Stilleben bilden einen Kontrapunkt zur Alltagswelt und auch zur Kurzatmigkeit des modernen Kunstbetriebs.
Um so erstaunlicher, daß in den letzten Jahren Stilleben- ausstellungen wachsenden Anklang beim fachkundigen und kunstinteressierten Pu- blikum finden. Aktuelles Bei- spiel hierfür ist die Sebastian- Stoskopff-Ausstellung, die von Straßburg, dem Geburts- ort des Künstlers, kommend, bis Anfang Oktober im Aa- chener Suermondt-Ludwig- Museum gezeigt wird. Diese Ausstellung setzt die erfolg- reiche Präsentati-
on von Stilleben fort, wie sie in den letzten Jahren in Münster (Stille- ben in Europa) oder Frankfurt (Georg Flegel) zu sehen waren.
Bei Betrach- tung der Stilleben der Meister aus dem 15. bis 17.
Jahrhundert fragt man sich unwill- kürlich, ob auch unsere zeitgenös- sischen Künstler einen Beitrag zu diesem Genre lei-
sten. Fündig werden kann man in dem kleinen Vorei- felort Bürvenich bei Zülpich.
Der Maler Gerd Stühl ist mit seiner Familie in seinem 300 Jahre alten Bauernhaus zu finden. Seine Werke, Gemäl- de, sorgfältig hergestellte Li- thographien, aber auch ge- malte Spiegelrahmen oder kleine Holzdosen kreisen um die Pflanzenwelt in ihrer Mannigfaltigkeit. Blumen, Kräuter und Gräser stehen im Mittelpunkt seines künst- lerischen Œuvres. Hinreißend gemalt in altmeisterlichem Können, erwecken sie Remi- niszenzen an die großen Na- turschilderungen deutscher Maler des 15. und 16. Jahr- hunderts, angefangen bei Albrecht Dürer. Die Perfek-
tion, mit der Pflanzen, aber auch sie bevölkernde Käfer, Raupen und Schnecken dar- gestellt sind, lassen den Be- trachter ebenso staunen wie das Geschick, mit dem Tau- tropfen transparent gemacht werden. Oft erschließt sich erst mit Hilfe einer Lupe die Subtilität dieser Naturschil- derungen.
Gerd Stühls Werk ist er- staunlich für einen zeitgenös- sischen Künstler, der sich als Absolvent der Fachhoch- schule für Kunst und Design in Köln zunächst dem Infor- mel verbunden fühlte und
sich erst mit seinem Umzug von Köln nach Bürvenich in den 70er Jahren der künstle- rischen Naturbeobachtung und Naturschilderung zuge- wandt hat. Die Früchte seiner malerischen Hinwendung zur Natur faszinieren den Kunst- liebhaber in gleicher Weise wie den biologisch Interes- sierten.
Jedem, der sich von die- ser Thematik angesprochen fühlt, kann ein Besuch im Atelier Gerd Stühls in Bürve- nich empfohlen werden. Die jährliche Atelierausstellung findet diesmal am 25. und 26.
Oktober sowie am 1. und 2.
November statt. Informatio- nen: Gerd Stühl, Stephanus- straße 129, 53909 Zülpich/
Bürvenich. Dr. Ernst Wanner A-2588 (68) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 40, 3. Oktober 1997
V A R I A FEUILLETON
Meisterliche Stilleben
Atelier- ausstellung
Gerd Stühl: „Jasminblüten“ Repro: Gerd Stühl