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Archiv "Arnold Böcklin – Eine Retrospektive: Gegenpol zum Impressionismus" (27.08.2001)

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A2198 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 34–35½½½½27. August 2001

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as Telegramm, das er zu seinem 70. Geburtstag 1897 aus Amerika erhält, ist zwar nur lapidar mit „Boecklin Eu- rope“ adressiert, doch erreicht es den Jubilar ohne Probleme:

Arnold Böcklin (1827 bis 1901) gilt in dieser Zeit im deutschsprachigen Raum als der größte Maler des 19. Jahr- hunderts. Entsprechend auf- wendig fallen denn auch die

Gedächtnisfeiern zu seinem Tod aus: Altäre mit lodernden Opferschalen, theatralische Inszenierungen mit Huldigun- gen und Deklamationen. Lan- ge Trauerzüge in Deutschland, Österreich, Italien und der Schweiz zeugen von der Be- geisterung, die Böcklins Kunst bei seinen Zeitgenossen aus- zulösen vermag.

Die Ausstellung der Werke des Meisters, die nun vom Basler Kunstmuseum, dem Pariser Musée d'Orsay und der Münchner Neuen Pinako- thek aus Anlass der 100. Wie- derkehr des Todestages orga- nisiert worden ist, wird den zeitgenössischen Besucher je- doch nur schwerlich in eine solche Böcklin-Euphorie ver- setzen wie die Menschen vor

einem Jahrhundert. Heute sind es vor allem die heiteren, mit bunten und hellen Farben gemalten Bilder der Impres- sionisten, die dafür sorgen, dass die Menschenmassen vor Museen Schlange stehen.

Böcklin aber vertritt quasi den Gegenpol zum Impres- sionismus: Der gebürtige Bas- ler nimmt ihn schlichtweg gar nicht erst zur Kenntnis – er lebt in einer anderen Welt.

Statt einer impressionistischen Momentaufnahme städtischen Lebens findet man bei Böck- lin den Rückzug in eine arka- dische Natur, statt einer Teil- habe an der Geschichte inter- essiert ihn nur der Mythos.

Das, was Böcklin bewegt, wird schon in seiner Studien- zeit deutlich, als er 1848

während eines kurzen Studi- enaufenthaltes in Paris Zeuge der blutigen Februar- und Ju- nirevolution wird und trau- matisiert auf Anraten seines Mentors Jacob Burckhardt kurze Zeit später nach Rom umsiedelt. Sein Leben lang bleibt denn auch Italien Böcklins bevorzugtes Land.

Während er in seiner Früh- zeit dunkle, schwere Land- schaften malt, denen er ein paar Figuren als Staffage bei- gesellt, entwickeln sich die zunächst kaum kenntlichen Wesen allmählich zu den Be- deutungsträgern in den Ge- mälden. Der Maler zeigt nicht Zeitgenossen, sondern Misch- wesen zwischen Mensch und Tier und orientiert sich dabei häufig an den Metamorpho- sen des Ovid. Hier erschreckt der bocksfüßige Pan einen Hirten, dort jagt ein Kentaur, ein Mann mit dem Unterleib eines Pferdes, eine erschrok- kene Nymphe. Mal malträtie- ren sich haarige Kentauren in blutigem Kampf, mal räkeln sich barbusige Nereiden, Frauen mit einem Fischunter- leib, auf Felsen im Meer. Im- mer geht es bei Böcklin um Grundsätzliches: Begehren und Kämpfen, Sehnsucht und Tod, aber auch Spielen und

Zeitvertreib. Häufig findet sich in den Bildern auch die Ironie. Die Idealwelt der My- then interessiert Böcklin nur dann wirklich, wenn er sie mit Trivialem kombinieren kann.

Die Tritonen und Nymphen sind eben oft nur beschränkte Kleinbürger und insofern Per- siflagen auf ihre idealen Vor- bilder – aber das sieht man eben erst auf den zweiten Blick.

Allmählich wird Böcklins Werk dann symbolistisch. Ei- nes seiner bekanntesten Wer- ke, die „Toteninsel“ von 1880, bringt die neue Stimmung auf den Punkt. Der Maler zeigt ei- nen magisch leuchtenden Fel- sen im Meer vor finsterem Nachthimmel. Ein Nachen mit weißem Sarg und stehender weißer Rückenfigur gleitet auf die mit dunklen Zypressen kenntlich gemachte Felsein- fahrt zu, an deren Seiten sich große Grabkammern öffnen.

Die suggestive Wirkung dieses Bildes, von dessen fünf Fas- sungen die Ausstellung drei präsentieren kann, ist im dop- pelten Sinne ungeheuerlich.

Die tiefe Verlorenheit und Melancholie, die Sehnsucht nach einem endgültigen Auf- gehobensein ergreift auch heute noch zutiefst.

Bild des Untergangs

Einige Räume weiter dann das Entsetzen der „Pest“ von 1898. Auf einem fledermaus- artigen Ungeheuer reitet der Tod mit weit ausholender Sen- se direkt auf den Betrachter zu, den wohl als nächster der endgültige Hieb ereilen wird.

Aus dem Maul des Ungeheu- ers strömt Dampf, der die Menschen in der Straße hinter ihm bereits hingestreckt hat.

Das Bild des Untergangs: eine Ikone der Jahrhundertwende und ein Spiegel der Ängste um 1900.

Die groß angelegte Böck- lin-Schau zeigt einen Maler der anderen Wirklichkeit: Ihn interessiert das, was hinter dem Außen liegt – und was die Menschen mindestens so stark bewegt wie der impres- sionistische Glanz der Ober- flächen. Bernd Apke

Arnold Böcklin – Eine Retrospektive

Eine groß angelegte Ausstellung, die in drei Museen zu sehen ist, gibt einen Überblick über die künstlerische Entwicklung des Malers.

Die Ausstellung „Arnold Böcklin – Eine Retrospektive“ ist bis 26. Au- gust im Kunstmuseum Basel (St. Al- ban-Graben 16, CH-4010 Basel) zu sehen. Öffnungszeiten: dienstags, donnerstags bis sonntags: 10 bis 17 Uhr, mittwochs: 10 bis 19 Uhr. Kata- log: 60 sFr. Vom 1. Oktober bis 15.

Januar 2002 ist die Ausstellung im Pariser Musée d’Orsay (62, rue de Lille, F-75343 Paris) zu sehen. An- schließend wandert sie vom 14.

Februar bis 26. Mai 2002 in die Münchner Neue Pinakothek (Barer Straße 29, 80799 München).

Arnold Böcklin:

„Die Pest“, 1898, Tannen- holz , unvoll- endet , 149,5 x 104,5 cm

Arnold Böcklin: „Die Toteninsel“, 1880, Leinwand, doubliert, 111 x 155 cm Abbildungen: Kunstmuseum Basel

Gegenpol zum Impressionismus

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