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Archiv "Herpes zoster oticus" (10.04.1975)

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

KOMPENDIUM

Die Diagnose „Herpes zoster oti- cus" liegt nahe, wenn vesikuläre Hauteruptionen der Ohrmuschel — besonders im Cavum conchae — und des äußeren Gehörgangs ein- schließlich der Trommelfell-Epider- mis mit akut auftretenden heftigen Ohrenschmerzen einhergehen und sich gleichzeitig oder während der folgenden Tage eine periphere Fa- zialislähmung (etwa 90 Prozent der Fälle) auf der gleichen Seite ent- wickelt. Häufig kommen in den er- sten ein bis zwei Wochen Schädi- gungen des Gleichgewichts- und des Hörnervs hinzu (etwa 70 Pro- zent der Fälle). Diese Patienten klagen über starken Drehschwindel mit Übelkeit und Erbrechen, der nach einigen Tagen allmählich ab- klingt, sowie oft über eine hochgra- dige Hörminderung; dumpfes Ge- fühl im Ohr und Ohrgeräusche können zusätzlich vorhanden sein.

Seltener sind andere Hirnnerven, wie der Nervus trigeminus, Nervus vagus und Nervus glossopharynge- us oder die oberen Zervikalnerven zugleich betroffen. Herpes-zoster- Bläschen am weichen Gaumen ge- hen oft einer Gaumensegelläh- mung voraus. Im Hypopharynx kön- nen sie beidseitig auftreten, zu- sammen mit starken Schluckbe- schwerden.

Pathogenese

Die Herpes-zoster-Infektion des Ner- vus facialis führt zu einer Neuro- nitis mit perivaskulären, perineura- len und diffusen intraneuralen lym- phozytären und Plasmazellinfiltra- tionen. Es kommt zu Schwellung und Ödem des Nervs, die vor allem im Meatus acusticus internus und im Canalis Falloppii sekundär

Druckschäden und eine ischämi- sche Paralyse des Gesichtsnervs auslösen können. Das Ganglion geniculi ist entgegen früheren Ver- mutungen nicht immer mit betrof- fen. Die Beteiligung des Nervus cochlearis und des Nervus vestibu- laris ist teils durch entsprechende entzündliche Infiltrate (die Infektion kann sich auch über Anastomosen der gemeinsam im Meatus acusti- cus internus verlaufenden Hirnner- ven ausbreiten), teils durch Druck des stark aufgequollenen Gesichts- nervs auf den achten Hirnnerv zu erklären.

Diagnostik

Den herpesartigen Hautverände- rungen im Bereich des Ohrs geht häufig ein Berührungsschmerz der betreffenden Hautregion voraus.

Treten die Veränderungen nur flüchtig auf, können sie im Abhei- lungsstadium leicht übersehen oder mißdeutet werden. Wenn die neuralgiformen Ohrenschmerzen ebenfalls geringgradig ausgeprägt sind, ist die Abgrenzung gegen- über der ischämischen Fazialispa- rese (Bellsche Parese) schwierig.

Fazialislähmung

Beim Zoster oticus liegt meistens eine komplette Paralyse vor; prak- tisch sind immer alle drei Fazialis- äste betroffen. Die diagnostischen Maßnahmen entsprechen denen bei Bellscher Parese: Neben der otologischen Untersuchung, zu der auch die Audiologie, Vestibularis- prüfungen und Röntgendiagnostik der Felsenbeine zum Ausschluß ei- nes Tumors oder entzündlicher Prozesse gehören, und der neuro-

Der Herpes zoster oticus geht mit vesikulären Hautver- änderungen des äußeren Oh- res, heftigen Ohrenschmer- zen, fast immer mit periphe- rer Fazialisparese und häu- fig mit Vestibularisstörungen und mit Schallempfindungs- schwerhörigkeit einher. Die diagnostischen Untersu- chungen und Verlaufskon- trollen der prognostisch oft ungünstigen Hirnnervenaus- fälle sind zwar sehr aufwen- dig, machen es aber möglich, in bestimmten Fällen noch rechtzeitig die transmastoi- date und transtemporale De- kompression des Gesichts- nervs durchzuführen.

logischen Untersuchung mit Ana- lysen des Liquor cerebrospinalis, stehen topische Untersuchungen im Vordergrund. Zur Feststellung des Ortes der peripheren Fazialis- läsion werden die Funktionen der an verschiedenen Stellen vom Ner- vus facialis abzweigenden Nerven geprüft, wie etwa Geschmack, Speichelsekretion und Stapedius- reflex mittels Impedanzmessung.

Besonderen Wert hat die Beurtei- lung der Tränensekretion mit dem Schirmer-Test: Deutlich vermin- derte Sekretion weist auf eine Schädigung des Nervs proximal des Ganglion geniculi im Bereich des inneren Gehörganges hin.

Um bei der Erstuntersuchung und während des Verlaufes das Aus- maß der peripheren Gesichtsner- venschädigung zu beurteilen, kann

O die Erregbarkeitsschwelle des geschädigten Nervs im Ver- gleich zur gesunden Seite be- stimmt werden (zum Beispiel mit dem Excitibility-Test) und können O bei maximaler Stimulation des Nervs Summationspotentiale der Gesichtsmuskulatur gemessen wer- den (Elektroneuronographie).

Herpes zoster oticus

Klaus Jahnke

Aus der Hals-Nasen-Ohren-Klinik

(Direktor: Professor Dr. med. Dr. med. dent. Fritz Wustrow) der Universität Köln

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 15 vom 10. April 1975 1045

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Herpes zoster oticus

Diese Tests erlauben bei täglichen Kontrollen, etwa vom vierten Krankheitstag an, hinreichend zu- verlässige Aussagen über Anzahl und Zunahme faßbarer degenerati- ver Vorgänge pro Zeiteinheit. Ihre Ergebnisse sind für das weitere therapeutische Vorgehen entschei- dend.

Hörstörung

Bei Beteiligung des Hörnervs ist die Prognose um so ungünstiger, je ausgeprägter die Schallempfin- dungsschwerhörigkeit anfänglich ist. Besserungen sind in der Regel nur während der ersten vier Wo- chen zu erwarten. Das Tonschwel- lenaudiogramm zeigt keine charak- teristischen Kurven, vielmehr kön- nen alle Frequenzbereiche in glei- cher Weise betroffen sein. Haar- zellschäden der Kochlea lassen sich nicht regelmäßig nachweisen.

Die überschwelligen Tests, die zwischen Innenohr- und Hörnerven- störungen unterscheiden lassen, können Hinweise sowohl auf koch- leäre als auch auf retrokochleäre Störungen geben.

Vestibularisstörung

Ausdruck der vestibulären Störun- gen ist meist ein nach der gesun- den Seite hin gerichteter horizonta- ler Spontannystagmus im Sinn ei- nes sogenannten Ausfallnystag- mus. Entsprechend ist bei thermi- scher und rotatorischer Prüfung des peripheren Vestibularappara- tes eine Untererregbarkeit auf der erkrankten Seite festzustellen. Die Funktionsstörung des Gleichge- wichtsnervs ist nach einer Reihe von Tagen weitgehend zentral kompensiert.

Zumeist erholt sich der Nerv nach Wochen und Monaten.

Insgesamt ist die Symptomatik des Zoster oticus sehr variabel. Je nachdem, welche Symptome bei Diagnosestellung im Vordergrund stehen, können Krankheiten wie

Erysipel, Otitis externa, Kontakt- dermatitis, Otitis media, ischämi- sche Fazialisparese, Labyrinthitis, Tumor der Hirnbasis vermutet wer- den. Die richtige Diagnose ist dann gesichert, wenn das Ergebnis der Komplementbindungsreaktion vor- liegt.

Konservative Therapie

Die konservative Therapie des Zo- ster oticus gleicht grundsätzlich derjenigen bei anderen Herpes-zo- ster-Manifestationen (wie Analgeti- ka, Zinkpaste und anästhesierende Salben, antiphlogistische Therapie, vor allem mit hohen Kortikoid-Do- sen, antibiotische Abschirmung, Vitaminpräparate). Wegen des fehlenden Lidschlusses bei der meist kompletten peripheren Fazia- lislähmung muß ein Uhrglasver- band getragen werden. Eine Elek- trisierungsbehandlung kann not- wendig sein, um der Atrophie der Gesichtsmuskulatur vorzubeugen.

Bei Beteiligung des Hör- und Gleichgewichtsnervs sind Bettruhe und Sedierung empfehlenswert.

Außer symptomatischer Therapie des Schwindels werden zur Förde- rung der Durchblutung Vasodila- tantien und niedermolekulare Dex- traninfusionen, Rheomacrodex®, gegeben sowie Grenzstrangblok- kaden durchgeführt.

Chirurgische Therapie

In den letzten Jahren haben eini- ge Ohrchirurgen in ausgewählten Fällen die vollständige Dekompres- sion des gelähmten Gesichtsnervs vom Meatus acusticus internus bis zum Foramen stylomastoideum durchgeführt. Die Indikationen zu dieser Operation sind beim Zoster oticus und bei der Bellschen Pare- se gleich. Erfahrungsgemäß ist aber die Prognose der peripheren Fazialislähmung beim Zoster oticus ohne operative Intervention beson- ders schlecht: eine vollständige Heilung tritt selten ein. In etwa der Hälfte der Fälle bleiben Restpare- sen mit Kontrakturen und Massen-

bewegungen der mimischen Mus- kulatur zurück, bei etwa einem Drittel der Kranken bleiben kom- plette Gesichtsnervenausfälle be- stehen. Die mit dem Excitibility- Test und vor allem mit der Elektro- neuronographie erhobenen elek- trophysiologischen Daten machen es möglich, mit verhältnismäßig großer Sicherheit die prognostisch ungünstigen Fälle noch rechtzeitig, nämlich noch während der ersten zehn Tage, zu erfassen.

Selbstverständlich können durch eine operative Therapie die von der Herpes-zoster-Infektion direkt verursachten Nervenschäden nicht mehr beeinflußt werden. Die De- kompression des Nervus facialis soll verhindern, daß der Druck des entzündlichen Ödems in den engen Knochenkanälen des Felsenbeins zu zusätzlicher Nervendegenera- tion des Nervus facialis führt und kochleo-vestibuläre Symptome her- vorruft oder verstärkt.

Starke entzündliche Schwellungen des Nervus facialis wurden intra- operativ vor allem im distalen Anteil des Meatus acusticus internus mit Kompression des achten Hirnnervs gefunden. Postoperativ kann man schon nach kurzer Zeit eine deutli- che Besserung der betreffenden Hirnnervenfunktionen nachweisen.

Der Eingriff selbst ist zwar recht diffizil, aber verhältnismäßig kom- plikationslos. In ausgesuchten Fäl- len angewandt, ist er geeignet, die oft sehr ungünstige Prognose der Fazialisparese beim Zoster oticus zu bessern und zugleich auch Schäden des achten Hirnnervs zu mindern.

Literatur

Miehlke, A.: Surgery of the Facial Nerve.

Urban und Schwarzenberg, München, Ber- lin, Wien, 1973 — Weitere Literatur beim Verfasser

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Klaus Jahnke 5 Köln-Lindenthal

Joseph-Stelzmann-Straße 9

1046 Heft 15 vom 10. April 1975 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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