophie. 15

sein (Anyonyäbliäva). Früher-nichtsein hat keinen Anfang, aber

ein Knde, wie das Nichtsein einer Wirkung bevor die Wirkung

eintritt. Später-nichtsein hat einen Anfang, aber kein Ende, wie

das Nichtsein einer Wirkung nachdem die Wirkung eingetreten.

Vullkummcnes Nichtsein ist das Gegentlicil von dem was durch

Verbindung mit Vergangenheit, Gegenwart und Znkunft bestimmt

ist, wie z. B. : auf diesem Orte ist kein Topf. Bedingtes oder

gegenseitiges Nichtsein ist das Gegentlieil von dem was durch

Identität bestimmt ist, wie z. B.: der Topf ist nicht ein Tucb.

Hiermit sind die Kategorien beendet, und da sie Alles um¬

fassen, was Gegenstand des Wissens werden kann, so bilden sie

in der That ein passendes Schema fur eine philosophische Be¬

trachtung des Universums, wie wir es in dem Vai(;eshika-System

ausgeführt linden. Ks ist klar, dnss die verscbiedenen Wissen¬

schaften unserer eigenen Zeit in diesem weitschichtigen System

leicht passende Anknüpfungspunkte finden künnen, wie diess Uerr

Uallantyne sehr geschickt iu seinem obenerwälinten Artikel ausge¬

führt hat. Ob die Brahmanen selbst damit einverstanden sind,

llisciplincn , wie die der Mathematik, Grammatik, Chemie, Optik

u. s. w. in ein Lehrgebäude der Philosophie eingeschachtelt zu

seben , ist eine andere Frage. Das indische System des Lelirens

uud Lernens ist so kastcnmässig geordnet, dass sie schwerlich

solche Uebcrgrilfe erlauben würden. Herr Ballantyne wird diess

jedoch am besten selbst heurtheilen künnen, da er, in seiner

Stellung als Principal des .Sanskrit-College in Ucnares , in stetem Verkehr mit indiscben Gelehrten stebt, und es seine Hauptaufgabe

ist, den Zöglingen seiner Anstalt die Vortbeile europäischer Bil¬

dung unter Beibehaltung indischer Formen mitzutbeilen. Einen

interessanten Beleg dieser seiner Bemühungen finden wir in einer

Sammlung vun Vorlesungen, welche er in Sanskrit mit einer

englischen Uebersetzung herausgegeben bat: Lectures on the

Subdivisions of Knowledge, and their mutual Relations, delivered

in the Benares Sanskrit College; with an English version. Mir-

zapore 1848. 4. vol.

Es ist leicht aus dem Systeme Kanäda's zu ersehen , dass es

nicht seine Absicht war, eine Encyclopädie der Wissenschaften

zu geben. Die Frage, die ibn beschäftigte, war eine höhere;

nämlich die: Was können wir wissen, und wie können wir es

wissen? Wenn er in Einzelnbeiten eingebt, sp geschieht diess

vorzüglich in Bezug auf das Wie des Wisseiks , und diess, der

formell-logische Theil, hat dem Systeme Kanäda's sowohl als

Gotama's den grössten Ruhm verscbalft, und hat sogar oft zu

dem Missverständniss geführt, als ob die Nyäya-Pliilosopbie nichts

als ein System der Logik wäre. Wir werden jedoch sogleich

sehen, dass die Logik nur eben an ibrer Stelle im Systeme

Kanäda's ibren Platz findet, nämlich da, wo von den Eigen¬

schaften der Gegenstände die Rede ist, unter denen sich, wie

(16)

16 Müller, Beilräge zur Kennlniss der indischen Philosophie.

wir gesehen baben, auch Wahrnehmung (buddhi) als Eigenschaft

des Selbst (ätma) findet.

Ebe wir jedocb zu den Eigenschaften kommen, baben wir

zuvörderst die Kategorie der Substanz in ibrer Anwendung auf

das Wirklicb-seiende zu betrachten. Die erste unter den neun

Substanzen war Erde. Diese ist, wie alle übrigen Substanzen,

ewig sowobl als vergänglich. Ewig ist sie unter der Form von

Atomen (parama-'aiiu) ; vergänglich in der bewirkten oder wirk¬

lichen Erscheinung. Die letztere ist wiederum dreifach : orga¬

nisch, organ-artig, und unorganisch. Organische Erde, oder Erde

als organisirter Körper, existirt in .uns und unsres Gleichen.

Als Organ zeigt sie sich im Geruchsorgan , dem Empfänger des

Dufts, welcber seinen Sitz in der Nasenspitze hat. Als unorga¬

nisch existirt die Erde in Thon , Steinen u, s. w. ').

Dieselbe Eintheilung in ewige und nicbt-ewige Substanz

findet sicb auch bei den drei nächstfolgenden Elementen. Wasser,

heisst es, ist theils Atom, theils wirklich , ebenso Licht und Luft.

Von, den Atomen, deren Existenz ein Resultat des Schlicssens

ist, wird hier nicht gebandelt. Wobl aber wird dus wirkliche

Wasser wieder eingetheilt in organisches, Organ-seiendes, und

unorganisches. Zur ersten Classe gehören die Wesen in der

Welt des Varuna (Neplun's); die zweite besteht aus dem Organ

des Geschmacks in der Zungenspitze; wäbrend Flüsse uod das

Meer zur dritten Classe gehören. Das Licht (tejas) ist wiederum

ewig und vergänglich, und das vergängliche ebenfalls dreigetbeilt

—- nämlich, organisch, im Reiche der Sonne; Organ, in der Spitze

der Pupille, als Empfänger der Farbe; und unorganisch, als irdi¬

sches Feuer (bhauma) auf dem Heerde; als himmlisches Licht

(divya), wie der Blitz der sicb vom Wasser nährt; als innere

Wärme (audarya) , welches die Speisen verdaut; und als minera¬

lisch ( äkäraja j im Golde, welches aus Feuer entstanden ist.

Ebenso ist endlicb das vierte Element, die Luft, wiederum ewig

und vergänglich , und existirt als organischer Körper im Reiche

Väyu's (des Windes), als Organ in der Haut, dem Empfänger des

Gefühls, als unorganisch im Sturm u. s. w. Ausserdem findet

sich die Luft im Körper als Atbem, der, obgleich er ein und

derselbe ist, doch unter verschiedenen Numen bekannt ist

Das fünfte Element, Äkä(;a, ist einfach, all-durchdringend

und ewig. Es hat die Eigenschaft des Tons.

Diese kurze Theorie der Elemente bietet mancbe interessante

Punkte dar. Wir finden zunächst die alte, den Griechen nicbt

1) Gandhavali pnlhivi. Sä dvividhä nilyä anityä ca 'iti. Nitya parainänu- rupä, anityä kärjaräpä. Sä punas trividhä, (arira - indriya-vishaya - bhedät.

t^linrani asmadädinüm, indriyain gandhagrihakain fthrinam näsägravarti, vishayn mritpashänädih.

2) Sa ca 'eko 'py upädhibhedät prünäpänädisaojnöm labhate.

(17)

Müller, Beiträge zur h'ennlniss äer indischenl'lülosophie. 17

unbekannte Vorstellung, dass die Organe der Wabrnebmung aus

derselben vergiinglii'lien Substanz bestehen wie die Oinge, welehe

wahrgeno en werden, eine Vorstellung, die auch uns durcb

(loetbe's schone I'ucapbrase des Plotiii geläufig isl :

Wiir' niclit das Auge siiiincnliart ,

\\ ie kiiiinten wir zur Sonne blicken ? Wiir' nicht in uns des Gottes eigne Kralt, Wie könnt' uns (Göttliches entzücken '?

Das Auge ist Licht, die Haut ist Luft, die Zunge Wasser, die

Nase Krde. Ob dus Ohr Aether ist bleibt zweifelhaft, und müsste

verneint werden , wenn, wie der Tarka-sangraba sagt, der Aether

nur als ewiges Element exislirt. Ks ist in der Tbat autfallend,

dass dus Organ des («eliörs hier gänzlich übergangen ist. Im

Siitra Kuiiada's finden sich die 9 Gegenstände angeführt, wie im

Tarka-sangraba. Anstatt der 24 Kigenscbaftcn aber finden wir

nur 17, nämlich: Farbe, Geschmack, Geruch, Gefühl, Zahlen,

Alaasse, Kinzeliilicit , \'erbundeiilieit , Getrenntheit, Nahesein, Knt-

ferntsein , Wahrnehmungen, Freude, Schmerz, Wunsch, Hnss und

Willen; so dass Ton , Schwere, Flüssigkeil, Zähigkeit, Tugend,

Laster und Anlage fehlen. Der llommentar sagt, dass obgleich

diese 7 Kigenscliafleii nicht ausdrücklich (knntliatas) .mgeführt

sind, sie dennocli als bekannt angenommen wenlen müssen. Mög¬

lich aber diiss sie erst später hinzugefügt worden. Auch im

Uliäshit-pariclieda folgt der Aether nicht als fünftes KIcnient nacb

der Luft; und unter den Kigenschuften stebt wiederum der Ton

nicbt nach dem Gefühl als Nr. 5, sondern ganz am Knde als

Nr. 24. Dennocb werden wir sehen , wie im Tarka-sangraba

Ton seine Stelle als Nr. Ift. behauptet, und dort erklärt ist als

eine Kigenscbaft, welche durch das Olir gefasst wird, und sich

allein im Aetber findet. Ueber den Process der Wabrnebmung

ist aber nichts gesagt, ausser dass der Kliäsbä-pariclieda hinzu¬

fügt: der Ton findet sicb im Aetber, wird aber erst wahrgenom¬

men, wenn er im Ohre hervorgebracht ist. Diese Hervorbringung

vergleichen Kinige mit einer Wellenströmung, Andere mit den

Blüthen des Kadamba, wo aus der ersten sogleich zehn, und

wieder je zehn Blüthen , nach den verschiedenen VVeltgegeiiden

hin, entstehen.

Die .Sinne nehmen übrigens nie eine Substanz, mit Uer sie

in Contact kommen, wahr, sondern nur deren Kigenschuften. Die

Substanz selbst wird nur durch Schluss wahrgenommen. Kbenso

ist die Atomforin der .Substanz ein Resultat des Schliessens , wie

wir später sehen werden.

Humboldt hält es für möglich, dass die Hypothese von vier

oder fünf stoffartig verschiedenen Kleinenten , welche von dem

Lehrgedichte des Kinpedokles an bis in die spätesten Zeiten allen

VI. Bd. 2

(18)

1 S Müller, beilräge zur Kennlniss der indischen Philosophie.

NaturpliilosopLeineri beigemengt geblieben , ursprünglich indisch

sei .'). Wenn die griecbiscbe Tradition vun den Reisen der ältesten Philosophen nach Indien sich auf irgend eine alte Autorität stützte,

so würde eine solcbe Annahme viel für sicb baben , besonders in

Uezug auf die Künfzulil der Kiemente. Die Vierzahl der Elemente

bietet sicb der empirischen Beobachtung und systematischen An¬

ordnung zu natürlich dar, als dass man hierbei an Entlehnung

zu denken brauchte. Haben wir doch kaum ein Recht, die Vier-

lieit der Elemente bei Empedokles als ein Abbild der Pythago¬

reischen Tetraktys zu betrachten ') Die Fünfbeit der Elemente

hingegen ist eine Anschauung von entschiedener Individualität,

und würde eine Entlehnung wahrscheinlicher machen, wenn die

Aulfassung in beiden Ländern wirklich dieselbe wäre. Aber diese

Uebereinstimmung ist bis jetzt nuch nie über die Zahl selbst hin¬

aus ausgeführt worden. Die Pytbagoreer wurden auf ihre fünf

elemeiitarischcn Körper (den Aether als den fünften) nicht durch

physische Gründe, sondern durch die ihnen eigenthümlicbe Zahlen-

lebre geführt ^), von der sich in Indien keine Spuren linden. Der

Aetber der Ionischen Naturphilosophie kann aber durchaus nicht

dus sein, was die Indier im technisch - philosophischen Gebrauch

durch Äkä^a ausdrücken. Was man den Aether bei Anaximenes

nennt, heisst auch üi^Q, und ist in der That nicbts als ein neues

(Jrelement, aus dem Anaximenes die Entstehung der Welt erklären

zu können meint, wie Thaies diess mit dem Wasser, Hcraklit

in höherem Sinne mit dem Feuer versuchte. Der Aetber stebt bier

nicht uls ein fünftes, neben den vier undern Elementen, sundern

aus ihm entsteht Alles durch Verdünnung und Verdichtung. Aller¬

dings hat der üijp des Anaximenes eine höhere philosophische

Kedeutung als das Wasser des Thaies, denn er ist ihm zugleich

das Unendliche, Göttliche und Allumfassende ''). Aber eben hier¬

durch gehört er in eine viel höhere .Sphäre als das Akä^a, das

elcmentarische Medium des Tones. Empedokles nimmt entschieden

nur vier Elemente an , die er sogar auf eine Zweibeit reducirt,

indem er dem Feuer ( des Hcraklit ; die drei andern entgegen¬

setzt; uud diese Empedokleischen Elemente entsprechen genau

deu ewigen Gegenständen ( nitydni dravyäni) des Kanada, be-

1) Kusmos III, II.

2) Vgl. Zeller, Die FhiliLSuphie der tiriecheii, |, 172.

.3) Vgl. Boekh, Philulaos S. KiO; Iiei Zeller I, 1?;). Auch hei Pinto ist die tirundform der Krde der Würfel ; die des Feuers das Telrai-der ; der Luft das Uklaüder; des Wassers das Ikosai-der; des Aethers das Dudekai'iler.

II, 258. Diese KIcinente sind alsu durchaus stolflus.

4) Zcller sagt: ,,dass Anaximenes dabei /.wischen der Luft uls allgemei¬

nem Princip und der atmusphärischen Luft unti'rschieden habe (Brandis, ticsch.

der (iricch. Rilm. Phil. .S. 144. Ritter I, 217), folgt nicht aus den .Stellen, die man dafür anführt; was bier vou der unendlichen Luft gesagt isl, passt aucb auf die atmosphärische."

(19)

Müller, Beilräge sur k'ennlniss der indischen Philosophie. 19

sonders wenn wir bedenken, wie aucb iu Griecbenland die Atom¬

form der Substanz sicb liistoriscb und natürlich aus den Empe¬

dokleischen Elementen entwickelte '). Der Aether des Anaxag-oras

aber gehört einer ganz andern Sphäre an. kein Indier würde

je in diesem Aether, „der der Substanz nucb feurig ist, und

durch die Stärke des Umschwunges Felsstücke von der Erde

abreisst, sie entzündet und zu Sternen macht" sein Äkä^a

wieder erkennen. Aristoteles bemerkt, dass Annxagoras das Wort

ui&i'iQ niebt hätte gebrauchen sollen, wenn er es im .Sinne von

Feuer nehme, da es ursprünglich die oberste Region bedeute.

Diese verschiedenen Bedeutungen von Weltätber im Fortgang der

Geistesgescbiclite bat Humboldt im kosmos (Hl, 42) mit Nach¬

druck hervorgehoben. Wenu man in Uezug auf das indische

Akä^a dem Berichte des Megasthenes folgte, so schiene aller¬

dings das fünfte Element der Indier dem Aetber des Anaxagoras

entsprochen zu haben da der Himmel und die Sterne aus dem¬

selben entstanden sein sollen. Diess ist aber offenbar ein Miss¬

verständniss des Megasthenes , und eine Uebertragung griechi¬

scher Ideen. Der Ursprung des indischen Aether, wie wir ihn

in den philosophischen Systemen finden, ist einfach folgender *),

Die Indier, wie wir sahen, nahmen au, dass die Organe der

sinnlichen Wahrnehmung uus denselben Substanzen beständen wie

die wahrgenommenen Dinge. Unter den fünf Sinnen bot sich leicht

das Licht (oder Feuer) für das Sehen des Auges, Wasser für

das Schmecken der Zunge, Luft für das Fühlen der Haut, und

1) Vgl. Zcller I, 194. 195.

2) l'lul. dc fhc. jihilos. II, 13. Humboldt, Kosmos I, 408.

3) Fragm. Megaslb. \M, 17. (ed. Sebwanbeek) : n^ot Se rots xrtta^at arotxeiot; nt'fimr] xiV den fvots, tf '/s ö ovQavos xai xii daxQa.

4) Mau muss im .Sanskrit unterscheiden zwischen äkäja in der gewöhn¬

lichen S|irachbudeutung, und akä(;a als technisch - philosophischem Ausdruck.

Ks kann kein /weil'el sein, dass die letztere Bedeutung die spätere ist, und dass man das Wort äkaya , welches ursprünglich die höhere Luftregion be¬

deutete, erst nachher für die philosophische Sprache herbeizog. Akä(a war ursprünglich die helle ubere Luft, und insofern dasselbe wie der griechische ai&t}(>. Indra beisst fikä^e^a, der Herr des Aethers, wie Zevs aid-ega vaiotv.

II. XV, 192. Auch kommt äkü^a in der allgemeinen Bedeutung voii Luft {äf/^) vor. Im IVaighnnluku wial äkä^a, für den Veda, als .Synonym von antariksha gegeben, was Bopp mit „durchsichtig" übersetzt, während die Indier es von antar (zwischen) und riksha (Stern) ahicileu. Die Etymologie von ükäya ist klar; es heisst Jcuchlcnd. Andere leiten es vou a, nicht, und kaf, gehen, ah, weil das Akä^-a nicht wie die nndern Elemente sicb bewegt, sondern unsichtbar ist (es tritt dann „naffof chändaso dirghali" ein). Im unpbilosophi- scheu (icbrnuch sind also ai9ij^ (von ai'd-to , aestns) und äkaja verwandt.

Ai&Tig, wie Buschmann nach Vans Kennedy vorschlägt, phonetisch mit äshira.

Aether, zu vergleichen, ist falsch. Die Wurzel aid- ist im Sanskrit edh (aidh) und hat nichts mit äsh zu thun. LVber griechische Etymologien von ai{yriQ siehe Kosmos III, 54. — Die fünf Elemente kommen bereits in den Brähmanas vor. Aber erst die Philo-^ophie hat diese Idee der Fnnfheit syste- ni.'itiseh ausgeführt.

2 »

(20)

20 Müller, Beilräge zur Kennlniss der indischen Philosophie.

Krde für das Riechen der Nase dar. Nun war aher nocli ein

fUnt'tes Klenient für dus (»eliör nnthigf. Am natürlichsten wäre

PS wohl gewesen , Luft für dus Medium des Hörens zu erklären.

Der Indier hatte aber oifenhar die lieoliaclitiing gemacht , dnss

der Schall durch die dichtesten Gegenstände dringen kann, welche

der Luft vollkommen undurchdringlich sind. Der .Sclinll durch¬

dringt nicht nur die Luft, sondern Wasser, und seihst die dich¬

testen Materien, z. Ii. Gold, setzen ihm keinen Widerstand ent¬

gegen. Aristoteles sagt entschieden , dnss Luft das Aledinm des

Tones ist '), ebenso wie er ein Medium für das .Sehen und

Rierlien annimmt, wotiir es aher, wie er sagt, keinen Namen

giebt. Der Kinwurf, den die Indier gegen diese Annahme machen

würden, selbst nach ihrer weitern Ausbildung durch Newton"«

Undulations- und Osrillutionstlieoric , ist olfenbar derselbe, den

liaeon machte, nämlicli, dass es unmiiglich ist, iu einer Ver¬

sammlung Tunwelleii oder Lnftvihrationen nn der FInninie eines

Lichtes wnhrzniielimeii. !Mil demselben Rechte, womit die Undu-

Intioiistheorie des Lichtes ein Kluiduni fordert, das feiner ist als

Luft, eine Art von Aether, fordert der Indier ein ähnliches feines

Medium für die Unilulalionen des Tones ■'), nnd selbst die lie-

merkung, dnss durch Kiilzieliung der Luft, wie z. li. in einem

luftleeren Räume, der Ton aufhört, würde ibm noch nicht be¬

weisen, duss die Luft dus \'eliikcl des Tons ist, sondern nur,

dnss mnn mit der Luft zugleich das Akä(;a enifcrnt bnt. Kr

sngt desshalh nusdrücklicli , dass das Akä^a nicht, wie die vier

ersti^n Kleiiiente, in die Wirklichkeit eintritt, sondern nur als

aiiityu (ewig) exislirt.

Diese Gedankenreihe lindet sich, so viel mir bekannt, in kei¬

nem der alten grieehiscben .Systeme, und es dürfte desshalb niiss¬

licb sein , das indische Akii(;n mit dem griechischen Aether zu

identilioiren , wenigstens in der teclinis('li-|iliiloso|iliisclieii Itcdeii-

tuiig. An eine Kiitleliiiung ist keinesfalls zu denken, trotz dem

dass («(irres heliau|itet, das Wort ,'\k;i<;a fände sich im .Aristoteles.

Leider hat er kein ('ilat beigefügt ').

Aber selbst die Ansieht von den übrigen vier Klemciiteii

weicht bei den Indiern sehr charakteristisch von der grieehiscben

X'orstelliiiig ab. Nehmen wir die Aiisielii des Aristoteles, so

linden wir hier zuerst .Substuuz {'iiXij) ohne irgend welche Kigen-

1) //f»i '/'"/'"ä 7.

?) Man bedenke, dass nach I.aplacc die Hitze einen störenden K.inllnss auf die .Sclinelligkcit der Lndulatiun bat. N'gl. I.iebig, Letters on i:iicniisli\ . p. 2b9. liiief \.\l.

3) (iörrcs, .Mythologie I, ,, Ausser den vier Kiementen .ibi r ( s.igl .McgasIlK'iies) giilie es noch eine nirilte IN'alnr (Akasli, nxmoimi'nnr , .ikas noiniuatuni des Arisloteles)." .'sulllc iIm.i d.is ny.oi-oroiiK i or eine kiiline Lesart für äxaiovufiitoxov sein?

(21)

Müller, Ueiträge zur Kennlniss der indischen Philosophie, 2 1

scliaft, ein Gedanke, der schon von der Vorstellung der „ewigen

Gegenstände" (nityäni dravyäni) sehr entschieden ahweicht. Bei

Kanada hieibt es ungewiss, ub nicbt die sogenannten ewigen

Substanzen der Krde, des Feuers u. s. w. aucb ohne die ihnen

eigenen Kigenschaften , bereits in ihrer Atomform als getrennt und

verschieden zu betrachten sind. Die fidtj des Aristoteles, welche

der Hyle ihre KigenthUinlichkeiten verleiben, könnte man vielleicht

mit den Gunas des Kanäda vergleichen; aber eine Vergleichung

der aiiqriOiq mit dem Karma ist durchaus unzulässig. Sie ent-

sjiricbt eher dem \'i(;esha, wenn solche annähernde Analogien

zwiscben verschiedenen philosophisclien Vorstellungsweisen iiber-

liau|it von Nutzen wären. Das Schema der Kiemente bei Aristo¬

teles ist allerdings aucb von den sinnlichen Kindrücken abgeleitet,

aber doch in ganz anderer Weise als bei Kanäda. Aristoteles ')

gebt davon aus, duss alle Körper fühlbar siud (anxü). Die

Griindunterscbicde des Gefühls aber sind die des Kalten , War¬

men, Trockenen und Feuchten. Diese Kigenschuften sind sieb

je zwei einander entgegengesetzt. Kälte hebt Wärme, Trocken¬

heit bebt Feuchtigkeit uuf. Die Verbindung dieser vier Dinge

giebt also nicht sechs, sondern nur vier positive Combinationen;

die zwei übrigen sind negativ und beben sich selbst auf. Diese

vier Combinationen nun sind bei Aristoteles die vier Kiemente.

Krde — als trocken und kalt; Wasser — als feucht und kalt;

Luft — als fenclit und warm; Feuer — als trocken und wann.

Kine andere Autfassung ist die nach der Bewegung. Was sich

nach oben bewegt, ist Feuer, was nacb unten, Krde. Zwiscben

diesen stebt die F..uft dem Feuer an f^eichtigkeit, das Wasser

der Krde nn Schwere am nächsten. Bei allem diesen ist vom

Aether noch keine Rede. Derselbe bat mit den Bewegungen auf

der Krde, mit dem Wechsel des Kntstelicns und Vergehens nichts

zu tbun, sondern spielt eine bnlb-niytbiscbe Rolle '), indem cr

der einzige Stolf in der hinimlisclien Sphäre ist, und nur an (ler

vollkommensten Bewegung, der des Kreises, Thcil bnt. Alles

über dem Monde ist Aetber; erst unter dem Monde fangen

die Kiemente an ^ ). Der Aether bei Aristoteles ist also kein

Klemeiit im eigentlichen Sinn , wenu er aucb das nQÖnuv nrot-

Xtiov genannt wird ''), sondern ein über dem Streite der Kleincnte

erhabenes, ewiges, unveränderliches und leidenloses Wesen, das

allein Göttliche unter dem Materiellen '•).

1) VrI. Zcller II, 4(SJ,

2) Aristoteles versagt dem Aetber den i\amcn eines fünften KIcments ; vpl.

Humboldt, Kusmus III, 43. Kitter und I^Lirtin leugnen dicss.

.3) Meteor. I, 3. 340, b. 6: tu /liv jü^» lirw xni /iixi>i oeXrjvii^ tiiQor tilrai aäifift g^n/icv nv(}6e ze xai at'gos,

4) Vgl. Zcller II, 4li4.

ä) "ICzeQOv oiiifia xiti O-ewrefiov rtöv aroixsi(Ov.

(22)

22 Maller, Beilräge zttr Kennlniss der indischen Philosophie.

Verg-leichen wir nun hiermit die Kiemente Kanäda's, so sehen

wir sogleich ihre ursprüngliche Verschiedenheit, üie Tünf Kigen-

schaften, die er an den Dingen sinnlich wahrnimmt, fallen unter

(ieruch , Geschmack, Gesicht, Gefühl und Gehör. Geruch findet

sich nach ihm nur in dem Krdigen ; (»eschmack im Krdigen und

VVässrigen; Gesicht oder Kurhe im Krdigen, Wässrigen und Feu¬

rigen; Gefühl im Krdigen, Wässrigen, Feurigen und l^ufligen.

Ton aber findet sich in keinem von diesen Kiementen : also muss

es ein fünftes Klement geben, das Äkä(;a, in dem allein sieb das

Tönende findet. Die Krde hat von den Kigenschaften vier, das

Wasser drei, das Licht (Wärme) zwei, die Luft nur eine, und

ebenso hat das Äkä^a nur eine Kigenscbaft ').

leb bin bei diesem Punkte vielleicht länger verweilt als

seine Wichtigkeit zu fordern scheinen mag. Indische Dinge

haben aber so viel von Vergleichung zu leiden, dass es noth¬

wendig ist, ihre churakteristische Kigenthümlicbkeit so viel als

möglich hervorzuheben. Wir lernen durchaus nicht die Individua¬

lität des indiscben Volkes erkennen , wenn wir seine Sprache,

sein Denken und Forschen nur immer als Anaingnn oder als Com¬

plement der griechischen und römischen Welt betrachten. .Schon

die Worte und technischen Ausdrücke unserer Sprache, die wir

in ihrer geschichtlichen Bedeutungsentwickelung so vielfach aus

Griechenland oder Rom empfangen baben , werfen oft unwillkür¬

lich ein falsches Licht auf indiscbe Ideen, Wenn man hört, dass

die Indier vier oder fünf Kiemente haben, so ruft das Wort Klement

unmittelbar eine Reihe von Vorstellungen hervor, die so viel In¬

dividuelles und Historisches an sich tragen, dass sie nothwendig

dem indiscben Gedanken eine fremde und unbestimmte Farbe geben.

Diess ist ein Uebelstand, der schwer zu vermeiden ist, wenn wir

nicbt eine Anzahl technischer Ausdrücke aus dem Sanskrit ent¬

lehnen wollen, was wiederum dem allgemeinen Verständniss Kin-

trag thun würde. Auf jeden Fall sollte man sich aber vor Ver¬

gleichungen hüten, ehe man sich der Verschiedenheiten deutlich

bewusst ist.

Die Sätze von den elementarischen „Gegenständen" geben

noch zu vielen interessanten Betrachtungen Anlass. Wir wollen

uns aber auf einige kurze liemerkungen beschränken , um danu

zu den noch übrigen vier Gegenständen überzugeben.

In liezug auf das Licht ist es bemerkcnswerth , dass Licht

und Wärme als Kine Substanz betrachtet werden , iudcm uuor-

1) Das Schema der Sänkhya-I'liilu.suplile Ist syslemalisclier ausneliihil.

Hier heissl es : „das Ohr nimmt den Tun wahr , die Haut den Druck , d.is

Auge die Farhe, die Zunge den Geschmack, die Nase den Gerneli. Die

Krde hat Fünf Kigenschaften: Ton, Druck, Farhe, Geschmack und (ierueh.

Wasser hal vier: Ton, Druck, Farhe und Geschmack. Licht hat drei:

Tun, Druck und Farbe. Luft hat zwei: Ton nnd Druck. Aetber hat

eine : Ton."

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