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Jh.s in die jahrhundertelange arabische Näherung an "Fremdes&#34

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Von Gerhard Hoffmann, Leipzig/Kiel

Der Einzug der Bujiden in Bagdad brachte Mitte des 10. Jh.s in die jahrhundertelange arabische Näherung an "Fremdes" neue Momente, die bis heute auf unterschiedliche Resonanz stoßen.

So kennzeichnet unter national-arabischen Aspekten 'A. 'A. ad-DOrI, Nestor neuerer arabischer Sozialgesehichte, die "bujidische LHDerwältigung" (at-tagallub al-buwaihi),' die "fremde Machtergreifung" {at-tasallut al-a^nabi) als den Beginn der "Zeiten firemder Herrschaft in den arabischen Ländem" Quhüd as-saitara al-a^nabiya fi l-biläd

al-'arablya)} I. 'A. Taraijän sah im Despotismus von "Neumushmen/ Klienten, die

keine Araber waren" (mawäli min gair al-'arabf eine deuthche Zäsur mit weitreichen¬

den historischen Folgen. Die sehiitischen Neigungen der Bujiden hätten Bürgerkrieg geschürt und - so S. Zakkär - die "nationale Einheit der Gemeinschaft/Nation"

(al-wihda al-watanlya li-l-umma)* zerstört. T. 'A. AD-DÜRl betont Kontinuität, weil die

vorhergehenden Auseinandersetzungen um die Position des Ober-Emirs (amir

al-umarä') die Machtergreifung des Mihtärs (tasallut 'askari) befestigt und damit der bujidischen Besetzung (ihtiläl buwaihif den Weg frei gemacht hätten. Gleichzeitig konnten "Fremde" (agänib), wie S. "ABD al-HamId konstatiert, von den Bestrebungen

regionaler Herrscher nach Eigenständigkeit profitieren.' M. A. Shaban meint hin¬

gegen, daß die dailamitisch-iranische Bewegung keine nationalistischen Züge tragen

konnte, weil die Bujidenfürsten die arabische Kultur adaptierten,' und H. Ben

Abdallah sieht die Bujiden geradhnig den historischen Reahtäten jener Epoche

angepaßt,' ihre Herkunft spielte demnach keine besondere Rolle.

' "A. 'A. ad- DOrI: Ta'ril} al-'Iräq al-lqtisädifi l-qam ar-räbi' al-higri. 2.Aufl. Beirut 1974, S. 39.

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Arabische Wirtschaftsgeschichte. Aus dem Arabischen übersetzt von JÜRGEN JACOBI. Zürich-München 1979, S. 107 f.

' I. 'A. TARAyAN: an-Nu^um al-iqtä'iyafi S-Sarq al-ausat fi l-'usur al-wustä. Kairo 1968, S.IO.

" S. Zakkär: Ta'rif} al-'arab wa-l-Isläm mundu mä qabla l-mab'at wa hattä suqüt Bagdäd. Beirut 1975, S. 324.

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* S. 'Abd AL-HamID: Ma'ärik al-'arab al-häsima. Beirut 1967, S. 16 f.

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' H. Ben Abdallah: De l'iqta' itatique ä l'iqta' militaire. Transition (conomique et changements sociaux ä Baghdad, 247-447 de l'Higire /861-1055 ap.J. Uppsala 1986, S. 49.

(2)

Auch in der intemationalen Diskussion werden unterschiedliche Gewichtungen deuthch. So stellte E. Ashtor fest, Mitte des 10. Jh.s wären Araber und Zivihsten von

der Spitze der sozialen Hierarchie verdrängt und die neue soziale Ordnung eines

feudalen Regimes sei während der Bujidenzeit durch die Türken im Nahen Osten

oktroyiert worden.' W. Madelung folgert, daß der bujidische Anspmch auf die

Herrschaft - daula - der Dailamiten eine Herausfordemng für das Abbasidenkalifat und für die Vorherrschaft der Araber bedeutet habe.'" C. Cahen sah in der Übertragung

von Ehrentiteln an die Bujiden durch die Kalifen im Jahre 945 sowohl den Beginn

einer neuen Ära unter einer der "nationalen" muslimischen Dynastien als auch die Fortsetzung traditioneller Militärherrschaft des 10. Jh.s." Nach H. Busse läßt sich im

Irak die Geschichte der Bujiden als Kampf zwischen Arabertum und Persertum ver¬

stehen.'^ T. Nagel wamt davor, die iranischen Neigungen der Bujiden zu überschät¬

zen, die in erster Linie Militärführer waren und sich im unmhigen Irak zu behaupten hatten." C. E. Bosworth verweist darauf, daß die Zivilverwaltung unter den buji¬

dischen Emiren weitgehend von ihren persischen und arabischen Sekretären und

Beamten abhing.'''

Wie unterschiedlich auch die Akzente gesetzt werden, all diesen Überlegungen ist

gemeinsam, daß sie sich in hohem Maße auf Miskawaih und sein historisches Haupt¬

werk" stützen.

Der aus dem iranischen Rayy stammende Miskawaih (etwa 932 bis 1030) fmdet

Anerkennung als herausragender Vertreter jenes neuen Typs von Gelehrten, die aus

den Reihen der kuttäh stammten und praktische Tätigkeit mit wissenschafthcher Arbeit

verbanden." Als Sekretär und Bibhothekar bei bekannten Bujidenwesiren wie

al-Muhallabi (950-963), Abü 1-FadI Ibn al-'Amid (951-970) und dessen Sohn Abü

l-Fath Ibn al-'Amid (970-976) in Rayy, später Vertrauter und schließhch Wesir des

berühmtesten Bujiden 'Adud ad-Daula (in Fars 949-983, im frak 978-983) im kak war

' E. ASHTOR: A Social and Economic History of the Near East in the Middle Ages. Berkeley u.a. 1976, S. 168, 180 f.

W. Madelung: The Assumption ot the Title Shähänshäh by the Büyids and the "Reign ofthe Daylam (Dawlat al-Daylam) ". In: JNES 28 (1969), S. 96 f.

'' C. Cahen: Buwayhids. In: EP, Bd. 1, S. 1350; DERS.: Tribes, Cities, and Social Organisation. In: The Cambridge History oflran, Bd. IV, S. 307.

'- H. Busse: Chalif und Großkönig Die Buyiden im Iraq (945-1055). Beirut 1969, S. VIII.

" T. Nagel: Buyids. In: Encyclopaedia Iranica, Bd. IV, S. 584.

'■' C. E. Bosworth: Military Organisation under the Buyids of Persia and Iraq. In: C. E. BoswoRTH:

The Medieval History oflran, Afghanistan and Central Asia. London 1977, III, S. 144.

" Abü 'AU Ahmad b. Muhammad Miskawaih: Kitab Tagärib al-umam. In: The Eclipse ofthe 'Abbasid Caliphate. Original Chronicles ofthe Fourth Islamic Century. Edited. Translated and Elucidated by H.

F. Amedroz and D. S. Margoliouth, Bde. I-II (arab.), IV-V (engl.). Oxford 1921*.

*im folgenden: MISK

" Vgl. M. ARKOUN: Miskawayh. In: EP, Bd. 7, S. 143 f ( mit bibliographischen Angaben); F. ROSEN¬

THAL: A History of Muslim Historiography Leiden 1952, S. 141 f ; H. KENNEDY: The Prophet and the Age ofthe Caliphates. The Islamic Near East from the Sixth to the Eleventh Century. London-New York

1986, S. 369; B. Radtke: Weltgeschichte und Weltbeschreibimg im mittelalterlichen Islam. Beirut 1992, S. 156.

(3)

Miskawaih in den Kreisen der arabisch-persischen Aristokratie ebenso zu Hause wie unter bekannten muslimischen hitellektuellen seiner Zeit.

Aufmerksamer Beobachter der Entwicklung des 10. Jh.s, verbindet er in seinen

Gedanken zur profanen "Geschichte als Lehrmeisterin der Fürsten und Völker"", die

unter den mushmischen Historikem - nach dem Urteil G. E. v. Grunebaums - mit der

"sachgerechten Analyse der Femwirkungen pohtischer Handlungen so gut wie allein"

dastehen,'* Anfordemngen an eine gute Regiemng mit bemerkenswerten wirtschafts-, sozial- und verwaltungsgeschichthchen Aussagen.

Hier soll interessieren, wie Miskawaih "fremde" Tendenzen unter den Bujiden reflektiert hat.

Was die Dominanz der schütischen Bujidenemire über die Abbasidenkalifen be¬

trifft, die vielen sunnitisch geprägten Autoren suspekt erschien, bleibt unser Autor

zurückhaltend. Nicht bei ihm, sondem erst beim späteren Ibn al-Atir fmden sich

Hinweise, daß der erste Bujide im Irak, MuMzz ad-Daula, die Emennung eines Aliden

zum Kalifen erwogen habe und nur von einem klugen Berater davon abzuhalten

gewesen sei." Miskawaihs Bemerkungen zu unterschiedlichen Konstellationen von

"Bürgerkriegen" (fitan) in Bagdad zeigen deutlich eine immer brüchige Balance

zwischen schütischen Dailamiten und sunnitischen Türken im Militär, wobei unser

Autor durchaus Hoffnungen der Schiiten in der Bevölkemng auf die Dailamiten wie

solche der Sunniten auf die Türken konstatiert.^"

Dem arabisch-islamischen Orient neu und fremd war ganz sicher die erstmalige

Übemahme des altiranischen/sasanidischen Titels sähänsäh durch Bujidenemire in

Iran, vielleicht schon durch 'Ah b. Büya, 'Imäd ad-Daula (934-949), auf jeden Fall

seitens des berühmten 'Adud ad-Daula. W. Madelung bemerkt, daß es sich bei der

Annahme des Sähänsäh-Titch lange Zeit um ein auf Iran begrenztes Phänomen han¬

delte, das durch innerbujidischen Streit um die führende Position in der Familie ebenso genährt wurde wie vom Drang dieser aus einfachsten Verhältnissen emporgekomme¬

nen Emir-Familie, sich ihrer dailamitischen und gihtischen Söldner-Gefolgschaft zu

versichern und sich damit gegenüber dem alten dailamitischen Adel zu behaupten.^'

Bemerkenswert in unserem Zusammenhang ist, daß die sähänsäh-TituiatuT bei den

frühen Bujiden im Irak, auch in ihren Beziehungen zu den Kahfen, kaum eine Rolle

" Busse: op. cit (Anm. 12), S. 1.

" G. E. v. Grunebaum: Der Islam im Mittelalter Zürich-Snittgart 1963, S. 361; vgl. auch S. 549 f , Anm. 46.

" Ibn al Atir: al-Kämil fi t-ta'ril}. Ed. C. J. TORNBERG, Uiden 1851 ff, Bd. VIH, S. 339, 453; vgl. M.

M. Hammäda: al-Watä'iq as-siyäsiya wa-l-idäriya al-'ä'ida li-l-'usür al-'abbäsiya al-mutatäbi' a 247- 656 h./ 861-1258 m. Beimt 1982, S. 359; A. M. HaSSANAIN: hän wa-l-'Iräq fi l-'asr as-salgäqi. Beimt 1982, S. 18, verweist nach Gerüchten bei Ibn al-Atlr sogar auf den Gedanken einer Amtsüberttagung an die Fatimiden; ähnlich auch ZaickAR: op. cit (Anm. 4), S. 319.

■° MISK II, S.91 f , 308; V, S. 94 f ; vgl. BUSSE: op .cit (Anm. 12), S. 405 ff; Nagel: op. cit. (Anm.

13), S. 579 ff.; MISK II, S. 222-228; V, S. 234-242, nennt als Grund für das Zögern der Bujiden, sich am gihäd gegen Byzanz zu beteiligen, die Unterstützung des gihäd durch Sunniten aus Chorasan.

-' Madelung: op. cit (Anm. lO), S. 85 ff, 92, 106 ff

(4)

spielte. Miskawaih hat diese Frage selbst in bezug auf den von ihm hochgeschätzten 'Adud ad-Daula völlig und möglicherweise ganz bewußt ausgeklammert.^^

Erstmahg gelangte mit den Bujiden eine Erbherrschaft (hukm wirätif^ von Emiren

in das Zentrum des Kalifates. Miskawaih verfolgt die Führungskämpfe innerhalb der

Dynastie, mit deutlicher Parteinahme für 'Adud ad-Daula in dessen Auseinanderset¬

zung mit 'Izz ad-Daula Bahtiyär (967-978).^" Familienfehden als Konsequenz dieser Erbherrschaft trugen sicher zur Schwächung der bujidischen Konföderation bei, solche

Machtkämpfe hatten jedoch im islamischen Vorderen Orient lange Traditionen und

besitzen - wie A. 'Adwän bestätigt" - durchaus Parallelen bei den arabischen Zeitge¬

nossen der Bujiden, den Hamdäniden in Nordmesopotamien und Syrien.

Mit der bujidischen Militärherrschaft und ihren negativen wirtschaftlichen Folgen, zumindest im Irak, bleibt die Frage, ob seit Mitte des 10. Jh.s eine weitere Zurück¬

drängung der Zivilverwaltung zugunsten des Militärs und die Intensivierung der

Auseinandersetzungen zwischen Dailamiten und Türken im Militär neue Entwick¬

lungen unter "fremdem" Einfluß geprägt haben. Miskawaih läßt zwar keinen Zweifel daran, daß die Beschränkung der kalifalen Zivilverwaltung, vor allem hinsichtlich der Finanz- und Steueradministration gegenüber dem Mihtär, seinem Ideal einer gerechten, auf Ausgleich bedachten Regierung diametral entgegenstand. Andererseits berichtet er aber, daß die ihm vertrauten bujidischen Wesire, d.h. Beamte arabischer und persischer

Herkunft, zuweilen lobenswerte Maßnahmen durchsetzen konnten und die sicher

sporadische Zusammenführung von Zivil- und Mihtärverwaltung in ihren Händen sich

durchaus positiv auf die wirtschafthche Stabihsierung und die Lebenslage der Unterta¬

nen auswirkte.^' Die erheblichen dailamitisch-türkischen Spannungen im Militär

besaßen bekanntlich eine lange Vorgeschichte. Dailamitische Fußkrieger hatten als

Söldner bereits vor den Bujiden in Mesopotamien eine große Rolle gespielt; einer ihrer

Führer, Kürtakln, wurde im Jahr 941 für einige Monate sogar amir al-umarä'}^ Ver¬

schiedene militärische Bündnisse vor der bujidischen Eroberung gingen mit erhebli¬

chen Differenzen zwischen den Dailamiten-Fußkriegem und den im Irak zu deren

Ergänzung dringend benötigten türkischen Reitern einher.^*

Kernpunkt sozialhistorischer Neuerungen der Bujidenära war zweifellos die Durch¬

setzung einer neuen Form des iqtä' . Arabische Historiker der Gegenwart bezeichnen

" Vgl. ibid., S. 90, 99; Cahen: op. cit. (Buwayhids, Anm.ll), S. 1352.

Ad-DOrI: op. cit. (Muqaddima... (Amn. 2), S. 87.

" MISK II, S. 231, 350 f.; V, S. 244 f., 380 ff.

^ A. "Adwän; ad-Daula al-hamdäniya. Tripolis 1981, S. 198.

MISK II, S. 127-129, 279, 281 f.; V, S.130-133, 298, 300 ff

" Zakkär: op. cit. (Anm. 4), S. 293, sieht die Dailamiten schon vor der Bujidenzeit als herrschende Kräfte im Irak.

Vgl. Bosworth: op .cit. (Anm. 14), S. 154 ff; Zakkär: op .cit. (Anm. 4), S. 324, bezeichnet dagegen die Nutzung des türkischen Elements im Militär als großen Fehler.

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diese Form des iqtä' als iqtä' §aisi oder iqtä' 'askari}^

In relevanten Passagen der Tagärib al-umam verwendet Miskawaih den Terminus

iqtä' ohne weiteren Zusatz. Darüber hinaus wird deutlich, daß die neuen Ansätze

mihtärischer Versorgimg in einigen wirtschafthch desolaten Landstrichen von Mesopo- tamien/Hüzistän verwirklicht wurden, nicht aber in solchen iranischen Provinzen wie dem ökonomisch offenbar wesentlich stabileren Färs mit seiner Hauptstadt Siräz.'"

Nach Miskawaih traf Mu'izz ad-Daula vor der entscheidenden Schlacht mit den

Hamdäniden im Frühjahr 946 auf eine Revolte seiner Dailamiten. Er mußte ihnen die

Auszahlung ihrer Bezüge (amwäluhum) zu den festgelegten Zeiten versprechen, vergab aber - offenbar aus der Notlage geboren - gleichzeitig an seine Offiziere, sein Gefolge (hawäss) und an seine türkischen Söldner als Soldersatz/Gehaltszuweisung erstmahg iqtä'ät. Dabei handelte es sich um Boden aus den Domänen des Kahfen und verborge¬

ner Personen wie des letzten vorbujidischen amir al-umarä", Ibn §irzäd, sowie um die Rechte der Staatskasse auf Güter von Untertanen, d.h. auf Grundsteuer (harä^). Die dafür zur Verfügung gestellten Teile des Sawad umfaßten allerdings nicht einmal die Gegenden um Basra, Wasit und die Marschen, bata'ih?'

Diesem Bericht fügt Miskawaih plastische Eindrücke von den negativen Wirkungen solcher an das Mihtär gewährter iqtä'ät hinzu. Niedrige Ertragswerte ('ibar) wurden

den Berechnungen zugrunde gelegt; die !^?ä'-Inhaber (muqta'ün) bestachen Wesire

und Vermittler; muqta'ün erhielten für unprofitable iqtä'ät neue. Kultivierung und landwirtschaftliche Nutzfläche gingen zurück, nicht zuletzt wegen des zunehmenden Verfalls von Kanälen und Schleusen, obwohl die iqtä'-Inhaber zu deren Instandhaltung

verpflichtet waren.'^ Staathche Steuerbeamte ('ummäl) verloren zunehmend die Kon¬

trolle, die Möglichkeiten ziviler Steuerpacht (damän) wurden erhebhch reduziert, Verwaltungsdiwane geschlossen. /^fä'-Inhaber heßen das Land von Gardisten (giltnän) und Beauftragten (wukalä") verwalten. Diese wirtschafteten jedoch zumeist in ihre

Taschen, ihr Vermögen wurde deshalb von ihren Herten des öfteren konfisziert. Die

i^fä'-Inhaber leisteten nur selten Abgaben an den Staat. Kleine Landeigentümer (tunnä") waren bei der um sich greifenden Unsicherheit entweder gezwungen, ihren Grund und Boden zu verlassen oder ihn an einen muqta' zu übergeben, ein Vorgang, der von ihrer Seite als "Zufluchtnahme" (talgi"a, ilti§ä"), von seiten des muqta' als

"Schutz" (himäya) angesehen wurde." Die dienstgebundenen, nichtvererbbaren iqtä'ät

Ad-DOrI: op. cit. (Muqaddima... Anm. 2), S. 87; S. TaqI AD-DIN: al-Malämih al-huqüqiya li-nizäm al-iqtä' aS-Sarql fi d-daula al-islämiya fi l-'asr al-wasit. In: at-Tariq H. 4, 1979, S. 160; ZAKKÄR: op.

cit (Anm. 4), S. 323.

^ MISK II, S. 96; V, S. 100; vgl. B. SPULER: Iran in fiiihislamischer Zeit Wiesbaden 1952, S. 447 ff

" MISK II, S. 96, V, S. 99 f ; vgl. T. SaTO: The Iqtä' System oflraq under the Buwayhids. In: Orient (Tokyo) 18 (1982), S. 85 f.; BoswoRTH: op. cit. (Anm. 14), S. 155; andere Autoren behaupten die Gewähmng von iqtä'ät an Dailamiten; vgl. BEN ABDALLAH: op. cit. (Anm. 8), S. 49; Shaban: op. cit.

(Anm. 7), S. 164 f.

MISK II, S. 97; V, S. 101 f

" MISK n, S. 97 f ; V, S. 102; Sato: op. cit (Anm. 31), S. 91 ff, nimmt jedoch ttaditionelle Erfahrun¬

gen der gilmän-kuttäb an.

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fungierten de facto als ein an der Quelle empfangener Sold und fielen zunächst vor allem in die Hände türkischer Offiziere und Söldner. Dailamitische Söldner blieben

zumindest bis in das letzte Viertel des 10. Jh.s mehr oder weniger erfolgreich um

Barzahlung des Soldes bemüht.'" Allerdings dürften auch einige dailamitische Offizie¬

re bereits zu einem frühen Zeitpunkt iqtä'ät erhalten haben. Stärker war jedenfalls die

von Miskawaih festgehaltene Tendenz, angesehenen Dailamiten (wu§uh min l}awäss

ad-Dailam) Distrikte zur Verwaltung zu übertragen, wo sie freies, privates Boden¬

eigentum als tu'ma, nicht aber iqtä'ät erhielten."

Daß diese Anfänge der i^fä'äNGewährung an das Militär den Notwendigkeiten der

oftmals leeren Staatskasse entsprangen, bestätigen auch 'A. 'A. ad-DOrI und S. TaqI AD-DIN. Gleichzeitig berufen sie sich jedoch auf die Fortwirkung einer rückständigen

dailamitischen Tradition. Im Sinne alter dailamitischer Stammesauffassung (na^ra

qabatiya) - so 'A. 'A. AD-DüRl - habe diese Tradition auf die Verteilung des Bodens

unter den Eroberem als bewegliche Beute (gamma) abgezielt und islamische Auf¬

fassungen vemachlässigt."

Der Nachweis dafür dürfte bei der Quellenlage" schwerfallen. Dem stehen wohl

auch die Berichte Miskawaihs über die Barzahlung des Soldes für Dailamiten und die

deuthche Bevorzugung türkischen Mihtärs bei der Vergabe von iqtä'ät sowie über die

Fortexistenz einer Reihe von vorbujidischen Finanzmechanismen entgegen. Dazu

gehörte, daß iqtä'ät weiterhin an Herrscher und Mächtige, an Zivilbeamte und selbst an Rebellenführer gewährt, Ämter an Zahlungskräftige verkauft, Steuem ganzer Distrikte verpachtet sowie bei zivilen Würden trägem, selbst beim Kalifen Konfiskationen

vorgenommen wurden." Daneben kam es zu ersten Ansätzen einer Verschmelzung der

Aufgaben von Offizieren, Steuerpächtem und Gouvemeuren, welche die späteren

militärisch-adminisü-ativen iqtä'ät der Seldschukenära vorwegnahmen."

Zur gleichen 2^it führte die schwierige wirtschaftliche Lage, begleitet von einer

Ineffizienz der Finanzverwaltung in Mesopotamien/Hüzistän, dazu, daß Söldner ihre

Bezüge an den landwirtschaftlichen Steuerquellen selbst eintrieben. Miskawaih hält fest, daß Mu'izz ad-Daula nach Niederwerfung eines Aufstandes des Dailamitenführers

Rüzbihän 345 A.H. (956/57) die Türken gegen die Dailamiten ermutigt hat und so die

" Sato: op. cit. (Anm. 31), S. 87, mit Beispielen für die Zeit nach Miskawaih aus Ibn al-Atlr und Ibn al-öauzi.

" MISK II, S, 98; V, S. 102 f ; Sato: op. cit. (Anm. 31), S. 94.

" Ad-DOrI: op. cit (Tärih ... Anm. 1), S. 42; vgl. TaqI AD-DIN: op. cit. (Anm. 29), S. 160.

" Vgl. die Bemerkungen zu den Quellen über die sozialen Verhälüiisse bei den Dailamiten von V.

Minorsky: Daylam. In: EP, Bd. 2, S. 191 ff

" MISK n, S. 98 f , 188 f , 241 f , 285 fr.,308; V, S. 103 f., 205, 256, 304 ff, 330; vgl. BoswoRTH: op.

cit. (Anm. 14), S. 161;. ad-DOrI: op. cit (Ta'rih... Anm. 1), S. 261-274, listet die musädarät nach Miskawaih auf und sieht sie interessanterweise als eine Art Einkommenssteuer, Sibh dariba dal}l, an.

" MISK n, S. 173 f , 293 f ; V, S. 186 ff., 313 ff; vgl. C. Cahen: Evolution de l'iqta du IXe au Xllle siicle: contribution ä une histoire comparie des sociitis midlivales. In: Annales 8 (1953), S. 39 ff; A.

K. S. Lambton: Reflections on the Iqtä. In: G. MAKDISI (Hrsg.): Arabic and Islamic Studies in Honor of Hamilton A. R. Gibb. Leiden 1965; S.358 ff

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Türken Geld (amwäl) fordem, Distrikte (a'mäl) okkupieren und die Steuerbeamten ('ummäl) belästigen ließ. Des weiteren entsandte er türkische Söldner zur Soldein¬

treibung (in Geld oder Naturalien, tasbib) nach Wasit, Basra und Ahwaz. Gmppe um

Gmppe (tabaqa) zog aus, um die Löhnung für sich und die bei Mu'izz ad-Daula

zurückgebliebenen Gefährten einzutreiben, einem guläm wurden täglich 10 Dirhem,

einem naqib 20 Dirhem als Besoldung (rätib) bewilligt. Zweifellos nur als eine zeit¬

weilige Maßnahme gedacht, öffnete dieses Verfahren, so Miskawaih, das Tor des

Unheils (bäb min al-fasäd)!^ Die türkischen Söldner nahmen bewußt eine Verzöge¬

mng der Abgaben in Kauf damit sie länger an dem neuen Qrt bleiben konnten, und

nutzten ihren Sold zum Handel. Die Steuerbeamten ihrerseits waren froh, nicht den

Gesamtbetrag auf einmal zahlen zu müssen, so daß Söldner nicht selten zwei bis drei Jahre in der jeweihgen Gegend geblieben sein sollen, währenddessen sie bei Handels¬

aktionen die Wege zoll- und steuerfrei nutzen konnten."' Gleichzeitig erwarben einige Söldner Gmndbesitz, indem sie den "Schutz" (himäya) kleiner Bodeneigentümer übemahmen. Sie dehnten solchen "Schutz" auch auf Kaufleute und andere Hilfesu¬

chende aus und diskreditierten damit die Steuerbeamten immer stärker. Ergebnis

dessen war schließlich, daß die Söldner dazu übergingen, die Untertanen zu unter¬

jochen (ista'badü an-näs).*^

Hier erscheint die persönliche Soldeintreibung, tasbib, als ein indirekter Weg zum

iqtä'. Dieser Weg sollte aber wohl nicht mit der direkten Verleihung von iqtä'ät

gleichgesetzt werden, denn türkische Söldner erreichten erst durch ihre mihtärische Präsenz solche Positionen, daß es ihnen über "Schutz"-Praktiken gelang, allmählich iqtä'ät zu usurpieren.

Gleichzeitig blieben Bujidenemire at)er um die Zurückfühmng von iqtä'ät in

Staatseigentum bemüht. Miskawaih registriert für 356 A.H. (966/67) in der Regie¬

mngszeit des 'Izz ad-Daula Bahtiyär, daß dieser seine Hände sowohl nach den iqtä'ät

seines türkischen Oberkommandeurs Sebüktigin als auch seiner Dailamitenchefs

ausstreckte."' Nicht zuletzt deshalb machten Türken und Dailamiten nach langen

Kämpfen untereinander zeitweihg gemeinsame Sache, die Dailamiten erreichten

schließhch ein Drittel einmaliger Zusatzlöhnung (rizqa), Mihtärführer bestanden auf

Zusatzzahlungen und Befördemngen. Die iqtä'-Inhaber konnten schließlich ihre

Bodenstücke behalten oder tauschen. Der neue Wesir Abü 1-Fadl 'Abbäs versprach,

mit allen Mitteln Fordemngen des Militärs zu befriedigen, und nahm seine Zuflucht

zur Konfiskation bei Höflingen sowie zur Erhöhung der regulären Bodensteuer. Ein¬

fache Dailamiten erhielten Barzahlung, Türken trieben wieder ihren Sold in den ihnen zugewiesenen Landstrichen ein, türkische und dailamitische Militärführer erstrebten

"° MISK II, S. 174; V, S. 187 f.; zum tasbib bei al-Hwärizml vgl. Sato: op. eil. (Anm. 31), S. 94.

" MISK II, S. 174; V, S. 188; vgl. Busse: op. cit. (Anm.l2), S. 340; Sato: op. cit. (Anm. 31), S. 95, hält allerdings die Beteihgung von Türken am Handel für eine Fehlinterpretation der Aussagen Miska¬

waihs.

"^MISKII, S.174;V, S, 188.

" MISK n, S. 234 {.; V, S. 249 f.

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austauschbare iqtä'ät.**

Hinweise auf /^fä'-Gewährung an dailamitische Söldner fmden sich erst für das

Ende des 10. Jh.s, d.h. in der Zeit nach 'Adud ad-Daula und dem Ende der Chronik

Miskawaihs. Die Steuerpacht (damän) ging weiter zurück und fiel an Gouverneure

(wulät,), i^/ä'-Inhaber erreichten Gouvemeursämter."'

In der Frage, ob die sozialhistorische Entwicklung im 10. Jh. mehr von Kontinuität oder von einschneidenden, "fi-emdbedingten" Zäsuren mit den Bujiden geprägt war,

neigt Miskawaih mehr der Kontinuität zu. Das über lange Zeiträume gewachsene

vielfältige Beziehungsgeflecht zwischen Eigentums-, Besitz- und Nutzungsrechten an

Grund und Boden sowie der Bodensteuer erfuhr nach seiner Darstellung allerdings

wichtige Weiterungen, vor allem hinsichthch der iqtä'ät.

Pragmatische, zeitbedingte Notwendigkeiten bei der Befriedigung von Ansprüchen des Mihtärs dürften in erster Linie dieses Beziehungsgeflecht ergänzt haben, ohne daß es "fremder" Einflüsse oder der Aufpflanzung eines "feudalen Regimes" von außen bediuft hätte.

" MISK II, S. 236 f.; V, S. 250 ff.

Abü §u|ä' Muhammad b. al-Husain ar-Rüdräwari: DaU kitäb tagärib al-umam; Hiläl as-Säbi: Td'ril}.

In: The Eclipse ofthe 'Abbasid Caliphate. Original Chronicles ofthe Fourth Islamic Century. Edited, Translated and Elucidated by H. F.Amedroz and D. S. MARGOLIOUTH. Oxford 1921, Bd. III (arab.), S. 137, 283 f., 294 f, 364; Bd. VI (engl.), S. 141, 301 ff, 313 ff, 392; vgl. Sato: op. cit. (Anm. 31), S. 87, 96 f.

(9)

under the Umayyads '

By Nicola A. Ziadeh, Beirut

1.

Late in the fifth and early sixth centuries Indian Ocean trade and trade routes converged on Ceylon (Sri Lanka). Merchandise coming from India, China by sea and Indonesia, which included spices, aromatics, materia medica and silks, were routed from the island through the two main westem channels: the Arab (Persian) Gulf and the Red Sea.

The routes following the first ended, in the first step, in the markets of the Sassanid empire, which in tmn forwarded such consigrunents to the major cities ofthe Byzantine empire and lands west.

The Red Sea route, on the other hand, had a number of intermediary stations before the various commodities reached their real markets in the Mediterranean. These were the markets of Southem Arabia, particularly Aden, Mocha and Sana; there was the Ethio¬

pian Kingdom of Axum on the hither side of Bäb al-Mandab. But the Red Sea faced, at

that particular time, the presence of pirates, who made sea traffic fairly hazardous. This was due to the failure of the Byzantine administrators of Egypt to keep the sea routes safe for traders.

Commercially the Sassanid authorities were doggedly keen on keeping the silk trade under their own control. Silk, in its various forms - threads, fabrics or clothes -, was the most desired single item in the Byzantine empire and, by then, in many parts of the Christian West. The cloth with its crimson dye had become the insignia of sovereigns and princes and, as well, the princes of the Church.

Byzantine sovereignity over Egypt had, by then, ceased to be effective. Thus it had no say m the Red Sea frade. Anxious to receive silk through channels not under the Sassa- nids because of the high tariffs demanded on it, Byzantium tried to secure its need through Axum. But this attempt failed. We are not sure whether some sort of unspoken

arrangement was concluded between the Sassanids and the rulers of Axum that the

former would have a monopoly of silk, leaving for the latter the freedom to deal with

' This paper is based on a number of studies on the trade of Biläd al-Shäm prepared by the author on various occasions. Some were published in books (see bibliography, ZlADEH) or in journals. Two studies are in the process of going to the press. The gist of the present paper was presented at the Seminar of Arabian studies, Oxford, 1994.

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