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SO Z I O L O G I E, 3 9 . JG. , HE F T 1 , 2 0 1 0 , S . 7 – 8

Nach-Fragen

Wie HGS mich zur Hermeneutik verführt hat Ronald Hitzler

Es geschah an einem Juni-Abend im Jahre 19811, als im Anschluss an einen der Sitzungstage des Kolloquiums »Phänomenologie und Sozial- wissenschaft« im Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) in Biele- feld Hans-Georg Soeffner mich, der ich ein wenig verloren und orientie- rungslos herumstand, fragte, ob ich mit zurück in die Stadt fahren wolle.

Ich konnte es kaum glauben: Hans-Georg Soeffner sieht mich, beachtet mich, fragt mich. Natürlich wollte ich! Unbeschadet dessen stieg ich mehr als nervös zu ihm ins Auto und überlegte krampfhaft etwelche Höflich- keitsfloskeln und Unterhaltungsstereotypen. Das erwies sich jedoch als völlig überflüssig, denn er fing sofort an, ernsthaft mit mir über Fragen und Probleme zu sprechen, die ihn aus der Diskussion im Kolloquium heraus beschäftigten, und, genauso ernsthaft, mich nach meinen kritischen Einwän- den zu fragen – sowohl zu dem tagsüber Gehörten als auch zu seinen Deu- tungen. Also meinte ich etwas. Und nun geschah etwas für mich damals überaus Verblüffendes:

Soeffner konterte meine Meinung nicht (wie ich das bislang gewohnt gewesen war), sondern bat mich ›nur‹, ihm zu erläutern, wieso ich meinte, was ich meinte. Zu den Erläuterungen forderte er Begründungen. Meine Begründungen konfrontierte er mit Einreden. Gegenüber seinen Einreden animierte er mich zu Gegenargumentationen. Nach einiger Zeit hatten wir uns irgendwo am Rande von Bielefeld so in unsere ›Sache‹ hineingeredet,

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1 Meiner Erinnerung nach war es ein lauer Juni-Abend. HGS hingegen erinnert, es habe in Strömen geregnet. Möglicherweise hat das, was an diesem Abend angestoßen wurde, diesen für mich immer mehr aufgehellt, möglicherweise hat es ihn für HGS immer stär- ker bewölkt.

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8 ID E N T I T Ä T U N D IN T E R D I S Z I P L I N A R I T Ä T

dass er den Wagen an einem Waldrand anhielt, damit wir uns unabgelenkt von alltäglichen Pragmatismen in der reinen Welt der Theorie bewegen konnten.

Diese ›Stunde‹ (sozialzeitlich mögen es auch zwei oder mehr Stunden gewesen sein) hat mich zu einem sozialwissenschaftlichen Hermeneuten – vielleicht zu einem lausigen, aber jedenfalls zu einem überzeugten Herme- neuten – gemacht: nicht zu einem Kenner der Hermeneutik, aber zu einem hermeneutischen Praktiker. Für diese Lektion, eingebettet in die Erfahrung, nicht unterwiesen, sondern ›auf Augenhöhe‹ behandelt zu werden, bin ich HGS bis heute – und ganz gewiss auch morgen – dankbar. Dieser Moment der Verdichtung hat mir einen unabsehbaren Spiel-Raum eröffnet für nicht mehr zählbare Chancen des Nach-Denkens in den Spuren der von ihm initiierten »wissenssoziologischen Hermeneutik« und »hermeneutischen Wissenssoziologie«, des Mit-Denkens mit ihm, das wesentlich intensiver und nachhaltiger statt hat, als es die eine gemeinsame Publikation2 vermuten lassen dürfte, aber eben auch der vielfältigen freundschaftlichen Ausein- andersetzung darüber, wie eine »ordentliche« hermeneutische Haltung be- stimmt und wie aus einer solchen heraus eine (hinlänglich) »disziplinierte«, erfahrungswissenschaftliche Soziologie betrieben werden kann.

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2 Hans-Georg Soeffner, Ronald Hitzler (1994): Qualitatives Vorgehen – »Interpretation«.

In: Enzyklopädie der Psychologie. Methodologische Grundlagen der Psychologie. For- schungsmethoden der Psychologie 1. Göttingen, Bern, Toronto, Seattle: Hogrefe – Ver- lag für Psychologie, S. 98136; leicht modifiziert: Hermeneutik als Haltung und Hand- lung. Über methodisch kontrolliertes Verstehen. In: Schröer, Norbert (Hrsg.) (1994): In- terpretative Sozialforschung. Opladen: Westdeutscher Verlag, S. 2855.

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