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Archiv "Plädoyer für Kostenfreiheit von Impfungen bei Kindern" (28.10.1983)

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Honorierungssystem

ja der Tatsache Rechnung, daß nicht Fall gleich Fall ist. Gerade hier soll ja die Möglichkeit gege- ben sein, Besonderheiten in der ärztlichen Behandlung in der Form der Gebührenberechnung zu berücksichtigen. Unbehaglich erscheint darüber hinaus der Ge- danke, daß eine weitgehende Standardisierung ärztlicher Lei- stungen, wie sie notwendig wäre, um dem vorgelegten Modell zu entsprechen, die gesamte ambu- lante ärztliche Behandlung ent- menschlichen würde. Beispiele kann man hier sicherlich dem der- zeitigen Krankenhausbetrieb ent- nehmen. In diesem Bereich wer- den ja Elemente der Rationalisie- rung medizinischer Leistungen vorgestellt. Nicht ohne Grund for- dert man daher eine Humanisie- rung des Krankenhausbetriebes.

„Entmenschlichung" konnte bis- her weitgehend im System der ambulanten ärztlichen Versor- gung vermieden werden. Das kon- sequente Durchsetzen des vorge- legten Modells würde allerdings eine solche Entmenschlichung bedingen, denn eine „Produk- tion" zu minimalen Stückko- sten verbietet „kostentreibende"

menschliche Zuwendung.

Die Vermeidung von Gewinnen muß auch dazu führen, daß jeg- licher Anreiz zu innovativer Tätig- keit innerhalb der ärztlichen Pra- xen verlorengeht. Aber gerade durch innovative Prozesse wer- den in Diagnostik und Therapie Verfahren entwickelt, die insge- samt die Leistungserbringung verbessern und letztendlich zu Kostenreduzierungen führen.

Wenn allerdings zu befürchten ist, daß jegliche Innovation zum Absenken der betreffenden Ge- bühren führt, wie dies ja im Mo- dell von Männer, Hartmann und Hofmann vorgesehen ist, so wer- den solche Innovationen zum Nachteil der Patienten ausbleiben müssen.

Anschrift des Verfassers:

Dr. rer. pol. Lothar Feige Berliner Allee 20

3000 Hannover 1

Aktive Schutzimpfungen haben in erheblichem Maß zur Verringe- rung der Kindersterblichkeit und des Krankenstandes beigetragen.

Sie gehören zu den wirksamsten präventiven Maßnahmen. Dabei gewinnen zunehmend Impfungen gegen lange als harmlos einge- stufte Erkrankungen wie Masern, Mumps und Röteln an Bedeutung.

Dies gilt besonders für Masern. In der Bundesrepublik Deutschland wurde 1980 bei jährlich 500 000 Masernerkrankungen mit 500 En- zephalitiden und 80 Todesfällen gerechnet (Vivell). Während die tödlichen Verläufe vor allem bei Kindern mit zusätzlichen chroni- schen Erkrankungen oder mit Be- einträchtigungen der Abwehrme- chanismen auftreten, kann auch ein bis dahin völlig gesundes Kind im Anschluß an Masern infolge ei- ner Enzephalitis eine lebenslange Hirnschädigung erleiden. Mumps gehört zu den wichtigsten Ursa- chen des kindlichen Diabetes mellitus. Die Gefahr der Röteln- embryopathie ist allgemein be- kannt. All diese Komplikationen wiegen um so schwerer, als die Krankheit und alle ihre Folgen

THEMEN DER ZEIT

heute durch gut verträgliche akti- ve Impfungen vermieden werden können. Die Kosten-Nutzen-Ana- lyse spricht ganz eindeutig für ei- ne komplette Durchimpfung un- serer Kinder. Diese ist in Ländern mit rigoroser Durchsetzung staat- licher Gesundheitsprogramme, aber beispielsweise auch in zahl- reichen Staaten der USA gelun- gen. In derartigen Ländern sind beispielsweise die Masern ausge- rottet.

Zu den eine komplette Durchimp- fung begünstigenden Faktoren gehört Kostenfreiheit, zumindest aber einheitliche und für Ärzte und Patienten transparente Rege- lungen der Kostenfrage. Außer in Bayern ist derzeit in anderen Bun- desländern keine dieser beiden Forderungen erfüllt. Darum muß angenommen werden, daß in un- serem Land Erkrankungen und Komplikationen, die durch Imp- fung vermeidbar gewesen wären, auf das Konto der unbefriedigen- den Kostenregelung gehen. Um einen Überblick über die Situation und gleichzeitig einen Anstoß zur Kostenübernahme bei allen akti-

Plädoyer für Kostenfreiheit von Impfungen bei Kindern

Peter Allhoff und Hermann Olbing

Schutzimpfungen bei Kindern gehören zu den bekanntesten und wirksamsten Maßnahmen zur Verhütung von Krankheiten. Durch komplette Durchimpfung aller Kinder lassen sich sogar Krank- heiten gänzlich ausrotten, wie dies beispielsweise bei den Ma- sern in einigen Ostblock-Ländern und in zahlreichen Staaten der USA gelungen ist. Die Bundesrepublik Deutschland ist davon noch weit entfernt. Eine wesentliche Ursache dafür liegt in der unübersichtlichen und lückenhaften Kostenregelung für diese Impfungen. Nur in Bayern wurde bisher eine beispielhafte Rege- lung getroffen, die vor allem auch den zunehmenden Trend, Kin- der durch den niedergelassenen Arzt impfen zu lassen, berück sichtigt. Dort werden nämlich die Impfkosten von den gesetzli- chen Krankenkassen übernommen.

Ausgabe A DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 43 vom 28. Oktober 1983 81

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Tabelle 1: Kostenlos angebotene Impfungen für Kinder durch Ein- richtungen des öffentlichen Gesundheitsdienstes (+)

Impfungen

Masern Mumps Röteln Diphtherie Polio Land

Schleswig-Holstein Hamburg

Niedersachsen Bremen

Nordrhein-Westfalen Hessen

Rheinland-Pfalz Baden-Württemberg Bayern

Saarland Berlin (West) Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Kassenärztliche

Vereinigungen RVO-Krankenkassen

Schleswig-Holstein Hamburg

Bremen Niedersachsen Westfalen-Lippe

Nordrhein Hessen Koblenz Rheinhessen Pfalz

Trier Nordbaden Südbaden Nordwürttemberg Südwürttemberg Bayern

Berlin Saarland

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Tabelle 2: Rahmenverträge zwischen Kassenärztlichen Vereinigun- gen und RVO-Krankenkassen über Schutzimpfungen für Kinder

") Die Ersatzkassen haben sich diesen Vereinbarungen stillschweigend angeschlossen

Schutzimpfung bei Kindern

Gesetzliche Krankenkassen Schutzimpfungen gehören nicht zu den Pflichtleistungen gesetzli- cher Krankenkassen. Dennoch haben in Schleswig-Holstein, Ko- blenz, Rheinhessen, Südwürttem- berg und Bayern die Landesver- bände der gesetzlichen Kranken- kassen in einem Rahmenvertrag mit den Kassenärztlichen Vereini- gungen die Kosten für alle rele- vanten Impfungen durch Kassen- ärzte auf Krankenschein über- nommen; in Bayern haben sich die Ersatzkassen stillschweigend angeschlossen. Die in Bayern ge- troffene Regelung wird vom Staatsministerium des Innern durch Zuschüsse an die Landes- verbände der Krankenkassen übergangsweise unterstützt. In al- len anderen KV-Bereichen sind die Verhältnisse weniger befriedi- gend (Tabelle 2). In Hamburg, Bremen, Westfalen-Lippe, Nord- rhein, Hessen und im Saarland gibt es keine Rahmenverträge. Im Bereich aller übrigen KVen beste- hen Rahmenverträge der KVen mit mindestens einem Kranken- kassenlandesverband.

Ersatzkassen, Privatkassen Außer in Bayern und in Nieder- sachsen sehen die Ersatzkassen und die private Krankenversiche- rung keine generelle Kostener- stattung für Impfungen vor, wenn auch im Einzelfall solche Kosten schon jetzt (stillschweigend) übernommen werden. Wegen der großen Zahl verschiedener Ersatz- kassen und privater Krankenversi- cherungen ist gerade deren Versi- cherten gegenüber die Unsicher- heit vieler Ärzte hinsichtlich der Kostenfreiheit von Impfungen groß.

Schlußfolgerungen

Kostenfreiheit für alle aktiven Schutzimpfungen in allen Regio- nen der Bundesrepublik Deutsch- land durch die Gesundheitsämter, aber auch durch gesetzliche Kran- ven Impfungen von Kindern unab-

hängig vom Kostenträger zu ge- ben, wird hier das Ergebnis einer Umfrage bei obersten Gesund- heitsbehörden der Länder, den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Krankenkassen vorge- stellt.

Gesundheitsämter

Nach § 14 Abs. 4 des Bundes- seuchengesetzes können die obersten Gesundheitsbehörden

der Bundesländer unentgeltliche Schutzimpfungen durch die Ge- sundheitsämter anbieten. Da es sich um eine freiwillige Leistung handelt, weisen die Regelungen in den einzelnen Bundesländern erhebliche Unterschiede auf (vgl.

Tabelle 1). Bayern kann außer Be- tracht bleiben. Gesundheitsämter der übrigen Bundesländer bieten keine kostenfreie Masernimp- fung in Baden-Württemberg, kei- ne kostenfreie Mumpsimpfung in Schleswig-Holstein und Baden- Württemberg.

82 Heft 43 vom 28. Oktober 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ARZTEBLATT Ausgabe A

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Schutzimpfung bei Kindern

kenkassen, Ersatzkassen und die private Krankenversicherung ge- hört zu den Voraussetzungen für eine Ausrottung der durch aktive Schutzimpfung vermeidbaren In- fektionskrankheiten. Wegen der relativen Häufigkeit und Schwere von Komplikationen ist eine hohe Durchimpfungsquote gegen Ma- sern besonders notwendig. Da ein Kombinationsimpfstoff für alle drei Erkrankungen vorliegt, sollte bei Masernimpfungen gleichzeitig gegen Mumps und Röteln geimpft werden. Für die notwendigen Neuregelungen könnte der Rah- menvertrag in Bayern Vorbild sein. Erfreulicherweise hat der Verband der Angestelltenkran- kenkassen e.V., Siegburg, Ge- spräche mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Köln, aufgenommen, um den Versicher- ten der Ersatzkassen im gesamten Bundesgebiet kostenfreie Schutz- impfungen zu gewähren, wenn der öffentliche Gesundheitsdienst solche nicht, beziehungsweise nicht genügend, anbietet oder der Versicherte vom Gesundheitsamt angebotene Termine nicht wahr- nehmen kann. Mit dieser ange- strebten Vereinbarung würde erstmalig bundesweit zumindest für die Ersatzkassen eine einheit- liche Regelung sichergestellt.

Über die Kostenfrage hinaus bie- tet ein Angebot durch die gesetzli- chen Krankenkassen einen wichti- gen Vorteil: Der Weg zum näch- sten Kassenarzt — Kinderarzt oder Praktiker — ist i. a. kürzer als der zum Gesundheitsamt.

Anschrift der Verfasser:

Peter Allhoff

Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland

Ottostraße 1 5000 Köln 40

Prof. Dr. med. Hermann Olbing Präsident der Deutschen Gesellschaft für

Kinderheilkunde e. V.

Universitätskinderklinik Hufelandstraße 55 4300 Essen 1

Ministeriellen Besuch hatte, wie üblich, auch der 36. Bayerische Ärztetag bei seiner Eröffnung in der Würzburger Residenz am 30.

September 1983. Dieses Mal war es der Bayerische Staatsminister des Innern, Dr. Karl Hillermeier, der in seiner Eigenschaft als für die Ärztekammern zuständiger Gesundheitsminister zum ersten Male an einem Ärztetag teilnahm.

Er nannte das Verhältnis zwischen Ärzteschaft und Regierung im Freistaat Bayern „wohlgeordnet", machte dann aber längere ge- sundheitspolitische Ausführun- gen, denen der Präsident der Bay- erischen Landesärztekammer, Professor Dr. Hans Joachim Se- wering, hinterher bescheinigte, es seien „weder freundliche Unver- bindlichkeiten noch unverbind- liche Freundlichkeiten" gewesen.

Nachdem man sich allgemein und gegenseitig daran erinnert hatte, daß der vorjährige Bayerische Ärztetag in Bamberg genau am Tage des Auseinanderbrechens der Bonner SPD/FDP-Regierung begonnen hatte und daß natürlich nicht alle hinterlassenen Proble- me in einem Jahr gelöst werden könnten, gab es dann in der Tat auch recht Handfestes. Der Präsi- dent der Bundesärztekammer, Dr.

Karsten Vilmar, listete einige der Probleme auf, die den Ärzten noch als „Ärgernisse" den Blick voraus in eine rosigere Zukunft verstellen: die Auswirkungen der Negativliste, die Selbstbeteiligun- gen im Krankenhaus und bei der Kur (weil sie in ihrer jetzigen Form keine funktionierenden Steue- rungselemente seien), dann die neue Gebührenordnung (GOÄ).

THEMEN DER ZEIT

Minister Hillermeier lobte zu- nächst einmal die „bemerkens- werte" Zurückhaltung der Ärzte bei den neueren Honorarverein- barungen im kassenärztlichen Be- reich, die dazu führen werde, daß die Kassenarzthonorare bis Mitte 1985 den Krankenkassen keinen Anlaß für Erhöhungen der Beiträ- ge liefern könnten. Dann packte er gleich den GOÄ-Stier bei den Hörnern. Er akzeptierte, daß die Ärzte die GOÄ als „ersten Prüf- stein für das Verhältnis der neuen Bundesregierung zur Ärzte- schaft" betrachtet hätten. Es wäre aber verfrüht, schon jetzt endgül- tige negative Schlußfolgerungen aus Struktur und Inhalt der GOÄ ziehen zu wollen. Die Besserbe- wertung persönlich-ärztlicher Lei- stungen sei auch von der Ärzte- schaft gefordert worden, und sie müsse natürlich, wenn das Ganze kostenneutral sein soll, zwangs- läufig bei technisch-ärztlichen Leistungen zu niedrigeren Ein- nahmen führen. Kostenneutral könne die GOÄ aber dann nicht sein, wenn die Ärzte in ihren Li- quidationen stets und grundsätz- lich die begründungsfreie Gebüh- renspanne bis zum Höchstsatz des 2,3fachen bei persönlichen und des 1,8fachen bei techni- schen Leistungen ausnutzen.

Hillermeier glaubt, daß hier bei vielen Ärzten noch Mißverständ- nisse bestehen, weil bisher in den meisten Fällen etwa der 3,5fache alte Gebührensatz in Rechnung gestellt wurde. Eine mögliche Fol- ge dieses Liquidationsverhaltens könnte sein, daß eben doch keine Kostenneutralität erreicht wird, und dies würde sich sehr schnell

Ein Jahr nach der „Wende":

Prüfsteine im Verhältnis der Ärzte zur Politik

Gebührenordnung, Ausbildung, Katastrophenmedizin — Berufspolitik beim 36. Bayerischen Ärztetag in Würzburg

Ausgabe A DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 43 vom 28. Oktober 1983 85

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