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Archiv "Private Krankenversicherung: Umstrittener Aktionismus" (01.10.2004)

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eformmüdigkeit lässt sich der privaten Krankenversicherung (PKV) in letzter Zeit nicht vorwer- fen: Erst im Frühjahr überreichte eine vom Bundesjustizministerium (BMJ) eingesetzte Kommission dessen Mini- sterin Brigitte Zypries (SPD) ein Me- morandum, in dem die Expertengruppe – die der Versicherungswirtschaft nahe steht – Vorschläge zur Reform des Ver- sicherungsvertragsrechts (VVG) macht.

Darunter befinden sich auch Empfeh- lungen, die die PKV betreffen (DÄ, Hefte 18, 19, 33/2004). Kurz darauf warb die PKV für einen neuen „Basistarif“*, der den Versicherungswechsel und die Mitgabe eines Teils der Alterungsrück- stellungen ermöglichen soll (DÄ, Heft 25/2004). Beinahe zeitgleich bot der PKV-Verband ein neues Portal an, auf dessen Seiten Privatpatienten unter an- derem Ärzte suchen und ihre Rechnun- gen mithilfe einer Prüfsoftware kon- trollieren können. Nicht zuletzt hielt sich der Verband nicht mit Forderungen darüber zurück, wie die anstehende No- vellierung der Amtlichen Gebühren- ordnung für Ärzte (GOÄ) aussehen könnte. Während der PKV-Verband meint, mit seinem „Aktionismus“ auf dem richtigen Weg zu sein, sehen Kriti- ker darin den schleichenden Verlust des ursprünglichen PKV-Profils.

So lehnte die Bundesärztekammer (BÄK) den Kern der VVG-Reform –

die Einführung von Managed-Care- Elementen – strikt ab. Besonders die im VVG-Entwurf formulierte Möglich- keit, den Patienten durch Direktab- rechnungen zwischen Arzt und Privat- versicherung zum „Quasi Sachlei-

stungsempfänger“ werden zu lassen, führt nach Auffassung der BÄK zur Aufgabe der Transparenz des Kostener- stattungsverfahrens und letztlich hin zu einem zweiten GKV-System.

Profilverlust durch Reformen

Den Geschäftsführer im PKV-Verband, Christian Weber, lässt der Vorwurf un- berührt: Maßnahmen, die unter den Be- griff des Managed Care fallen – bei- spielsweise die Feststellung einer medi- zinischen Notwendigkeit einer Lei-

stung, Maßnahmen der Kosten- und Qualitätssteuerung oder die unmittel- bare Abrechnung mit Leistungserbrin- gern – betrachtet Weber lediglich als Ergänzung zum derzeitigen PKV-Spek- trum. Die Kostenerstattung bleibe „das dominante Prinzip“, so Weber gegen- über dem Deutschen Ärzteblatt. Auch Prof. Dr. jur. Ernst Niederleithinger, ehemals Abteilungsleiter im BMJ und Vorsitzender der Reformkommission, hält die Befürchtung der BÄK für un- begründet: „An dem jetzigen System der PKV ändert sich nichts“, so Nieder- leithinger.

Noch durch einen weiteren Punkt des Kommissionsentwurfs sieht die Kammer die Angleichung zwischen PKV und GKV vorangetrieben: durch das in § 186 Absatz 3 VVG formulierte Wirtschaftlichkeitsgebot. Dies sei nicht vereinbar mit den Grundprinzi- pien der privatärztlichen Behandlung und werde zu ständigen Konflikten über die medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit ärztlicher Be- handlungen führen, kritisiert die BÄK.

Auch diesen Vorwurf hält der PKV- Verband für nicht berechtigt. Der Kommissionsvorschlag bringe die La- ge lediglich auf den Stand zurück, der vor dem Urteil des Bundesgerichtshofs von 2003** herrschte, denn auch vor- her habe man „medizinisch notwendi- ge Heilbehandlungen“ an ökonomi- schen Gesichtspunkten orientiert. Mit einem verstärkten Kostenmanage- ment, das der PKV in jüngster Zeit vorgeworfen wird, habe die Befürwor- tung des Wirtschaftlichkeitsprinzips nichts zu tun, betonte Weber.

Ob dem Kommissionsentwurf be- reits im Januar kommenden Jahres ein daran orientierter Gesetzesentwurf fol- gen wird – was Zypries ursprünglich be- absichtigte –, ist nach Angaben einer Ministeriumssprecherin offen. Lilo Blunck, Geschäftsführerin des Bundes der Versicherten e.V., Hamburg, und einziges VVG-Kommissionmitglied aus dem Bereich Verbraucherschutz, rech- P O L I T I K

Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 401. Oktober 2004 AA2663

Private Krankenversicherung

Umstrittener Aktionismus

Die jüngsten Bestrebungen der PKV, durch die Reform des Versicherungsvertragsrechts und die Novellierung der GOÄ vom

„payer“ zum „player“ zu werden, stoßen auf heftige Kritik.

*Das Leistungsangebot des „Basistarifs“ soll in etwa dem GKV-Leistungskatalog entsprechen: Jeder freiwillig gesetzlich Versicherte soll bis zum 55. Lebensjahr ohne Risikoprüfung und mit Kontrahierungszwang in einen PKV-„Basistarif“ wechseln können. Vorerkrankungen sollen weder zum Versicherungsausschluss noch zu Risi- kozuschlägen führen. Die „Basis“-Versicherten müssten aber immer zuerst ihren Hausarzt aufsuchen, sonst er- stattet die Versicherung nur 80 Prozent der Kosten. Zu- dem könnten „Basis“-Versicherte ohne Nachteile den Versicherer wechseln, da sie beim Wechsel ihre Alte- rungsrückstellungen mitnehmen dürfen.

Grafik

Versicherte Personen (insgesamt in Mio. Versicherte)

8,0

7,5

7,0

2001 2002 2003

rd. 7,6

7,710 rd. 7,7

7,923 rd. 7,9 8,110

Quelle: Rechenschaftsbericht der PKV von 2003

rd. 15,3

rd. 15,6

rd. 16,0 IIZusatzversicherte

IIVollversicherte

** Der Bundesgerichtshof entschied in seinem Urteil vom 12. März 2003, dass eine Erstattung von Heilbehand- lungskosten auch bei Übermaßvergütung zu erfolgen hat – eine „medizinisch notwendige Heilbehandlung“ sei nicht gleichzusetzen mit der „kostengünstigsten“ Heilbe- handlung (BGH IV ZR 278/01). Das Urteil ist abrufbar un- ter: www.bundesgerichtshof.de, Rubrik Entscheidungen.

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r sollte zu einer späten Aufarbei- tung ärztlicher Verfehlungen wäh- rend der NS-Zeit in Thüringen führen, er galt als letzte Möglichkeit, Euthanasieverbrechen gerichtlich ahn- den zu lassen – der „Fall Albrecht“.

Aus den Erwartungen scheint nun nichts zu werden. Gegen die Professo- rin Rosemarie Albrecht, in der DDR eine Zierde der Jenaer Universität, ist zwar von der Staatsanwaltschaft Gera Anklage wegen Mordes an der Patien- tin Selma Albrecht im Jahre 1941 er- hoben worden (dazu DÄ, Heft 21/2004:

„Albrecht in der Gutachtermühle“), doch inzwischen mehren sich die Zweifel, ob das Landgericht Gera das Verfahren eröffnen wird. Zwei Gut- achten, die das Gericht vor Eröffnung des Verfahrens vergeben hatte, kom- men nämlich unzweideutig zu dem Schluss, dass die von Albrecht doku- mentierte Behandlung der Selma Al- brecht medizinisch indiziert gewesen ist, jedenfalls nach dem Wissensstand der damaligen Zeit. Die Gerichtsgut- achter (der Psychiater Prof. Dr. Dr.

med. Willi Schumacher und der Inter- nist und Pharmakologe Prof. Dr. med.

Henning Breithaupt, beide Gießen) lasten den von der Staatsanwaltschaft beigebrachten Gutachten gravierende handwerkliche Fehler und Fehlbeur- teilungen an; sie kommen zu dem Schluss, „dass für die Annahme einer medizinischen Fehlbehandlung, erst recht einer bewussten, jedwede Hin- weise fehlen“ (Schumacher). Bei der Behandlung der Patientin Selma Al- brecht sei „unter Beachtung des da- maligen Kenntnisstandes eine bewuss- te medizinische Fehlbehandlung, die notwendigerweise deren Tod zur Fol- ge haben musste, nicht festzustellen“

(Breithaupt).

Albrecht-Verteidiger Eberhard Neu- mann sieht sich bestätigt: er habe schon frühzeitig, auch gegenüber der Staats- anwaltschaft darauf hingewiesen, dass der Fall nach den medizinischen Kennt- nissen von damals beurteilt werden müsse. Er hofft auf eine Wende auch in Anbetracht des Alters seiner Mandan- tin, die zudem durch die über Jahre an- haltenden Anwürfe in der Öffentlich- keit, eine „Massenmörderin“ zu sein, gezeichnet sei.

Prof. Rosemarie Albrecht war 1940 bis 1942 Volontärärztin in der Anstalt Stadtroda/Thüringen, einem Ort der Euthanasie während der NS-Zeit. Ob solche Morde an Patientinnen und Pati- enten auch in der Zeit und auf der Stati- on von Albrecht geschehen, ist umstrit- ten (zu den Hintergründen siehe DÄ, Heft 39/2003: „Jena und der ,Fall Al- brecht‘: eine finstere Geschichte“). Eine Untersuchung der Staatssicherheit 1963 verlief ergebnislos. Die Staatsanwalt- schaft Gera, die seit Mai 2000 ermittelte, ging ursprünglich von 15 Euthanasieop- fern aus, die Albrecht anzulasten seien, erhob aber schließlich nur in einem Fall Anklage, gestützt im Wesentlichen auf Gutachten. Mit der Gutachtenvergabe hatte sich die Staatsanwaltschaft unge- wöhnlich schwer getan. Sie werde sich mit den jüngsten Gutachten, sobald sie ihr vorlägen, auseinander setzen und dann entscheiden, ob man bei dem To- desvorwurf bleibe oder die Anklage zurückziehe, erklärte Oberstaatsanwalt Flieger jetzt auf Anfrage. Eine Rück- nahme sei bis zur Eröffnung des Ge- richtsverfahrens möglich. Anderenfalls muss das Landgericht Gera entschei- den, ob es zu einem Prozess kommt. Bis dahin können noch Wochen, wenn nicht Monate vergehen. Im März wird Al- brecht 90. Norbert Jachertz

net damit, dass sich die Interessen der Versicherungswirtschaftler im Geset- zesentwurf durchsetzen werden.

Auch bei den zuletzt aus den Reihen des PKV-Verbandes geäußerten Reform- vorschlägen zur künftigen Ausgestal- tung der GOÄ gehen die Vorstellungen der Ärzteschaft und der Versicherungs- wirtschaft auseinander:Während Weber sich für mehr Pauschalen in der GOÄ ausspricht, lehnt die BÄK eine Umstel- lung von der Einzelvergütung auf Fall- pauschalen – orientiert an dem DRG- System der Krankenhäuser – ab. Der Vorsitzende der Ausschusses Gebühren- ordnung bei der BÄK, Dr. med. Alfred Möhrle, wies darauf hin, dass die Kam- mer das Prinzip der Einzelleistungsver- gütung für notwendig, systemkonform und innovations- sowie leistungsför- dernd hält; für bestimmte Leistungsbe- reiche werden jedoch auch von der BÄK ablauf- und arztgruppenbezogene Komplexe befürwortet, zum Beispiel für operative Leistungen. Pauschalen besei- tigen nach Ansicht der Kammer demge- genüber die dem privaten Behandlungs- verhältnis immanente individuelle Arzt- und Patientenbeteiligung und damit zu- gleich das Wesensmerkmal und Profil der privatärztlichen Behandlung.

PKV weist Vorwürfe zurück

Weber hingegen hofft, die PKV durch Umstellung auf Pauschalgebühren ge- genüber der GKV wettbewerbsfähiger zu machen. Diese Absicht verbarg sich nach Ansicht vieler Ärzteverbände auch hinter der Idee von PKV-Vertretern, den so genannten Schwellenwert auf den 2,0fachen Satz zu begrenzen. Der- zeit gilt der 2,3fache Satz bei persönli- chen ärztlichen Leistungen als Regel- satz für einen durchschnittlich schwieri- gen Fall, den die BÄK als Standard eta- blieren möchte. Weber wies jegliche Vorwürfe zurück. Es gab und gebe keine Forderung aus PKV-Reihen, den GOÄ- Satz zu senken. Wie sich die PKV den künftigen Gebührenrahmen vorstellt, ließ der Geschäftsführer im PKV-Ver- band allerdings offen. Martina Merten

P O L I T I K

A

A2664 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 401. Oktober 2004

Der Abschlussbericht der Kommission zur Reform des Versicherungsvertragsrechts ist abrufbar unter: www.

aerzteblatt.de/plus4004.

Euthanasieermittlungen in Thüringen

Gutachter bestreiten Fehlbehandlung

Albrecht soll gemäß dem damaligen Wissensstand

lege artis behandelt haben.

Referenzen

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