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Archiv "Versteigerungen vor der Sommerpause" (08.07.1976)

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

zu haben. Ihr Blick gleitet teil- nahmslos über die schon fast ent- leerte Umwelt, ein paar verstaubte Requisiten von einst. Diese Men- schen existieren in den Zeichnun- gen wie die Dinge, die sie umge- ben. Sie sind ebenso funktionslos, so requisitenhaft, so vergessen wie die Koffer, das am Boden liegende Tuch. Und über allem die Frage:

Wie lange noch? Es sind Szenen des Umbruchs, des Auszugs, der An- oder Abreise, die diese Men- schen über sich ergehen zu lassen scheinen.

Auch wenn Menschen dargestellt sind, scheint es sich bei Eschers Arbeiten um Stilleben zu handeln.

Jedes einzelne Teil auf diesen Bil- dern könnte, für sich genommen, vollkommen belanglos 'sein, über- gangen werden. Die Zuordnung und Anordnung aber verleiht den einfachen Dingen eine neue Di- mension. Daß Escher im scheinbar Nebensächlichen das eigentlich Wesentliche sichtbar und die toten, belanglosen Gegenstände zu be- redten Zeugen macht, weist ihn als großen Künstler aus.

Eschers Arbeiten laden zum Nach- denken, zum Verweilen, zum Lite- rarisieren ein. Die großen leeren oder nur wenig strukturierten Flä- chen erscheinen manchmal wie Einladungen, alle Gedanken und Assoziationen auf ihnen abzuladen.

Dies um so mehr, als „eigentlich gar nichts passiert" auf diesen Bil- dern.

Escher läßt dem Betrachter viel Freiraum. Der Bildausschnitt er- scheint häufig wie verrutscht, das Wesentliche erobert selten die Mit- te des Bildes, eher erscheint es am Rande. Es gibt sogar Bilder, da scheint das eigentlich zu erwarten- de Sujet abwesend zu sein, wie der Täter am Tatort, wenn die Polizei eintrifft.

Escher zeichnet und radiert die Gegenstände und Menschen seiner unmittelbaren Umgebung. Sie sind so getreu abgebildet, daß man bei einem Besuch in seinem Atelier sich in einer scheinbar altbekann-

Rolf Escher

ten Umgebung wiederfindet. Trotz dieser „sensorischen", an der Rea-

lität und Dinghaftigkeit orientier- ten Arbeitsweise, ist Escher doch ein ausgesprochen „imaginativer"

Künstler. Beide Komponenten, so- wohl die sensorische als auch die imaginative, von H. Kühn als die beiden wesentlichen gegensätzli- chen Kunststile herausgestellt, ge- hen in Eschers Arbeiten eine fast gleichgewichtige Verbindung ein.

Es kommt nur selten vor, daß ein derartig auf Detailgenauigkeit ver- sessener Künstler so wie Escher gleichzeitig in der Lage ist, die Realität zu transzendieren, das erahnen zu lassen, was sich unter der Oberfläche verbirgt.

Sicherlich ist es nur ein Aspekt des Alterns, der von Escher herausge- griffen wird, aus welchen intellek- tuellen und emotionalen Gründen auch immer. Seine Bilder sind aber Bestandsaufnahmen der Lebenssi- tuation einzelner Menschen, die si- cherlich nicht als krasse Ausnah- men gelten können. Viele Broschü- ren und sonstige Aktivitäten versu- chen, in ansprechenden, „jugendli- chen" Farben und Formen die älte- ren Mitbürger zu re-aktivieren, zu einem erfüllten, zufriedenen Le- bensabend zu verhelfen.

Mancher dieser älteren Menschen kann sich aber mit dieser vorge- führten schönen Alterswelt nicht identifizieren. Zu weit ist sie von seiner erlebten Realität entfernt.

Eschers Arbeiten lösen demgegen- über ein Erschrecken aus. Statt ei- nes lockenden Zieles wird innere Realität schonungslos dargelegt, ein Erschrecken durch Authentizi- tät. In einem Spiegel dieser Art könnte der Wunsch nach Verände- rung vielleicht eher geboren wer- den als im Anblick eines als unend- lich weit entfernt empfundenen Wunschbildes.

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Hartmut Kraft Kapfenbergerstraße 4 5020 Frechen

KUNSTMARKT

Versteigerungen vor der

Sommerpause

Zwei Buch- und Graphikauktionen

Zwei Buch- und Kunstauktionen von hohem Rang zogen in letzter Zeit das Interesse des Publikums auf sich, das in großer Zahl er- schien, kritisches Verhalten an den Tag legte . und Kenntnisse bewies, die aufhorchen ließen. Der Kreis von Sammlern, die fast regelmäßig einschlägige Auktionen besuchen, zumindest das Marktgeschehen im In- wie Ausland wenigstens auf dem Papier verfolgen, Kataloge und Ergebnislisten studieren, also möglichst „hart am Ball" bleiben, wird von Saison zu Saison größer.

Das spürt und hört nicht nur der Beobachter, das haben vor allem so erfahrene und kluge Auktionato- ren wie Bassenge und Dr. Tenner längst berücksichtigt.

Tenner in Heidelberg

Die stärkste Zugnummer der Ten- ner-Auktion in Heidelberg war ohne Frage die Versteigerung der Nürnberg-Blätter aus der Samm- lung des 1933 verstorbenen Hein- rich Wallraff. Die Privatbieter hat- ten keinen leichten Stand dem Handel gegenüber, der sich sehr stark engagierte, speziell der Nürn- berger Handel, und zu Höchstprei- sen trieb.

Die Kupferstiche, Handzeichnun- gen und Holzschnitte, zumeist in sehr gutem Zustand, riefen hef- tige Bietgefechte hervor und brach- ten es unschwer auf die doppel- ten und dreifachen Schätzwerte!

Man hielt förmlich den Atem an!

Auf 7000 DM (2000) kamen zwei Kupferstiche von L. Strauch, 1599,

„Wahrhaffte Confraktur der Reich Statt Nurmberg ...", auf 2000 DM (500) ein Kupferstich Jost Ammans, das Nürnberger Schloß mit einem Maximilian zu Ehren abgebrannten Feuerwerk darstellend, auf 5500 DM (2500) eine Radierung Hans

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 28 vom 8. Juli 1976 1907

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Spektrum der Woche Aufsätze - Notizen

KUNSTMARKT

Siebmachers, auf 6600 DM (3500)

„Der Stadt Nürnberg unterschiedli- cher Kirchen von innen und au- ßen", ein Titelblatt und fünfzehn Kupferstiche von 1680, auf 1800 DM (300) die historischen Ansichten Nürnberger Gebäude von Wilder, auf 35 000 DM (20 000) die Folge von 115 Kupferstichen Johann Adam Delsenbachs, die ein Privat- mann ergattern konnte. Sieben Meßtischblätter gingen von 800 auf 4400 DM, ebenso gab es harte Kämpfe insonderheit zwischen ei- nigen Museen und dem Handel, als die Berufsdarstellungen an die Rei- he kamen, gleichfalls aus der Sammlung Wallraff. Oft das Dop- pelte der Schätzwerte brachten die Blätter aus dem „Hortus Eystetten- sis", desgleichen die Ridinger-Ar- beiten, unter denen die „Abbildung der jagdbaren Thiere mit derselben angeführten Fährten und Spuh- ren...", eine 22-Blatt-Folge, genau den doppelten Preis, nämlich 5000 DM erreichte.

Dürer nicht gefragt — Spitzenpreis für Bergmüller

Bei Dürer — der Markt ist zur Zeit stark angereichert mit Dürer-Gra- phik — wurde Zurückhaltung ge- übt, Aldegrever-Stiche hingegen ließen sich ohne Schwierigkeit zü- gig absetzen, ebenso Rembrandt- Graphik. Beim Durchgang des 18.

und 19. Jahrhunderts ragte inson- derheit eine Himmelfahrt Mariä heraus, eine Sepia-Zeichnung Ge- org Bergmüllers, die mit 1200 DM aufgerufen, bei 9000 DM erst zuge- schlagen wurde! Chodowiecki-Blät- ter, wie immer gefragt, erreichten Preise bis zu 2600 DM. Nicht so aufregend waren die Ergebnisse beim 20. Jahrhundert, wo gewisse Zurückhaltung herrschte. Corinth und Liebermann jedoch waren wie- der sehr gefragt, und für eine auf 550 DM geschätzte Zille-Lithogra- phie legte ein Sammler glatte 1000 DM an.

Zu erwähnen wäre noch, daß, au- ßerhalb dieser Sammlung, Autogra- phen, Urkunden, alte Bücher und Inkunabeln preislich anzogen. Alte

Geographie fand, wie immer, zah- lungskräftige und -willige Liebha- ber, die dafür sorgten, daß bei- spielsweise eine alte Ansichtenfol- ge von schweizerischen Burgen von 1800 auf 6000 DM kletterte!

Bassenge in Berlin

Gerda Bassenges auf nahezu 5000 Positionen erweiterte Buch- und Kunstauktion in Berlin begann mit alter Graphik, die sich da, wo sie einwandfrei erhalten war, gut ab- setzen ließ. Einige Dürer-Blätter blieben wegen ihres Zustandes doch ohne jedes Gebot. Auch der

„Heilige Antonius vor der Stadt"

konnte die Taxe von 5800 DM nicht erreichen, wurde für 4400 verkauft.

Ein Rembrandt-Druck, auf 8000 DM taxiert, „Beschneidung" fand für 5000 DM einen Käufer: zu mehr war man nicht bereit.

Das 18. Jahrhundert „zieht stärker an", wie auch in Berlin wieder deutlich wurde. Daß hier vor allem die Chodowiecki-Blätter auf begei- stertes Interesse stoßen, ist be- kannt und wurde von den Veran- staltern entsprechend berücksich- tigt, indem sie eine große Anzahl offerierten. Auch hier lagen die Preise, wie in Heidelberg, zwischen 1500 und 3000 DM im Schnitt. — Architekturzeichnungen wurden gut bezahlt, Piranesi-Blätter in rascher Folge abgesetzt (die Veduten), die Capricci waren nicht gefragt.

Reich vertreten war das noch im- mer hoch im Kurs stehende 19.

Jahrhundert, das rege Nachfrage hatte. Eine Rügenlandschaft Cas- par David Friedrichs (Vorstudie zu einem Landschaftsgemälde), Spit- zenreiter dieses Durchgangs, ging für 70 000 DM in eine Düsseldorfer Privatsammlung. Eine Sammlung Schinkelscher Theaterdekoratio- nen angelte sich das New Yorker Metropolitan-Museum und zahlte dafür mehr als den doppelten Preis, 14 500 DM! Eine farbige Krei- dezeichnung Menzels, ein bärtiger Männerkopf, wurde bei 9200 DM zugeschlagen.

Die Moderne ging ruhig über die Auktionsbühne; graphische Blätter und Zeichnungen, meist zu den Schätzpreisen, bewegten sich zwi- schen drei- und vierstelligen Zah- len, wenn es sich um Arbeiten von Heckel, Barlach, Felixmüller, Meid- ner, Kollwitz, Pechstein, Mueller und Schlemmer handelte.

Hohe Preise wieder für Expressio- nisten: 9700 DM für drei Original- Holzstöcke von Feininger, (4500), 6500 DM für die Nolde-Radierung

„Mann, Frau, Diener", 1200 DM (950) für einen Mädchenkopf Schmidt-Rottluffs.

Steigende Preistendenz ließ sich bei reichillustrierten topographi- schen Werken feststellen. Die Me- rianschen Topographien stiegen wieder bis zu 18 000 DM, Willem Blaeuws „Zeespiegel" von 1627 nach heißem Bietgefecht schließ- lich auf 17 500 DM (8000).

Während die Nachfrage nach Ba- rockliteratur auffallend gering war, zeigte man für deutsche Literatur des 19. Jahrhunderts wesentlich mehr Interesse. Hamanns Werke (Gesamtausgabe) erzielten 2600 DM, Hölderlins Werke 2100 DM, die Erstausgabe von Hegels „Phäno- menologie des Geistes" 3200 DM (4500). B. ST.-R.

Oeuvre-Katalog der Graphik von Hans Meid in Arbeit

Ende 1976 soll das komplette Oeuvre-Verzeichnis der Druckgra- phik des Malers, Graphikers und Buchillustrators Hans Meid erschei- nen. Da sich viele seiner Arbeiten in Privatbesitz befinden, bittet die Kunstgalerie Esslingen, die an dem Oeuvre-Verzeichnis der Druckgra- phik arbeitet, alle Besitzer von Meid-Graphiken, sich mit Ralph Jentsch, Hölderlinweg 136, 7300 Esslingen, in Verbindung zu set- zen. DÄ

1908 Heft 28 vom 8. Juli 1976 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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