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Harnwegsinfekt und Infektsteinprophylaxe

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Academic year: 2022

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F O R T B I L D U N G F O R M A T I O N C O N T I N U E

DI E T M A R BA C H

Bei Patienten mit rezidivieren- den Harnwegsinfekten lässt sich durch die Ansäuerung des Urins mit der essenziellen Aminosäure L-Methionin die Anzahl der Rückfälle signi- fikant vermindern. Zudem wirken Antibiotika im sauren Harn besser, und es bilden sich weniger Infektsteine.

Daher setzt man L-Methionin auch bei Dauerkatheter-Trä- gern ein, um Inkrustationen zu verhindern.

Säuernde Wirkung des L-Methionins

Nach oraler Gabe wird L-Methionin fast vollständig aus dem Darm resorbiert und hepatisch über L-Cystein zu Sulfat und Protonen verstoffwechselt. Diese Metabo- liten gelangen über das Blut in den Harn, wo sie ihre säuernde Wirkung entfalten.

Hesse (1997) hat schon unter einer täg- lichen Dosis von 1,5 g L-Methionin bei Gesunden eine signifikante Absenkung

binnen zwei Stunden erreichen können (Abbildung 1). Erst nach sieben Stunden steigt der pH-Wert wieder auf das Aus- gangsniveau.

Harnwegsinfektprophylaxe

Durch regelmässige orale Gabe von L-Me- thionin lässt sich die Rate der rezidivieren- den Harnwegsinfektionen halbieren. Dies wurde im Rahmen einer klinisch kontrol- lierten Multizenterstudie an 89 quer- schnittsgelähmten Patienten mit Blasen- entleerungsstörungen untersucht (Stöhrer, 1983). Bei allen Patienten waren chro- nisch rezidivierende Harnwegsinfekte (bis zu 15 pro Jahr) bekannt. Die Studienteil- nehmer bestimmten täglich pH-Wert, Nitrit und Leukozyten im Harn mittels Teststreifen und gaben wöchentlich eine Harnprobe zur Analyse auf Bakterien, Leukozyten und Erythrozyten ab.

Alle Patienten wurden im Mittel über 258 Tage doppelblind und randomisiert ent- weder mit L-Methionin oder mit Plazebo behandelt. Die Tagesdosis L-Methionin betrug 3 g, aufgeteilt in drei Gaben von je 1 g. Unter dieser Studienmedikation hat- ten die Patienten im Mittel 0,75 Harn- wegsinfektionen, jene unter Plazebo im Mittel 1,48. Dieser Unterschied war sig- nifikant (p = 0,012). Berechnet auf ein Jahr betrug die Harnwegsinfektrate unter L-Methionin 1,08 und unter Plazebo 2,19.

Signifikant gesenkte Keimzahlen

Klippel et al. (1984) setzten L-Methionin bei signifikanter Bakteriurie (> 105 Keime/

ml) ein. Es gelang – ohne gleichzeitige Antibiotika-Gabe – unter täglicher Medi- kation mit 3 x 1 g L-Methionin und for- cierter Diurese die Keimzahl im Urin

durchschnittlich um eine Zehnerpotenz zu senken.

Empfehlenswert ist L-Methionin auch als adjuvante Therapie bei Antibiotika-Gabe wegen akuter Harnwegsinfektion, da viele Antibiotika ihr Wirkungsoptimum erst im sauren Harnmilieu entfalten.

Spezifische Wirkung auf Bakterien

Über eine sehr interessante spezifische Wirkung von L-Methionin auf uropatho-

Harnwegsinfekt und Infektsteinprophylaxe

Geben Sie dem Harn Saures!

M M M

M e e e e r r r r k k k k -- --

s ä t z e s ä t z e

●Durch regelmässige orale Gabe von L-Methionin lässt sich die Rate der rezidivierenden Harn- wegsinfektionen halbieren.

●L-Methionin hemmt nicht nur das Wachstum uropathogener Bakterien, sondern kann auch deren Fähigkeit zur Adhäsion an Epithelzellen des Harntrakts vermindern.

●Als Infektsteine gelten die Phos- phatsteine Struvit und Karbonat- apatit sowie der Ammonium- hydrogenuratstein.

●Die Bedeutung der Infektsteine liegt in ihrem schnellen Wachs- tum, ihrer Grösse und in der starken Rezidivneigung.

●Als adjuvante Massnahme zur Harnsteinprophylaxe gilt die Zu- fuhr von reichlich Flüssigkeit, so dass mindestens 2 l Urin pro 24 Stunden ausgeschieden wird.

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gene Bakterien berichtete Fünfstück (1997):

L-Methionin hemmt einerseits das Wachs- tum uropathogener Bakterien. Anderer- seits ist es aber auch in der Lage, die Fähigkeit der Bakterien zur Adhäsion an Epithelzellen des Harntrakts zu vermin- dern und damit deren Eindringen in die Zelle zu erschweren. Durch diesen spezi-

fischen Effekt würde sich die geringere Anzahl an Harnwegsinfekten, selbst bei gleich bleibender Keimzahl, erklären.

Was sind Infektsteine?

Als «Infektsteine» bezeichnet man dieje- nigen Harnsteine, die durch die urease-

produzierende und damit harnstoffspal- tende Eigenschaft einiger gramnegativer Bakterienstämme im Urin entstehen. Per definitionem sind «Infektsteine» nur die Phosphatsteine Struvit (Magnesiumammo- niumphosphat) und Karbonatapatit (Kal- ziumphosphat) sowie der Ammonium- hydrogenuratstein.

Wie aus dem Clusterdiagramm für Am- moniumkonzentration und Urin-pH bei Gesunden und Infektsteinbildern (Abbil- dung 2) zu entnehmen ist, liegen der pH- Wert des Harns und die Konzentration an steinbildender Substanz bei Gesunden so niedrig, dass dieses Kollektiv nicht einmal in die Nähe der Sättigungskurve für die Infektsteinkristalle kommt. Darum kann niemals ein Gesunder einen Infektstein bilden. Betrachtet man dagegen die In- fektsteinpatienten, so zeigt sich, dass ihre pH-Werte weit im neutralen beziehungs- weise alkalischen Bereich liegen und dass die Konzentration von Ammoniak im Harn deutlich erhöht ist. Die Mehrzahl dieser Patienten befindet sich somit im Bereich der Übersättigung.

Steinprophylaxe

Der Anteil der Infektsteine an allen Harn- steinen beträgt in Deutschland zwar nur noch 9 Prozent, wobei Frauen signifikant häufiger betroffen sind. Die Bedeutung

Harnwegsinfekt und Infektsteinprophylaxe

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Kontrolltag L-Methionin signifikant zum Kontrolltag 7,1

6,9 6,7 6,5 6,3 6,1 5,9 5,7 5,5

pH-Wert

7–9 9–11 11–13 13–15 15–17 17–19 19–7 Zeit

Gesunde 200

150

100

50

0

Ammonium im Harn mmol/l

5,0 5,5 6,0 6,5 7,0 7,5 8,0 8,5 Harn-pH

Infektsteinbildner Ausfällung von Magnesiumammonium- phosphat

Ausfällung von Magnesiumammonium- phosphat

Abbildung 1: Harn-pH-Wert im zirkadianen Rhythmus über 24 Stunden ohne und mit L-Methionin (1,5 g/24 h).

(Nach Hesse et al. 1997)

Abbildung 2: Clusterdiagramm für die Ammoniumkonzentration, aufgetragen gegen den Harn-pH-Wert bei Infektsteinbildnern (Harninfekt mit harnstoffspaltenden Bakterienstämmen) und Ge- sunden. Die Daten wurden in Beziehung zur Löslichkeitskurve für Magnesiumammoniumphosphat im Urin gesetzt.

(Nach Robertson und Peacock 1985)

Abbildung 3: Röntgen-Leeraufnahme Abdomen: 24-jährige Frau. Grosser Nierenbecken- und Kelch-Ausgussstein (sog. Korallenstein) rechts

Abbildung 4: I.v.-Urogramm: Aufnahme 5 min nach Kontrastmittelinjektion. Linke Niere unauffällig mit glattem Abfluss des KM über zarte Kelche, Nierenbecken und Harnleiter. Rechte Niere: Erweiterte Nie- renkelche, Kontrastmittel umfliesst den Ausgussstein.

© Bach

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der Infektsteine liegt jedoch im schnellen Wachstum, ihrer Grösse (Abbildungen 3 und4) und in der starken Rezidivneigung.

Die Prophylaxe wird durch die folgende

«Trias» bestimmt:

1. Harnansäuerung: Einstellung des Harn- pH auf 5,8 bis 6,2, Medikament der Wahl: L-Methionin (z.B. Acimethin®, Acimol®, Burgerstein DL-Methionin), Dosierung entsprechend Harn-pH 2. Senkung der Phosphatausscheidung

im Harn mit Aluminiumhydroxid (z.B.

anti-phosphat Bichsel; Gastracol®) 3. Harninfektbehandlung, entsprechend

Antibiogramm.

Zu beachten ist, dass die erwünschte Säuerung des Urins bei infiziertem Harn zum Teil erst nach fünf bis sechs Tagen auftritt, weil die Antibiotika-Wirkung erst nach drei bis vier Tagen zum Tragen kommt und daher nicht auf einen Thera- pieversager oder mangelhafte Medikamen- teneinnahme geschlossen werden darf.

Phosphatausscheidung beachten!

Obwohl die Harnsäuerung die wesent- lichste prophylaktische Massnahme dar- stellt, dürfen die Senkung der Phosphat- ausscheidung und die Harnwegsinfekt- behandlung nicht vernachlässigt werden.

Die von Shorr und Carter schon 1950 empfohlene Reduzierung der alimentären Phosphatzufuhr und Herabsetzung der Phosphatresorption im Darm durch Bindung an Aluminiumhydroxid-Präparate führt zu einer Verminderung der Phosphatkonzen- tration im Urin. Während normalerweise 80 Prozent der intestinal aufgenom- menen Phosphate über die Nieren aus- geschieden werden und nur 20 Prozent durch den Darm, wird dieses Verhältnis durch die Aluminiumhydroxid-Medikation ins Gegenteil verkehrt. Die Phophataus- scheidung fällt dabei auf Werte von weni- ger als 200 mg pro Tag ab.

Viel Flüssigkeit, wenig Kalzium

Bei Ammoniumhydrogenuratkristallen be- ziehungsweise -steinen ist zu beachten,

dass hier die Harnsäureausscheidung durch entsprechende Allopurinol-Präparate (Zylo- ric®und Generika) gesenkt werden muss.

Als adjuvante Massnahme sind diätetische Empfehlungen zu verstehen, die die Flüs- sigkeitszufuhr und die Kost betreffen. Wie bei allen Harnsteinen – gleich welcher Zu- sammensetzung – ist auf eine ausrei- chende Flüssigkeitszufuhr zu achten. Es sollte so viel getrunken werden, dass ein Harnvolumen von mindestens 2 l/24 h er- reicht wird. Milch und Mineralwasser mit hohen Kalziumgehalten sollten reduziert werden.

Die spezielle Diät ist einfach: Die Aufnahme von Kalzium, das der Partner der Kalzium- phosphatsteinbildung ist, sollte reduziert werden. Nahrungsmittel mit hohem Kalzi- umgehalt sind vor allem Milchprodukte.

Prophylaxe bei Dauerkatheter-Trägern

Durch die Dauerkatheter-Ableitung ent- steht aszendierend entlang des Katheters innerhalb von 24 Stunden eine bakterielle Besiedlung des Blasenurins. Da es sich meistens um gramnegative, ureaseprodu- zierende und damit harnstoffhaltige Keime

handelt (siehe oben), kann sich sehr leicht eine Infektsteinkristallisation entwickeln.

Als Prophylaxe hat sich auch in diesen Fäl- len die Ansäuerung des Harns mit L-Me- thionin bewährt. Die beste Wirkung ist im Harn-pH-Bereich zwischen 5,8 bis 6,2 zu erwarten. Als Dosierungsempfehlung kön- nen 3 x 1 Drg. L-Methionin pro Tag gelten, bei höherem Harn-pH bis zu 3 x 2 Drg. pro Tag. Unverzichtbar ist eine adjuvante Stei- gerung der Diurese (sog. «innere Spü- lung») durch gleichmässige, über den Tag verteilte Flüssigkeitszufuhr.

Zusammenfassung

Die Harnansäuerung mit L-Methionin hat für die Prophylaxe von rezidivierenden Harnwegsinfekten, Infektsteinbildung und bei der Inkrustationsprophylaxe von Dauer- kathetern grosse Bedeutung. Als physio- logisches Urologikum ist L-Methionin gut verträglich. Nebenwirkungen sind äus- serst selten. Interessant ist die von Fünf- stück berichtete Minderung der Adhäsi- onsfähigkeit der Bakterien an Zellkulturen unter L-Methionin, die die Bedeutung der L-Methionin-Gabe als Harnwegsinfekt- Prophylaktikum unterstreicht. ● Literatur unter www.allgemeinarzt-online.de

Prof. Dr. med. Dietmar Bach Urologische Abteilung und Kinderurologie Barloer Weg 125 St.-Agnes-Hospital D-46397 Bocholt Tel. 0049-02871 202931 Fax 0049-02871 202932 E-Mail: urologie@st-agnes-bocholt.de

Interessenkonflikte: keine

Diese Arbeit erschien zuerst in

«Der Allgemeinarzt» 2/2004.

Die Übernahme erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Verlag und Autor.

Harnwegsinfekt und Infektsteinprophylaxe

6 9 8 A R S M E D I C I 1 32 0 0 4

F O R T B I L D U N G F O R M A T I O N C O N T I N U E

T i p p s f ü r d e n n i e d e r - g e l a s s e n e n A r z t

Harnansäuerung bei Patienten mit chronisch rezidivierenden Harnwegs- infekten (Ursachenabklärung ergeb- nislos)

Dosierung: 3 x 1 g L-Methionin/Tag Dauer: zunächst 1 Jahr, danach The- rapiepause und abwarten

Harnansäuerung bei jeder Form der Harnableitung (zwei Effekte: Harn- wegsinfektprophylaxe und Inkrusta- tionsprophylaxe der Katheter) Dauer: für die Zeit der Harnableitung

Harnansäuerung als adjuvante Thera- pie zur Antibiotikagabe bei akutem Harnwegsinfekt:

– Verbesserung der Antibiotika- wirkung

– Abkürzung der Dauer der Antibiotikagabe

Referenzen

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