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View of William Waack, Die vergessene Revolution. Olga Benario und die deutsche Revolte in Rio

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William Waack, Camaradas.

Nos arquivos de Moscou. A história secreta da revoluçao brasileira de 1935

Sao Paulo (Companhia das Letras) 1993, 381pp.

William Waack, Die vergessene Revolu- tion. Olga Benario und die deutsche Re- volte in Rio

Berlin (Aufbau Taschenbuch Verlag) 1994, 314 Seiten.

VON JÜRGEN MOTHES, LEIPZIG

Mittlerweile liegen die ersten Bücher zur Geschichte des internationalen Kommu- nismus vor, die sich auf eine gründliche Auswertung der lange verschlossenen Moskauer Geheimarchive stützen. Es ist bemerkenswert, daß sich in der ersten Reihe dieser Veröffentlichungen ein Journalist verdient gemacht hat: Nach der von R. Müller herausgebrachten

"Akte Wehner" trat der bekannte brasi- lianische Journalist und Publizist Wil- liam Waack noch vor P. Broué (Staline et la révolution. Le cas espagnol, Paris 1994, P. Huber (Stalins Schatten in die Schweiz, Zürich 1994) und B. Studer (Un parti sous influence. Le Parti communi- ste suisse, une section du Komintern 1931 à 1939, Lausanne 1994) mit einem aus den reichen Quellen der Moskauer Archive gespeistem Buche vor die Öf- fentlichkeit. Nachdem Waack bereits mit seiner kundigen und quellengespickten Arbeit über die bis dahin nur wenig re- flektierte Beteiligung brasilianischer Soldaten im zweiten Weltkrieg aus Sicht

der Deutschen und Alliierten ("As duas faces da gloria, Rio de Janeiro 1985) in Brasilien seinerzeit Furore machte und deswegen zur Zielscheibe manch böser Kritik führender brasilianischer Militärs wurde, traf er auch diesmal ins schwar- ze: Das spannende, nach der brasiliani- schen Presse "wie ein prickelnder Spio- nagerroman" geschriebene Buch erlebte in Brasilia bereits seine dritte Auflage und der Autor erhielt dafür den Journali- stenpreis seines Landes, den "Premio Esso", den er 1991 schon einmal für sei- ne aktuelle Berichterstattung über den Golfkrieg (Mister, you Bagdad, S. Paulo 1991) zugesprochen bekam.

Nunmehr liegt das Buch auch in einer gut übersetzten deutschen Fassung vor, völlig unverständlicherweise ohne die reichhaltigen und aussagekräftigen (350) Fußnoten der Originalausgabe. Das min- dert den wissenschaftlichen Wert dieser Edition. Wer über die vielen spannenden Details oder über die bemerkenswerten Einschätzungen und Schlußfolgerungen des belesenen Autors mehr wissen will, wird wohl weiterhin zum Original greifen müssen.

Neben seinem Quellenreichtum (KI-Ar- chiv; Zentrales Militärarchiv in Moskau /Archiv der Roten Armee/, Archiv des KGB, Bundesarchiv Potsdam, ehemaliges Zentrales Parteiarchiv der SED in der Stif-

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tung Archiv der Parteien und Massenorga- nisationen der DDR in Berlin, Foreign Of- fice im Public Record Office in London ...) beeindruckt das Buch zuerst dadurch, daß man wegen der überlegten Konzeption, seines guten Stils und dem publi- kumsfreundlichen Weitblick des Autors die federführende Hand des Journalisten gefällig zur Kenntnis nimmt: brilliant aus- gewogene Personenbeschreibungen; be- merkenswerte Darstellung der damaligen wie heutigen Situation in Moskau; die lie- bevolle zeithistorische Schilderung seiner

"Heimatstädte" Rio de Janeiro und Sao Paulo, aber auch von Montevideo und Bue- nos Aires. W. nutzte neben den Archiven einschlägige Spezialdarstellungen, Inter- views und die reichhaltig veröffentlichten Erinnerungen. Hierbei kann er mit bester Quellenkenntnis manche Gedächtnis- lücken oder -"verbiegungen" ausfüllen oder geraderücken! - Ausgewiesene Histo- riker mögen sich hüten, hier und da tat- sächlich anzutreffende "Lücken" in der Aufarbeitung einer Plejade von Sekundär- literatur, die sich selten auf solide Archiv- sondierungen stützte, zu bemäkeln: Vor- dem halfen sie dem neue Wahrheiten su- chenden Leser recht wenig!

Im Zentrum des Buches steht der chan- cenlose bewaffnete Aufstandsversuch der von L. C. Prestes geführten "Nationalen Befreiungsallianz" (ANL) gegen die Herr- schaft von Getulio Vargas vom November 1935. Der Hauptteil ist mit einer ausführli- chen und vorwiegend auf Quellen und etli- che Interviews gestützten Analyse der viel- fältigen Vorbereitungen und der Durch- führung dieser von Moskau bis ins einzel- ne gesteuerten Aktion ausgefüllt. Insbe- sondere werden natürlich Prestes und sei- ne vielen in- wie ausländischen Mitstreiter vorgestellt, ihre Biografien, ihr Aktionis- mus, ihre vielfältigen Verbindungen im kontinentalen wie weltweit ausgebauten Organisationsgeflecht der Komintern wie der sowjetischen militärischen und/oder geheimdienstlichen Organe. Dazu ist sehr viel neues erschlossen. Personen wie Ver- bindungen und Zusammenhänge treten

plastisch vor Augen. Jahrzehntealte Legen- den (zuerst der Nachweis der von Moskau initiierten und gesteuerten bewaffneten Aktion; der Mythos um bzw. über Prestes;

die Rolle der /im Untertitel der deutsch- sprachigen Ausgabe weit überhöhten/

deutschen Aktivisten unter den aus etli- chen Ländern kommenden Emissären der KI; die Verbindung von Olga B. zum sowje- tischen militärischen Geheimdienst usw.

usf.).

Leider bleibt für den nicht sachkundi- gen Leser der wirtschaftliche wie gesell- schaftspolitische Hintergrund Brasiliens zu wenig erhellt. Insbesondere die realpoliti- schen Auseinandersetzungen der gegen die Herrschaft der Kaffeeplantagenoligar- chie gerichteten Oppositionen, denen auch der Tenentismus, also jene militärische Oppositionsbewegung entwuchs und zu denen ursprünglich Prestes (als - so Jorge Amado - .Ritter der Hoffnung") und seine früheren Anhänger ebenso gehörten wie der 1930 obsiegende Vargas und Prestes Mitstreiter im Aufstande gegen Vargas von 1935, bleiben zu wenig erklärt, gleichwohl demzufolge die realen Wirklichkeiten, an denen die ANL (und Moskau!) anzuknüp- fen versuchte und anknüpfen konnte. Ge- genwärtige Dispute um Traditionen aus der neuesten Nationalgeschichte Brasili ens könnten durch die Unterbelichtung dieser Wirklichkeiten zuerst für den regio- nalgeschichtlich Unkundigen zu vor- schnellen Urteilen führen.

Das Buch geht weit über die im Titel bescheiden gekennzeichnete Thematik hinaus. Hier wird Kominterngeschichte vorgestellt, werden die offiziellen wie ge- heimen, ausführlich auch die geheim- dienstlichen Apparate, Strukturen wie Per- sonen und ihre Verzahnungen und/oder Verstrickungen offengelegt, die minutiös bis in die politischen Zentren Brasiliens durchschlugen. Aus der Sicht der Archive stellt W. sehr lebensnahe die entscheiden- den Häupter und Gremien der Komintern- spitze dar, vor allem aber den für Brasilien und Lateinamerika zuständigen Bereich von Personen, Organisationen und Struk-

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turen in Moskau, Buenos Aires und Mon- tevideo und in den Zentren kommunisti- scher Aktivitäten in Brasilien. Darüber hinaus werden sehr viele bekannte, aber ebenso natürlich noch viel mehr bisher viel zu wenig oder noch gar nicht bekann- te Akteure brasilianischer, lateinamerika- nischer wie internationaler Zeitgeschichte der Vergessenheit entrissen, bisher kaum verifizierbare Pseudonyme mit scheinba- rer Leichtigkeit entschlüsselt (wobei anzu- fragen bleibt, ob Lozovskij tatsächlich un- ter dem bekannten Pseudonym "Miro" - das ist eigentlich: V. M. Mirosevskij! - in Brasilien gewesen sein soll; ich teile diese Meinung nicht).

Für den auf deutsche Geschichte Ori- entierten finden sich Namen, Ereignisse und "Verbindungen" zu hauf: Ewert mit Frau Saborowski und Gerhart Eisler, na- türlich ausführlichst die persönliche wie politische Biographie von Olga Benario, Hinweise auf den (recht undurchsichtigen

"Sprengstoff-Experten") Jonny de Graaf und Jan Jolies, auf Otto Braun, Heinz Neu- mann und seine Frau, auf Ruth Werner als Autorin der Biografie von Olga Benario..., ebenso manch' bedenkenswerte Einschät- zungen zur Geschichte der KPD; für den Kominternhistoriker finden sich massen- haft überlegte Urteile zur realen Lage und zu "Kräfteverhältnissen" in der KI-Spitze, in den geheimen wie offiziellen "Appara- ten" Moskaus. - Alles in allem Informatio- nen, die aufhorchen lassen und nicht nur dem Spezialisten die Lektüre empfehlen.

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