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Der hebräische Vokalname Melopum.
Von W. Bacher.
In einer „didaktischen Studie' zum hebräischen Leseunterrichte,
die N. Adler, Lehrer in Fürth, im März d. J. im Anschlüsse an
„Hebräische Buchstabenbilder' herausgab, fand Eberhard Nestle
eine übrigens ganz unwissenschaftliche Liste der Namen der hebrä¬
ischen Vokalzeichen und in dieser Liste für —-. (ü)^ ' die Benennung D
, Melupum», unmittelbar nach „Schuruk', der Benennung des 1 (ö).
Von diesem Kuriosum ausgehend, stellte er (oben S. 597—600)
in einer, mancherlei Angaben darbietenden interessanten kleinen
Studie die Tatsache fest, daß in Bezug auf den Terminus „Melupum'
ein sonderbarer Widerstreit zwischen den grammatischen Schrift¬
stellern obwaltet, speziell daß jüdische Grammatiker mit demselben
Terminus auch das gewöhnlich Cholem genannte Vokalzeichen be¬
nennen. Um diese Sonderbarkeit der grammatischen Terminologie
zu beleuchten, will ich eine kurze Geschichte der Anwendung des
Ausdruckes Melopum (so muß es richtig heißen: D1E-Nb72)i) bieten,
welche die von Nestle festgestellte Tatsache vielleicht weniger
auffallend erscheinen lassen wird.
I. Von den ältesten Zeiten bis Joseph Kimchi (excl.).
In diesem Zeiti-aume, der mit der Terminologie der Mas sora
beginnt und durch die Neuerung Joseph Kimchi's und seiner
Söhne schließt, kannte die hebräische Grammatik nur sieben Vokale
(resp. Vokalzeichen), die sogen, „sieben Könige". Kurzes o (ö)
wurde mit demselben Zeichen geschrieben und also mit demselben
Namen (Kamez) benannt wie langes a (a) ; die Vokalzeichen gründeten
sich auf die Qualität der Vokale, die Quantität war ganz unberück¬
sichtigt geblieben. Zwischen — und 1 bestand nur ein ortho¬
graphischer Unterschied , ebenso ' wie , und das bleibt so auch in
1) Die richtigere Aussprache wäre': Melophum. Ich selbst behalte das p bei, um nicht zu sehr von Nestle's Schreibung abzuweichen.
Bd. LVIII. 58
800 Bacher, Der hehräische Vokalname Melopum.
der Folgezeit, zwischen '— und i . In der ältesten Liste der sieben
Vokale, die sich in Aharon Ben Ascher's Dikduke Teamim (ed.
Baer und Strack, p. 12) findet, heißt der 5. und 6. "obh und pnip
(ursprünglich offenbar Dbn, p'i©; die vorliegende Punktation der
zwei Worte ist spätern Datums). In dem Paragraphen selbst, dem
diese Liste angehängt ist, werden die Vokale Cholem und Schurek
nur als nnN m]>i («ein Punkt") und als ic« bezeichnet. Die
Massora parva zu II Sam. 6, 23 drückt die Angabe, daß nnia
sonst nicht vorkommt und das gleichbedeutende nni7a sich auch
nur einmal (I Sam. 4, 20) findet, so aus: ms yiap nm^niD Nb?: nib.
Das Cholem heißt also Melö-pum ') (Fülle, vollständige Öffnung des
Mundes), das Schurek Kibbuz-pum (Zusammenziehung des Mundes).
Dieses Wortpaar ist eines der Paare, welche die große Massora
in einer Liste zusammenstellt (Ochla we-Ochla 55, S.58 ed.
Frensdorff), mit der Überschrift : mo Nb): nm nn p: i^jit N'b
DID ynp nm (ebenso Massora ed. Ginsburg, 3 529a). In der Massora
finalis (i, 13) steht dafür: IN nm iN nn n"d. S. auch
ZDMG. 49, 16, Anm. 6. — Der karäische Lexikograph David
b. Abraham hat für Cholem und Schurek nur die Bezeichnungen
■iN und IN. Bei den Schülern Menachem b. Saruk's, in ihrer
Streitschrift gegen Dunasch b. Labrät, heißt Cholem ,der
Punkt über dem Waw" (vm by nmp:a), Schurek der , Punkt im
Waw" nama nmprn). Jehudi b. Schescheth, der Schüler
und Verteidiger Dunasch's, nennt den letzten Vokal im Worte niaba
so: byiM mp: mcNbra. — Jehuda Hajjüg in seinen zwei
arabischen Werken über die schwachen und doppellautigen Verba be¬
zeichnet sowohl Cholem als Schurek mit dem arabischen Verbum
^ (aus dem der arabische Vokalname ä.*ä5 gebildet ist). Aber
er sagt auch einmal: Dbnjb einmal auch (ed. Jastrow,
p. fi" unten) Y7:p ^\ piilJ Dbn |.j.*.*i2xi (s. Die grammatische
Terminologie des Hajjüg, S. 18). Abulwalid Merwän Ibn
Ganäh gebraucht innerhalb des arabischen Kontextes die hebrä¬
ischen Vokalnamen Dbn und pniB (s. z. B. Kitäb al-usül, ed. Neu¬
bauer, Kol. 476, Z. 30). Von den beiden Übersetzern Hajjüg's, beide
1) Wahrscheinlich wurde der erste Bestandteil des Ausdrucks ursprUng¬
lich N^U {mdä) ausgesprochen, war also auch aramäisch gleich dem zweiten Bestandteile (DIe); vgl. h. Ahoda zara 79 a: niraSN NbM. Jedoch gewöhnte man sich später wohl daran, jenen hebräisch auszusprechen. Vgl. das bei Levy (Wb. zu den Targumim II, 37 a) verzeichnete Beispiel aus dem paläst. Targum zu Num. 35, 17 : Nn^ Nib):. Der unten zu erwähnende Grammatiker Abr. Balmes punktiert DID Nb): {male-pum); er »ah also im ersten Bestandteil des Aus¬
druckes ein Adjektivum.
Bacher, Der hebräische Vokalname Melopum. yQl
große Grammatiker, wendet der eine, Moses Ibn Gikatilia,
nur Dbn und plffi an; der andere, Abraham Ibn Esra, bedient
sich auch des Ausdrucks DiDNb72. Für ,v*aJLj bei Hajjüg (ed. Jastrow, p. 6, Z. 10), wofür Ibn Gikatilia p"tü53 hat, setzt Ibn Esra: yiapa
mDNb72T. Gemeint ist der m- Vokal des iyn, Nin^, für den also
Ibn Esra den aus DIB yiap (s. unten) gekürzten Namen, die genaue
Übersetzung des arabischen anwendet, außerdem aber das alt-
massoretische DID Nb73 hinzusetzt. Ibn Esra ist also der erste,
der — wenigstens hier — das Schurek , Melopum' nennt.^) Doch
hatte dies auf den grammatischen Sprachgebrauch zunächst keine
"Wirkung; Ibn Esra selbst sagt in seinen grammatischen Schriften
ausdrücklich, daß das Cholem auch did Nbn, das Schurek auch
DID yia^p genannt werde (s. mein Abraham Ibn Esra als Gramma¬
tiker, S. 62 f.). In dem auf Jehuda Ibn Balaam zurückgehenden
Werke Nipnn iny:: (ed. Mercier p. 13 b)-) ist in der Liste der
Vokale als erster genannt: DID Nb?: obin (mit dem Zusätze: ^Db
ntDnt Nbrn Nina), als letzter: pni23, mit der ausdrücklichen Angabe,
daß dieser Name sowohl die Schreibung —, als die Schreibung i
betreffe ("ina mip: Diujiy DDibini IT aa''by it nanbn nmp: ':
anb nnN d-^i n"n).
In dem vorkimchischen Zeiträume war also DiDNbW — ab¬
gesehen von dem vereinzelten und unsichern Beispiele bei Ibn Esra
•—- ausschließlich Bezeichnung des Cholem.
n. Von Joseph Kimchi bis Elia Levita (incl.).
Joseph Kimchi, einer der ersten Propagatoren der in Spanien
zur Blüte gelangten hebräischen Sprachwissenschaft, verfaßte — in
den Spuren seines ältern Zeitgenossen Abraham Ibn Esra wandelnd,
aber mit größerem didaktischen Geschicke — ein Lehrbuch der
hebräischen Sprache (pnaT nDO, von mir 1888 in den Schriften
des Literaturvereins Mekize Nirdamim herausgegeben). In dieser
Grammatik (S. 17) erscheint zum ersten Male die Einteilung der
Vokale in fünf lange und fünf kurze, wodurch die bisher
auf Grund der Punktation als feststehend angenommene Zahl der
Vokale um drei vermehrt und die Lehre von den Vokalen, welche
1) Vielleicht aher meint Ibn Esra auch hier mit DiDNbn das Cholem;
nur muß man annehmen, daß er die von HajjüJ gegebene Regel über die Aus¬
sprache des Schewa auch auf solche Fälle bezieht, in denen dem Schewa ein Guttural mit Cholem folgt (z. B. niya). Allerdings bietet H. nur Beispiele mit Schurek.
2) S. m ei nen Aufsatz in der G rätz'sehen Monatssehrift, XXXIV (1885), 468—480, 497—504.
Ö8*
802 Bacher, Der hebräische Vokalname Melopum.
bisher die Quantität nicht berücksichtigte, von Gmnd aus um¬
gestaltet wurde. Diese , durch das Vorbild der von Joseph Kimchi
gekannten lateinischen Grammatik angeregte Neuerung mußte
auch auf die Nomenklatur der Vokale (resp. ihrer Zeichen) eine
umgestaltende Wirkung ausüben. Joseph Kimchi selbst nennt den
langen Vokal is Cholem (obin), den langen Vokal i: pniia
(Schurek mit Waw), den kurzen Vokal —: i"i »ba pmaj (Schurek
ohne Waw). In zwei Handschriften findet sich beim letzten Vokal
tier — wahrscheinlich von Moses dem Nakdan herrührende und
durch Moses Kimchi beeinflußte — Zusatz: a^nDia yiap nUCT
(d. i. das DID yiap der Massora und Ibn Esra's). Dieser Zusatz
zeigte die Differenzierung der beiden, in dem vorigen Zeit¬
räume üblich gewordenen Namen des M-Lautes: piiTS wird Name
des langen, yiap der Name des kurzen Vokales. Diese Difie-
renzierung ist trotz der noch zu erwähnenden Schwankungen sieg¬
reich geblieben und hat auch heute, wenn die Vokalzeichen hebräisch
bezeichnet werden , allgemeine Geltung. Bei Moses Kimchi,
dessen Grammatik besonders in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahr¬
hunderts das am meisten benutzte Lehrbuch des Hebräischeu wurde,
heißt ö: pniffi, ü: Dmpia yiap; ö: Obin. Dieselben Namen hat
David Kimchi im Michlol, zu Beginn der Abteilung über die
Verba (ed. 1545, p. 48 a). Den Namen DiDNb): nennt keiner der
drei Kimchis. Das in Jemen am Ende des 14. Jahrhunderts ver¬
faßte und von J. Derenbourg unter dem Namen „Manuel du
Lectem- (Niipn ni^nn) herausgegebene anonyme massoretisch-
grammatische Lehrbuch nennt als ersten der Vokale (p. 54): Dbin
DID Nbn Nipsn Nim. Bei Samuel b. Meir, dem Enkel Raschi's
.— was hier nachträglich bemerkt werden möge — heißt das Cholem :
Melopum (s. Ros in, R. Samuel b. Meir als Schrifterklärer, S. 130).
— Den Ausdruck OID Nbw wendet auch Elija Levita, mit dem
dieser Zeitraum abschließt, nicht an. Er gebraucht für ö, ü und
M die Namen Cholem, Schurek, Kibbuz (s. z. B. Massoreth-Hamassoreth, ed. Ginsburg, S. 15?. fF.; im Bachur (S. 52b, 77a, ed. Mantua) setzt
er statt Kibbuz: nnips TOb^ö („drei Punkte'), welcher Ausdmck
in alter Zeit das Segol bezeichnete (so bei Ben Ascher, David
b. Abraham, s. Die gramm. Terminologie des Hajjüg, S. 18; bei
Tobija b. Elieser, s. Buber's Einleitung zum Lekach Tob, S. 29 f.).
S. auch sein Perek Schira, Venedig 1546, p. 49b: p-iiiö Dipna
nnp: •ob'C. — Levita's Zeitgenosse Abraham Balmes erwähnt
in seiner gelehrten Grammatik Mikneb Abram (Venedig 1523), der
Vokal D^nD© yiap (welchen Namen er von M. Kimchi übernimmt)
heiße auch i^j: pllir, sowie nnp; übiB. Diese Namen für ü (—)
werden uns auch im nächsten Zeiträume begegnen. — Bei Balmes
treffen wir zum ersten Male die ausdrückliche Anführung der
Bacher, Der hebräische Vohalname Melopum.
Ansicht, daß das Schurek (ü) auch Did Nbtt') heiße. Die Stelle
lautet:^) D^iny nipiiiD by 1733 vnDipa plim NEMn ia p"iTOi
«i-iNS.; TTieiüTT. by yaip1 Naaisn iNiti73aT : -3. DiDNb73"T iNisiät': v i)3' a isbi' T I
itT^D NbM. Für das Cholem nennt Balmes den Namen Melopum
nicht, aber es ist aus einigen seiner Äußerungen ersichtlich, daß
dieser Name nach ibm in erster Reihe dem Vokale Cholem zukommt.
So beginnt er eine Erörterung über das Schurek (m) mit den Worten :
. . . Dbina i733 is^Nä nVn did i<b73 iaia -ps? pniffinn. Ein von
Balmes selbst erfundener Terminus ist DlB «b'n y73p für S. Er
sagt darüber: Dbinb nnin iNsi73 -'S -jd f<np5 DID «bn ynjjni
cicain? NL]a73n ns'^jii wNinpaiü Pjiar yn;: n'^I??! i5*ib533. In
dieser letzteren Anwendung des Ausdrucks fand Balmes keine
Nachfolge; hingegen beweist die Stelle über das Schurek, daß man
schon vor Balmes hie und da nicht das Cholem, sondern das Schurek
Melopum nannte. Das scheint damit zusammenzuhängen , daß der
Ausdruck nicht in der ursprünglichen Bedeutung (, volle Mund-
Öffnung") verstanden wurde, sondern daß man dabei an den „vollen
Mund" dachte (wie ihn Balmes auch ausdrücklich umschreibt) und
die Gebärde des vollen und dabei sich schheßenden Mundes bei der
Aussprache des ü, nicht des ö erkannte.
III. Vom sechzehnten Jahrhundert bis zur Gegenwart.
Die Benennung des langen M-Lautes (in) mit Melopum findet
sich noch vor Balmes bei den zwei christlichen Autoren, die
Nestle anführt. Beide, sowohl Pellicanus als Nigri, geben an,
n-'D Nib?? sei der Name des in, pnrö der des N (a. a. 0., S. 599).
OfFenbar haben sie dies von ihren jüdischen Lehrern überkommen.
Man hat also in jüdischen Kreisen Deutschlands in der
zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts die Benennung pmo
auf den kurzen M-Laut beschränkt und diesen ü gesprochen (wie
ebenfalls Pellicanus und Nigri angeben) , die Benennung DiDNb73
hingegen dem mit 1 geschriebenen (langen) ü zugewiesen. Die
Aussprache D^Dib)? (Pellicanus transkribiert: mellupim, Nigri:
meluppim) beruht auf der, auch bei den übrigen Vokalnamen an¬
gewendeten und aller Grammatik ins Gesicht schlagenden Methode,
den Laut des benannten Vokals in dessen Namen hören zu lassen ;
also Nlb73 statt Nib73 . Warum aber D"? statt DID ? Dies kann
entweder auf der Absicht beruhen, das aramäische Wort zu beseitigen,
oder es ist inkorrekte Wiedergabe des von den jüdischen Lehrern
Überkommenen.'*) Wenn die Aussprache „Melupum", die noch im
1) Balmes punktiert Nb73, s. oben S. 800, Anm. 1.
2) Das Werk ist nieht paginiert. Die hier angeführten Stellen finden sicb auf Bl. 14—16 (mnpjn ny^ü).
3) Viell. soll 1— den «-Laut wiedergehen.
804 Bacher, Der hebräische Vohalname Melopum.
Jahre 1904 in der Liste Adler's figuriert, auf lebendiger Lehrer¬
tradition beruht, was ich voraussetze, so darf man annehmen, daß
auch die Lehrer Pellican's und Nigri's Melupum sagten (wie man
etwa auch p"ina sagte , um in beiden Silben den M-Laut hören zu
lassen), sie aber Melupim hörten und den Vokalnamen so transkri¬
bierten. In den bald anzuführenden Zitaten aus den Schriften
jüdischer Grammatiker Deutschlands findet sich nirgends die Schrei¬
bung oiBNibTS (mit i in der zweiten Silbe). — Wenn nun auch die
Anwendung des Terminus Melopum auf das Schurek für die Wende
des 15. und 16. Jahrhunderts in jüdischen Kreisen bezeugt ist, so-
hat die grammatische Wissenschaft an dem historischen Rechte des
Cholem auf diesen Namen festgehalten. Buxtorf hat in seinem
Lexieon Chaldaicum, Talmudicum et Rabbinicum (Basel 1639) auch
einen kurzen Artikel isbn, bloß um anzugeben: ,niDi<b)p plenitudo oris. Sic Grammatici vocant Cholem". In Deutschland jedoch wurde
es bei den Juden üblich, das Schurek (iN) als Melopum zu be¬
zeichnen. Dies bezeugen die meisten jüdiscben Grammatiker des
18. Jahrhunderts. Chajjim b. Naphtali Koeslin in seiner
mehrfach edierten Grammatik blbOT? IEO (Hamburg 1788; ich be¬
nutze die zweite Ausgabe, Brünn 1796) gibt für is, in und —
die Namen Dbin, DiESba und piiü: (S. 69a), fügt aber zu seiner
Liste der Vokale die Bemerkung hinzu, das seien die bei den
deutschen Juden üblichen Namen (n''T:D;aNn ■'sa a''baii73n nitrca),
während bei den Sephardim DiENbn (wie schon bei den Pranzosen,
z. B. Raschi) der Name des Cholem sei und in bei den Sephardim
p-iliB oder bni PIT'S, — "y^iap oder -jüp pno heiße. Jacob
b. Josua Kohen in seiner Grammatik D^nn i)?!-! (Berlin 1796}
hat folgende Angabe (p. 4 a): yiap DiENb72 Nipsn Nim bna pn©
pp pmuj Nip:n Nim. In Chajjim b. Moses Schack's O^m m
(Prag 1759), p. 3b, heißt es: DiEsbi: iniN a^Nnp aniEOni abin-,
femer: bnJ pilffi iniN D^Nlip DniDOm . . . aiENb73; endhch:
pp p-ina 'in 'p tu-i D^nDia yiap miN D'Nmp onisom pmia.
In Aharon b. Zebi's nD73 bnN (Zolkiew 1764; ich benutze die
2. Ausgabe, Sulzbach 177i) lesen wir (7a): pmia N, IN DiENbi:;
ebendas.: pnia iniN "("''^''P ^'^i öiENb73 bip. — Dieselbe Angabe
steht auch in Moses Hechim's nii-a nrb (Fürth 1790), p. la.
— Von den am Anfange des 19. Jahrhunderts aus der Schule
Mendelssohns hervorgegangenen hebräischen Grammatikern erwähne
ich Schalom Kohen, der in seinem deutsch mit hebräischen
Lettern verfaßten Lehrbuche, n^'^as litib niin (Berlin 1802; ich
zitiere die Ausgabe Prag 1816), die beiden m- Vokale so bezeichnet
(S. 6): bna pina in oder Bis Nb73, und yjp pira N oder yiap.
Femer Joel Löwe (Berlin 1794; ich zitiere die Ausgabe Prag
Bacher, Der hebräische Vokalname Melopum. 805
1803), TifflVri iniW?, Die Elemente der hebr. Sprache (deutsch
mit hebr. Lettem), p. 21: „Das Schurek, das auch mDNb?^ heißt".
Salomo Hanau, der bedeutendste jüdische Grammatiker Deutsch¬
lands in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, erwähnt merk¬
würdigerweise den Vokalnamen mcsbl: überhaupt nicht. Pür die
beiden M-Laute gibt er in den beiden Schriften nübiä ^33 (Prank¬
furt a. M. 1708, p. 14 a) die Namen p-nia (S) und yiap (m), ebenso
im Tipsri nio: (Amsterdam 1730, p. 4 a); im nairiin nrii: (Berlin
1737, p. 8a): pnna und pp p-nio. Ebenso hat Ben-Seeb in
seinem ^isy liiäb Ti73bn, der in der ersten Hälfte des 19. Jahr¬
hunderts unter den Juden Deutschlands und der östlichen Länder
Europas besonders verbreiteten Grammatik, von der Erwähnung des
Ausdrucks Oid Nbn ganz abgesehen. Ihm ist ü pni;ä und m yiap
(s. ed. Wien 1818, p. 19a). Daß der Ausdruck aber, und zwar
als Bezeichnung des in, bei den deutschen Juden nicht ganz ob¬
solet geworden, beweist nicht nur das Auftreten desselben bei
Adler (1904), sondern auch eine im Jahre 1863 in Prag er¬
schienene Grammatik (M. Goldmann, Praktischer Unterricht in
der ebräischen Sprache, S. 4): (bna) pniB oder aiD Nbn ; pp pillü
oder yiap. Sonst ist in den von deutschen Juden verfaßten Lehr¬
büchern der hebr. Sprache, soweit mir erinnerlich, Schurek und
Kibbuz die alleinige Benennung der beiden M-Laute.')
Außerhalb des deutschen Judentums blieb Melopum als zweiter
Name des Cholem bekannt. In Immanuel Benevento's nrb
^r^ (Mantua 1557, p. 63) lesen wir: a-ipHpin niSp lüiNIpO obnn
DIE Nbn. Angiolo -Poggi (Christ) nennt in seiner Samuel
David Luzzatto gewidmeten Grammatica Ebraica ragionata
(Firenze 1863), p. 6 das iN: DID NbTa obin (offenbar Balmes ent¬
nommene Punktation). Luzzatto selbst, der bedeutendste jüdische
Grammatiker des 19. Jahrhunderts, erwähnt Melopum gar nicht;
ihm ist 5: Dbin , ü : p'iiü , m : nnipS löbia (s. oben), s. Grammatica
della Lingua Ebraica (Padova 1853), p. 13. Leone Reggio
(Grammatica Ragionata della Lingua Ebraica, Livomo 1844) hat
dieselben Benennungen , wie Luzzatto (p. 8); in einer Note weist
er auf die Anwendung des Ausdruckes Did Nbn hin, mit folgender,
ohne Zweifel teilweise aus Balmes übernommenen Angabe : ffibia
;aiD Nbn ynp in qiün ynp ;n-'nDTa yiap in yiap in ninp3
1) Als merkwürdig verdient noch verzeichnet zu werden die Tatsache, daü S. Pinsker in seiner (hehräisch geschriebenen) „Einleitung in das babylonisch¬
hebräische Punktationssystem' (Wien 1863), p. 3 f. den Laut 1 mit dem Terminus mDNb72 benennt.
806 Bacher, Der hehräische Vokalname Melopum.
■|Up pn« IN DID Nbw IN Dbin ;D1D Nbn in pmia. In dieser An¬
merkung ist noeh auf drastischere Weise, als in Nestles Studie,
auf die verschiedenartige Anwendung unseres Ausdrucks hingewiesen.
Das Ergebnis dieser, wohl nicht auf Vollständigkeit Anspruch
machenden, aber immerhin kaum wesentliche Momente außer Acht
lassenden Untersuchung über die Geschichte des Vokalnamens Nbtt
DID läßt sich in folgenden Sätzen zusammenfassen :
DID Nbn wurde von den Massoreten als eine die Aussprache
des Vokales kennzeichnende Benennung des Cholem (i , ö) an¬
gewendet und findet sich so sporadisch auch bei den Gramma¬
tikern bis zum 15. Jahrhunderte. Im 1'5. Jahrhundert wurde es
in Deutschland üblich (in Folge einer Verkennung des Sinnes
von DiDNbn), die Benennung auf das Schurek (iN , ü) anzuwenden,
und dies machte sich auch in der grammatischen Literatur der
deutschen Juden im 18. Jahrhundert geltend. Im 19. Jahr¬
hundert kam diese Anwendung des Ausdruckes fast ganz außer
Gebrauch , scbeint sich aber in der didaktischen Tradition
einzelner jüdischer Lehrer forterhalten zu haben. Außerhalb Deutsch¬
lands hat Melopum in jüdischen Kreisen nie diese Bedeutung als
Name des IN gewonnen ; und auch als Name des IN gehört es nur
zu den geschichtlichen Daten der grammatischen Literatur.
Durch die vorstehenden Sätze müssen natürlich die „Tat¬
sachen" Nestle's anders formuliert werden. Von einer Scheidung
zwischen Juden und Christen, die in seiner Formulierung in
den Vordergrund tritt, kann eigentlich nicht die ßede sein, da die
Geschichte des Vokalnamens Melopum innerbalb der gramma¬
tischen Literatur der Juden verläuft unddie „christlichen"
Daten, die Nestle heranzieht, ebenfalls auf jüdischen Quellen be¬
ruhen.
5 7
807
Zu „Melupum".
Von D. Simonsen.')
Herr Prof. E. Nestle hat oben S. 597—600 anf die Tatsache
aufmerksam gemacht , daß der Terminus Melupum [gewöhnlich :
Melö-pum, auch: Male-pum] verschiedentlich angewandt wird.
Meistens braucht man Melö-pum als synonym mit Cbölem , so
schon in der Massora, wenigstens wie sie uns jetzt vorliegt, bei
B. Salomo Jizchaki (Raschi), seinem Enkel R. Salomo b. Meir u. a.
bis zu Gesenius-Kautzsch.^) Nestle fand aber zu seiner Verwunderung, daß die ersten christlichen Kenner des Hebräischeu in Deutschland, Conrad Pellican und Petrus Nigri, „die auf jüdischem Grunde bauen'
(S. 600), unter Mellupim (resp. Meluppim) unser Schurek ver¬
stehen und den Namen Schurek für unser Kibbuz verwenden.
Er hat übersehen, daß derjenige Gelehrte, der uns am besten über
den Stand jener Dinge zur Zeit der Renaissance Aufklärung geben
kann, Elia Levita „der Deutsche", uns auch hier nicht im Stich
läßt. Elia schreibt in der lehrreichen dritten Vorrede zu seinem
„Massoreth Hammassoreth" (Meyer-Semlersche Übersetzung,
Halle 1772, S. 73): „Wir Deutsche nennen dieses [in]'') did Nbn,
ich weiß aber nicht, wo es herkommt; denn in allen Büchern von der
Grammatik und Punkten findet man nicht, daß es so genannt wird ;
sondern Schurek, und wir [d. h. wir Deutschen] nennen dieses N
Schurek, die Grammatiker aber nennen es drey Punkte oder Kibbutz;
das gewöhnliche*) ist D-DDO yi3''p, einige sagen DID yi3-'p'.*) [1) Dieser Aufsatz deckt sich inhaltlich in allem Wesentlichen mit dem vor-- anstehenden Bacherschen Aufsatze, der wenige Tage früher bei mir eingetroffen war. Ich habe ihn trotzdem gleichfalls aufgenommen, einmal weil mir gerade diese Übereinstimmung der beiden Gelehrten beachtenswert erschien, sodann weil er doch auch allerlei enthält, was boi Bacher fehlt. Der Rodakteur.]
2) 26. Ausg. 1896 § 8 d, wie ich zur Ergänzung von Nestle 1. c. 598 bemerke. Auch bei Gesenius, Lehrgebäude , bei Hupfeld und bei Böttcher hätte If. den Namen gefunden.
3) IN in der ijbersetzung ausgefallen, aus dem Texte zu ergänzen.
4) Genauer: das Ursprüngliche.
5) Obwohl es gar nicht hierber gehört, darf ich vielleicht bemerken, daß die Anwesenheit orientalischer Priester beim Laterankonzil z. Z. Leo's X., von der
in einem sich anschließenden Aufsatze Nestle's gesprochen wird