Die Nominalform fu'äl im klassischen Arabisch
von Weener Diem, München ^
I.
Dem allgemein bedauerten Mangel an lexikalischen Vorarbeiten für
das klassische Arabisch kann auf zweierlei Weise abgeholfen werden:
eimnal mit semasiologischen Untersuchungen, wie sie W. Fischee mit
seinen Farb- und Formbezeichnungen in der Sprache der altarabischen
Dichtung (Wiesbaden 1965) durchgeführt hat, oder mit Studien, welche
von einer bestimmten Nominalform ausgehen, wie Der arabische Elativ
(MAV, geistes- u. sozialwiss. KL, 1952 Nr. 7) von Hans Wehe. Beide
Methoden überschneiden sich zwar, aber doch nur teilweise; während
eine semasiologische Studie Wörter verschiedener Nominalform unter
einem sachlichen Aspekt betrachtet, umfaßt die Untersuchung einer
bestimmten Nominalform in der Regel mehrere semasiologische Bereiche,
da ein und dieselbe Nominalform verschieden genutzt sein kann.
Vorliegende Studie* gehört zur zweiten Art ; sie behandelt die Nominal¬
form fu'äl im klassischen Arabisch. Über die deskriptive Erfassung der
Gebrauchstypen hinaus versucht sie die Nominalform historisch einzu¬
ordnen.
fu'äl bezeichnet Abfälle, Körperausscheidungen, Laute, Bewegungen
und Krankheiten; fu'äl bildet ferner Adjektiva. Dies ist die Einteilung,
wie sie J. Baeth, Die Nominalbildung in den semitischen Sprachen, Leip¬
zig 1894, S. 40, 63f , 75f , 141 und Th. Nöldeke, Nomina der Form
Fu'äl {BsS S. 30—33; danach H. Fleisch, Traiti de philologie arabe,
Beyrouth 1961, I S. 378) im wesentlichen festgestellt haben. Mit fu'äl
befassen sich ferner C. Beockelmann, Deminutiv und Augmentaiiv im
Semitischen (ZS 6 (1928) S. 109flF.) und W. Fischee in semer bereits ge¬
nannten Arbeit über Farb- und Formbezeichnungen S. 192 flf. Hinzuzu¬
ziehen ist außerdem GvO I S. 347 u. S. 351 f und R. RuiiÖKA, Die Ety¬
mologie von bugät-bu'ät in ZS 10 (1935), S. 14—32".
* Einige Probleme der Untersuchung konnte ich mit Herm Dr. A. Denz,
München, besprechen; für seine wertvolle Hüfe möchte ich ihm auch an
dieser Stelle herzlich danken.
* Korrekturzusatz : Nach Abschluß des Manuskriptes wurden mir zwei
Arbeiten bekannt, die zusätzliches Material zur Nominalform fu'äl enthalten :
Abü Hiläl al-'AskaiJ, al-Mu'^am fi baqiyat al-aäyä' (GAL I 126, S I 194),
44 Werkbr Diem
Aus Gründen der Übersichtlichkeit empfiehlt es sich, die genannten
Untergruppen von fu'äl zunächst beizubehalten und von ihnen aus¬
gehend eine historische Deutung zu versuchen; daß die Untergruppen
durchaus auf Grundtypen zurückgeführt werden können*, hoffe ich im
folgenden zeigen zu können.
Von der Untersuchung auszunehmen sind Fremdwörter, welche in die
Nominalform fu'äl inkorporiert wurden*.
Nicht zu berücksichtigen sind femer Nomina der Form fu'äl, welche
assimilatorisch bedingte Spielformen* von fi'äl sind : suioän neben §%u>än
„Kleiderschrank, Garderobe", umSäh neben wiSäh ,, Schärpe, Kette",
zuwära neben ziyära , .Besuch" u.a. mehr*.
Als Quelle für die im Laufe der Untersuchung angeführten Nomina
dienten Ibn as-Sikkit, Islah al-mantiq, ed. A. M. Säkib und 'Abdassa-
liÄM M. Häbun, K. *1956, S. 108f , Ihn Qutaiba, AdcA al-kätib, ed. M.
Gbünebt, Leiden 1900, S. 572flf. und Ibn SIda, Muha^sas, K. 1316—21,
XIV S. 135 f., femer die großen nationalarabischen Wörterbücher; als
besonders wertvolle Quelle erwies sich das Wörterbuch der klassischen
arahischen Sprache^ (WKAS), da es gute Textbelege aus der Literatur
bietet.
Diese überwiegende Zugrundelegung der genuinen arabischen lexiko¬
graphischen Literatur bedarf ein Wort der Erklärung. Wie fragwürdig
die Angaben der Lexikographen häufig sind, wurde oft betont*. Die
zuerst von O. Rescher in MSOS 18 (1915) ediert, mir vorliegend in der
Edition von IbrXhIm al-AbyärI u. 'Abdal^afIz Sibli, K. 1353/1934,
femer: Öubrän Yüsuf an-Na^^äs, Sigat fu'äl laisat gam'an, zuerst erschie¬
nen in ar-Risäla al-Mvhaüi^ya, Dair al-Muhallis bei Saida (Libanon) 14
(1947) S. 469—472, 529—532, 615—618, dann selbständig gedruckt 1947
in Iskandariya ( ?).
* Nöldeke hat sich in dieser Hinsicht skeptisch geäußert (BsS S. 33).
* S. Fraenkel, Die aramäischen Fremdwörter im Arabischen, Leiden 1886,
nennt folgende Wörter der Form fu'äl oder fu"äl (Intensivform von fu'Ol
im klassischen Arabisch), welche Fremdwörter sind, oder welche zumindest
verdächtig sind, Fremdwörter zu sein: tuhbän ,, Hosenträger" (55), tuffäh
„Apfel" (140), gummär „Mark" (146), ^umän ,, Perle" (59), huwän ,,Eßunter- lage" (83), dukkän „Laden" (188), rummän „Granatapfel" (142), zugä^
„Glas" (64), sulläq „Auferstehungsfest" (277), sumär „Binsenart" (219), aummäq „bestimmte Fmcht" (143), sunnär „Kätzchen" (112), qudäs ,, Perle"
(57), quffäz „Handschuh" (55), kuddäs „Haufe" (135), kurrät „Lauch" (144), kurräsa „Papierlage" (251), kulläb „Zange" (87), kuwwära „Bienenstock"
(125), nuhäs „Kupfer" (152), nuftär „Vogelscheuche" (1.38).
^ Der Ausdmck stammt von Babth.
■•Vgl. auch die im modemen Hocharabisch geläufige Aussprache wuzära
für vnzära „Ministeritun". ' Wiesbaden 1957ff.
' S. zuletzt des Verf. Diss. Das Kitäb al-^m des Abü 'Amr aS-Saibänl. Ein
Beitrag zur arabischen Lexikographie, München 1968, S. 78—85.
Die Nominalform fu'äl im klassischen Arabisch 45
Skepsis sollte aber auch nicht übertrieben werden*. Unzuverlässig ist die
nationalarabische Lexikographie vor allem dort, wo es sich um ausgefal¬
lene Wörter handelt, deren Bedeutung die Lexikographen selbst nicht
kannten; das aber trifft bei dem hier behandelten Thema zum größten
Teil nicht zu. Ich räume ein, daß es wünschenswert gewesen wäre, mehr
Textbelege zur Verfügung zu haben, glaube aber nicht, daß diese das
Bild verändert hätten.
II.
1. Die Untersuchung beginnt mit Nomina der Form fu'äl, welche Ab¬
fälle bezeichnen.
Ich gebe zunächst eine Liste mit handwerklichen Tätigkeiten und
ihren entsprechenden Abfällen.
Tätigkeit Abfall
„auspressen" 'asara
'MÄär(a)
„behauen" ndhata nuhäta
,j barä
burä', bur äya
,, entrinden" qaSara qusära
„feilen" baroda buräda
)» sahala
suhäla {— hu^säla, Metathesis)
„hobeln" na^ara nu^ära
,, kämmen" ^araSa ^uräSa
„ maSata muSäta
>> maSaqa muSäqa
„kehren" qamma qumäma
Jl kasaha kusäha
9t kanasa kunäsa
„sägen" va&ara nuMra
„sieben" qata'a qutä'a
9> nahala nuhäla
)> nasafa nusäfa
„schneiden" ^azza guzäza
ty hadafa hudäfa
tt qahafa quhäfa
It qassa qusäsa
tt qadaba qudäba
tt qarada quräda
tt qatafa qufäfa
tt qalama quläma
tt qära quwära
1 Vgl. M. ULiiMANNT in ZDMQ 117 (1967) S. 184 unten.
k.
46 Webneb Dtem
, ,trennen '' qasala qusäla
(d. Weizen von der Spreu)
,, maza'a muzä'a
(Baumwolle, Fleisch)
„(zer)brechen" jadda ^vdäda
,, fatta futät
„ fadda fudäda
„ kasara kusär{a)
„ nakata nukäta
Wie die /u'äZ-Bildungen im Deutschen wiedergegeben werden, ist eine
Frage der Ausdrucksweise, nu^ära beispielsweise sind die ,, Hobelspäne",
kunäsa, kusäha und qumäma der ,,Kehrricht". Die /«'äZ-Bildungen zu
den Verben der Bedeutung ,,(zer)brechen" und ,, schneiden" können je
nach Zusammenhang mit „Bruchstück", ,, Splitter", „Scherbe", „Schnip¬
sel", ,, Abscimitt", ,, Verschnitt" u.ä. übersetzt werden usw.
Von Interesse ist die Ausdrucksweise der nationalarabischen Lexiko¬
graphen, wenn sie Wörter der Form fu'äl erklären. Ihre Erklärungen
haben häufig die Form, die das folgende Beispiel aufweist: wa-l-kusäratu
un-l-kusäru: mä takassara mina S-Sai' {Lisän al-'arab, Beirut 1955
1956, 5, 139a, —1). kusära ist also das, was von einem Ding abgebrochen
wurde. Aus dieser und den zahheichen analogen Erklärungen geht her¬
vor, daß fu'äl nicht eigentlich minderwertige Abfälle bezeichnet*; erst
durch die spezifischen Zielsetzungen der betreflFenden Tätigkeiten be¬
kommen die von fu'äl bezeichneten Dinge Abfallcharakter: Tätigkeiten
wie ,, feilen", ,, hobeln", ,, kämmen" und ,, sieben" richten sich auf eine
Veränderung des Objektes der Handlung (Holz*, Haare, Körner) und
von dieser Absicht her ist das, was abgehobelt, ausgekämmt und aus¬
gesiebt ist, ein Abfallprodukt.
Auf grammatischer Ebene fällt auf, daß zu jedem Wort der Form
fu'äl ein transitives Verbum im Grundstamm vorhanden ist; fu'äl ist
also eine morphologische Kategorie. In Verbindung mit der eben er¬
wähnten Tatsache, daß die Nominalform an sich nicht eigentlich Abfälle
bezeichnet, läßt das nur den Schluß zu, daß es sich bei /w'äZ ursprünglich
um ein passives Verbaladjektiv zum Grundstamm handelt*.
* Vgl. auch den Titel d. Buches Qurädat ad-dahab fl naqd a&'är al-'arab
von b. RAäiQ (GAL I 307, 8 I 540).
2 Von der Möglichkeit, daß jemand ein Brett abhobelt, um Hobelspäne
zu erzeugen, kann hier abgesehen werden.
' Eine solche Vermutung in Bezug auf nusäfa und nusära bereits bei
Fbaenkel, Aramäische Fremdwörter S. 290: ,,Die Form scheint passivische
Bedeutung zu haben".
Die Nominalform fu'äl im klassischen Arabisch 47
Der reine Passivcharakter ist vielfach noch deutlich greifbar; man
vergleiche folgende Wörter nach fu'äl, denen zum Teil passive Partizi¬
pien der Form faHl in gleicher Bedeutung zur Seite stehen :
hutäm „zerbrochen" hukäk „zerrieben"
rufät „ duqäq, daqiqi
futät, fatit fudäd, fadid
Sowohl fu'äi als auch fa
rudäl, radil „erniedrigt"
rukäm „angehäuft"
Hl kommen außerdem ohne Bedeutungsunter¬
schied nebeneinander vor in
tumäla, tamila „Rest", wozu kein passendes Verb genannt wird,
^uräma^, ^arim „gepflückte Datteln" zu ^arama „pflücken", huläqa, haliq „abgeschorene Wolle" zu halaqa „scheren",
§uräma, §arim Bez. der gepflückten Datteln zu §arama ,, abpflücken, ab¬
schneiden",
ztUäma, zalima „was mit (Jewalt (zulm) weggenommen wurde" zu
zalama „Unrecht antun",
nusäl, nasil Bez. der Federn, welche beim Rupfen oder Mausem {nasala) \
abfaUen,
nufä'a, nafi'a „Nutzen", i
nufäya, nafiy (u.a.) Bez. des Restes, der weggeworfen wird, zu nafä
„wegwerfen".
Man vergleiche ferner folgende substantivierte Wörter der Form fu'äl,
welche keine Abfälle bezeichnen :
v^Säha , .Menge, Gemenge" zu uSoIki „mischen",
turät (u.a.) „Erbe" zu uxiHta „vererben" bzw. „ererben", hubäsa „Beute" zu habasa „packen",
jummä' ,, Schar" zu jama'a ,, versammeln",
Subbäk^ „Geflecht", „Fenster" zu Sabaka „flechten",
'u^äla Bez. des Essens, das man schnell zurechtmacht oder schnell ißt,
zu 'agila bi- ,,schneU her beibringen",
nufäda Bez. der von den Bäumen geschüttelten Blätter, welche aufge¬
lesen werden, zu naf ada ,, schütteln",
huddäb „Fransen; bestimmte blattlose Äste" {LA 1, 780b, Iff.; 781a,
4 fif.) zu hadaba, welches wahrscheinlich die Grundbedeutung „lang¬
ziehen" hat*.
1 duqäq, daqlq und rudäl, radil können auch als intransitive Verbaladjek¬
tive zu daqqa „fein sein" und radula „niedrig sein" gestellt werden. Vgl. II. 2
und V.
2 Über die (Um-7)Interpretation von guräma als Ahfall siehe unten S. 49.
» Das Wort ist laut Fraenkel S. 13 Fn. 2 echt arabisch.
* LA l, 781b, 14f. ist hadaba in der Bedeutung „melken" belegt, das als
„Langziehen" der Zitzen aufgefaßt werden könnte.
48 Werner Diem
Das oben mehrmals genannte fu"äl ist die Intensivform von fu'äl.
Bei den oben gegebenen Beispielen besteht kein Unterschied zwischen
fu'äl und fa'il. Zum Teil treten beide Formen in gleicher Bedeutung
nebeneinander auf, und dort, wo — wie bei den zuletzt genannten Bei¬
spielen — nur eine Ableitung nach fu'äl existiert, ließ sich zumindest
kein typischer AbfaUcharakter feststellen. Man beachte auch, daß dem
Wort hubäsa ,, Beute" immerhin die nach fa'il gebildeten Wörter ahida
und ganima in gleicher Bedeutung zur Seite stehen.
An einem bestimmten Punkt der Sprachgeschichte müssen also die
beiden Passiva fa'il und fu'äl nebst dem im klassischen Arabisch regel¬
mäßig bildbaren passiven Partizip maf'ül (< fa'ül^) in Bedeutung und
Funktion austauschbar gewesen sein. Die Formen zeigen jedoch die
Tendenz, sich dahingehend zu differenzieren, daß fa'il dem durch die
Handlung intendierten Produkt und fu'äl dem nichtintendierten Neben¬
produkt zugeordnet werden ; dabei neigt ähnlich wie fu'äl auch fa'il dazu,
substantiviert zu werden, während maf'ül das regelmäßig ableitbare
Passivpartizip bleibt. Das bedeutet natürlich nicht, daß jedes fa'il ein
erwünschtes Resultat bezeichnet, aber im aUgemeinen kann man sicher
sein, daß bei Handlungen, welche auf ein bestimmtes Ziel gerichtet sind,
ein unter Umständen vorhandenes fa'il das erwünschte Resultat und
fu'äl das unbeabsichtigte, aber im Verlauf der Handlung notwendig
entstehende Nebenprodukt bezeichnet. Beispiele für fu'äl wurden oben
bei den handwerklichen Tätigkeiten bereits gegeben; Beispiele für fa'U
sind ha^id ,, Ernte" zu hasada „m&hen",tabih ,, Essen" zu tabaha „kochen", tahin „Mehl" zu tahami ,, mahlen", 'ajin ,,Teig" zu 'ajana „kneten", barim ,, Schnur" zur barama , .drehen" (Faser), asir ,, Gefangener" zu asara ,, binden"; auch das ,, Ergebnis" selbst hat die Form fa'il: natija.
Diese funktioneUe Differenzierung kann aUerdings nicht von jedem
der bisher genaimten Verben ausgegangen sein. Denn wenn fu'äl ur¬
sprünglich ein passives Verbaladjektiv gewesen sein soU, müssen die im
klassischen Arabisch substantiviert vorliegenden /«'öi-Bildungen einmal
ein — zumindest subinteUigiertes — Leitwort gehabt haben, welches
zum betreflFenden Verb ganz konkret als Akkusativobjekt konstruiert
werden konnte; das aber ist bei einigen Wörtern der Form fu'äl nicht
möglich, gusäla und ruhäda ,, Spülicht, Waschwasser" können unter gar
keinen Umständen zu irgend einem Zeitpunkt als Akkusativobjekt zu
gasala und rahada „waschen" konstruiert worden sein, was zu fordern
wäre, wenn sie als echte, regelmäßig abgeleitete passive Verbaladjektive
aufgefaßt werden sollen. Die Differenzierung von fu'äl und fa'il muß
also von solchen Verben ausgegangen sein, welche wie qamma, kasaha
1 Vgl. GvG 1 S. 358.
Die Nominalform fu'äl im klassiaclien Arabiscli 49
und kanasa „kehren" mit zwei verschiedenen Objekten konstruiert wer¬
den können : entweder mit dem Ding, das gesäubert werden soll (Haus,
Boden) oder mit dem Ding, das entfemt werden soll (Abfall)*. Die in diesen
und anderen Fällen mögliche Differenzierung konnte dann verallgemei¬
nert werden*, so daß Ableitungen der Form ju'äl nun auch dort gebildet
werden konnten, wo sie — wie im Fall von gusäla und ruhäda — nicht
mehr ohne weiteres als passives Verbaladjektiv aufgefaßt werden kön¬
nen. Wörter wie gusäla und ruhäda sind also besonders instruktiv, weil
sie den Übergang von fu'äl als morphologisch bestimmter Kategorie
eines passiven Verbaladjektivs in die sachliche Kategorie der Bezeich¬
nungen von Abfällen veranschaulichen.
Von der Verselbständigung von fu'äl als Kategorie der Abfalle legt
auch jurärna Zeugnis ab. Das Wort bezeichnet nach Angaben der Lexiko¬
graphen dasselbe wie garim, nämlich die abgeschnittenen Datteln o.ä.
(siehe oben); andere, darunter Abü H.^nifa', sehen jedoch in juräma
eine Bezeichnung derjenigen Datteln, welche beim Ernten zu Boden
fallen oder als minderwertig an der Palme gelassen werden. In letzterer
Bedeutung wäre juräma also gerade das, was nicht abgeschnitten
(jarama) wird, d.h. woran die Handlung, welche die Wurzel zur Bezeich¬
nung liefert, nicht ausgeübt wird. Die Bildung von juräma in dieser
Bedeutung ist deshalb möglich, weil auf sachlicher Ebene zwischen den
gepflückten und ungepflückten Datteln dasselbe Verhältnis besteht wie
etwa zwischen dem befeilten Eisen und den abgefeilten Feilspänen, wo
sowohl das beabsichtigte wie das unbeabsichtigte Resultat durch die
Handlung gekennzeichnet sind.
Eine interessante Kreuzung ist luqät{a). Das Wort bezeichnet die
Datteln oder Ähren, welche bei der Ernte zu Boden fallen und später
mit der Hand aufgelesen {laqata) werden. Es handelt sich also um etwas,
was zunächst Abfallcharakter hat, und dementsprechend liefert fu'äl
die Nominalform. Da dieser Abfall aber weiterverwendet wird, ist es
möglich, daß die Wurzel nicht von dem Verbum, das die Ernte bezeich¬
net*, sondern von dem, das die Weiterverwendung bezeichnet, genom¬
men wird.
1 Vgl. die Wörterbücher s. rr.
2 Den arabischen Grammatikem gilt fu'äl als die Nominalform der Ab¬
fälle schlechthin. Vgl. Sib., Büläq 1316-^17, II 217, — 6f. und B. Fäbis,
Sähibi, ed. Mustafä aS-SuwaimI, Beirut 1964, S. 224.
3 Kitäb an-näbät, ed. B. Lewin, Uppsala-Wiesbaden 1953, S. 97 Nrr. 205
und 206.
* Also etwa *husäd zu hasada „ernten" und lui^ld , .Ernte" wie guräma
(s. oben) zu §arama „abschneiden, abpflücken" und ^arlm „gepflückte
Datteln".
4 ZDMGI20/I
50 Wbrnbb Diem
Warum die Differenzierung von fu'äl und fa'il so und nicht anders
verhef, kann nicht geklärt werden; auf jeden FaU handelt es sich um
eine Entwicklung, die nicht auf das Arabische beschränkt ist. sondem
gemeinsemitischen Charakter hat*.
Für das klassische Arabisch steUt man also folgende Entwicklung
fest: 1. fu'äl und fa'il waren passive Partizipien zum Grundstamm, mit
denen keine besondere WertvorsteUung verknüpft war. 2. Die beiden
Nominalformen differenzierten sich über solche Verben, welche zwei
verschiedene Objekte haben können, dahingehend, daß fu'äi das unbe¬
absichtigte Nebenprodukt der Handlung bezeichnet. Die Konstituierung
von fu'äl als Nominalform der Nebenprodukte erlaubt es nun, auch von
solchen Verben Ableitungen nach fu'äl zu bilden, welche nicht mehr als
passive Verbaladjektiva gewertet werden köimen. fu'äl selbst ist auf
dieser Stufe als das negative Glied einer sachlichen Opposition zwischen
erwünschtem Resultat und Nebenprodukt bestimmt. 3. Schheßlich ver¬
selbständigt sich fu'äl so sehr, daß nun überhaupt aUes, was AbfaU¬
charakter hat, damit bezeichnet werden kann; es ist nicht mehr not¬
wendig, daß dem AbfaU als komplementäres Gegenstück ein erwünsch¬
tes Resultat gegenübersteht.
Beispiele für diese letzte Stufe sind :
qulä'a ,, Stein, Erdklumpen, der weggenommen wird (wurde)" zu qala'a
,,von seinem Platz wegnehmen",
§ubäba ,,Rest Flüssigkeit im Glas (der weggeschüttet wird)" zu aabba
„wegschütten",
hu^Sära (= hutära) „übriggelassenes (und deshalb) minderwertiges Essen"
zu haSara ,, übriglassen",
mudäga ,, Zerkautes" zu madaga ,, kauen".
Zu intransitiven Verben sind suqät{a) , .Abfall" und fudäla ,,Rest"
gebUdet ; fudäla ist der negativ zu bewertende Rest ; das positive Gegen¬
stück fadila hat eine semantische Entwicklung bis „Vortreflfhchkeit"
durchgemacht, wobei das Übriggebliebene als etwas besonders Wider¬
standsfähiges und damit Hervorragendes aufgefaßt wurde*.
Man beachte aber stets, daß die Verteilung von fa'il und fu'äl auf
positive und negative Begriffe nicht ohne Gegenbeispiele ist. h.ulä§a
„Extrakt" zu haiasa ,,rein, lauter werden; sich klären" und nuqäya
{nuqäwa, nuqä') , .Auslese, Bestes" zu naqiya ,, sauber werden; von min-
* Beispiele für fu'äl aus anderen semitischen Sprachen bei Nöldeke und
Bbockelmann (vgl. Abschnitt I).
• Vgl. zum parallelen fadl A. Spitaleb, Was bedeutet baqlja im KoranJ,
Westöstliche Abhandlungen, Rudolf Tschudi zum siebzigsten Geburtstag
überreicht von Freunden und Schülern, herausgegeben von F. Meieb, Wiesbaden 1954, S. 138 f.
Die Nominalform fu'äl im klassischen Arabisch 51
derwertigen Bestandteilen frei werden*" haben eine ausgesprochen po¬
sitive Wertung, die im übrigen den Lexikographen Kopfzerbrechen
machte*; dasselbe gilt von musäsa ,,was man heraussaugt" {ma§§a),
welches die übertragene Bedeutung „Elite", hat«. Vgl. ferner taliya imd
tulävaa „Schuldenrest" zu taliya „übrigbleiben".
Andererseits ist das nach jaHl gebildete baqiya ohne weiteres auch der
minderwertige Rest*. Vgl. ferner tank(a) als Bezeichnung der Wein¬
traube und des Dattelbüschels, wenn die Früchte abgegessen sind (LA
10, 406a, — 3flF.). Die Beispiele zeigen, daß die Polarisierung von fu'äl
und fa'il im klassischen Arabisch keineswegs vollständig durchgeführt
ist.
Eine Gruppe sui generis büden einige Wörter auf fu'äl, welche den
Ertrag einer Tätigkeit bezeichnen:
buSära (auch biSära) ,,Greschenk, das man beim Uberbringen einer guten
Botschaft (baSSara bi-) erhält",
juzära , .Anteil dessen, der ein Tier schlachtet und zerlegt {jazara)", 'umäla (auch 'imäla, 'amäla u.a.) „Arbeitslohn",
furäta „Bezeichnung eines Gewässers, das mehreren Stämmen gemein¬
sam gehört und auf das derjenige das Recht hat, der zuerst dort
ist" {LA 7, 367a, 12ff.) zu farata ,,als erster ankommen",
qusäma „Anteil dessen, der ein Kapital als Vermittler unter einigen Par¬
teien aufteilt [qasama)".
In allen fünf Fällen bezeichnet fu'äl kemeswegs einen Abfall ; man kann
jedoch annehmen, daß die Verwendung von fu'äl von dieser Vorstellung
mitbestimmt ist. Der Ertrag ist für den Empfänger das, was für ihn „bei
der Sache abfällt". Bei guzära und qusäma kommt hinzu, daß der Anteil
ganz konkret als vom Tier oder vom Kapital ..abfallend" aufgefaßt
werden kann. Diese Vorstellung scheint auch den Grammatikern vorge¬
schwebt zu haben*.
Mit fa'il, fu'äl und maf'ül verfügt das klassische Arabisch über die
Möglichkeit, mit morphologischen Mittehi Sachverhalte auszudrücken,
bei denen andere Sprachen lexikalisch differenzieren müssen oder zur
Umschreibung gezwimgen sind. Es handelt sich im Prinzip darum, daß
1 In nuqäya {nuqäwa, nuqä') mag auch intaqä „(als Bestes) auswählen"
mit anklingen.
« Vgl. Sihäh VI 2514b, 5ff. = LA 15, 338b, —Iff.-.nuqäwaiu S-Sai'i hiyä-
ruhü wa-kadälika n-nuqäyatu . .. ka'annahü buniya 'alä diddihl wa-huwa
n-nufäyatu li-anna fu'älatan ta'tl katiran flmä yasqutu min fadlati S-Sai'i.
» Diese Bedeutungsübertragung ist wohl dadurch bedmgt, daß in der
Regel das Mark, welches besonders wertvoll ist, herausgesaugt wud.
* Vgl. A. Spitaler a.a.O.
» Ibk SIda, Muh. XIV S. 136, bezeichnet 'umäla „Lohn" und hubäsa
„Beute" als übertragen.
*•
62 Wbrnbb Diem
in jeder Sprache alles gemeint* werden kann, daß aber die einzelnen
Sprachen darin differieren, wie sie es bewerkstelligen, das Gemeinte zum
Ausdruck zu bringen*. Im Deutschen wü"d man sich bei der Übersetzung
von /«'äi-Bildungen oft mit zusammengesetzten Verben (ver-, zer-, weg-,
aus-) behelfen können; in anderen Fällen ist man gezwungen, ein vom
betreffenden Grundverbum ganz verschiedenes Wort zu wählen.
2. Wir kommen nunmehr zu fu'äl als Nominalform der Körperaus¬
scheidungen. Ich gebe zunächst wieder Beispiele:
la'aba „speien" lu'äb ,, Speichel"*
basaqa „ busäq „
bazaqa „ buzäq ,,
tafala „ tufäl „
nafata „ nufäta „
lagama „ lugäm ,,
rawwala ,, ruwäl „
mahala ,, herausziehen" viuhät ,,Rotz"
Tiahima, ,,sich schneuzen" nuhänm ,,
magga ,, ausspucken" mujäg ,, Ausgespucktes"
salaha ,, Exkremente suläh ,, Exkrement"
ausscheiden"
Auch die Erklärung von fu'äl, das Körperausscheidungen bezeichnet,
als passives Verbaladjektiv ist unproblematisch. Man hat sich höchstens
zu fragen, warum neben fu'äl kaum fa'il vorkommt. Wahrscheinlich ist
dies durch den Einfluß der Bezeichnungen für Abfalle bedingt, für die
fu'äl die typische Nominalform geworden ist.
Im übrigen kommen zumindest einmal beide Nominalformen neben¬
einander vor in dunän, danin ,,Rotz"; beide Wörter sind allerdings von
einem intransitiven Verb abgeleitet: danna bedeutet ,, fließen". Aber
auch das ruwäl ,, Speichel" zugrundeliegende Wort dürfte diese Bedeu¬
tung haben ; das Verb ist zwar im Grundstamm* in finiten Formen nicht
belegt, aber es existiert der Ausdruck ruuxil rä'il ,, starker Speichelfluß",
in dem räHl nach dem Muster analoger Ausdrücke (lail lä'il ,, lange und
^ Zum Begriff des „Gemeinton" vgl. E. Koschmiedeb, Zur Bestimmung
der Funktionen grammatischer Kategorien, in: Beiträge zur allgemeinen Syn¬
tax, Heidelberg 1965, S. 19ff. und öfter.
^ Vgl. R. Jakobson, On Linguistic Aspects of Translation, in: On Trans¬
lation, ed. R. A. Bbower, Harvard Studies in Comparative Literature Vol.
23, Cambridge-Mass. 1959, S. 232ff.
' Die Lexikographen machon bei den folgenden Bezeichnungen dos Spei¬
chels Bedeutungsunterschiede, die für uns unerheblich sind.
* Der Doppelungsstamm rauncala ist denominativ von ruwäl gebildet.
Die Nominalform fu'äl im klasBischen Arabisch 53
dunkle Nacht" u.a.)* als „fließend" oder „rinnend" interpretiert werden
muß. Die Tatsache, daß hier zwei intransitive /«'öZ-Bildungen vorliegen,
soll an dieser Stelle noch nicht näher behandelt werden ; ich möchte vor¬
erst nur darauf hinweisen, daß ähnliches bereits begegnet ist: fudäla
Rest" zu fadila ,, übrigbleiben" u.a.; eine systematische Erörterung
siehe Abschnitt V. —
Nur fa'il liegt vor in raSih „Schweiß" zu raSaha {'araqan) „(aus)-
schwitzen".
In die gleiche Kategorie des effizierten Objektes gehören auch buhär
,, Dampf", duhän und 'utän ,, Rauch"; die zugrundeliegenden Verben
bedeuten „rauchen, schwelen" (Feuer u.a.).
3 fu<^äl als Nominalform der Laute und Geräusche bestätigt eben¬
falls die oben (II. 1.) gewonnene Erkenntnis, daß fu'äi ein ursprünglich
mit fa'il austauschbares passives Verbaladjektiv ist. Denn beide Nomi¬
nalformen treten sehr häufig nebeneinander auf, ohne daß ein Unter¬
schied in Bedeutung und Gebrauch feststellbar wäre. Auch die Lexiko¬
graphen und Grammatiker, die normalerweise eher zu viel als zu wenig
Wert auf Bedeutungsnuancen legen, behandeln die beiden Nominalfor¬
men bei den Lauten als gleichwertig*.
Mir sind folgende fa'il-fu'äl-Fa&re zu Lauten bekannt (bei Tierlauten
gebe ich statt der Bedeutung in Klammern das Tier an, um umständliche
Übersetzungen zu vermeiden) :
anin, unän ..Stöhnen"; zahir, zuhär ,, Seufzen"; sahil, suhäl (Esel) Sahij, Suhäj (Esel, Maultier, Rabe); Sahiq, Suhäq dass.; sarih, suräh „Schrei";
?ahil, suhäl (Pferd) ; dajij, du jäj „Lärm" ; daglb, dugäb (Hase, Wolf) ; tahir,
tuhär ,, Seufzen, Schluchzen"; qalih, quläh (Kamelhengst); nabih, nubäh
(Hund); na'ib, nu'äb (Rabe); nahü, nuhät „Schrei" ; TuiÄtg, nuhäq (Esel).
Manchmal tritt nur fa'il oder fu'äl auf:
aziz und naSiS ,, Geräusch des kochenden Wassers", aarif ,, Knirschen", galü ,, Schnarchen", faUh ,, Pfeifen", katit und kaSiS (Schlange), hadir
(Kamelhengst, Taube), hirir (Hund) gegen tugä' (Schaf Ziege), liuwär
(Rmd), rugä' (Huftiere), amjäh^ „Schrei", 'uwa' (Hund, Wolf), huiäf
,, Geschrei", hurä' „Geschwätz".
Die Verteilung auf fa'il und fu'äl hat, wie die Beispiele zeigen, keine
innere Gesetzmäßigkeit, sondern ist ganz zufällig*; für die Untersuchung
ergeben sich aus ihr keine Konsequenzen.
1 Vgl. auch RECKErfDOBF, Paronomasie S. 91f. § 20, 2.
2 Sib. II 218, 12; b. Ya'II, Kairo o.J., VI 46, lf. zu Muf. 97, 5.
' Daneben siyäh, das aus auyäh durch Assimilation des u an das y ent¬
standen sein dürfte (vgl. Nöldeke in BaS S. 33).
« Auch die Belegsituation mag daran schuld sein, daß zum Teil nur fu'äl
oder fa'il bekannt ist.
64 Werner Diem
Den Schlüssel zum Verständnis dafür, daß Laute mit passiven Verbal¬
adjektiven bezeichnet werden können, liefern die zugrundeliegenden
Verben; diese sind intransitiv*, m.a.W. sie können kein je nach Zusam¬
menhang wechselndes Objekt nach sich haben, von dem ausgesagt wer¬
den soll, daß die Handlung an ihm vollzogen wird*. Die Verben drücken
vielmehr das Hervorbringen von Lauten und Geräuschen aus, das sach¬
liche Objekt liegt gewissermaßen im Verb; Laute und Geräusche sind
die Resultate der betreffenden lautproduzierenden Handlungen. Nur
auf diese impliziten Objekte können sich mangels äußerer Objekte die
passiven Partizipien zurückbeziehen ; nur von dem Laut oder Geräusch,
dessen Hervorbringen das Verb ausdrückt, kann mit dem entsprechen¬
den passiven Partizip ausgesagt werden, er sei hervorgebracht. Es leuch¬
tet deshalb ein, daß das passive Partizip den Laut — und nur diesen —
bezeichnet. Im Prinzip liegt die nämhche Situation wie bei den Körper¬
ausscheidungen vor.
Zwei weitere Nomina der Form fu'äl, welche meist zu den Krankhei¬
ten auf fu'äl gezählt werden, ihrer Bildungsweise nach aber unbedingt
zu den Lauten gerechnet werden müssen*, sind su'äl ,, Husten" {sa'ala)
und 'utäs ,,Nießen" {'atasa). Auch diese beiden Nomina sind ohne wei¬
teres mit der oben angewandten Systematik vereinbar.
Eine kompliziertere Situation besteht bei bestimmten Verben, die
wahlweise mit oder ohne Akkusativ der Person konstruiert werden kön¬
nen : sa'ala, da'ä, näha, bakä. Ohne persönliches Objekt drücken die ge¬
nannten Verben wie die oben behandelten das reine Hervorbringen von
Lauten aus: sa'ala ,, fragen, eine Frage stellen", da'ä ,, einen Ruf aus¬
stoßen", näha ,, klagen", bakä ,, weinen"; die davon gebUdeten fu'äl- Nomina su'äl ,, Frage", du'ä' „Ruf", nuwäh ,, Klage" und bukä' , .Trä¬
nen" sind die durch die betreffenden Handlungen effizierten Ergebnisse.
Sobald diese /«'äi-Nomina aber einmal den jeweihgen Verben als Infini¬
tive zugeordnet waren, behielten sie diese Eigenschaften auch dann,
wenn diese mit einem persönlichen Objekt konstruiert werden, wo fu'äl
als passives Verbaladjektiv Ln dieser Bedeutung an sich unberechtigt
wäre*: sa'ala ,,jdn. fragen", da'ä ,,jdn. rufen", -näha ,,jdn. beklagen", bakä ,,jdn. beweinen".
* Bis auf §arafa ,,Iaxirsohen", das mit dem Akkusativ oder hi- (Zähne) konstruiert wird.
2 Der bei dem modernen arabischen Schriftsteller MäzinI im Roman
Ibrähim al-kätib, K. 1350/1931, S. 23, 6 belegte Ausdruck fa-harrathumä
l-kiläbu „da knurrten sie die Hunde an" hat eine auch für das moderne
Hocharabisch imgewöhnliche Konstruktion.
* Weil die zu den Krankheiten auf fu'äl gehörenden Verben passiv sind
(vgl. unten III).
* WeU sich ein passives Verbaladjektiv auf das Objekt beziehen müßte.
Die Nominalform fu'äl im klassischen Arabisch 55
Eine ähnliche Übertragung findet sich bei du'äb und muzäh „Scherz",
„Pläsanterie" ; diese gehören einerseits zu den intransitiven Verben
da'aba und mazaha „scherzhafte Reden führen", wozu du'äi) und muzäh
ohne weiteres gebildet werden konnten; andererseits werden du'äb und
muzäh zu dem mit dem Akkusativ der Person konstruierten dä'aba und
mäzaha „mit jdm. scherzen" gezogen, wobei sie neben sich die an sich
berechtigten Infinitive mudä'aba und mizäh haben. Auch zu tiädä „jdm.
zurufen" wird neben dem zu erwartenden Infinitiv nidä' ein nudä'
genannt*.
4. Eine den intransitiven Lauten analoge Situation besteht bei den
Verben, welche Bewegungen bezeichnen. Auch hier treten sowohl
fa'il als auch fu'äl auf; beide Nominalformen werden ebenfalls als Infi,
nitive verwendet.
An Beispielen sind zu nennen :
qumäs, nuzä' „Sprung"; Suräd „Flucht"; hurä' „Eile"; hu§ä^ „schneller Lauf"; dabib „Kriechen", damil „Dahinschreiten" (Kamel); rahil „Rei¬
sen"; rasim „Galoppieren"*; wajif „Eilen," „Schlagen" (Herz); wami4
„Aufleuchten" (Blitz).
/a'iZ-/M'äZ-Paare sind mir nicht bekaimt.
III.
Die arabischen Philologen ordnen den Krankheiten zwei Nominal¬
formen zu: fu'äl und fa'al, wobei ihnen fu'äl als die typischere gilt*.
Tatsächlich hat fu'äl als Krankheitsbezeichnung fa'al an Produktivität
überflügelt.
Den Krankheitsbezeichnungen auf fa'al entspricht regelmäßig ein
intransitives Verbum der Form fa'ila, so daß es sich bei fa'al um nichts
anderes als den zu erwartenden Infinitiv handelt. Musterbeispiel dafür
ist der Name der Krankheit selbst: marod „Krankheit" zu marida „er
wurde krank". Weitere Beispiele für Krankheiten der Form fa'ila-fa'al
finden sich bei Sibawaih II S. 219, femer bei b. Sida, Muh. V S. 64ff.
(abwäb al-amräd) passim.
1 Wobei nach der Formulierung von LA 15, 315b, 17 uxi-n-nidä'u uxi-n-
nudä'u : f-^autu mitlu d-du'ä'i wa-r-rugä' offen bleibt, ob nudä' nur der Laut
an sich ist, oder ob es auch als Infinitiv verwendet wird. Eine Kdärung kann
nur von Textbelegen erwartet werden.
» Die Grundbedeutung ist „(beim schnellen Lauf) auf dem Boden Spuren
hinterlassen".
3 Vgl. SiB. II 216, —4; 217, 2; vgl. auch A?ma'I in LA 9, 165b, — 9£f.
s.r. 8wf.
56 Werner Diem
Den Krankheiten auf fu'äl entspricht ein von der gleichen Wurzel
gebildetes Verb im Passiv, welches ausdrückt, daß jemand die Krank¬
heit bekam (bekommt); meistens wird dazu noch das passive Partizip
des Grundstammes maf'ül genannt, welches bedeutet, daß jemand im
Zustand der Krankheit ist. Die Krankheiten selbst werden als etwas
Dingliches aufgefaßt, we aus der Ausdrucksweise der Lexikographen
hervorgeht. Stehende Ausdrücke sind: ,,die Krankheit packte ihn"
(ahadahü), ,, ergriff ihn" {a§äbahü), , .befindet sich bei ihm" {ad-dä'u bihi).
Diese Feststellung gilt nicht nur für die Krankheitsbezeichnungen der
Form fu'äi, sondern auch die der Form fa'al.
Der Unterschied zwischen fa'al und fu'äl ist also in erster Linie mor¬
phologischer Art, insofern als fa'al einem fa'ila und fu'äl einem fü'ila
zugeordnet ist. Wenn man nun noeh bedenkt, daß im Arabischen ein
zum aktiven Verbum gebildeter Infinitiv fa'äl vorkommt, der im He¬
bräischen und im Akkadischen die Regel ist, kann man nicht umhin,
fu'äl mit NöLDEKB* als passiven Infinitiv aufzufassen.
Die Sachlage ist allerdings insofem komplizierter, als die Krankheiten
der Form fu'ila-fu'äl außerordentlich häufig von aktiven Verben abge¬
leitet sind, als deren Passiva sie nicht ohne weiteres aufgefaßt werden
können: judima, majdüm, judäm heißt ,, Lepra bekommen, haben",
gehört aber etymologisch gesehen zu jadama ..abhauen", einem Wort,
das mit der Lepra an sich nichts zu tun hat. Der sachliche Zusammen¬
hang besteht darin, daß die Lepra die Glieder abfallen läßt. Daß es sich
um eine echte selbständige Ableitung und nicht einfach um das Passiv
von gadama handelt, geht daraus hervor, daß judima ..er bekam die
Lepra" nicht mit judima „er wurde abgehauen" gleichgesetzt werden
kann; ebensowenig kann aber auch judäm ..Lepra (bekommen)" als
passiver Infinitiv zu jadama ..abhauen" aufgefaßt werden.
Die Regel, daß fu'ila-fu'äl zur Bezeichnung von Krankheiten von
Wurzeln mit allgemeinerer Bedeutung abgeleitet sind, kennt nur wenige
Ausnahmen. An Krankheitsnamen der Form fu'äl, die sich mit den
Mitteln des Arabischen nicht etymologisieren lassen, sind mir bekannt:
butäh „fiebrige Krankheit", humäl ,. Gelenkkrankheit", suwäf (auch
sawäf) ..bestimmte Krankheit, die zum Tode führt", qumäh ..Krankheit,
bei der die Kamele nicht trinken wollen" und kusäh „Knochenkrank¬
heit"*. Selbst wenn noch einige ähnliche Fälle hinzukämen, würde das
Verhältnis von ableitbaren und nichtableitbaren Krankheitsbezeich¬
nungen der Form fu'ila-fu'äl kaum gestört werden.
» In BaS S. 31 unten.
* Mit kaaaha „kehren" wird man kusäh kaum in Zusammenhang bringen
wollen.
Die Nominalform fu'iVl im klassischen Aiabisch 57
Die Krankheitsbezeichmmgen müssen nicht mibedingt von Verben
abgeleitet sein; es können auch Substantiva zugrundeliegen. Manchmal
ist sogar nicht zu entscheiden, ob ein Verb oder ein Substantiv vom
gleichen Stamm die Wurzel für die Krankheitsbezeichnung auf fu'äl
geliefert hat. Um emen Überblick zu ermöglichen, gebe ich die mir be¬
kannten Krankheitsnamen der Form fu'äl in drei Gruppen geordnet,
je nachdem, ob sie 1. von Substantiven, 2. von Verben, oder 3. von
Substantiven oder von Verben abgeleitet sind.
Von Substantiven abgeleitete Krankheitsnamen :
janb ,, Seite" junäb ,, Rippenfellentzündung"
halq „Kehle" huläq ,, Krankheit am halq"
ra's „Kopf" ru'äs
„Kopfweh" (Muh. V 73, --1)
Sagäf „Teil am Herz" Sugäf „Krankheit am Sagäf"
tihäl „Leber" tuhäl „Leberkrankheit' ' hJ.
qalb „Herz" quläb „Herzkrankheit"
1,1^.
kabid „Milz" kuhäd
„Milzerkrankung' '
nakafa ,, Knochen am nukäf (= (= nukät) ..Krankheit an der
Kiefer"
vakafa"
Von Verben abgeleitete Krankheitsnamen :
bäla , .pissen" buwäl ,. Pißsucht"
jahafa ..wegreißen" juhäf (= hujäf) ..DurchfaU"
jadama ..abhauen" judäm ..Lepraart"
habila ..voll werden" hubäl
..Blähung"
hamma ..erhitzen" humäm „Fieber"
hanaqa ..erdrosseln" hunäq „Halserkrankung' '
dära ..sich drehen" duuiär
..Schwmdel"; Verb: dira bihi, dira 'alaihi, udira bihi
dabaha ..erwürgen" dubäh
, .Halserkrankung' '
zakama ..anfüllen" zukäm
..Schnupfen"
sadda ..verschließen" sudäd „Krankheit, welche die Nase
verstopft"
sakata „schweigen" sukät
„Krankheit, welche am Reden
hindert", „Apoplexie"
sahama ,. auszehren" suhäm
„Auszehrung, Pest"
sada'a ,, spalten" sudä'
..Kopfweh"
danaka , ,zusammenziehen' ' dunäk
„Erkältung"
'atiSa ,, durstig sein. 'utäS „Trmksucht"
werden"!
68 Wbbnee Diem
kazza „zusammenpressen" kuzäz
mala'a „anfüllen" mulä'
nahaza „stoßen, schlagen" nuhäz
qä'a .sich übergeben'
ti
quyä' J)■.Krankheit, bei der man viel
erbricht"
,Erkältung", „Schüttelfrost"
.Schnupfen"
.Lungenkrankheit, bei der
man hustet", auch mit su'äl erklärt
hadama ,, niederreißen'
tt hudäm >r.Seekrankheit"
Von Substantiven oder Verben abgeleitete Krankheitsnamen:
Jiumär ..Katzenjammer" gehört zu kamr „Wein" oder zu tahammara sich
mit hamr betrinken,
§ufär (auch safar) „Krankheit, bei der die Haut gelb wird" {LA 4, 460a,
— 7ff.) gehört zu asfar ,,gelb" oder isfarra ,,gelb werden",
quwäm ..Krankheit am Fuß. welche das Tier veranlaßt, dauemd zu
stehen" {LA 12. 501b. 7 ff.) gehört zu qä'ima PI. qawäHm ..Fuß"
oder qäma ..stehen". Verbum: qa%owama.
Wie aus den Beispielen ersichtlich ist. besteht zwischen den Krank¬
heitsnamen auf fu'äl und dem jeweiligen Etymon oft nur eine recht
lockere Beziehung. Ein besonders schönes Beispiel dafür ist suwäd, eine
Leberkrankheit, welche nach dem Essen von Datteln oder dem Trinken
von Wasser auftritt {LA 3. 227b. — Iff.). Der Name der Krankheit
köimte analog zu sufär damit erklärt werden, daß sie eine Verfärbung der
Haut ins Schwarze hervorruft; diese Erklärung wäre jedoch recht hypo¬
thetisch, da die Lexikographen ein solches Symptom nicht neimen. Sehr
viel wahrscheinhcher ist, daß die Krankheit nach den Datteln oder dem
Wasser, durch die sie verursacht wird, benannt ist; diese sind nämhch
als die ..beiden Schwarzen" {al-aswadäni) bekannt*, suwäd wäre dann
nichts anderes als die ..Dattel"- bzw. ..Wasserkrankheit".
Für den uns vorhegenden Zustand des klassischen Arabisch können
die Krankheitsbezeichnungen auf fu'äl also definiert werden als passive
Ableitungen von Wörtern, welche mit Krankheiten primär nichts zu
tun haben. Die Beziehung zwischen fu'äl und seinem Etymon kann in
seiner Unbestimmtheit allenfalls mit der zwischen dem Elativ af'alu
und seinem Etymon verglichen werden*.
Die oben gegebene ausführhehe Liste bestätigt, daß die Krankheits¬
namen der Form fu'ila-maf'ül-fu'äl nicht ohne weiteres als Passiva der
aktiven Verben, von denen sie abgeleitet sind, aufgefaßt werden köimen.
Dennoch gibt es Ansatzpunkte, von denen aus sich die Ableitungen
erklären lassen.
* Vgl. W. FiscHEK, Farb- und Formbezeichnungen S. 418.
* Vgl. dazu Wehb, Der arabische Elativ S. 612ff.
Die Nominalform fu'äl im klassischen Arabisch 59
Werm man die oben gebotenen deverbalen Krankheitsnamen
durchmustert, steht man fest, daß Fälle existieren, wo die Bedeutung
des zugrundehegenden und des abgeleiteten Verbums nahezu die gleiche
ist; die ursprüngliche allgemeine und die spezielle medizinische Bedeu¬
tung bilden gewissermaßen einen Knotenpunkt.Diese Sachlage liegt vor
bei Verben wie humma 1. „wurde erwärmt" 2. „bekam Fieber", kuzza
1. ,, wurde zusammengepreßt" 2. ,, bekam Schüttelfrost", suhima
1. ,, wurde ausgezehrt" (von der Sonne o.ä.) 2. ,, bekam die Auszehrung",
hudima 1. „wurde niedergeworfen" 2. „bekam die Seekrankheit" ( =
„wurde rdedergeworfen"). Die speziellen medizinischen Bedeutungen
decken sich mit den allgememen Bedeutungen: das Fieber ist nichts
anderes als eine Erwärmung des Körpers; der Schüttelfrost besteht
darin, daß der Körper sich zusammenzieht, ; ob man von der Sonne oder
einer Krankheit ausgezehrt wird, ist im Symptom weitgehend dasselbe.
Die betreffenden passiven Partizipien zeigen an, daß man im Zustand
der Krankheit ist. Auch hier besteht teilweise Übereinstimmung zwischen
allgemeiner und spezieller medizinischer Bedeutung: muhmüm 1. ,, er¬
wärmt" 2. „Fieber habend"; der Körper dessen, der Fieber hat, ist er¬
wärmt. Eine Differenzierung zwischen allgemeiner und spezieller Bedeu¬
tung zeigt sich aber bereits bei mxtkzüz. Die Grundbedeutung ist ,, zusam¬
mengezogen"; das Symptom des Schüttelfrostes (kuzäz) besteht aber
darin, daß man sich andauernd zusammenzieht und deshalb kann makzüz
1. „zusammengezogen" nicht mit 2. „kuzäz habend" gleichgesetzt wer¬
den.
Bei den oben besprochenen und analogen Verben ergab sich also die
medizinische Bedeutung ohne weiteres aus dem Passiv in der Grund¬
bedeutung; zum Passiv fuHla-maf'ül in der speziellen medizinischen
Bedeutung konnte sodann der passive Infinitiv fu'äl gebildet werden.
Ein zweiter Ansatzpunkt zur Klärung von fu'äl liegt bei den deno-
minativen Verben; auch dort existieren zum Teü neben den passiven
Verben solche im Aktiv. So gibt es neben Sugifa, tuhila und kubida ,,am
Sagäf, an der Milz, an der Leber krank werden" auch die aktiven Ver¬
ben Sagafa, tahala und kabada mit der Bedeutung ,,jdn. am Sagäf, an der
Milz, an der Leber verletzen". Solche Ableitungen aktiver Verben von
Körperteüen in der Bedeutung „schlagen, verletzen" gibt es auch dort,
wo kein Passiv in der Bedeutung „krank werden" existiert: sadara „jdn.
am §adr (Brust) verletzen", zahara „jdn. am zahr (Rücken) verletzen",
fa'ada „jdn. am fu'äd (Herz) verletzen", fahada „jdn. am fahid (Schen¬
kel) verletzen". Eben diese aktiven Verben mit der Bedeutung ,,an
einem Organ verletzen" stellen den Ausgangspunkt zum Verständnis
der denominalen Krankheitsbezeichnungen dar. Ein zu einem solchen
aktiven Verbum gebüdetes passives Partizip sagt über den Zustand des-
60 Webneb Diem
sen aus, der an einem Körperteil verletzt wurde. Da nun aber eine Ver¬
letzung zu Schmerzen oder Krankheit führt, kann das passive Partizip
die Bedeutungserweiterimg ,, Schmerzen habend, erkrankt sein" erfah¬
ren. DeutUch kommt dieser Sachverhalt in einem LA 4, 446b, Iff. s.r.
§dr zitierten Vers zum Ausdruck: lä budda lid-ma§düri min an yas'uia
(Ragaz) „wer an der Brust verletzt ist, kann nicht umhin, zu husten",
worauf die Erklärung folgt: (d-viasdüru lladi yaitald §adrahü, sudira
fa-huuxi masdürun. yuridu anna man u^iba sadruhü lä budda lahü an
yas'ula.
Zum passiven Partizip in der Bedeutung ,,an einem Organ Schmerzen
habend, erkrankt" konnten dann ein passives Perfekt und der Infinitiv
fu'äl in dieser letzteren Bedeutung gebildet werden.
Die Krankheitsbezeichnungen der Form fuHla-maf'ül-fu'äl gingen
also von zwei Seiten aus: einmal von Verben wie humma, zum anderen
von denominativen Verben wie Sagafa. In jedem FaU aber blieb die Be¬
ziehung zum Etymon evident. So konnte der Eindruck entstehen, die
Krankheiten seien nach dem typischen Symptom oder dem betroffenen
Organ benannt, kuzäz ,, Schüttelfrost" etwa konnte aufgefaßt werden als
„Krankheit, welche mit Zusammenziehen zu tun hat"; kubäd wurde
interpretiert als die ,, Krankheit, welche mit dem kabid zusammenhängt"
usw. Damit entstand die Möglichkeit, nach dem Schema fu'ila-maf'ül-
fu'äl beliebig Krankheitsbezeichnungen abzuleiten*. Wie locker die Be¬
ziehung zwischen fu'äl und seinem Etymon mit fortschreitender Kon¬
solidierung von fu'äl als Nominalform der Krankheiten werden konnte,
wurde oben am Beispiel von suwäd gezeigt, fu'äl konnte nun auch gebil¬
det werden, ohne daß ein passives Verb in gleicher Bedeutung ebenfalls
abgeleitet wurde. So existiert beispielsweise zu 'utäS ,,TrLnksucht" kein
finites Verbum; das nämliche gilt von quyä' ,,ICrankheit, bei der man
viel erbricht". Dies mag damit zusammenhängen, daß zu den zugrunde-
Uegenden Etyma 'atiSa ,, dürsten" und qä'a „sich übergeben" keine per¬
sönlich konstruierten Passiva gebildet werden können*.
* Es ist jedoch keineswegs so, daß erst die arabische Medizin Wörter wie
^itdä', zukäm, §udäm, duwär u.a. geprägt hätte, wie J. BrELAWSKi, Deux
piriodea dans la formation de la terminologie scientifique arabe (in Rocznik
Orientalistyczny, Warschau 1965, XX, S. 279) imter unzutreffender Beru¬
fung auf E. G. Browne, Arabian Medicine, Cambridge 1921, S. 35, vorgibt.
— Das von Bbowne und nach ihm von Bielawski genannte buhär „See¬
krankheit" (zu bahr „Meer") kann ich in den Wörterbüchern nicht finden;
das Wort ist aber ohne weiteres verständlich.
^ Barth, Nominalbildung S. 141 faßt 'utäS als intransitiven Infinitiv auf;
dagegen ist einzuwenden, daß 'utäi zwar etymologisch zu 'atiSa „dürsten"
gehört, aber eben nicht , .Durst", sondern „krankhaften Durst, Trinksucht"
bedeutet und deshalb kein Infinitiv zu 'atiia ist.
Die Nominalform fu'al im klassischen Arabisch 61
Auch im Neuhocharabischen ist fu'äl als Nominalform der Krank¬
heiten produktiv geblieben, wie manche Neubildungen zeigen*.
IV.
Die Adjektiva der Form fu'äl haben laut Beockelmann* einerseits
..Demmutiv- und Deteriorativbedeutung ... wahrscheinlich als Dehn¬
stufe zu qutal als Bezeichnung verächtlicher Eigenschaften"*, anderer¬
seits sehr häufig intensivierende Bedeutung*. Das /w'öZ-Adjektiv hätte
also nach der bisherigen opinio communis sowohl pejorative als auch
intensivierende Bedeutung; es wäre ,,Augmentativ und Diminutiv"
(W. Fischeb)*.
Es fragt sich zunächst schon einmal aus allgemeinen Gründen, ob eine
solche Definition sinnvoll sein kann; es ist kaum vorstellbar, daß eine
bestimmte Nominalform nebeneinander Deminutiva und Augmentativa
bildet, d.h. Nominalformen, welche aussagen, daß etwas kleiner oder
größer als die Norm ist, bzw. eine Eigenschaft in geringerem oder größe¬
rem Maße besitzt.
Der sprachliche Befund läßt eine solche Interpretation nicht zu; die
im WKAS s.rr. kubär „groß" (S. 26) und kutär „viel" (S. 66) angeführ¬
ten Belegstellen, ferner die in den arabischen Wörterbüchern für fu'äl-
Adjektiva zitierten Belegverse lassen weder eine intensivierende noch
eine deminutive Bedeutung erkennen.
Auch die arabischen Grammatiker wissen nichts von deminutiver oder
augmentativer Bedeutung der Adjektiva auf fu'äl. Die Nominalform
gilt ihnen vielmehr als gleichbedeutend mit fa'il, das als die wohl häufig¬
ste adjektivische Nominalform ganz gewiß kein Deminutiv oder Aug-
1 Vgl. MoNTBiL, L'arabe modeme, Paris 1960, S. 118.
2 OvO I S. 351; Deminutiv und Augmentativ S. 109.
3 Es ist fraglich, ob qutal im Arabischen überhaupt verächtliche Eigen¬
schaften bezeichnet. Im klassischen Arabisch kann von jedem Verb, das das
Ausüben einer Tätigkeit bezeichnet, ziemlich regelmäßig oin transitives
Verbaladjektiv der Form fu'alatun abgeleitet werden, das das intensive bzw.
häufige Ausüben bezeichnet (ausführlich bei b. as-Sikkit, I^läh S. 427 ff.).
Die Formen haben zwar häufig eine negative Färbung, aber nur deshalb,
weil das übermäßige Ausüben bestimmter Tätigkeiten (Lachen. Weinen,
Essen usw.) an sich etwas Unerwünschtes ist. Die intensive Bedeutung
selbst dürfte durch die Femininendung bedingt sein.
* Deminutiv und Augmentativ S. 110.
' Farb- und Formbezeichnungen S. 192 Fn. 6.
62 Wekner Diem
mentativ ist. fu'äl und fa'il sind laut Sibawaih* und b. YA'i§* austausch¬
bar; auch die Lexikographen machen keinen Unterschied*.
An fa'il-fu'äl-P&aren sind mir bekaimt :
bazi', buzä' „witzig"; hafif, hufäf „leicht";
ba'id, bu'äd „weit"; daqiq, duqäq „fein";
gasim, gusäm „korpulent" ; raqiq, ruqäq dass. ;
jalil, juläl „mächtig"; Saji', Sugä' „mutig";
gamil, gumül „schön" ; sabih, subäh ,, schön";
fiabit, fiubät „schlecht"; sarih, suräh „rem";
sagir, sugär „klein"; galiz, guläz „grob";
tawil, tuwäl „groß", „lang"; qalil, quläl „wenig";
zarif, zuräf ,, schön, fein" ; kabir, kubär „groß";
'ajib, 'ujäb ,, erstaunlich" ; katir, kutär „viel";
'arid, 'uräd „breit"; karim, kuräm ,,eder';
'azim, 'uzäm „riesig"; laHm, lu'äm „niedrig"
malih, muläh ,, schön".
Substantiviert ist fu'äl in guläm „Bursche" zu galima „er bekam
gulma (sexuelle Reife)"; fa'il ist dazu als Gegenstück nicht vorhanden, 1 Die betreffenden Stellen lauten: wa-fu'älun bi-manzilati fa'ilin li-anna-
humä uhtäni. alä tarä annaka taqülu tawilun wa-tuwölun wa-ba'ldun wa-
bu'ädun (II 207, 5f.); vgl. ferner wa-fu'älun ahü fa'ilin (II 224, —10). Ein
in die gleiche Richtung gehendes SisAWAlH-Zitat (LA 4, 458a, —7 ff. s.r.
fgr) kann ich im Kitäb nicht finden; vgl. aber immerhin K. II 208, 13.
" Sarh al-Mufa^sal VI 46, 1 (zu Muf. 97, 5): ... wa-qad yuta'äwaru
fa'ilun wa-fu'älun . . . ittafaqä fl l-ma^dari kamä ttafaqä fl §-?ifati min nahwi 'aglbin wa-'ugäbin wa-haflfin wa-hufäfin.
8 Ibn AS-SiKKlT widmet den seinen Angaben nach gleichwertigen Nominal¬
formen fa'il und fu'äl im I^läh al-mantiq ein eigenes Kapitel imter der Über- sciirift bäb fa'il wa-fu'äl wa-fu"äl (S. 108 f.); danach im wesentlichen B.
Qutaiba, Adab al-kätib S. 572 ff. — Nur vereinzelt wird fu'äl als mubälaga-
Form von fa'il bezeichnet, so LA 2, 602a, 2f. muläh (zit. bei Fischer, Farb-
und Formbezeiehnungen S. 192 Fn. 6). Im gleichen Abschnitt (601b, — 13f.)
werden aber mallh und muläh einander doch wieder gleichgestellt und nur
mtdläh, die Intensivform von muläh, wird als amlah mina l-mallh bezeichnet
(so auch 602a, 4). Ähnlieh LA 1, 571b, — lOff. zu 'aglb, 'ugäb, 'u^gäb. Wenn
ein /w'öi-Adjektiv einmal als ablag als fa'U bezeichnet wird, mag das daran
liegen, daß im Altarabischen die /a'iZ-Adjektive die von der gleichen Wurzel
gebildeten /u'öi-Adjektive zu verdrängen begonnen hatten und dem fu'äl-
Adjektiv damit der Eindruck der Ausgefallenheit anhaften mußte. Aber
solche Bemerkungen wie die oben zitierten sind die Ausnahme; meistens
werden fa'il und fu'äl einfach nebeneinander genannt, manchmal wird be¬
tont, beide Ableitungen bedeuteten dasselbe, wie LA 2, 507 a, 5 ff. {?bh):
wa-ragulun ^ablhun wa-^ubähun . . . : gamllun ... wäfaqa lladina yaqülüna
fu'äluni lladina yaqülüna fa'ilun li-'tiqöbihimä katiran .. . Solche Bemerkun¬
gen noch öfter.
Die Nominalform fu'äl im klassischen Arabisch 63
wohl aber fi"il (Intensivform von fa'il) und faHl: gillim und galim „gulma habend".
Vielfach existiert neben fu'äl die Intensivform fu"äl; daß fu"äl die
Intensivform von fu'äl ist, geht abgesehen von historischen Überlegun¬
gen {fu"äl als Erweiterung von fu'äl) aus entsprechenden Angaben der
arabischen Philologen eindeutig hervor*.
Wie eng die Beziehung zwischen fa'il und fu'äl den nationalarabischen
Philologen erschienen sein muß, ist daran zu sehen, daß der System¬
zwang, einem /«'öZ-Adjektiv immer ein /a'iZ-Adjektiv zur Seite zu stehen,
B. AS-SiKKfr dazu verführt, als Gegenstück von hus{s)än ein ungebräuch¬
liches hasin zu nennen (108, —4). Ibn Qutaiba vermerkt hasan als
(Gegenstück zu hus{s)än als Ausnahme (574, 7); zu duhäm stellt er zwar
richtig dahm, fügt aber hinzu, „eigenthch "liege dahim zugrunde (573,
7f).
Es gibt noch einige andere /«'äi-Adjektive, denen kein fa'il entspricht :
furäi „süß" und qu'ä' „bitter" (Wasser); 'udül „schwierig", „hart¬
näckig" (Krankheit), ferner eine Reihe von Farbadjektiven, welche
Fischee, Farb- und Formbezeichnungen S. 193, zusammengestellt hat;
diesen laufen meistens a/'afa-Neubildungen paraUel.
Aus diesem Nebeneinander der älteren Nominalform fu'äl und des mit
dem Elativ zusammenhängenden af'alu bei Farbbezeichnungon schließt
W. Fischeb (S. 192ff.), daß fu'äl ebenfalls ein Augmentativ sei. Dieser Schluß
ist m.E. aus zwei Gründen anfechtbar: einmal, weil die /«'äi-Adjektiva,
welche keine Farben bezeichnen, eben keine af'alu entsprechende steigernde
Bedeutung haben (vgl. oben), zum anderen, weil Farb- und Formadjektive
auch von anderen Nominalformen als af'alu und fu'äl gebildet werden kön¬
nen. Fischeb selbst gibt S. 7 f. (vgl. auch S. 7 Fn. 1 und dazu S. 220 unten)
und S. 193 zu Farb- und Formadjektiven der Form af'alu Nebenformen mit
Nominalformen (fa'il, fa'U, fä'il u.a.), welche keinen augmentativen Cha¬
rakter haben. Farb- und Formadjektive werden im klassischen Arabisch
also durchaus nicht ausschließlich von augmentativen Adjektiven gebildet. Da¬
mit ist der Schluß, daß fu'äl ehemaliges Augmentativ sei, weil auch af'alu,
das seine Rolle übernahm, aus einem Augmentativ entstanden ist, hinfällig.
Auch die historische Deutung, die Fischeb von fu'äl gibt, macht Schwie¬
rigkeiten. Fischeb bringt ar. fu'äl, fu"äl, fu'al und fu"al in Zusammenhang
mit purriisum, dem regelmäßigen Verbaladjektiv des D-Stammes im Akka¬
dischen, das u.a. auch körperliche Formen bezeichnet. Aus purrus sei im
Arabischen und im Aramäischen durch Vokaldissimilation fu"al entstanden.
Da in beiden Sprachgruppen zwischen fu"al und dem Doppelungstamm kein
morphologischer Zusammenhang mehr bestanden habe, sei nicht mehr die
Konsonantengemination, sondern die Vokalfolge u-a als das Charakteristi¬
kum dieser Nominalform aufgefaßt worden, so daß zu fu"al die Nominal-
i Ifläh 108; AK 574, 5f. ; B. YA'iä V 66, 14ff. zu Muf. 80, 9 ff. — Sibawaih II 210, 5 ff. behandelt beim Plural fu"äl zusammen mit der Intensivform fa"äl, was sicher kein Zufall ist.
64 Wkbner Diem
formen fu'al, fu'äl xmd dazu wiederum fu"öl entstehen Iconnten. —- Abge¬
sehen davon, daß purruaum die babylonische Form ist, während das in der
Regel den älteren Zustand repräsentierende Assyrische parruaum hat, ist
diese Beweisfüiirung schon deshalb anfechtbar, weil auch im Akkadischen
fu'öl Adjektiva bildet (puräaumY, d.h. weil beide Formen, von denen die
eine nur durch Dissimilation und damit Verschwinden der anderen hätte
entstehen können, nebeneinander vorkommen. Und im klassischen Arabisch
ist fu'öl ja gerade dem Grundstamm —■ und nicht dem Doppelungstamm —
morphologisch zugeordnet.
Auch wenn nicht zu jedem /a'Ji-Adjektiv ein /m'öZ- Adjektiv und um¬
gekehrt vorhanden ist, ändert dies nichts an der Tatsache, daß die bei¬
den Nominalformen einander in Bedeutung und Ableitung entsprechen.
Der einzige zwischen den beiden Nominalformen feststellbare Unter¬
schied besteht darin, daß faHl weitaus gebräuchlicher ist. Diese Verdrän¬
gung von fu'äl durch fa'il hat in den modernen Dialekten, wo fu'äl als
adjektivische Nominalform ausgestorben ist, seinen Abschluß gefunden*.
Wenn man die zu den zuletzt behandelten fu'äl- und /a'iZ-Adjektiven
gehörenden Verben prüft, stellt man fest, daß es sich ohne Ausnahme
um solche handelt, welche Eigenschaften zuordnen.
Aber auch zu Verben, welche Tätigkeiten bezeichnen, existieren
aktive Adjektive der Form fu'äl ebenso wie solche der Form fa'il, wo¬
durch die Übereinstimmung zwischen den beiden Nominalformen noch
weiter getrieben wird. Für fa'il sei auf öuG I S. 354 verwiesen; Beispiele
für fu'äl sind* :
jubär Bezeichnung von allem, was vernichtet*,
jutäm Bezeichnung des Alpdrucks zu gotama ,, sitzen", juhäf, quhäf, qu'äf, guräf „mitreißend",
juräz „schneidend",
huräq (und hiräq) ,, verb rennend" (vom Feuer), huaäm ,, scharf, schneidend" (Schwert),
dubäb ,, Fliege" zu dabba ,,sich hin- und herbewegen", du'äf ,, schnellwirkendes Gift, schneller Tod"
zu'äm Bezeichnung des Todes zu za'ama ,, erschrecken",
1 Vgl. VON Soden, OAG S. 62.
' Das wie fa'Ü (parle) meist substantiviert ist. Vgl. GAG S. 61 Nr. 15 II a.
' Dabei hat violleicht eine Rolle gespielt, daß fu'äl in all jenen Dialekten,
die i und u in unbetonter offener Silbe elidieren, mit fi'äl, dem Plural von
fa'Ü, in f'äl zusammengefallen wäre.
* butär, das Brockelmann in GvG 1 S. 351 noch nennt, kann ich in den
Wörterbüchern nicht finden; die Angabo stammt aus Barth S. 40, •—2. Aus
den bei Barth ebenfalls genannten Jitiaäm und guhäf sind die bei Brockel¬
mann angeführten hu^äm und hu^äf verlesen.
' Wohl kaum zu §abara „zwingen".
Die Nominalform fu'äl im klassischen Arabisch 65
suräni Bezeichnung des Krieges zu sarama „abschneiden", qvMr „Koch" zu qadara „kochen",
qudäm (auch quddäm; qadim, qiddim) „vorausgehend", hudäm „schneidend",
hurä' „Schwätzer"!, humäm „nachdenklich".
Nur die Intensivform ju"äl kommt vor in qurrä" ,, Koranleser" und
'uwwär (= 'ä'iV) Bezeichnung des Staubkörnchens u.a., das das Auge
zukneifen läßt, zu 'ära 'ainahü „jdn. des Auges berauben".
Eine Reihe von substantivierten intransitiven und aktiven fu'äl-
Adjektiven liegen bei Pflanzen- und Tierbezeichnungen vor. Beispiele
findet man bei Fischee, Farb- und Formbezeiehnungen S. 193 ff. Möglicher¬
weise sind auch isoliert stehende Nomina der Form fu'äl wie usäma
„Löwe" und tu'äla „Füchsin"* ursprünglich solche Adjektive.
Auf keinen Fall kann mit Nöldeke, Brockelmann und W. Fischer
daraus, daß die Pflanzen- und Tierbezeichnungen der Form fu'äl {fu"äl) oft
kleine Pflanzen und Tiere bezeichnen, auf eine Deminutivbedeutung von
fu'äl geschlossen werden'. Das Wesen eines Deminutivs besteht darin, daß
es von einer gegebenen Norm ausgehend das, was kleiner als diese Norm ist,
benennt, indem es ihm die auf irgend eine Weise morphologisch abgeänderte
Bezeichnung der Norm zuordnet. Das aber ist in keinem einzigen Fall bei
den substantivierten Adjektiven der Form fu'äl zutreffend. Wenn etwa
huujär „weiß" das Kameljunge bezeichnet*, dann liegt in dieser Bezeichnung
keine Deminutivbedeutung vor, sondern das Kameljunge wird ganz einfach
nach einer typischen Eigenschaft benannt. Eine Deminutivbedeutung läge
nur dann vor, wenn eine weitere von der Wurzel liwr gebildete Bezeichnung
das ausgewachsene Kamel bezeichnen würde, so daß dem sachlichen Verhält¬
nis „normal großes Kamel" — „Kamel, das kleiner als die Norm ist" auf
sprachlicher Ebene zwei verschiedene Ableitungen vom selben Stamm ent¬
sprechen würden. Das aber ist wie gesagt nicht der Fall. Wenn also Fischer
der Meimmg ist, das (ochte) Demhiutiv fu'ail sei aus fu'äl durch Infigierung der Endung -iy entstanden (S. 193 Fn. 6), so hat das wenig Wahrscheinlich¬
keit für sich, weU fu'äl eben kein Deminutiv wie fu'ail ist. — Im übrigen ist
noch zu bemerken, daß fu'äl keineswegs nur kleine Pflanzen und Tiere be¬
zeichnet (vgl. oben wörna und tu'äla); wenn fu'äl häufiger kleine Pflanzen
und Tiere bezeichnet, dann liegt das vielleicht an den natürlichen Verhältnissen
der Steppe und Wüsto. Daß aber fu'äl keineswegs dio typische Nominalform
für Tier- und Pflanzenbezeicimungen ist, zeigen umfangreichere Listen'.
1 hurä' bedeutet auch „Geschwätz" (vgl. II. 3). ' Der Fuchs ist ta'lab.
» Zu Brockelmanns Auffassung vgl. auch seine Arabische Orammatik,
Leipzig, zahlreiche Auflagen, § 48c und § 58. Sein Beispiel ist guläm „Bur¬
sche" (dazu weiter oben); er sagt aber nicht, wovon guläm nun eigentlich
Deminutiv bzw. Deteriorativ sein soll.
« Vgl. Fischer, Farb- und Formbezeichnungen S. 193.
' Vgl. etwa die Listen von Pflanzen- und von Tierbezeichnungen in don
Indices des Kitäb an-nabät von Abu HanIfa und des Kitäb al-hayawän von
ÖÄHIZ.
6 ZDMG I20/I
66 Werner Diem
V.
Fassen wir die Ergebnisse zusammen. Die Nomina der Form fu'äi
zerfallen historisch gesehen in zwei Gruppen: das /w'äi-Verbaladjektiv und den /w'äMnfinitiv.
Das /m' ä Z-Verbaladjektiv ist zum Teil passiv (vorwiegend bei
Bezeichnungen von Abfällen, Körperausscheidungen, Lauten und Be¬
wegungen), zum Teil intransitiv (die Adjektive des Tjrps kubär ,,groß",
ferner einige Bezeichnungen von Abfällen und Körperausscheidungen
wie suqät(a) , .Abfall", dunän ,,Rotz" u.a.) und zum Teil aktiv (die Ad¬
jektiva des Typs guhäf ,, mitreißend"). Passiva und Intransitiva gehören
insofern eng zusammen, als beide Zustände beschreiben; entweder von
einem passiven transitiven oder einem intransitiven Verb können gebil¬
det sein rudäl ,,(er)niedrig(t)" und duqäq ,,fein (gestoßen)". Auch die
Nominalform fa'il, mit der fu'äl oft austauschbar ist, bildet passive,
intransitive und aktive Verbaladjektiva.
Ob auch Wörter wie fulän ,, jemand", kurä' ,, Unterschenkel", fu'äd
„Herz"*, turäb und gubär ,, Staub" ehemalige Adjektiva sind, oder ob
es sich bei ihnen um eine von den bisher besprochenen ad jekti vi vischen
/«'äZ-Bildungen verschiedene Nominalform, welche Substantiva ab¬
leitet, handelt, vermag ich nicht zu entscheiden. Ein ungelöstes Problem
bilden auch die Distributivzahlen, welche nach fu'älu^ gebildet werden:
tunä'u ,,je zwei", tulätu ,,je drei" usw., ferner furäd ,, einzeln"*.
Passive, intransitive und aktive Verbaladjektiva der Form fu'äl sind
auch in anderen semitischen Sprachen vorhanden; Beispiele kann man
den in Abschnitt I genannten Arbeiten Nöldekes und Beockelmanns
entnehmen.
Auch der passive Infinitiv der Form fu'äl ist nicht ohne Parallele
in anderen semitischen Sprachen. Im Hebräischen heißt das Passiv des
Doppelungstammes pu"al, das somit die gleiche Vokalfolge wie fu'äi
aufweist; auch der Infinitiv des Doppelungstammes im Syrischen —
quttäl — ist mit fu'äl in Zusammenhang zu bringen*.
* fu'äd wird von den arabischen Lexikographen mit tafa"ada ,,sich er¬
wärmen" in Zusammenhang gebracht (LA 3, 328b, —4). Aber ob diese
Etymologie stimmt? Vgl. dazu Rbckendorf, Paronomasie S. 9 unten.
2 Und maf'alu. Vgl. die Wörterbücher s.rr. und insbesondere HARtal,
Durra, ed. H. Thorbecke, Leipzig 1871, S. 147f.
" Die Erklärung RüiiÖKAS, Die Etymologie von bugät-bu'ät S. 29 Mitte
„Der Begriff der Intensität liegt auch dem Typus fu'äl zugrunde in Wörtern, die Zahlbegriffe ausdrücken: rubä' ,,aus vierTeilen bestehend", „zu Vieren" ; ähnlich 'uiär" ist zu vage, als daß sie ohne weiteres akzeptiert werden könnte.
* quttäl faßte bereits Brockelmann, QvO I S. 347 unten und Syrische
Orammatik, 9. Aufl., S. 70 als alten Passivinfinitiv auf.
Die Nominalform fu'äl im klassischen Arabisch 67
VI.
Anhang : Der Plural der Form fu"äl
Neben dem Smgular der Form fu'äl^ und seiner Intensivform* fu"äl
keimt das klassische Arahisch einen Plural fu"äl. Dieser ist der regel¬
mäßige innere Plural zum aktiven Partizip des Grundstammes: häkim
„Richter" — PI- hukkäm, jähil „Unwissender" — PI. guhhäl, säbiq
„vorangehend" — PI. subbäq usw.^ Es ist zu untersuchen, inwieweit der
Plural fu"äl mit dem Singular fu'äl bzw. fu"äl historisch zusammen¬
hängt.
Man steht zunächst fest, daß der Plural fu"äl weitgehend mit fu"al
austauschbar ist: Sähid „Zeuge" — PI. Suhhäd und Suhhad, gäHb , .ab¬
wesend" — PI. guyyäb und guyyab, zäHr ,, Besucher" — PI. zuwwär tmd
zuwwar. Die Liste ließe sich beliebig verlängern.
fu"al kommt auch als Singular vor, hat aber in diesem Fall ausgespro¬
chene Intensivbedeutung*. Unter diesen Umständen ist leicht einzu¬
sehen, warum fu"al als Plural verwendet werden konnte. Der Eindruck
der Intensität wird entweder dadurch hervorgerufen, daß eine Handlung
einmal mit großer oder mehrfach mit normaler Intensität ausgeführt
wird. Das klassische Arabisch reagiert auf diese ,, numerische Intensität",
wie Bbockelmann sie genannt hat*, empfindlich. So drückt der Doppe¬
lungsstamm als Intensivum zum Grundstamm Intensität der Handlung
aus, werm er auf ein einziges Ding bezogen ist ; auf mehrere Dinge bezo¬
gen bezeichnet er dagegen normale Intensität der Handlung, da der
Eindruck der Intensität als Summe der einzehien Handlungen resultiert.
Dasselbe gilt auch von fu"cd, mit dem Unterschied, daß die Differen¬
zierung in Plurale normaler und Singulare intensiver Bedeutung lexika¬
hsch geregelt ist, d.h. daß ein Wort nicht wahlweise als intensiver Sin¬
gular oder als Plural mit normaler Intensität verwendet werden kann«.
Da nun aber der zu untersuchende Plural fu"äl seinerseits als Weiter¬
bildung des /w"aZ-Pliirals anzusehen ist — ob mit intensivierender Be¬
deutung (Längung des zweiten Vokals) ist fraglich, da Lang- und Kurz-
1 Ob es vom Typus fu'ät (du'ät, nuhät u.a.) abgesehen einen Plural der
Form fu'äl gibt, ist umstritten. Vgl. Ibn Qutaiba, AK S. 573, — Iff. zu
furär u.a., femer Habibi, Durra S. 97 f.
* Zur statistischen Erfassung des Plurals fu"äl vgl. A. Mubtonkn, Broken Plurals, Leiden 1964, S. 12.
8 Vgl. SiB. II 206, 7f., wo auch noch andere Beispiele.
« Vgl. SiB. II 210, 14.
» QvO II S. 141; vgl. auch I S. 508.
« Davon abgesehen ist der intensive Singular fu"al eine ausgesprochen seltene Nominalform.
5«
68 Webner Diem, Dio Nominalform fu'al im klassischen Arabisch
vokale auch sonst ohne Intensivierung wechseln* —, hat er mit der vom
Singular fu'äi gebildeten Intensivform fu"0l unmittelbar nichts zu tun*.
^ Vgl. z.B. aniq-anlq „schön", hazin-kazln „traurig", dakür-däkür „ein gutes Gedächtnis habend", farüq-färüq „ängstlich".
^ Mittelbar allerdings doch wieder: fu"al ist als intensiver Singular/nicht¬
intensiver Plural von der Basis fu'al gebildet; fu'al aber muß mit fu'äl
historisch zusammenhängen, wenn man auch nicht sagen kann, daß fu'äl
aus fu'al entstanden sei; für eine solche Annahme fehlen vorläufig die Be¬
weise.