• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Mammakarzinom-Verdacht: Zu viele diagnostische Operationen" (08.11.2002)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Mammakarzinom-Verdacht: Zu viele diagnostische Operationen" (08.11.2002)"

Copied!
4
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

D

er Sachverständigenrat der Kon- zertierten Aktion im Gesundheits- wesen weist in Band 3 seines Gut- achtens zu Über-, Unter- und Fehlver- sorgung auf schwerwiegende Qualitäts- defizite bei der Versorgung von Patien- tinnen mit Brustkrebs hin (7). Unter an- derem wird ausgeführt, dass bei mehr als 100 000 Frauen jährlich eine operati- ve Biopsie durchgeführt wird (2), wel- che die mammographisch erhobene Verdachtsdiagnose nicht bestätigt.

Ziel dieses Beitrags ist es, die Plausibi- lität einer Herleitung dieser Schätzung zu untersuchen, darzulegen und heraus- zufinden, in welchem Ausmaß eine bes- sere Qualität der Diagnostik die Zahl überflüssiger Eingriffe dieser Art redu- zieren würde. Für letzteres Ziel wird als Benchmark die derzeitige Qualität des nationalen Screeningprogramms der Niederlande verwendet. Das nationale Programm existiert seit 1990 und unter- sucht Frauen im Alter von 50 bis 69 Jah- ren alle zwei Jahre. Bei Programmein- tritt werden Aufnahmen in zwei Ebenen angefertigt, bei späteren Untersuchun- gen für gewöhnlich nur noch in einer Ebene. Alle Aufnahmen werden in ei- nem von 19 Regionalzentren von zwei Radiologen unabhängig begutachtet.

Zur Überweisung ist ein Konsens beider Radiologen notwendig.

Indikation zur Probeexzision auf Basis der Mammographie

In Deutschland werden die Biopsien als

„offene Probeexzisionen“ unter Voll- narkose durchgeführt und erfordern in der Regel einen stationären Aufent- halt (auch ambulante und teilstationäre Durchführung kommt vor). Zu den Komplikationsraten des Eingriffs gibt es keine dem Autor bekannten Daten.

Die Kosten des Eingriffs variieren er- heblich in Abhängigkeit vom Prozedere (ambulante, teilstationäre oder statio- näre Versorgung).

Findet sich intraoperativ ein palpa- torisch lokalisierbarer Befund, kann nach indizierter Schnellschnittbefun- dung die Operation einseitig fortge- führt werden (8).

Die Indikation zur Probeexzision wird hauptsächlich aufgrund einer Mam- mographie gestellt. Es wird geschätzt, dass jährlich in Deutschland bis zu vier Millionen „graue Mammographien“

durchgeführt werden (7). Dabei han- delt es sich um Mammographien ohne vorliegenden konkreten Brustkrebs- verdacht, das heißt um Früherken- nungsmammographien.

Neben der grauen Mammographie gibt es die kurative Mammographie, bei der ein konkreter Brustkrebsverdacht vorliegt, zum Beispiel aufgrund eines Tastbefundes des Arztes oder einer Selbstuntersuchung der Frau. Die ge- naue Zahl der kurativen Mammogra-

phien ist ebenfalls nicht bekannt. Sie er- gibt sich aus der Differenz aller Mam- mographien und der grauen Mammo- graphien. Sie dürfte deutlich über einer Million liegen.

Die Qualität der Mammographie in Deutschland entspricht nicht den An- forderungen qualitätsgesicherter Mam- mographiescreeningprogramme nach den Leitlinien der Europäischen Union (6). Es fehlen einheitliche sektoren-, berufsgruppen- und institutsübergrei- fende Qualitätsrichtlinien, die alle Be- reiche der diagnostischen Mammogra- phie abdecken (7).

Die Zahl der aufgrund qualitätsar- mer Mammographien durchgeführten überflüssigen Probeexzisionen kann aus keiner offiziellen Statistik entnommen werden; es gibt bisher keine Studie, die klinisch-epidemiologisch dieser Frage nachgegangen wäre. Einer Berechnung müssten Zahlen zugrunde liegen, in wie vielen Fällen die Mammographie zur Indikation für die Probeexzision führt, und diese müssten verglichen werden mit der Indikationshäufigkeit, wenn stattdessen die Mammographie mit der Qualität eines Screeningprogramms nach den Europäischen Leitlinien durchge- führt worden wäre.

In Deutschland erkranken jährlich circa 46 000 Frauen neu an Brust- krebs (Robert Koch-Institut, AG Bevöl- kerungsbezogener Krebsregister 2002).

Nach einem Zwischenbericht der Feld- studie Mammakarzinom Aachen (9), der die Daten von 1 028 Patientinnen mit Mammakarzinom auswertete, werden 26,8 Prozent der Mammakarzinome durch Mammographie und 56,3 Prozent durch Selbstuntersuchung festgestellt.

Wird davon ausgegangen, dass alle durch Selbstuntersuchung festgestellten Mammakarzinome eine Mammographie nach sich ziehen und werden diese Pro- T H E M E N D E R Z E I T

Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 458. November 2002 AA2995

Mammakarzinom-Verdacht

Zu viele diagnostische Operationen

Nach Ansicht des Autors sind zwischen 60 000 und 100 000 offene

Biopsien überflüssig, wenn die Mammographie in Deutschland der Qualität des Screenings in den Niederlanden entsprechen würde.

Wird bei der Selbstuntersuchung der Brust ein Tumor getastet, wird der Karzinomver- dacht durch eine Mammographie geprüft.

Foto:Aventis Pharma Deutschland GmbH

(2)

zentwerte auf alle neu diagnostizierten Fälle übertragen, muss davon ausgegan- gen werden, dass circa 38 226 Brustkrebs- fälle jährlich (83 Prozent der Fälle) durch eine Mammographie entdeckt werden.

Der positive prädiktive Wert (PPV) der Mammographie für die Biopsieemp- fehlung liegt in Deutschland bei 0,26 (PPV des ersten Screeningjahrs der Mammographiestudie). (1) Ein PPV der Mammographie für die Biopsie von 0,26 bedeutet, dass bei 26 Prozent der Biopsi- en nach positivem Mammographiebe- fund tatsächlich ein neuer Brustkrebsfall entdeckt werden kann. Mit anderen Wor- ten muss bei etwa vier Frauen (1/0,26) mit positivem Mammographiebefund ei- ne Biopsie durchgeführt werden, damit ein neuer Brustkrebsfall entdeckt wer- den kann. Der Wert bezieht sich nur auf Mammographien ohne vorherigen Tast- befund; für die kurative Mammographie nach Selbstuntersuchung liegt dagegen keine Angabe zum PPV vor.

Das Ergebnis einer US-Studie (3), die einen PPV von 0,23 für die Gesamt- heit aller Mammographien zeigte, legt jedoch nahe, dass die PPV von Mammo- graphien mit und ohne vorherigen Tast- befund der Frau nicht sehr verschieden sind. Der PPV von 0,26 in der

Deutschen Mammographie- studie ist nicht wesentlich bes- ser als der Wert in den Nieder- landen von 0,2 vor der Ein- führung des qualitätsgesicher- ten Mammographiescreenings (JHCL Hendriks, persönliche Kommunikation).

In den Niederlanden muss- ten vor der Einführung des Screenings bei einem PPV von 0,2 zu Beginn des qualitäts- gesicherten Mammographie- screenings sogar fünf Frauen einer Biopsie unterzogen wer-

den, um einen neuen Fall von Brust- krebs zu entdecken. Unter der Annah- me, dass der PPV für die kurative Mam- mographie nach Selbstuntersuchung ebenfalls bei 0,26 liegt, kann errechnet werden, dass in Deutschland ungefähr 150 000 (38 226/0,26) offene Biopsien jährlich durchgeführt werden, deren In- dikation primär durch eine Mammogra- phie gestellt wird. Würde in Deutsch- land ähnlich wie in den Niederlanden ein qualitätsgesichertes Screening ein-

geführt, könnte mit einer analogen Ver- besserung des PPV wie in den Nieder- landen gerechnet werden.

In den Niederlanden liegt der PPV im Screening inzwischen bei 0,76 (4). Dies bedeutet, dass bei vier Frauen, die einen positiven Biopsiebefund nach Mammo- graphie aufweisen, dreimal ein Brust- krebs gefunden wird. Zur Entdeckung der durch Mammographie in Deutsch- land aufgedeckten 38 000 Brustkrebsfäl- le wären nur noch circa 50 000 (38 226/

0,76) Biopsien notwendig gewesen. Aus der Differenz zwischen der gegenwärti- gen Zahl an Biopsien unter einem PPV von 0,26 (circa 150 000) und der extrapo- lierten Zahl an Biopsien unter einem qualitätsgesicherten Screening mit ei- nem PPV von 0,76 (circa 50 000) lässt sich für den gegenwärtigen Zeitpunkt eine Differenz von circa 100 000 über- flüssigen Biopsien errechnen.

Damit die Zahl der überflüssigen Biopsien nicht überschätzt wird, soll in einer „Best-Case-Analyse“ ein PPV der Mammographie nach Selbstuntersu- chung von 0,4 zugrunde gelegt werden, ein deutlich besserer Wert als in der Deutschen Mammographiestudie und doppelt so hoch wie in den Niederlan-

den vor der Einführung des Mammo- graphiescreenings.

Wird ein solcher konservativer PPV der Mammographie nach Selbstunter- suchung von 0,4 zugrunde gelegt, das heißt, dass die Zielgenauigkeit der Mam- mographie nach Selbstuntersuchung in Deutschland doppelt so hoch wäre wie in den Niederlanden vor der Einfüh- rung des Mammographiescreenings, lä- ge die Zahl überflüssiger Biopsien dann noch immer bei circa 60 000.

Die Einschränkung der Analyse liegt in der Methodik und in den zur Ver- fügung stehenden Daten. Es ist nicht auszuschließen, dass sich der posi- tive prädiktive Wert der Mammogra- phie für die Biopsie in Deutschland seit Beendigung der Deutschen Mam- mographiestudie gebessert hat. Ent- sprechende Daten liegen jedoch nicht vor, weshalb ein Best-Case-Szenario berechnet wurde. Auf der anderen Seite könnte der positive prädiktive Wert auch niedriger liegen, weil es sich bei den an der Deutschen Mammo- graphiestudie teilnehmenden Zentren um eine positive Auswahl besonders motivierter Zentren gehandelt haben könnte.

Vorteil des niederländischen Screeningprogramms

In der Analyse wurden Mammakar- zinome, die erstmalig durch ärztliche Tastuntersuchung festgestellt worden sind (14,9 Prozent), nicht berücksichtigt.

Der positive prädiktive Wert der Mam- mographien nach ärztlicher Tastun- tersuchung ist ebenfalls in Deutschland nicht bekannt. Wegen der zu erwartenden höheren Brust- krebsprävalenz in dieser Gruppe von Frauen dürfte er deutlich über dem Wert für graue Mammographien und Mammographien nach Selbst- untersuchung liegen. Daher wurde konservativerweise un- terstellt, dass die Mammo- graphie nach Untersuchung durch den Arzt zu keinen überflüssigen offenen Biop- sien führt.

Die vorgelegte Analyse lässt nicht den Schluss zu, dass die Einführung eines qualitäts- gesicherten Mammographiescreenings in Deutschland die Zahl der offenen Biopsien um 100 000 beziehungsweise 60 000 reduzieren würde. Vielmehr lau- tet die Schlussfolgerung, dass für die derzeitige Entdeckungsrate von Brust- krebsfällen zwischen 60 000 und 100 000 offene Biopsien überflüssig wären, hätte die Mammographie in Deutsch- land die Qualität eines solchen Scree- nings wie in den Niederlanden. Wür- T H E M E N D E R Z E I T

A

A2996 Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 458. November 2002

´ TabelleC´

Stadienverteilung der Brustkrebsfälle in Aachen und den Niederlanden

Klinisches Aachen Niederlande Aachen Niederlande Stadium 1995–1997 1986–1990 1995–1997 1991–1994

Alle Fälle Ges. Teilnehmerinnen

Früherkennung Früherkennung

0 3,0 2,0 5,7 17,0

I 27,0 24,0 45,9 60,0

II 47,0 52,0 41,9 20,0

III 14,4 17,0 3,9 2,0

IV 4,5 4,0 0,7 0,5

unbekannt 4,5 1,0 1,9 0,5

Quelle: Tumorzentrum Aachen (Methodik und Daten www.tuzac.de)

(3)

den mehr Brustkrebsfälle durch das Mammographiescreening entdeckt als die derzeit 38 000, wären mehr als die 50 000 unterstellten Biopsien not- wendig.

Neben dem höheren PPV und der da- mit geringeren Biopsierate ist ein zwei- ter Vorteil des niederländischen Scree- ningprogramms die deutlich frühere Entdeckung von Brustkrebsfällen. Da- ten aus den Niederlanden zeigen, dass Brustkrebsfälle in deutlich früheren Stadien entdeckt werden. Die Tabelle zeigt die deutlich günstigere Stadienver- teilung der Brustkrebsfälle in den Nie- derlanden im Vergleich zu Aachen.

Ob die verbesserte Stadienvertei- lung zu einer besseren Prognose der Patientinnen führt, wird zurzeit sehr kontrovers diskutiert und ist nicht Ge- genstand dieser Analyse. Selbst wenn sich, wie von Olsen und Goetzsche (5) im Cochrane Review unterstellt, die Prognose der Gruppe von Frauen mit durch die Mammographien früher ent- deckten Tumoren nicht von der einer Kontrollgruppe unterscheiden würde, bleibt der Wert der Durchführung der Mammographie nach Europäischen Leit- linien zur Vermeidung falschpositiver Ereignisse unberührt.

Schließlich muss beachtet werden, dass innerhalb des Screeningprogramms nach Europäischen Leitlinien in den Niederlanden mittlerweile auf die offene Biopsie fast ganz verzichtet werden kann. Fast alle Biopsien werden dort in der Zwischenzeit in den „Assessment Zentren“ des Screeningprogramms als Stanzbiopsien ambulant und ohne Voll- narkose durchgeführt. In diesem Sinne sind alle circa 150 000 in Deutschland durch die Mammographie bedingten offenen Biopsien überflüssig. Jedoch könnte der Übergang zu der schonenden Form der Biopsie auch dann vollzogen werden, wenn es nicht zur Einführung eines qualitätsgesicherten Mammogra- phiescreenings käme.

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das über das Internet (www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. Dr. Karl W. Lauterbach Institut für Gesundheitsökonomie und Klinische Epidemiologie der Universität zu Köln Gleueler Straße 176–178, 50935 Köln

T H E M E N D E R Z E I T

Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 458. November 2002 AA2997

A

nfang 2002 erschien ein tabellari- sches „Universitäts-Barometer“

für das Jahr 2001 (Zeitschrift For- schung und Lehre 1/2002) auf der Basis von Daten des Statistischen Bundesam- tes. Daraus müsste eine vernichtende Kritik an deutschen Universitäten re- sultieren.

Kritik an den deutschen Universitä- ten ist auch für die klinische Medizin in- teressant. Ein optimales Medizinstudi- um dürfte nicht zu 20 Prozent Studien- abbrechern führen. Das Studienkon- zept und die Studentenauswahl sind zu verbessern. Für beides sind die Univer- sitäten selbst verantwortlich. Die klini- sche Medizin braucht viele gute Univer- sitätsabsolventen aus anderen Fakultä- ten zum eigenen Erfolg. Alternativ kommen Fachhochschul-Absolventen infrage, zum Beispiel im Bereich Medi- zin-Technik.

Der folgende Vergleich beider Studi- ensysteme anhand der globalen Daten des Statistischen Bundesamtes verdeut- licht das Problem und wird zu detaillier- ter, fachspezifischer Studien-Vergleichs- Forschung motivieren. Das FH-System auch für das Medizinstudium kommt in die Diskussion, nachdem der Wissen- schaftsrat das FH-Zahnmedizinstudium empfohlen hat.

Nach den Zahlen von 1994 bis 2000 des Statistischen Bundesamtes geht es den Universitäten nach sieben Jahren finanziell nicht schlechter. Die folgen- den globalen Zahlen schließen Ge- samt-, Pädagogische, Theologische und Kunst-Hochschulen ein. Die Ergebnis- se für das Jahr 2000 sind noch kritischer zu werten, wenn ein FH-Vergleich (ohne Verwaltungs-FH) aus gleicher Datenquelle und Zeit erfolgt.

Ein Universitäts-Professor hat 56 Studenten zu betreuen, das ist ein Stu-

dent mehr als noch vor sieben Jahren. In Internet- und Homepage-Zeiten kön- nen Professoren eventuell noch mehr Studenten betreuen. Denn immer mehr Studenten wollen lieber zu Hause als in Hörsälen und Seminarräumen ihre Stu- dieninhalte bearbeiten: 20 Prozent Vor- lesungsteilnahme in der Medizin im kli- nischen Studienabschnitt ist keine Aus- nahme (Fernuniversitäten sind erfolg- reich).

Ein FH-Professor betreut derzeit nur 32 Studenten beziehungsweise zwei Studenten weniger als vor sieben Jah- ren. Dort ist die Vorlesungsteilnahme höher.

Studenten-Absolventen- Relation

An Universitäten kommt auf elf einge- schriebene Studenten jährlich ein Stu- dent mit Abschlussprüfung. Auch das änderte sich in den letzten sieben Jah- ren nicht – trotz Diskussion um kürzere Studienzeiten bei EU-Konkurrenz.

Auf sechs eingeschriebene FH-Stu- denten jährlich entfällt ein Student mit erfolgreichem Studienabschluss. Dieser Unterschied zu Universitäten um fast den Faktor 2 macht das FH-Studium konkurrenzfähiger für den EU-Ar- beitsmarkt – mit Wunsch nach zügigen Studienabläufen (Leistung = Arbeit pro Zeit).

Allerdings ist zum FH-System kri- tisch anzumerken, dass es in den letzten sieben Jahren zu fast einem Jahr Studi- enverlängerung kam. Dies kann den FH-Wettbewerbsvorteil mindern, wenn nicht bald gegengesteuert wird.

Die universitäre Studiendauer und Studienabbrecherquote jährlich ergibt sich aus der Relation ein Absolvent auf

Hochschulmedizin

Verbesserungen optimieren den Output

Mehr leistungsorientierte Absolventen

als künftige Leistungsträger sind notwendig.

(4)

elf eingeschriebene Studenten. Dazu ein Rechenbeispiel: In einem Studium mit jeweils 100 Studienanfängern je Se- mester und fünf Jahren Studiendauer einschließlich Abschluss-/Diplomseme- ster ergeben sich in einem Studienzy- klus permanent 1 000 Studenten, wovon jährlich 200 mit Examen abschließen, halbjährlich versetzt. Diese Relation passt circa um den Faktor 2 nicht zur Relation 11 zu 1.

Elf Jahre Studienzeit bis zum erfolg- reichen Abschluss ist nicht Realität. Da- mit man nach amtlichen Zahlen zu zehn Semestern bis zum erfolgreichen Studi- enabschluss gelangt, müsste eine 50- prozentige Abbrecherquote

angenommen werden. Da- nach wären deutsche Uni- versitäten von effekti- vem Output sehr weit entfernt.

Auf fünf erfolg- reiche Abschlussprüf- linge kommt ein Promotionskandidat, der wissenschaftli- che Ambitionen un- ter Beweis stellt. Fast jeder universitäre Studienzweig för- dert und fordert wis- senschaftliches Den-

ken und Handeln, zum Beispiel in Ab- grenzung zu Fachhochschulen. Das Ziel muss mehr Befähigung und Motivation zur Promotionsleistung sein.

Von 57 Hochschulabsolventen schafft ein Absolvent die Habilitation bezie- hungsweise strebt diese an. Wenn medi- zinische Fakultäten weggelassen wer- den, ist die Relation ungünstiger. Die Diskussion um Habilitationsmöglich- keiten wurde aktualisiert durch die Einführung von Junior-Professuren.

Auf zwölf Promovierte kommt ein Ha- bilitierter. Diese Relation ist bedarfs-, fähigkeits- und motivationsbezogen zu überprüfen.

Kosten-Aspekte

Zum leidigen Thema Geld:

Wenn die jährlichen Hochschulaus- gaben durch die jährliche Zahl der Stu- denten (= Kunden) dividiert werden, dann kostete ein Student im Jahr 1999

etwa 40 000 DM. Rund 33 000 DM wa- ren es noch 1994. Damit kam es inner- halb von sechs Jahren zu einem Kosten- anstieg von rund 20 Prozent. Von einer

„Pisa-Studie“ für universitäre Studen- ten wäre kaum zu erwarten, dass die Output-Qualität um 20 Prozent besser würde. Es geht hier keineswegs um Schuldzuweisungen – auch nicht an die Studenten. Diese sind eventuell häufi- ger Opfer als Täter bei nicht erreichtem um 20 Prozent besserem Abschluss von 1994 bis 1999.

Beachtlich ist, dass ein FH-Student im Jahr 1999 nur 12 000 DM kostete.

Das bedeutet weniger als ein Drittel der Kosten eines Universitätsstudenten.

Die gleiche Relation galt sechs Jahre vorher, also 1994.

Quintessenz

Universitäten und deren Selbstverwal- tung und Vertreter müssen noch selbst- kritischer den eigenen Output überprü- fen – dankbare Hochschulabsolventen sind ihnen gewiss. Auch einige Politiker wären entlastet und dankbar, nicht mehr neue Hochschulgesetze kreieren zu müssen.

Der Staat würde sich eventuell mehr aus der Universitätspolitik herauszie- hen, wenn die genannten Zahlenrela- tionen besser wären.

Was soll ein Finanzminister auch an- deres tun, als bei 5,8 Prozent weniger

Universitätsstudenten von 1994 bis 2000 auch die universitären Professo- renstellen um 3,3 Prozent zu verrin- gern? Das ist recht „gnädige“ Markt- wirtschaft, es hätten drastischere Kür- zungen für Universitäten kommen können.

Die FH-Erfolge zeigen sich in 7,6 Prozent mehr Studenten im Jahr 2000 gegenüber 1994. Das wurde in der Stel- lenausstattung belohnt mit 14 Prozent mehr FH-Professorenstellen. Davon wäre ableitbar, dass marktwirtschaftli- che Mechanismen auch im Bildungsbe- reich gelten: Wer so attraktiv in seinen Dienstleistungen und Studienangebo- ten ist, dass mehr Kunden/Stu- denten zur Ausbildung kommen, erhält mehr Investitionsmittel be- ziehungsweise zusätz- liche Professorenstel-

len.

Vorschlag

Kritisch sind diese globalen Relatio- nen detailliert auf Universitäten, Fa- kultäten und Studi- enfächer für Ran- king-Zwecke (Benchmarking) zusam- menzustellen. Wo möglich, sind FH- Vergleiche anzustellen („Lernen am Vorbild“).

Universitäten sollten selbst ein

„oberstes Qualitätsorgan“ schaffen, al- so nicht auf staatliche Eingriffe war- ten. Die Besten der Hochschulen wären jährlich zu prämieren. Ein Fonds dafür könnte aus der Wirtschaft zusammenkommen – dort ist das Inter- esse an hoch qualifiziertem Output sehr groß, das heißt an guten Univer- sitätsstudenten mit kurzen Studienzei- ten.

Die Vertreter der klinischen Medizin beziehungsweise Organe der Ärzte- schaft sollten sich aus berufsethischen Motiven wirkungsvoll für die Medizin- studenten als die zukünftigen Lei- stungsträger einsetzen.

Prof. Dr. med. J. Matthias Wenderlein Universitäts-Frauenklinik

Prittwitzstraße 43, 89075 Ulm T H E M E N D E R Z E I T

A

A2998 Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 458. November 2002

Universitäten und deren Selbstverwaltung müssen selbstkritisch den Output überprü-

fen. Foto: Peter Wirtz

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

bestritten ist, daß im histopatholo- gischen Stadium 1 kleinere Eingrif- fe gleich effektiv sind wie größere Operationen. Das derzeitige Problem liegt darin, daß eine

- dass in casu offensichtlich keine neuen Beweismittel entdeckt worden sind bzw. die Steuer- verwaltung keine Tatsachen oder entscheidende Beweismittel, die ihr bekannt

~ WHEN HIGH SPEED LINES ARE INSTALLED, THE ADJACENT ADDRESSES CANNOT BE USED.. ITS USE IS AUTHORIZED ONLY FOR RESPONDING TO A REQUEST FOR QUOTATION OR FOR THf

Aber auch den Kollegen fiel keine andere Er- klärung ein: Diese Sequenz stammte nicht von einem Menschen und nicht von einem Neandertaler, sondern von ei- nem unbekannten

Dafür ist es nützlich, von den konkreten Räumen und partiellen Ableitungen

(Tipp: Die Umkehrabbildung einer stetigen Bijektion zwischen kompakten Mengen ist

Zeigen Sie, dass Q mit der natürlichen Ordnung archimedisch angeordnet ist.

Fachbereich Mathematik und