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Welche Fragestellungen lassen sich an die Quelle richten?

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Katrin Kilian

Die anderen zu Wort kommen lassen. Feldpostbriefe als historische Quelle aus den Jahren 1939 bis 1945. Eine Projektskizze

Erfahrungsgemäß gehen die politischen, kulturellen oder militärischen Entschei- dungsträger in die Geschichtsschreibung ein. Kriegerische Konflikte werden in der Re- gel aus der Perspektive der Machthabenden und Verantwortlichen betrachtet. Sie sind beliebtes Subjekt der Forschung und der Biografen. Der Wert der Quelle, die Auf- schluß über Millionen von Menschen gibt, die den Krieg ausgeführt haben, ist erst sehr spät von der deutschen Geschichtswissenschaft erkannt worden: Sie kommen zu Wort in den Kriegs- und Feldpostbriefen der Soldaten und ihrer Angehörigen.

Was ist Feldpost?

Unter dem Begriff »Feldpost« wird zum einen die Nachschubeinheit der Wehr- macht mit ihren Einrichtungen und insgesamt ca. 12 000 Mitarbeitern zusammen- gefaßt. Sie war postfachlich dem Reichspostministerium, in der Organisation und Durchführung der Wehrmacht unterstellt. Zum anderen sind die Sendungen, die durch diese Einheit befördert wurden, gemeint.

In meiner Definition1 fasse ich die gesamte während des Zweiten Weltkrieges ver- sendete Post unter dem Oberbegriff »Kriegspost« zusammen. Sie schließt alle Sen- dungsarten2, -merkmale3 als auch alle möglichen Konstellationen zwischen Adressat und Empfänger sowie Sendungswege4, Gebühren, Transportunternehmen5 etc. ein.

Kriegspost wurde entweder durch die Feldposteinheiten (Feldpostsendungen, Heerespost), die Deutsche Reichspost (Zivilpost) oder in Zusammenarbeit mit dem (Internationalen) Roten Kreuz (Gefangenenpost) befördert. Die Zivilpost, die sich grob in vorwiegend private Post in oder aus dem Heimatgebiet (Hei- matpost6) und die offizielle Post der Behörden im Okkupationsgebiet (Dienst- post7) gliedern läßt, bildet die Komplementärgruppe zur Nicht-Zivilpost, unter die die Gruppe der »Feldpost« fällt.

Bereits aus den folgenden groben Kategorien wird deutlich werden, daß die pri- vate, nicht-zivile Korrespondenz aus dem Zweiten Weltkrieg einer differenzierten Begriffsklärung bedarf, damit für Studien eine gezielte Selektion vor allem in Hinblick . auf die Kriterien der Zensur und Kontrolle möglich ist, z.B.:

1. Feldpost und SS-Feldpost. Neben formalen Aspekten wie Gewicht oder Freima- chung mit bestimmten Marken (z.B. Päckchenmarken, Zulassungsmarken, Luft- postmarken)/ Sendungsvermerken8 wird als einziges inhaltliches Merkmal von Feldpost deren Privatheit festgelegt. Es werden alle für die Feldpost zugelas- senen Sendungsarten eingeschlossen, inklusive Funkgrußkarten, Schnellbriefe und Manöverkarten9. Die Sendungen wurden an oder von Angehörigen der Wehrmacht10 bzw. der SS an einen privaten Empfänger versandt. Sie wird for-

Militärgeschichtliche Zeitschrift 60 (2001), S. 153-179 © Militärgeschichtliches Forschungsamt, Potsdam

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mal zunächst abgelesen an der Adressierung (Feldpostnummer, getarnte An- schrift und Absendevermerk). Ursprünglich war der Kreis der Feldpost-Be- rechtigten auf die Angehörigen der Wehrmacht beschränkt (Heer, Luftwaffe, Marine). Er wurde während des Krieges ausgedehnt, u.a. auf Polizei, Organi- sation Todt (OT), Waffen-SS, Reichsarbeitsdienst (RAD), Zollgrenzschutz (beim jeweiligen Einsatz an der Front oder den besetzten Gebieten) und fremdländi- sche Truppenverbände, später auch auf den »Deutschen Volkssturm«. Anfangs galt die Feldpost auch für SS-Verfügungstruppen-Divisionen, SS-Totenkopf-Di- visionen und SS-Polizeidivisionen11. Ab Mai 1941 erhielt die Reichsführung SS für die Verbände der gesamten Waffen-SS (auch im Reichsgebiet).und der Ord- nungspolizei, die hinter der Front eingesetzt war, eigenständige SS-Feldpost- ämter. Die Sendungen erhielten den Zusatz »SS-Feldpost«12. Bis Kriegsende wa- ren 48 SS-Feldpostämter mit insgesamt 900 Bediensteten (der Deutschen Reichs- post) eingerichtet worden13.

2. Heerespost. Unter dem Begriff der Heerespost werden Sendungen der militäri- schen Dienststellen oder Kommandobehörden zusammengefaßt. Der militär- dienstliche Feldpostverkehr zwischen den militärischen Dienststellen war grundsätzlich gebührenfrei14. Die Nachrichten sind prinzipiell durch Feldpost befördert worden. Unter Heerespost wird auch Militärpost (Erlasse, Befehle, Rundschreiben) an die Heeresleitungen, Post innerhalb der zuständigen Ar- mee, zwischen den Armeen oder verschiedenen Kriegsschauplätzen und jene für die Heeres- und Armeetruppen bestimmte Post zusammengefaßt. Ein we- sentliches inhaltliches Merkmal der Heerespost ist die militärische Informati- onsübermittlung. Sie hatte Priorität vor der privaten Feldpost15.

3. Offizierpost. Die private Post der höheren Dienstgrade bis hinab zum Unterof- fizier mit Portepee unterscheidet sich im wesentlichen von der Feldpost da- durch, daß sie nicht durch die gewöhnliche Zensur der Wehrmacht ging, son- dern ausschließlich von Offizieren der Wehrmacht überprüft worden ist16. Die Sendungen trugen den Vermerk »Feldpost« und wurden anhand der Dienst- gradbezeichnung auf dem Kuvert als Offizierpost identifiziert.

4. Gefangenenpost (Kriegsgefangenenpost, Lagerpost, Ghettopost). D i e P o s t v o n G e f a n - genen oder Lagerinsassen unterlag scharfen Kontrollen17 und Beschränkungen.

Die Beschneidung der ohnehin bereits sehr eingeschränkten Kommunikations- möglichkeiten18 zwischen Gefangenen und ihren Angehörigen wurde u.a. als Straf- maßnahme19 eingesetzt. Die Einschränkung des Nachrichtenverkehrs bedeutete stets die Einschränkung von Grundrechten. Die Post von Gefangenen wurde teil- weise durch die Feldposteinheiten befördert.

Die Gefangenenpost unterscheidet sich im wesentlichen durch Zensurbestim- mungen und Transportunternehmen, die sie befördert hat, von anderen Feld- postkategorien. So unterlag die Kriegsgefangenen- und Interniertenpost den Be- stimmungen der Haager Landkriegsordnung. Ausländische Behörden hatten sich auch nach den in den Genfer Konventionen vereinbarten Regelungen zur Kriegs- gefangenenpost zu richten, wenn der Staatsvertrag von dem betreffenden Land un- terzeichnet worden war.

Die Postversorgung wurde z.B. für das »Ghetto Theresienstadt« aufrechterhal- ten20. Es wurden jedoch ab Juli 1942 keine Pakete mehr in die Ghettos von War- schau und Krakau befördert. Schließlich wurden ab Mitte Juli »alle Judensen- dungen aus dem Ausland und dem Reich«21 im Generalgouvernement beschlag- nahmt. Der Postverkehr, der ab 1940 in den polnischen Städten eingerichteten jü-

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dischen Ghettos wurde von den deutschen Zensurstellen der SS überwacht22. Im

»Ghetto Lodz« erfolgte der Postaustausch durch ein dazu bestimmtes Postamt mittels Postbeauftragtem, dem »Judenältesten« der jüdischen Ghetto-Verwaltung23. Es wird deutlich, daß eine differenzierte Auswahl aus dem Pool der Kriegspost schon allein durch die formalen Variablen vorgenommen werden mujß. Hinzu kommen in- haltliche Selektionskriterien, die von der jeweiligen Forschungsfrage abhängen. Nur eine breit gefächerte Datenmenge an Lebensdokumenten gewährt einen differen- zierten Zugriff. Sie ermöglicht es, der heterogenen Zusammensetzung der Gruppe der Kriegsteilnehmer und ihrer Kommunikationssituationen gerecht zu werden.

Warum wird Feldpost gesammelt und gesichert?

Vorab lassen sich drei wesentliche Gründe für die Sammlung aufführen.

1. Verifizierung. Während des Zweiten Weltkrieges sind geschätzte 30 bis 40 Mil- liarden Feldpostsendungen im deutschen Postbereich versandt worden. Davon ist bislang lediglich ein verschwindend kleiner Teil erfaßt Das noch greifbare Material in Privathand sollte möglichst bald verifiziert werden. Vor dem Hin- tergrund der Tatsache, daß die Kriegsgeneration ausstirbt, ist es höchste Zeit, das noch vorhandene Material zu erschließen. Erfahrungen belegen, daß die Kinder- und Enkelgeneration von Feldpostbriefverfassern oft keine Einstellung zu diesem bedeutungsvollen Material haben, was in der Regel zur Vernichtung von Nachlässen führt. Es besteht rascher Handlungsbedarf.

2. Qualität. Mit Hilfe eines großen und breit gefächerten Bestandes an Lebensdo- kumenten kann davon ausgegangen werden, daß präzisere Untersuchungs- fragen gestellt und differenzierte Ergebnisse erzielt werden können. Bislang beschränken sich die Feldpostuntersuchungen auf einige wenige Arbeiten.

Fragestellungen wie etwa zur subjektiven Wirklichkeit der Kriegsteilnehmer, zur Wirkung von Propaganda, Einstellungen, Reflektionen in einem totalitären System sind bisher nur angeschnitten worden.

3. Methode. Durch den Einsatz moderner Software ist es möglich, große Mengen an Datenmaterial effektiv und präzise zu analysieren24. Für ein solches neues Un- tersuchungsdesign kann ein großer und breit gefächerter Datenpool ausge- wertet werden.

Bedeutung. Uber die Anzahl der durch die Feldposteinheiten beförderten Sendungen während des Zweiten Weltkrieges existieren unterschiedliche Angaben, die deutlich voneinander abweichen. Leider wird in keiner der Quellen der Begriff »Feldpost«

näher definiert, so daß nicht nachvollziehbar ist, welche Sendungen in den Zahlen ent- halten sind. Aus posteigenen Dokumentationen geht hervor, daß 28,2 Milliarden Brie- fe als Gesamtaufkommen an Feldpost während des Krieges befördert worden sind25. Gerd R. Ueberschär gibt das Postaufkommen der Feldpost von 1939 bis 1943 mit rund 28 Milliarden Briefen und Postkarten an, wobei er sich auf Sekundärquellen aus der Nachkriegszeit bezieht26. Er übernimmt auch Zahlen einer Sekundärquelle27 zum Feldpostaufkommen in der Zeit von September 1939 bis Ende 194428. Demnach sei- en über 30,6 Milliarden Feldpostsendungen transportiert worden (exklusive dem di- rekten Feldpostverkehr zwischen den Armeen). Diese Zahl wurde ohne Angabe von Quellen auch von der Deutschen Post veröffentlicht29. Nach Buchbender und Sterz

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wurden während des Zweiten Weltkriegs über 40 Milliarden Feldpostbriefe zwischen Heimat und Front transportiert30. Dies sei eine Schätzung, die eher zu niedrig als zu hoch angesetzt ist31. Die Autoren gründen ihre Aussage auf der Auswertung von Frontpropaganda, vor allem die »Mitteilungen für die Truppe«32. Der Heeresfeld- postmeister Karl Ziegler spricht sogar von 25 Millionen Feldpostsendungen (jähr- lich) in »verkehrsstarken Jahren wie 1942«33. Das Feldpostaufkommen während der Kriegszeit kann somit nur ungenau mit 30 bis 40 Milliarden beziffert werden. Ob in diesen Zahlen auch Sendlingsarten wie Päckchenpost, SS-Feldpost oder Militärpost enthalten sind, ist nicht nachvollziehbar. Auch wenn die Grundgesamtheit nicht fest- stellbar ist, bleibt unumstritten, daß Feldpost nicht nur in hohem Maße verschickt worden ist, sondern daß sie für den Einzelnen von existentieller Bedeutung war. Mit- unter waren sie Lebenszeichen und Abschiedsbrief zugleich. Durch sie konnten durch den Krieg auseinandergerissene Gesellschaftsstrukturen vernetzt werden. Ihre Sig- nifikanz als Augenzeugenberichte bleibt bis heute erhalten.

Um z.B. die Zollkontrollen, denen die Versendung von Gütern unterlag, zu um- gehen, wurde immer wieder nach illegalen Postwegen gesucht. Bei Feldpostverge- hen schaltete der Oberfinanzpräsident (der durch das Zollamt wegen beschlag- nahmter Waren informiert wurde) die zuständigen Feldgerichte zur Verfolgung die- ser Strafsachen ein. Feldpostvergehen wurden nach MStGB34 (Ungehorsam) bestraft.

Das Generalgouvernement war z.B. ab Mitte 1941 bis 1944 ein großer Umschlagplatz für die vielfältigen Post- und Feldpostsendungen von und zu den Ostgebieten35. In den Akten des Reichsfinanzministeriums finden sich diverse Fälle vom Mißbrauch der Feldpost für Warentransporte, die über den Eigenbedarf hinausgingen. Ein Bei- spiel: In der »Nachweisung über die vom Oberpostmeister W. Arens ausgelieferten Expressgutsendungen in der Zeit vom Monat August bis Oktober 1941 «36 durch das Feldpostamt Eydtkau wird dieser Mißbrauch beklagt: Die Nachweisung zeige, »in welchem Umfange Waren von den mit der Grenzkontrolle beauftragten Wehr- machtsposten unbeanstandet hereingelassen werden«37. Demnach hat Arens 19 Sen- dungen zwischen 31. August 1941 und 23. Oktober 1941 aufgegeben, die Lebens- mittel, Bekleidung, Pelze und Haushaltsgegenstände beinhalteten38. Zu den illega- len Postwegen gehörten auch die Sendungen, die gerne Heimaturlaubern mitgege- ben wurde. Aus Feldpostbriefen ist zu erfahren, daß dies in erheblichem Umfang geschehen sein muß. Praktisch jeder, der nach Hause fuhr, hat Mitteilungen mitge- nommen. Sie wurden an den Augen der Zensoren und Kontrolleure vorbeigeschleust.

Quellenlage. Feldpostsendungen werden derzeit in bundesdeutschen Archiven lediglich zu einem Bruchteil aufbewahrt. Gezielt gesammelt wurden Lebensdo- kumente aus dem Zweiten Weltkrieg von Archiven und Museen nur punktuell.

Zu nennen sind vor allem die Württembergische Landesbibliothek (Bibliothek für Zeitgeschichte, Stuttgart), wo auch die »Sammlung Sterz« liegt, das Staatsarchiv Osnabrück und das Landeshauptarchiv, Koblenz. In der Regel gelangen Feld- postbriefe als Schenkung in regionale Archive oder Heimatmuseen. Der Großteil der Bestände ist nicht katalogisiert. Sie sind nur vor Ort einsehbar. Ein systemati- scher Zugriff ist somit nicht möglich. Die Bestände in Museen sind selektiert, meist unter dem Gesichtspunkt der Exponierbarkeit. Die Briefe in den Archiven haben fast alle eine Vorselektion erfahren (meist regionale Schwerpunkte). Dieser Man- gel an Zugriffsmöglichkeiten für die Forschung ist Grundlage der Kritik an der Forschungsquelle39. Daher tragen die der Forschung zugänglichen Bestände einen wesentlich höheren Zufallscharakter als andere historische Quellen40. Auf Feld- posteditionen kann ebenfalls nicht zurückgegriffen werden, weil auch hier eine

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Auswahl und Fragmentierung von Briefen vorgenommen worden ist. Diesem Pro- blem kann mit unserem Projekt auf doppelte Weise begegnet werden. Zum einen durch eine breit angelegte Sammlung, zum anderen durch die systematisierte Da- tenbank, die auch alle bekannten Sammlungen erfaßt.

Im Verlauf der vergangenen 50 bis 60 Jahre ist ein Großteil der Feldpost bereits verloren gegangen: entweder kriegsbedingt, durch Vernichtung nach Kriegsende oder durch Verkauf an Sammler und Philatelisten im In- und Ausland. Auf der an- deren Seite sind es meistenteils emotionale Beweggründe, warum bis heute solche Dokumente in Familien aufbewahrt werden. Sie sind nicht immer ideal gelagert worden und bei vielen Zeugnissen ist bereits das Papier vergilbt oder es zerfällt;

Tinte und Blei sind verblaßt. Es ist höchste Zeit, die noch vorhandenen Unterla- gen fachgerecht aufzubewahren und auf Dauer zu sichern. Hierzu ist das Be- wußtsein notwendig, daß es sich bei den privaten, persönlichen Dokumenten aus dem Krieg um bedeutende Forschungsquellen und Zeitdokumente handelt. Der von uns gesammelte Bestand wird fachgerecht im Museum für Kommunikation, Berlin, archiviert und zusätzlich als digitales Faksimile gesichert.

Aussagekraft. Feldpostbriefe sind keine Dokumente; die im Bewußtsein verfaßt worden sind, daß sie später einmal als (wissenschaftliches) Quellenmaterial ver- wendet werden. Die Möglichkeit, daß sie von Dritten überhaupt gelesen werden könnten, war für den Korrespondenten nicht absehbar. Sie spiegeln die geistige Verfassung des Schreibers, seine Reflektionen und seine Kenntnis ohne prospekti- ve Einschränkungen wider41. Ihre Aussagen sind auch keine retrospektiven Äuße- rungen und somit nicht durch später vorherrschende Meinungen, Kenntnisse oder Ereignisse verzerrt, was die Aussagen in den Briefen zu einer originalen und höchst authentischen Quelle machten. Dies sind sie aber auch, weil die ganze Problema- tik des Erinnerns ausgeklammert ist42. Auch eine etwaige Beeinflussung, wie sie beispielsweise durch die Gesprächslenkung in einem Interview möglich ist, fällt hier fort. Allerdings bestimmten die Briefpartner auch, was wem mitgeteilt und was verschwiegen wurde. Denn Erzählbarkeit ist eine wesentliche Voraussetzung für die Niederschrift43. In Feldpostbriefen sind zeitgenössische Deutungsmuster und Handlungsstrukturen unverfälscht manifestiert.

Nicht vergessen werden darf dabei die Zensur. Die Zensurbehörden nahmen ih- re Arbeit am 12. März 1940 auf44. Die Briefe wurden von Angehörigen der Reichs- post an die Zensurbehörde des Oberkommandos der Wehrmacht45 weitergeleitet und dort inhaltlich geprüft. Feldpost ist stetig in den »Mitteilungen für die Trup- pe« thematisiert worden. Es wurde versucht, das Schreibverhalten zu steuern so- wie durch Prüfung und Vorschriften zu kontrollieren. Die Prüfstellen untersuch- ten den gesamten Feldpostverkehr stichprobenartig nach genauen Vorschriften46. Ihre wichtigste Aufgabe war es, nach Möglichkeit zu verhindern, daß »geheimzu- haltende Nachrichten« oder. »Nachrichten zersetzenden Inhalts« durch die Feld- postsendungen verbreitet wurden.

Welchen Eindruck die permanente Thematisierung der Feldpostvorschriften und der Zensurstellen in den Organen der Wehrmacht und der NSDAP auf das Schreib- verhalten der Soldaten und ihrer Angehörigen tatsächlich hinterließ, ist schwer aus- zumachen. Hemmenden Einfluß auf ein freies Schreiben mögen mitunter auch trau- matisierende Kriegserlebnisse gehabt haben, die in den Briefen kaum reflektiert wer- den. Abwägungen etwa über Selbstdarstellung oder auch Überlegungen zur Zu- mutbarkeit von Mitteilungen gehören zu den Kommunikationsbedingungen von Selbstzeugnissen.

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Welche Fragestellungen lassen sich an die Quelle richten?

Die Feldpost stellt als historisches Quellenmaterial den Glücksfall dar, daß private Kommunikation manifestiert ist. Nun sind die militärischen, politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Fakten und Verflechtungen während des Krieges hinlänglich bekannt. Welche weiteren Fragestellungen können an das Material gestellt werden?

Die Literatur bezieht sich zum einen auf unzählige Briefeditionen, zum ande- ren auf nur wenige Forschungsarbeiten, die exemplarisch Briefe untersucht ha- ben47. Die Fragestellungen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschafter an die Zeitzeugnisse umfassen die Regimekritik48, Untersuchungen zu Stimmungen der Soldaten49, den Kriegsalltag50, die Fremdwahrnehmung5 1, Kriegserlebnis u n d -erfahrung52, Kommunikation53 sowie den Umgang mit der Quelle54.

Um Ursachen von Kriegsereignissen auf den Grund zu gehen, müssen die Aus- sagen derjenigen analysiert werden, die zwar kaum historisch unmittelbar be- deutsame Entscheidungen treffen konnten, die aber an der »permanenten und komplexen Produktion und Reproduktion der den historischen Ereignissen vor- aus liegenden Wahrnehmungs- und Handlungsbedingungen beteiligt sind«55. Der Feldpostbrief ist »ein zeitnahes, unmittelbares Zeugnis«, nicht jedoch eines, das

»Objektivität und Vollständigkeit für sich beanspruchen kann«56. Die Quelle Feld- postbrief ist hier in ihrer Wertigkeit, wie andere Quellen auch, von der Fragestel- lung abhängig57. Forschungsfragen gelangen von den unterschiedlichen Diszipli- nen an die Zeitzeugnisse. So z.B. aus der

- Psychologie: Emotionen und deren Ausdruck, Verarbeitung von Erlebnissen und Erfahrungen;

- Linguistik: Sprachfunktionen, Grammatik der Briefkommunikation, ge- schlechtsspezifisches Sprachverhalten, Sprachhandlungsstrategien;

- Sozialwissenschaft: soziale Reorganisation der Gesellschaft, Selbstverständnis verschiedener sozialer Gruppierungen, Werte und Loyalitäten;

- Medien- und Kommunikationswissenschaft: Kollektive und individuelle Sinn- entwürfe, Propaganda, Medienwirkungsforschung, Kommunikationsbedin- gungen des Briefes als Medium;

- Germanistik: Schriftlichkeit und Identität, die Gattung Brief als Alltagsprosa, das Private in der Öffentlichkeit, Editionsformen von Kriegsbriefen;

- Pädagogik: Feldpost in der Geschichtsdidaktik, Kriegsbriefe als Katalysator des Dialogs zwischen den Generationen, Museumspädagogik, Besinnung auf die eigene Familiengeschichte;

- Geschlechterforschung: Männer- und Frauenbilder und das Selbstverständnis der Geschlechter, Beziehungsmuster;

- Antisemitismus- und Vorurteilsforschung: Selbstbild und Fremdwahrnehmung, Feindbilder, Minderheiten, Projektionen;

- Geschichtswissenschaft: Fragen aus der Mentalitäts- und Sozialgeschichte, Geschichte von unten.

Auch aus den Gebieten der Theologie und Philosophie wären Fragen interessant:

Erinnern und Vergessen, Fragen nach Moral und Ethik, christlichen Werten, Glau- be und Religiosität in Zeiten des Krieges.

Krieg funktioniert nicht ohne Kommunikation. Uber sie ist es in den Kriegen des 20. Jahrhunderts möglich geworden, die Bevölkerung effizient zu mobilisieren, so daß man bei den beiden Weltkriegen von Massenkriegen und einer technischen

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und strukturellen Kriegsmaschinerie sprechen muß. Die Einberufung von Zivili- sten in die Wehrpflichtarmee der deutschen Wehrmacht erfolgte in großem Aus- maß. Drei Generationen und alle sozialen Gruppierungen wurden erfaßt. Dies for- derte eine Umschichtung im Reichsgebiet. Frauen, Jugendliche, Fremd- und Zwangsarbeiter waren verpflichtet worden, die Kriegswirtschaft aufrechtzuerhal- ten, der die Zivilisten für die Armee entzogen worden waren. Darüber hinaus ha- ben Kinder-Land Verschickungen, Evakuierungen oder Arbeitsdienste gewachse- ne soziale Strukturen zerrissen und den Kommunikationsbedarf intensiviert. Das Medium Brief wurde für die Menschen zu einem unentbehrlichen Kommunikati- onsmittel.

Obwohl sich enorme Stimmungsschwankungen58 an den Feldpostbriefen able- sen lassen59, war dem »Führer« und dem deutschen Militär von einen Großteil der Bevölkerung zunächst Loyalität entgegengebracht worden. Trotz der steigenden Entbehrungen kam es nicht zu einem Aufstand oder Streik der Bevölkerung, wie dies in Zeiten der Weimarer Republik vorkam. Auch der Widerstand in Deutschland war zersplittert, die Massen konnten von ihm nicht erreicht werden. Eine Widerre- de gegen den Krieg und der Vertrauensverlust gegenüber der nationalsozialisti- schen Führung ist andererseits aber unverkennbar in vielen Briefen der zeitgenös- sischen, privaten Korrespondenz enthalten. Die Inhalte in der Kommunikation der Massen stehen mitunter in Widerspruch zu den Botschaften der Massenkommuni- kation. Durch die Untersuchung der Feldpostbriefe erschließen sich Zusammen- hänge, die erklären könnten, wie es dazu kommen konnte, breite Bevölkerungs- schichten für etwas zu aktivieren, hinter dem ganz offensichtlich ein erheblicher Teil der Bevölkerung nicht immer uneingeschränkt stand60. Wie konnte es dazu kommen, daß sich die Bevölkerung so lange und so intensiv für den Krieg einset- zen ließ? Welchen Sinn hat es für den einzelnen gehabt, sich an einem Krieg zu be- teiligen, der für ihn zum Teil erhebliche Entbehrungen und Nachteile brachte? Sinn- entwürfe, Einstellungen, Denk- und Verhaltensmuster sowie deren Schwankungen und Änderungen lassen sich aus längeren Briefserien extrahieren. Sie geben Auf- schluß über Motivation, Moralverständnis, Stimmungen und Lebenssinnentwürfe der vielen einzelnen. Sie sind ein Versuch, sich Erklärungen nach der beunruhi- genden Stabilität und Effizienz des nationalsozialistischen Regimes zu nähern. Es lassen sich mit Hilfe der Quelle solche Fragen an verschiedene soziale Gruppen der Wehrmachtangehörigen und Bevölkerung richten.

Das Projekt

Folgend wird das Projekt »Feldpost-Archiv, Berlin« zu Lebensdokumenten, vor- wiegend Feldpostbriefen aus der Zeit um 1939 bis 1945, vorgestellt. Beteiligte an dem Projekt sind:

Dipl.-Medienberaterin Katrin Kilian, die das Projekt durch die Idee zu ihrier Dissertation initiierte und leitet; Medienhistoriker Dr. Clemens Schwender (wis- senschaftlicher Assistent am Institut für Sprache und Kommunikation an der TU Berlin), der das Projekt betreut; Dr. Ortwin Buchbender (Leitender wissenschaftli- cher Direktor der Akademie der Bundeswehr für Information und Kommunikation), der aufgrund seiner profunden Kenntnis von Feldpostbriefen aus der gemeinsamen

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160 MGZ 60 (2001) Nachrichten aus der Forschung Herausgebertätigkeit mit Reinhold Sterz beratend beteiligt ist und Dr. Joachim Kallinich, der als Direktor des Museums für Kommunikation den Aufbau des Archivs unterstützt.

Das Projekt gliedert sich in verschiedene Komponenten:

1. Sicherstellung von Quellenmaterial

a) Sammlung von Lebensdokumenten aus dem Zweiten Weltkrieg. H i e r z u h a b e n wir in einem ersten öffentlichen Aufruf über die Medien im Januar die- sen Jahres die Bevölkerung im Großraum Berlin aufgefordert, ihre Kriegsdokumente als Schenkung oder Leihgabe dem Projekt zur Verfü- gung zu stellen. Unser Bestand wird nicht vorselektiert, d.h. es bestehen keine Einschränkungen (z.B. regionaler Sammlungsschwerpunkt) zur Sicherung von Lebensdokumenten. Der Bestand umfaßt derzeit (Stand:

August 2001) etwa 35 000 Lebensdokumente. Weitere Aufrufe sollen folgen.

b) Digitalisierung. Alle Dokumente werden gescannt und als digitales Faksi- mile gesichert. Die Leihgaben werden an die Eigentümer zurückgegeben.

Schenkungen gehen an das Museum für Kommunikation, Berlin, wo sie auf Dauer fachgerecht verwahrt werden.

c) Transkription. Alle Dokumente sollen transkribiert werden. Bislang liegt nur ein geringer Teil der Briefe als Transkript vor. Die Abschrift ist eine auf- wendige und kostenintensive Handarbeit, für die Forschungsgelder bean- tragt werden müssen.

d) Zugangsmöglichkeit für die wissenschaftliche Öffentlichkeit. Der g e s a m m e l t e Bestand ist für die wissenschaftliche Öffentlichkeit zugänglich, sobald er als Faksimile abgelegt ist bzw. als Tfanskript vorliegt. In einer Datenbank auf unserer Internetseite <www.feldpost-archiv.de> werden die Metada- ten der inventarisierten Bestände angegeben, so daß eine gezielte Auswahl via Internet ermöglicht wird. Außerdem bietet der Pool die Möglichkeit, auf einen nicht vorselektierten Bestand zuzugreifen. In einer Ubersicht über ähnliche Sammlungen in anderen bundesdeutschen Archiven, Museen, Stiftungen, Privatarchiven usf. präsentieren wir alle uns verfüg- baren Informationen. Links zu anderen in- und ausländischen Facharchi- ven ergänzen den Überblick. Diese Liste ist noch nicht vollständig. Das Portal ist der erste Schritt zu einem gezielten Zugang zum Quellenmate- rial.

2. Werkstatt

a) Forschungsvorhaben. Die Lebensdokumente bieten vielfältige Möglichkeiten, Antworten auf wissenschaftliche Fragestellungen zu finden. Es werden auf unserer Internetseite Arbeiten von Forschern und Forscherinnen aus un- terschiedlichen Disziplinen vorgestellt.

b) Diskussion. Diese Präsentation der verschiedenen Untersuchungen auf der Grundlage von Feldpost soll zu einer Transparenz der vielfältigen For- schungsvorhaben führen. Denn Feldpost wird an verschiedenen Univer- sitäten und unterschiedlichen Fachbereichen unter ganz differenten Fra- gestellungen betrachtet. In unserem Forum werden sie unbewertet neben- einander präsentiert.

c) Inhaltliche Erschließung. Neben den Faksimiles und Transkripten der Kriegsdokumente ist die Erstellung einer Datenbank geplant, die die in- haltliche Erschließung der Dokumente ermöglichen soll. In dieser Da-

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tenbank könnte dann z.B. nach Schlag- oder Stichwörtern, nach Feld- postnummern, Zeiträumen, Orten usw. gesucht werden. Sie ermöglicht Forschern und Forscherinnen einen gezielten Zugriff auf einen umfang- reichen Datenpool. Hierzu sind Expertengespräche und eine Tagung ge- plant, in denen Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen unterschied- licher Disziplinen ihre Selektiönskriterien und Suchbegriffe oder -gebie- te sowie fachspezifische Fragestellungen an die Zeugnisse einbringen können.

d) Anwendung. Die Lebensdokumente sollen nicht nur im Archiv lagern oder per Datenbank verfügbar sein, sondern können z.B. auch im pädagogischen oder künstlerischen Bereich angewendet werden. Im Sommersemester 2001 fand an der Technischen Universität Berlin, Fachbereich Medienwissen- schaft, ein Seminar mit exklusiven Feldpostdokumenten statt. Auch an Schu- len werden Feldpostbriefe als Unterrichtsmaterial verwendet, etwa an der Bertolt-Brecht-Schule, Darmstadt. (Hierzu wurde von den Schülern und Schülerinnen eine CD-ROM erstellt, die auf unserer Werkstatt-Seite im In- ternet vorgestellt wird61.) In Ausstellungen, wie sie z.B. zum 60. Jahrestag der Einkesselung der 6. Armee bei Stalingrad geplant ist, können die Lebens- dokumente präsentiert werden.

e) Kooperation. Feldpostbriefe erlauben einen transdisziplinären Zugang, in- dem die Fachgebiete ihre fachspezifischen Forschungsfragen stellen und sie auch autonom bearbeiten können. Die Quelle erlaubt aber auch interdiszi- plinäre Untersuchungen, in denen Forschungsfragen fachübergreifend ge- stellt und beantwortet werden können. Eine Zusammenarbeit mit anderen Instituten und Hochschulen aus dem In- und Ausland wird angestrebt. Das Projekt ist offen für weitere Initiativen.

Welche Überlegungen liegen dem Projekt zugrunde?

Zäsuren. Feldpostbriefe können nicht prospektiv interpretiert werden. Die Kennt- nis über Kriegsverlauf und -ereignisse, militärische, politische oder wirtschaftliche Prozesse, kurz die ganze Komplexität des Kriegsverlaufes, die in den Nachkriegs- jahren zutage gefördert worden ist, kann nicht als Interpretationsrahmen für die Selbstzeugnisse dienen, denn über dieses Wissen konnte der einzelne Briefver- fasser zum Zeitpunkt der Niederschrift nicht verfügen. Daher müssen Feldpost- dokumente aus der Vergangenheit heraus interpretiert werden, d.h. aus dem Wis- sen, über das die Menschen (vermutlich) zum Zeitpunkt des Verfassens verfügten.

Hierzu sind soziodemographische Daten über den Briefschreiber hilfreich. Anson- sten müssen und können die Feldpostbriefe nur aus sich selbst heraus gedeutet werden. Zwei Beispiele: Mir ist kein Brief bekannt, in dem der 1. September 1939 den Beginn eines Weltkrieges markiert62. In der Erfahrung der Bevölkerung waren der Einmarsch in die Tschechoslowakei, der »Anschluß« Österreichs, die »Heim- führung« des Sudetenlandes gespeichert, also kurze militärische Operationen. In Hit- lers und Goebbels' Reden wurde immer wieder der Friedenswille betont. Aus Brie- fen geht hervor, daß die Menschen im Überfall auf Polen eine in sich abgeschlos- sene militärische Operation sahen, nicht jedoch den Beginn eines (Welt-)Krieges.

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162 MGZ 60 (2001) Nachrichten aus der Forschung Dieses Denkmuster findet sich auch in Briefen nach dem Einmarsch in Frankreich im Mai 1940. Ab Mitte Juni 1941, unmittelbar nach dem Angriff auf die Sowjetuni- on, kippte die Stimmung um63. Von nun an wird deutlich, daß viele Soldaten nicht mehr uneingeschränkt hinter den vorgegebenen Zielen standen und sich für sie ein Krieg mit ungewissem Ausgang abzeichnete.

Am Datum der Invasion (6. Juni 1944) läßt sich anhand von Feldpostbriefen zeigen, daß die Umbrüche für die Menschen nicht unbedingt militärische oder po- litische. Ereignisse waren, sondern allenfalls die damit zusammenhängenden Ver- änderungen eigener Lebensbedingungen als Einschnitte erlebt wurden. Das per- sönliche Wohlergehen und das subjektive Empfinden standen im Vordergrund.

Zäsuren und Kontinuitätslinien liegen bei der Betrachtung von Biografien oft außerhalb der von der Geschichtsschreibung fixierten Daten. Einberufungsdaten, Tod, Verwundung, Heirat, Angriffe auf die Heimatstädte, Heimaturlaub, Hunger, Kälte und das Ende oder der Beginn einer einkehrenden »Normalität« in das Le- ben, aber auch Evakuierung, Flucht und Vertreibung stellten bedeutsame Ereig- nisse für die Briefverfasser dar. Diese individuellen Einschnitte sind wichtig für die Erklärung einer Kriegsdynamik. Die als emotional einschneidend empfunde- nen Erlebnisse sind diejenigen, welche für die eigene Person als relevant empfun- den werden. Geschichte wird stets in bezug auf die eigenen Erfahrungen oder Si- tuationen wahrgenommen und bewertet. Krieg mit einem Massenaufgebot an Men- schen ist ohne Erkenntnisse über Auslöser von Verhaltens- und Denkmuster die- ser Menschen nicht vollständig erklärbar. Geschichte konstruiert sich aus Geschichten.

Wahrnehmung. Jeder einzelne hat den Krieg anders wahrgenommen. Diese Wahr- nehmung hing von der ganz persönlichen Situation ab. Vielfach wurde an meh- reren »Fronten« zugleich gekämpft: Ärger mit den Kameraden, nervliche Bela- stung durch hohe Gewaltintensität an Kriegsschauplätzen, Angst um Angehöri- ge, Krankheit, Verwundung; Ehen und Beziehungen wurden sprichwörtlich auf dem (Brief-)Papier geführt. Bei der großen Anzahl unterschiedlicher Wahrneh- mungen kann in Hinblick auf Kriegserlebnisse und -erfahrungen nicht von einem einzelnen und einzigen Kriegsverlauf ausgegangen werden. Davon kann nur in Hinsicht auf militärische Operationen und politische Handlungen aus der Sicht der Befehlsgeber gesprochen werden.

Durch Briefe ist der Krieg ausschnittweise zu erfahren - die Komplexität mi- litärischer Operationen, wie sie heute in Geschichtsbüchern nachzulesen ist, war damals vom einzelnen der Mannschaften und der Zivilbevölkerung nicht erfaß- bar. Ebenso lag der Krieg, solange er sich nicht innerhalb der Reichsgrenzen ab- spielte, für die Bevölkerung in Deutschland außerhalb ihrer unmittelbaren Wahr- nehmung64.

Das Basistheorem des Konstruktivismus besagt, daß Bedeutung bzw. Wirk- lichkeit vom Individuum konstruiert wird, auch soziale Welten. Daraus folgt, daß Wirklichkeit nicht objektiv gegeben ist65. Sie wird vom Menschen nicht als Abbild in ihr kognitives System abgespeichert, sondern muß jeweils subjektiv konstruiert werden. Somit ist jede sprachliche Handlung Ausdruck einer individuellen Kon- struktion der Realität. Als eine solche lassen sich die Aussagen in den Feldpost- briefen begreifen. So lassen sich in den Lebensdokumenten aus dem Krieg sowohl unterschiedliche Wahrnehmungen bzw. unterschiedliche Realitäten ablesen als auch kollektive Denk- und Verhaltensmuster freilegen - im Sinne der Watzlawick- These »Wirklichkeit ist keine Voraussetzung für Kommunikation, sondern deren

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Ergebnis«. Dabei kann die subjektive Wahrnehmung und deren Darstellung in den Briefen nicht genug hervorgehoben werden. Die Selbstzeugnisse beantworten al- so keine Fragen bezüglich einer tatsächlichen Kriegswirklichkeit, sondern nach je- nen Ereignissen, die von Zeitzeugen erlebt und in privater Kommunikation ma- nifestiert wurden (und somit eine persönliche Relevanz innerhalb der Sender-Emp- fänger-Konstellation hatten).

Biografien. Jeder Mensch hat biologisch gesehen eine Biografie, aber im gesell- schaftlichen Gefüge kann er verschiedene, soziale (auch sich widersprechende) Vitae (z.B. der Theologe als Soldat oder der Verantwortliche von Massakern als liebender Vater und geschätzter Vorgesetzter) haben66. Von einer solchen Kom- plexität einer Persönlichkeit muß auch bei den Verfassern von Feldpostbriefen ausgegangen werden. Hierin könnte sich eine Erklärung finden, warum z.B. Ver- fehlungen in den Briefen kaum thematisiert werden. Denn »die Systematisierung von widersprüchlichen oder weit auseinander liegenden Lebenserfahrungen hin auf einen übergreifenden Sinn unseres Lebens wird uns abverlangt [...] durch grundlegende Regeln unserer Sozialwelt67.« Andererseits habe ich die Erfahrung gemacht, daß Briefe, die nationalsozialistische Äußerungen oder Hinweise auf et- waige Verfehlungen von Angehörigen der Wehrmacht oder der SS beinhalten, entweder kurz nach Kriegsende vernichtet wurden oder, sofern sie erhalten sind, heute nicht unbedingt an Institutionen herausgegeben werden. Die Gründe hier- für liegen seitens der Besitzer solcher Dokumente hauptsächlich in der Befürch- tung einer (juristischen oder moralischen) Verurteilung der Briefverfasser. In der Bemühung um ein positives Andenken werden auf diese Weise Kriegsbiografien teilweise oder vollständig dem Wertesystem der Nachkriegsgenerationen angepaßt.

Perspektive

Eine konstruktivistische Geschichtsbetrachtung, die davon ausgeht, daß Krieg sehr unterschiedlich wahrgenommen worden ist, könnte ein differenzierteres Bild der- jenigen 18,2 Millionen68 Menschen schaffen, die gemeinhin unter dem Begriff der Wehrmacht zusammengefaßt werden.

Es wäre einen Versuch wert, sich anhand der Feldpostbriefe der drückenden Frage nach dem großen Wie aus verschiedenen Blickwinkeln anzunähern. Hier- bei gilt es, die Aussagen der Briefe zu analysieren69, unabhängig davon, ob sie ei- ner Wahrheit entsprechen oder nicht. Sowenig wie es um die Dichotomie von wahr oder falsch geht, so wenig geht es bei einer wissenschaftlichen Untersu- chung von Selbstzeugnissen um die Fragen nach Schuld oder Unschuld. Dies be- deutet auch die Loslösung von geschichtswissenschaftlichen Zäsuren und von Wert- oder Moralvorstellungen unter Verzicht einer Überheblichkeit des besser- wissenden Spätergeborenen. Eine Annäherung an ein Begreifen des Unbegreifli- chen durch die Betrachtung des Menschen in einem unmenschlichen Krieg er- folgte bislang zögernd. Mangels Quellen liegen Motivation sowie emotionale und mentale Handlungsmuster der Soldaten und ihrer Angehörigen noch im verbor- genen. Die umfassende Analyse von Kriegsbriefen und Lebensdokumenten er- laubt Einblicke.

(12)

Eine detaillierte Begriffsklärung werde ich in meiner Dissertation vornehmen.

Z.B. Feldpostbriefe, -karten, -telegramme, -päckchen, -pakete.

Z.B. Feldpostnummer, Versendungsvermerke, Anschriften- und Absendemodalitäten, Kreis der Feldpostberechtigten.

Z.B. Luftweg, Frachtpost, Landweg.

Z.B. Deutsche Dienstpost (in den Okkupationsgebieten), Deutsche Reichspost, Rotes Kreuz, Feldposteinheit.

Unter diesem Begriff werden jene Sendungen zusammengefaßt, die innerhalb des Heimatgebietes durch die Deutsche Reichspost befördert worden sind. Sie umfassen die innerhalb der Zivilbevölkerung beförderten Sendungen. In erster Linie soll hier die pri- vate Zivilpost gemeint sein, sie schließt aber Geschäftskorrespondenz oder offizielle Schreiben von Behörden oder anderen Körperschaften nicht aus. Die private Zivilpost meint auch Empfänger oder Sender aus dem Ausland, den besetzten Gebieten sowie den militärischen Operationsgebieten.

Amtliche Sendungen mit dem Vermerk »Frei durch Ablösung Reich« mußten portofrei befördert werden. Privatpost war mit deutschen Wertzeichen gemäß den deutschen In- landsgebühren freizumachen. Deutsche Postbeamte konnten Gebührenfreiheit in An- spruch nehmen. Die Dienstpost deutscher Behörden in den okkupierten Gebieten wur- de aus Gründen der Abwehr von der zivilen, einheimischen Post abgeschirmt. Es wur- den eigens Postangestellte aus Deutschland in den besetzten Gebieten angestellt. Vgl.:

Marcel Staar, Das Postwesen in Luxemburg während der deutschen Besetzung im Zwei- ten Weltkrieg, Luxembourg 1983, S. 64.

Aufschrift »Feldpost« oder »Luftfeldpost«, zeitweise Stempel der Einheit.

Karten, die während des Herbstmanövers in Mecklenburg zwecks Erprobung der Feld- post ausgegeben wurden sowie Post mit dem Vermerk »Frei durch Ablösung Reich« und Dienststempel als Kennzeichnung portofreier Sendungen der Lagerführungen, Verwal- tung als Dienstpost a n / v o n Truppeneinheiten, die seit 1935 zur Übung und Ausbildung unterwegs waren. Möglicherweise sind solche Karten auch bei Manövern, die während des Krieges stattfanden, verwendet worden.

Sender oder Empfänger ist ein Angehöriger der Wehrmacht oder der Wehrmacht ange- gliederter Gruppierungen bzw. eine feldpostnummemtragende Einheit, die die Dienste der Feldpost in Anspruch nehmen durfte. Als Mannschaftsdienstgrade gelten hier alle Dienstgrade bis zum Offizier ohne Portepee.

Gerd R. Ueberschär, Die Deutsche Reichspost im Zweiten Weltkrieg, Bd 2, Berlin 1999, S. 39.

Bodo Gericke, Die deutsche Feldpost im Zweiten Weltkrieg, in: Archiv für Deutsche Post- geschichte, 1971, Η. 1, S. 80.

Ueberschär, Die Deutsche Reichspost (wie Anm. 11), S. 39.

Ebd., S. 40.

Gericke schließt in den Begriff der Heeresfeldpost auch Sendungen zwischen Kamera- den, die innerhalb des Militärs versendet wurden, also von einer Feldpostnummer zu einer anderen, ein. Ich schlage vor, die Post unter Kameraden wegen ihrer Privatheit un- ter die Kategorie »Feldpost« einzugliedern. Gericke, Die Deutsche Feldpost im Zweiten Weltkrieg (wie Anm. 12), S. 78.

Die Post der Mannschaften wurde von Unteroffizieren geprüft.

Aufsicht, Prüfung und Zensur oblag der SS.

Insbesondere die Schreibfrequenz als auch die Frequenz des zugelassenen Erhaltes von Post, sowie die Kontrolle des Inhalts wurde durch Lagerordnungen reglementiert. Zur Regulierung wurden u.a. vorgedruckte, linierte Notbriefe und Postkarten ausgegeben, die den Platz für eine schriftliche Mitteilung vorgaben.

Z.B. die Postsperre.

Ueberschär, Die Deutsche Reichspost (wie Anm. 11), S. 196.

Ebd.

Ebd., S. 197.

Ebd.

Beispielsweise mit Programmen wie WinMax, Atlas-ti, The Ethnograph, OSR Nur* ist oder der Seitenbeschreibungssprache XML. Datenbanksysteme wie LARS, das z.B. zur Erschließung von Dokumenten in der Gedenkstätte Sachsenhausen eingesetzt wird, wer- den eher kontrovers diskutiert. Vgl. Hans Coppi und Winfried Meyer, Erfahrungen und Probleme bei der EDV-gestützten Intensiverschließung von Sammlungsbeständen im

(13)

Archiv von Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen. Mitteilungen aus dem Archiv- wesen des Landes Brandenburg 16/2000, S. 7-11.

25 Vgl. Deutsche Postgeschichte. Essays und Bilder. Hrsg. von Wolfgang Lötz, Berlin 1989.

26 Ueberschär, Die Deutsche Reichspost (wie Anm. 11), S. 295.

27 Hans Wimmer, Die Deutsche Päckchenfeldpost. Teil der Deutschen Feldpost 1939-1945, Frankfurt a.M. 1969, S. 9. Wimmer bezieht sich bei der Aufstellung der Zahlen auf Auf- zeichnungen des Reichspostministeriums, benennt jedoch die zitierten Akten nicht.

28 Ueberschär, Die Deutsche Reichspost (wie Anm. 11), S. 47.

29 Vgl. Hans Friedrich Leinung, Internationale Post. Ursprünge, Grundlagen, Gestaltun- gen, Umfelder, Entwicklungen, Maßnahmen, Ziele, Bonn 1998.

30 Ortwin Buchbender u n d Reinhold Sterz, Das andere Gesicht des Krieges. Feldpost 1939-1945, München 1982, S. 13.

31 Ebd.

32 Mitteilungen für die Truppe, Nr. 51, November 1940; Nr. 96, April 1941; Nr. 109, Juni 1941; Nr. 160, Dezember 1941; Nr. 174, Februar 1942; Nr. 176, Februar 1942; Nr. 247, Fe- bruar 1943; Nr. 252, März 1943; besonders Nr. 338, Juni 1944; N r 355/356, September 1944; Mitteilungen für das Offizierskorps, Nr. 1, Januar 1942; Nr. 2, Januar 1942.

33 Karl Ziegler, Erinnerungen eines Heeresfeldpostmeisters. Rundbriefe der Arbeitsge- meinschaft Deutsche Feldpost 1939^5,1980.

34 Militärstrafgesetzbuch.

35 Ueberschär, Die Deutsche Reichspost (wie Anm. 11), S. 47.

36 Bundesarchiv Berlin, Akte R2 58094 des Reichsfinanzministeriums. Oberfinanzpräsi- dent. Ostpreußen, Az. Ζ 2056-Z/30, vom 29.11.1941. »Kontrolle der Wareneinfuhr aus . den besetzten Gebieten des Ostens durch die Wehrmacht«.

37 Ebd.

38 Ebd.

39 Wolfram Wette, In Worte gefaßt. Kriegskorrespondenz im internationalen Vergleich, in:

Andere Helme - andere Menschen? Heimaterfahrungen im internationalen Vergleich, Essen 1995, S. 334.

10 Ebd.

41 Die Kenntnis des Verfassers über den Kriegsverlauf kann nur bis zu dem Datum reichen, an dem der Brief verfaßt worden ist.

42 Beispielsweise Erinnerungslücken, Erinnerungsverzerrungen durch nachträgliche Re- cherchen, Anpassung der Erinnerung an neue Denkmuster oder moralische Werte, Ver- schiebung von Bedeutungen u n d Neuinterpretation des Erinnerten, das Vergessen schlechthin.

43 Werner Fuchs, Biographische Forschung, Opladen 1984, S. 72.

44 Thilo Stenzel, Das Rußlandbild des »kleinen Mannes«, München 1998, S. 16.

45 Amt Ausland/Abwehr.

46 Buchbender/Sterz, Das andere Gesicht des Krieges (wie Anm. 30), S. 14.

47 Eine umfassende Bibliographie findet sich auf unserer Internetseite <httpAvww.feld- post-archiv.de> [Literatur].

48 Joachim Dollwet, Menschen im Krieg, Bejahung - und Widerstand? Eindrücke und Aus- züge aus der Sammlung von Feldpostbriefen des Zweiten Weltkrieges im Landeshaupt- archiv Koblenz, in: Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte, 13 (1987), S. 279-282;

Elke Fröhlich, Regimekritik in privaten und anonymen Briefen, in: Martin Broszat und Elke Fröhlich, Alltag und Widerstand - Bayern im Nationalsozialismus, München, Zürich 1987, S. 517-544.

49 Martin Humburg, Das Gesicht des Krieges. Feldpostbriefe von Wehrmachtssoldaten aus der Sowjetunion 1941-1944, Wiesbaden 1998; Martin Humburg, Die Bedeutung der Feld- post für die Soldaten in Stalingrad, in: Stalingrad - Mythos und Wirklichkeit einer Schlacht.

Hrsg. von Wolfram Wette und Gerd R. Ueberschär, Frankfurt a.M. 1992, S. 68-79.

50 Kriegsalltag. Die Rekonstruktion des Kriegsalltages als Aufgabe der historischen For- schung und der Friedenserziehung. Hrsg. von Peter Knoch, Stuttgart 1989.

51 Peter Knoch, Das Bild des russischen Feindes, in: Stalingrad. Mythos und Wirklichkeit (wie Anm. 49), S. 160-167; Thilo Stenzel, Das Rußlandbild des »kleinen Mannes«: Ge- sellschaftliche Prägung und Fremdwahrnehmung in Feldpostbriefen aus dem Ostfeld- zug (1941-1944/45), München 1998; »Es gibt nur eines für das Judentum: Vernichtung«.

Das Judenbild in deutschen Soldatenbriefen 1939-1944. Hrsg. von Walter Manoschek, Hamburg 1995.

(14)

Peter Knoch, Kriegserlebnis als biografische Krise, in: Biographie - sozialgeschichtlich.

Hrsg. von Andreas Oestrich, Göttingen 1988, S. 86 ff.; Klaus Latzel, Deutsche Soldaten - nationalsozialistischer Krieg? Kriegserlebnis - Kriegserfahrung 1939-1945, Paderborn, München, Wien, Zürich 1998 (= Krieg in der Geschichte, Bd 1); Klaus Latzel, Vom Kriegs- erlebnis zur Kriegserfahrung. Theoretische und methodische Überlegungen zur erfah- rungsgeschichtlichen Untersuchung von Feldpostbriefen, in: Militärgeschichtliche Mit- teilungen, 56 (1997), S. 1-30; Klaus Latzel, Tourismus und Gewalt. Kriegswahrnehmun- gen in Feldpostbriefen, in: Vernichtungskrieg: Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944.

Hrsg. von Hannes Heer und Klaus Naumann, Hamburg 1995, S. 447-459.

Irene Götz, Klara Löffler und Birgit Speckle, Briefe als Medium der Alltagskommunika- tion - Eine Skizze zu ihrer kontextorientierten Auswertung, in: Schweizerisches Archiv für Volkskunde, 89 (1993), S. 165-183; Isa Schikorsky, Kommunikation über das Unbe- schreibbare. Beobachtungen zum Sprachstil von Kriegsbriefen, in: Wirkendes Wort, 42 (1992), H. 2, S. 295-315.

Martin Humburg und Peter Knoch, Sammlung Sterz in der Bibliothek für Zeitgeschich- te in Stuttgart, in: Der Archivar, 44 (1991), S. 698-700; Peter Knoch, Feldpost - eine un- entdeckte historische Quellengattung, in: Geschichtsdidaktik, 11 (1986), S. 154-171; An- dreas Lüdke, Soldatenbriefe - Heimatbriefe, in: Sozialwissenschaftliche Information, 19 (1990), H. 2, S. 133 ff.; Andere Helme - Andere Menschen? Heimaterfahrung und Front- alltag im Zweiten Weltkrieg. Ein internationaler Vergleich. Hrsg. von Detlef Vogel und Wolfram Wette, Essen 1995.

Klaus Latzel, Wehrmachtsoldaten zwischen »Normalität« und NS-Ideologie, oder: Was sucht die Forschung in der Feldpost?, in: Die Wehrmacht. Mythos und Realität. Hrsg.

von Rolf-Dieter Müller und Hans-Erich Volkmann, München 1999, S. 567.

Martin Hümburg, Siegeshoffnungen und »Herbstkrise« im Jahre 1941, in: Feldpostbrie- fe. Werkstatt Geschichte, 22 (1999), S. 25.

Latzel, Wehrmachtsoldaten (wie Anm. 55), S. 575.

Es lassen sich bislang nur grobe Zäsuren für Stimmungsschwankungen, z.B. 1941 für be- stimmte Gruppen ablesen. Es muß von ganz persönlichen Zäsuren ausgegangen wer- den, die für jeden anders lagen (z.B. Tod eines Angehörigen, Ausbombung, Heirat, Be- förderung).

Vgl. Martin Humburg, Das Gesicht des Krieges (wie Anm. 49), passim.

Wie groß dieser Bevölkerungsteil gewesen sein mag und ab wann sich bestimmte durch die NSDAP vorgegebene Denk-, Deutungs- und Handlungsmuster wandelten, ist bis- lang noch nicht großflächig untersucht worden.

<http:Avww.feldpost-archiv.de>.

Mit diesem Tag begann aber für viele Menschen eine Zeit, in der eine alte Kommunika- tionsform eine neue Bedeutung gewann: das Briefeschreiben. Hierbei hat der Überfall auf Polen für viele Briefverfasser nicht in erster Linie eine militärische oder politische Rolle gespielt, sondern eine sehr private: die Trennung eines Vaters, Bruders oder Ehe- mannes von den Angehörigen. Die militärischen Auseinandersetzungen zwischen 1939 und 1945 werden auch nicht als Weltkrieg in den Briefen bezeichnet. Reflektiert wird für jeden »ein anderer Krieg«, nämlich derjenige, der die Familie unmittelbar betraf.

Vgl. Humburg, Siegeshoffnungen (wie Anm. 56), S. 25^40 und Humburg, Das Gesicht des Krieges (wie Anm. 49).

<http:Avw.feldpost-archiv.de/formurken.html>. Jens Murken, »Das Band, das uns am meisten mit der Heimat verbindet« - Feldpost und Zweiter Weltkrieg. Auszug aus: Jens Murken, »De Geschieht is lögenhaft to verteilen, ober wohr is se doch...» Der Landkreis Osterholz 1932-1948. Zeitgeschichte im Gespräch, Münster 1999, S. 173-196.

Basiert die Untersuchung von Feldpostdokumenten auf den Grundannahmen des Kon- struktivismus, dann stellt sich die Frage nach einer Objektivität nicht. Objektivität ist ein Begriff des Realismus.

Wern,er Fuchs, Biographische Forschung, Opladen 1984, S. 74.

Ebd., S. 75.

In dieser Zahl sind die Angehörigen der Waffen-SS enthalten. 17,3 Mio. Soldaten gehör- ten zur Wehrmacht. Rüdiger Overmans, Deutsche militärische Verluste im Zweiten Welt- krieg, München 1999 (= Beiträge zur Militärgeschichte, Bd 46), S. 215.

Interessant sind hierbei auch Überlegungen zu den nicht gemachten Aussagen in den Briefen.

Referenzen

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