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Archiv "Leserbrief von Prof. Scharf, Dr. Greinacher, Prof. Riess und Prof. Breddin" (17.06.1994)

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BUNDESÄRZTEKAMMER

Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft

Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft wiederholt ihre Be- kanntmachung vom 9.10.1992 (Heft 41/1992) und fügt einen Leserbrief von Prof. Scharf, Dr. Greinacher, Prof. Riess und Prof. Breddin bei.

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen durch fraktionierte und unfraktionierte Heparine

Heparin-induzierte Thrombozytopenien

Aufklärung immunologischer Ursachen zum Schutz der Patienten

BEKANNTGABEN

Heparin-induzierte Thrombozytope- nien können die Folge einer nicht immu- nologisch oder einer immunologisch ver- mittelten Plättchenaggregation sein. Die nicht immunologisch bedingte Thrombo- zytopenie tritt in der Regel in den ersten Tagen der Anwendung auf, ist klinisch meist nicht bedeutsam, obwohl in einigen Fällen Thrombozytenzahlen unter 50 000/0 erreicht werden können. Sie wird besonders den hochmolekularen Anteilen des nicht fraktionierten Hepa- rins zugeschrieben. Die immunologisch vermittelte Heparin-induzierte Throm- bozytopenie kann mit dem Auftreten ar- terieller und venöser thromboemboli- scher Ereignisse sowie Hautveränderun- gen verbunden sein und zu schweren Veränderungen der Mikro- und Makro- zirkulation („white-clot-Syndrom") füh- ren. Diese schwere unerwünschte Arz- neimittelwirkung (Letalität bis 25 Pro- zent) ist unabhängig von der Dosis und der gewählten Applikationsart (subkutan oder intravenös); sie soll häufiger nach Gabe von unfraktioniertem Heparin bo- viner Herkunft beobachtet worden sein.

Nach den bisherigen Erfahrungen und aus grundsätzlichen Überlegungen kann jedoch vermutet werden, daß niedermo-

lekulare Heparine eine ähnliche antigene Potenz besitzen können wie unfraktio- niertes Heparin.

Die Arzneimittelkommission hat be- reits 1989 (1) auf Heparin-induzierte (wiederholt als Therapieversagen einge- schätzte) Thrombosen hingewiesen. In- zwischen wurden cirka 90 an die Arznei- mittelkommission berichtete Verdachts- fälle über Thrombozytopenie/„white- clot-Syndrom" in Zusammenhang mit der subkutanen und intravenösen Applikati- on von fraktionierten und unfraktionier- ten Heparinen analysiert und im Aus- schuß „Unerwünschte Arzneimittelwir-

kungen" diskutiert. Auch unter Berück- sichtigung einer häufig vorliegenden Zu- satzmedikation wurde die Auslösung ei- ner Thrombozytopenie durch Heparin als

„möglich" angesehen. In einigen Fällen konnte der Kausalzusammenhang durch Antikörpernachweis gesichert werden.

Empfehlung der Arzneimittelkommission:

In den der Arzneimittelkommission vorliegenden mehr oder weniger aktuel- len Fachinformationen verschiedener Hersteller zu parenteral anzuwendenden Heparin-haltigen Präparaten wird — ver- mutlich auf Grund des unterschiedlichen Zeitpunktes der Zulassung — zum größ- ten Teil in unvollständiger Form auf He- parin-induzierte Thrombozytopenien, ih- re Ursachen und ihre Überwachung ein- gegangen. In der Rubrik „Nebenwirkun- gen" sollte einheitlich zumindest auf die Dosis-unabhängige, immunologisch be- dingte, sowohl nach subkutaner als auch nach intravenöser Applikation auftreten- de Auslösung generalisierter arterieller

Empfehlungen zu der Bekanntma- chung der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft „Unerwünschte Arzneimittelwirkungen durch fraktio- nierte und unfraktionierte Heparine"

(Heft 41/1992) und zum Stufenplan des Bundesgesundheitsamtes „Heparin-halti- ge Arzneimittel zur parenteralen Anwen- dung" (Heft 47/1992):

Wir begrüßen, daß die Arzneimittel- kommission der deutschen Ärzteschaft

und venöser thromboembolischer Ereig- nisse besonders hingewiesen werden. In der Rubrik „Sonstige Hinweise" der Fachinformation sollte empfohlen wer- den, vor einer Heparin-Therapie die Thrombozytenwerte zu bestimmen und die Bestimmung zwischen dem 3. und 7.

Tag der Therapie und auch später zu wie- derholen. Wenn eine längerfristige He- parinbehandlung durchgeführt wird, soll- ten in wöchentlichen Abständen für die Dauer von 2 bis 3 Wochen Kontrollen durchgeführt werden.

Bei Hinweisen auf das Auftreten die- ser schweren unerwünschten Arzneimit- telwirkung muß die Heparin-Therapie sofort beendet werden. Die Thrombozy- ten steigen dann in den meisten Fällen innerhalb von 7 Tagen wieder an. Im Ein- zelfall ist zu prüfen, ob andere antithrom- botisch/antikoagulatorische Maßnahmen

(z. B. Acetylsalicylsäure oder Cumarin- Derivate) ergriffen werden müssen. Eine laboranalytische Objektivierung der mög- licherweise immunologisch vermittelten Heparin-induzierten Thrombozytopenie ist anzustreben. Betroffene Patienten müssen über ihr Risiko im Falle einer er- neuten Heparin-Anwendung informiert und mit einem Allergiepaß ausgestattet werden.

Die Arzneimittelkommission bittet die Ärzte, auch in Zukunft Verdachtsfäl- le von unerwünschten Wirkungen im Zu- sammenhang mit der Applikation von Heparinen zu berichten — entweder auf den im Deutschen Ärzteblatt abgedruck- ten Berichtsbogen oder auch formlos per Telefax oder telefonisch (Arzneimittel- kommission der deutschen Ärzteschaft, Aachener Str. 233 — 237, 50931 Köln, Te- lefon: 02 21/40 04-5 25, Telefax:

02 21/40 04-5 11).

(1) Arzneimittelkommission der deut- schen Ärzteschaft: Thrombose trotz Heparin in niedriger Dosis, Dt.

Ärzteblatt, Heft 18, 1989

erneut auf die Gefahr Heparin-assoziier- ter Thrombozytopenien (HAT) hinge- wiesen und Empfehlungen zur frühzeiti- gen Erkennung derartiger Nebenwirkun- gen ausgesprochen hat. Inzwischen hat auch das Bundesgesundheitsamt (BGA) reagiert und die betreffenden pharma- zeutischen Unternehmen nach dem Stu- fenplanverfahren zur Abwehr von Arz- neimittelrisiken angewiesen, Änderun- gen der Abschnitte „Nebenwirkungen"

Leserbrief von Prof. Scharf, Dr. Greinacher, Prof. Riess und Prof. Breddin

A-1736 (70) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 24, 17. Juni 1994

(2)

BEKANNTGABEN

und „Gegenanzeigen" in den Gebrauchs- und Fachinformationen heparinhaltiger Injektionslösungen vorzunehmen. Die Ankündigung des BGA weist auf eine un- zureichende Berücksichtigung des aktu- ellen wissenschaftlichen Kenntnisstandes in den Produktinformationen hin, ohne Bezug auf die Arzneimittelkommission zu nehmen. Aus unserer Sicht bedürfen beide Bekanntmachungen, die der Arz- neimittelkommission und die des BGA, einer Reihe von Klarstellungen.

Thrombozytenzählung unter Heparingabe — wann, wie oft, wie lange?

Unstrittig ist, daß eine „engmaschige"

Kontrolle der peripheren Thrombozyten- zahl am ehesten die Gewähr bietet, unter prophylaktischer oder therapeutischer Heparinapplikation frühzeitig eine HAT zu entdecken. Außerdem sollte vor He- parinisierung bereits eine Bestimmung der Thrombozytenkonzentration erfol- gen.

Die Maximalforderung einiger nord- amerikanischer Autoren (1), nämlich ein

„daily platelet count monitoring" unter Heparingabe, ist hingegen — insbesonde- re bei ambulanter Heparinbehandlung — weder praktikabel noch durch eine Auf- wand/Risiko- bzw. Kosten/Nutzen-Analy- se zu rechtfertigen. Auch die Empfeh- lung der Arzneimittelkommission, „die Bestimmung (der Thrombozytenzahl) zwischen dem dritten und siebten Tag der Therapie und auch später zu wieder- holen" bzw. bei „längerfristiger Heparin- behandlung . . . in wöchentlichen Abstän- den für die Dauer von zwei bis drei Wo- chen Kontrollen (der Thrombozytenzahl) durchzuführen", halten wir für wenig ge- eignet, da die vorgeschlagenen Intervalle zwischen den Bestimmungen der Throm- bozytenzahl nach unserer Erfahrung zu lang sind. So zeigt eine retrospektive Auswertung der Gießener Arbeitsgruppe an mittlerweile 180 Patienten mit nachge- wiesener HAT vom Typ II für die 78 Pa- tienten, bei denen eine regelmäßige Thrombozytenzählung in hinreichend kurzen (zwei bis bis dreitägigen) Abstän- den erfolgt war, daß ein Abfall der Thrombozytenzahl auf Werte unter 100 0041 als Ausdruck einer HAT, Typ II erstmals zwischen dem 3. und 22.

Tag nach Beginn der Heparinapplikation mit einem Maximum um den 10. Tag ein- trat (2). Zieht man dieses Verteilungsdia- gramm heran, das sich mit Literaturanga- ben deckt (3), und wendet die von der Arzneimittelkommission empfohlenen Kontrollintervalle der Thrombozytenzäh- lung an, so ergibt sich, daß 44 bis 76 Pro- zent (!) aller unter Heparintherapie auf-

tretenden Thrombozytopenien nicht rechtzeitig erkannt würden.

Vor diesem Hintergrund lautet unsere Empfehlung: „Bestimmungen der Throm- bozytenzahl sollten a) vor Beginn der He- paringabe, b) zwischen dem dritten und fünften Tag nach Beginn der Heparingabe, c) anschließend zweimal pro Woche wäh- rend der ersten drei Wochen nach Beginn der Heparingabe und schließlich d) am En- de der Heparinbehandlung erfolgen". Die Vorteile dieser Kontrollintervalle hin- sichtlich einer frühzeitigeren Erkennung einer HAT lassen sich unter Berücksichti- gung der Gießener Daten belegen. Eine hiermit verbundene Belastung für den Pa- tienten durch zusätzliche Blutentnahmen bzw. ein Mehraufwand an Arbeit für Ärz- te, Schwestern und Laborassistenten, vor allem aber zusätzliche Kosten für Kran- kenhaus- bzw. Versicherungsträger sind gewiß, dürften aber nach der Initiative des BGA unvermeidbar sein, wenn die Maß- nahmen zur „Abwehr von Arzneimittelri- siken" effektiv sein sollen. Häufigere Kon- trollbestimmungen der Thrombozyten- zahl zur frühzeitigen Erkennung einer HAT machen aber wenig Sinn, solange nicht kritische Grenzwerte festgelegt sind.

Die vom BGA vorgesehene Ergänzung (Abschnitt „Nebenwirkungen") der Ge- brauchs- und Fachinformation heparin- haltiger Injektionslösungen „Bei Absin- ken der Thrombozytenwerte (unter Hepa- ringabe) ist die Behandlung abzubrechen"

halten wir für ungeeignet.

Abfall der Thrombozytenzahl — unter welchen Wert?

In der Bekanntmachung der Arznei- mittelkommission werden Thrombozy- tenzahlen unter 50 00041 „bei einigen Fällen" von HAT, Typ I erwähnt; auf Ausmaß und Geschwindigkeit, mit der sich Thrombozytopenien bei dem klinisch relevanten Typ II manifestiert, wird hin- gegen nicht eingegangen. Auch dies be- darf einer Ergänzung.

Bei HAT, Typ II (mit oder ohne Ma- nifestation thromboembolischer Kompli- kationen) liegt zumeist ein Thrombozyte- nabfall auf Werte 80 00041 vor (1, 3, 4). Häufig wird dabei ein rascher Abfall der Thrombozyten innerhalb einer Wo- che auf weniger als die Hälfte des Aus- gangswertes beobachtet. Wiederholt wur- de auch über Patienten mit reaktiven oder autonomen Thrombozytosen berich- tet, bei denen unter Heparinbehandlung ein drastischer Abfall der Thrombozyten- zahl eintrat, ohne daß Werte um 150 000411 unterschritten wurden (1, 2).

In einer Reihe dieser Fälle ließen sich plättchenreaktive Antikörper in Gegen- wart von Heparin nachweisen (1, 2).

In Kenntnis dieser Erfahrungen emp- fehlen wir folgende Formulierung: „Bei einem Abfall der Thrombozytenzahl auf Werte 80 000/4 oder < 50 Prozent des Ausgangswertes ist das Vorliegen einer Heparin-assoziierten Thrombozytopenie, Typ II in Betracht zu ziehen und eine entsprechende Diagnostik einzuleiten.

Darüber hinaus ist die Notwendigkeit und Art der weiteren antithrombotischen Therapie zu überdenken!" Eindringlich gewarnt werden muß davor, bei einer un- ter Therapie mit einem unfraktionierten Heparin aufgetretenen HAT vom Typ II eine Umstellung auf ein niedermolekula- res Heparin ohne vorhergehende Auste- stung mittels geeigneter In-vitro-Verfah- ren vorzunehmen. Denn in bis zu 98 Pro- zent aller untersuchten Patienten mit HAT, Typ II läßt sich immunologisch ei- ne Kreuzreaktivität der Antikörper gegen niedermolekulare Heparine nachweisen ( 5 ).

Diagnostik und differentialtherapeu- tisches Vorgehen bei HAT, Typ II sind Gegenstand jüngster umfassender Über- sichtsarbeiten (1, 4, 5).

Literatur:

1. Warkentin, Th. E.; Kelton, J. G.: Heparin- induced thrombocytopenia, in B. S. Coller.

Progress in Hemostasis and Thrombosis, vol. 10. W. B. Saunders Comp., Philadel- phia (1991) 1-34

2. Greinacher, A.: Manuskript in Vorberei- tung

3. Kelton, J. G.: Heparin-induced thrombocy- topenia. Haemostasis 16 (1986) 606 — 612 4. Greinacher, A.; Mueller-Eckhardt, C.: Dia-

gnostik der Heparin-assoziierten Thrombo- zytopenie. Dtsch. Med. Wschr. 116 (1991) 1479 —1482

5. Greinacher, A.; Mueller-Eckhardt, C.:

Therapie der Heparin-assoziierten Throm- bozytopenie. Dtsch. Med. Wschr. 116 (1991) 1483 —1484

Prof. Dr. med. R.E. Scharf, Klinikum der Univ. Bonn Dr. med. A. Greinacher, Klinikum der Univ. Gießen Prof. Dr. med. H. Riess,

Klinikum der Freien Univ. Berlin Prof. Dr. med. Dr. med. h. c.

H. K. Breddin,

Klinikum der Univ. Frankfurt

Anschrift für die Verfasser:

Prof. Dr. med. Rüdiger E. Scharf Institut für Experimentelle Hämatologie und Transfusionsmedizin

Klinikum der Rheinischen Friedrich-Wil- helms-Universität

Sigmund-Freud-Str. 25 53105 Bonn

Telefon: (02 28) 2 80-37 10 Telefax: (02 28) 2 80-30 87

Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 24, 17. Juni 1994 (71) A-1737

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