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Archiv "„Clinical Pathway“ Radikale Prostatektomie: Keine Kochbuchmedizin" (09.11.2007)

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as deutsche Gesundheitssys- tem ändert sich. Der zu- nehmende Wettbewerb zwischen den Leistungserbringern, der aus der Konvergenzphase des DRG- Systems resultierende Erlösverlust sowie der aus unterschiedlichen Kostensteigerungen folgende Kos- tendruck zwingen die Kranken- häuser und Kliniken zur Überprü- fung und Optimierung aller Struk- turen und Prozesse. Die medizi- nische Leistungserbringung als eigentliche Kernkompetenz steht hierbei im Fokus der (Spar-)Maß- nahmen.

Die im Klinikalltag bestehenden Strukturen und Prozesse sind häufig traditionell und hierarchisch zemen- tiert. Die Organisation von Abläufen ist selten fachübergreifend, Tätig- keiten werden bei mangelnden Ab- sprachen redundant durchgeführt.

Gesamtprozesse geraten an Schnitt- stellen oft ins Stocken. Ein effekti- ves Qualitätsmanagement ist meis- tens noch nicht etabliert. Die im Ver- borgenen liegenden und potenziell ungenutzten Wirtschaftlichkeitsre- serven gilt es zu mobilisieren. Vor diesem Hintergrund entscheiden sich immer mehr Krankenhäuser

und Kliniken dafür, klinische Be- handlungspfade zu nutzen. Ziel hier- bei ist es, eine qualitativ hochwerti- ge, standardisierte und patientenori- entierte Versorgung sicherzustellen.

Die Bedeutung eines „clinical pathway“ für die Qualitätssicherung der radikalen Prostatektomie und die Notwendigkeit seiner Einführung in das urologische Fachgebiet sind vor- beschrieben (1, 2). Bei der radikalen Prostatektomie konnten bisher die interne Ausbildungsqualität und die Zahl an Operationen als wesentliche Qualitätsmerkmale gewertet wer- den. Dieser operative „clinical path- way“ garantiert unabhängig vom einzelnen Operateur eine Konstanz der Therapieergebnisse auf einem hohen Niveau (3, 4). Bei guter ope- rativer Ausbildung unterscheiden sich die Komplikationsraten nicht wesentlich von denen langjährig geübter Operateure (5). Eine Ver- ringerung der Aufenthaltsdauer und der Operationskosten konnten als Nebeneffekte dieser Strategie nach- gewiesen werden (6). Ergänzend zu diesem operativen Standardvorge- hen soll der beschriebene klinische Behandlungspfad als Methode zur Standardisierung und Optimierung der Behandlungsprozesse, die rund um die radikale Prostatektomie als operativer Eingriff erforderlich sind, dienen. So reduziert eine Verbesse- rung der klinikinternen Abläufe die Anzahl medizinisch nicht indizier- ter Leistungen, vermeidet unnötige Wartezeiten und trägt zu einer quali- tativ hochwertigeren Versorgung bei (7, 8). Dadurch lassen sich bei glei- chem oder sogar geringerem Perso- nal- und Sachmitteleinsatz bessere Behandlungsergebnisse innerhalb kürzerer Behandlungszeiträume er- zielen (9, 10).

„CLINICAL PATHWAY“ RADIKALE PROSTATEKTOMIE

Keine Kochbuchmedizin

Am Beispiel der radikalen Prostatektomie wird die Einführung eines klinischen Behandlungspfads am Universitätsklinikum Münster dargestellt.

Gerald Pühse, Tina Küttner, Ansgar Rausch, Andreas Wenke, Lothar Hertle, Norbert Roeder

Klinik und Poliklinik für Urologie, Universitäts- klinikum Münster:

Dr. med. Pühse, Prof. Dr. med. Hertle Pflegedirektion (Bereich Qualitätsmanagement), Universitätsklinikum Münster: Rausch Stabstelle Medizin- controlling – DRG- Research-Group, Univer- sitätsklinikum Münster:

Küttner, Wenke, Prof. Dr. med. Roeder

TABELLE 1

Ziele und Maßnahmen: die Sollkonzeption

Ziel Maßnahme

Dimension Qualität

Reduzierung von Art und Umfang an Leistungen von Medizin, Pflege, Behandlungsvariabilitäten Physiotherapie, Akut-Schmerzdienst und Sozialdienst wurden

definiert und in eine logische (optimale) Abfolge gebracht.

Art und Umfang an präoperativer Diagnostik, Labor- anforderungen sowie Medikation wurden standardisiert.

Für alle fakultativen diagnostischen und therapeutischen Leistungsbestandteile wurden Entscheidungskriterien definiert.

Reduktion des Dokumentations- Standardisierung der Ergebnis- und Verlaufsdokumentation aufwands der im Vorfeld standardisierten Leistungen (Hinterlegung der

immer wiederkehrenden Standards, Angaben und Leistungen, die nur noch im Ankreuzverfahren ausgewählt werden) Verbesserung des interdisziplinären Schaffung einer einheitlichen berufsgruppenübergreifenden Informationsabflusses Dokumentationsbasis (Integration der berufsgruppenbezogenen

Dokumentationsanteile in ein Dokument) Dimension Zeit/Kosten

Erhöhung der Planbarkeit Planung aller Leistungen über einen Zeitraum von zehn Tagen (1. Tag = präoperativ, 2. Tag = OP, 10. Tag = Entlassung). Deren Einhaltung wurde durch verbindliche Absprachen sichergestellt.

Reduzierung der Verweildauer auf ein Etablierung eines Entlastungsmanagements (Integration der medizinisch notwendiges Maß Entlassungsplanung in das ärztliche Aufnahmegespräch, frühe

Einbindung von Sozialdienst und Therapeuten)

Die Entlassungsfähigkeit ist an Kriterien gebunden, deren Erfüllung ab dem siebten postoperativen Tag täglich geprüft wird.

Erhöhung der Effizienz des klinischen ist Ergebnis der Standardisierung Handelns (Verbesserung des

Aufwand-Ertrags-Verhältnisses)

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 45⏐⏐9. November 2007 A3089 Am Universitätsklinikum Münster

(UKM) wurde Ende 2004 in ausge- wählten Pilotbereichen mit der Ent- wicklung eines fachspezifischen Be- handlungspfads begonnen. Ziel war es, die Behandlungsqualität zu ver- bessern und bei gleicher Ergebnis- qualität die Verweildauern zu ver- kürzen (11, 12). Darüber hinaus soll- ten die Arbeitsergebnisse künftig im Rahmen von Vereinbarungen zur in- tegrierten Versorgung genutzt werden können. Die Projekte wurden in Ko- operation mit der Pflegedirektion (Bereich Qualitätsmanagement) und der Stabsstelle Medizincontrolling durchgeführt. Die Stabsstelle Medi- zincontrolling hat im Vorfeld des Pro- jekts eine standardisierte, dreistufige Vorgehensweise erarbeitet (13), wel- che die Grundlage für die Pfadarbeit in allen Kliniken des UKM bildet.

In der Planungsphase (Phase 0) wird festgelegt, für welche Erkran- kung oder Therapie ein Behandlungs- pfad entwickelt werden soll. Die Klinik und Poliklinik für Urologie einschließlich Prostatazentrum ent- schied sich für den operativen Ein- griff der radikalen Prostatektomie. Es handelt sich um eine sehr häufige operative Behandlung im UKM. Die

entsprechende Patientengruppe kann quantitativ und qualitativ klar einge- grenzt werden, und der gesamte Be- handlungsverlauf ist plan- und vor- hersehbar. Dem Projektteam gehör- ten alle an der Behandlung beteiligten Berufsgruppen an.

Unmittelbar an die Vorbereitungs- phase schließt sich die Entwicklung (Phase 1) sowie die Umsetzung (Pha- se 2) des Behandlungspfads in die tägliche Praxis an. Die letzte Phase des kontinuierlichen Pfadmanage- ments (Phase 3) ist das Herzstück der Prozessoptimierung. Eine regelmäßi- ge Überprüfung und Anpassung der internen Ablauforganisation kann die erzielten Effekte nachhaltig sichern.

Die Istanalyse

Mithilfe der Analyse von Patienten- akten und Interviews mit allen an der Behandlung Beteiligten wurde der bisherige Behandlungsablauf der ra- dikalen Prostatektomie detailliert untersucht und beschrieben (13).

>Aktenanalyse: Die Analyse der Akten gab Aufschluss darüber, wel- che Berufsgruppen mit welchen Leis- tungen wann am Versorgungsgesche- hen beteiligt waren. Jeder fachgrup- penspezifischen Leistung (unter an-

derem Anästhesie, Krankenpflege, Physiotherapie, Röntgen, Konsiliar- tätigkeit) wurde in der grafischen Aufarbeitung eine Symbolfarbe zu- geordnet. Für jeden Patienten erfolg- te die Darstellung der Verweildauer in Tagen, wobei jedem Behandlungs- tag die Symbolfarben zugeordnet wurden. Die parallele Darstellung al- ler Behandlungsverläufe machte In- konsistenzen im Behandlungsablauf sichtbar, aus denen sich Verbesse- rungspotenziale für die Erstellung ei- ner standardisierten Sollkonzeption ableiten ließen. So variierte bei- spielsweise die Verweildauer trotz der von allen Beteiligten im Vorfeld als hoch eingeschätzten Standardisie- rung zwischen neun und 17 Tagen.

Außerdem zeigte sich eine lücken- hafte Dokumentation von regelmäßig durchgeführten Tätigkeiten. Auch wenn die Auswahl einer bestimmten Anzahl von Patientenakten nicht re- präsentativ ist, machte die Aktenana- lyse wesentliche Ansatzpunkte zur Prozessoptimierung deutlich (14).

>Interviews: Um Optimierungs- potenziale abzuleiten, folgten auf die Istanalyse strukturierte Einzelinter- views mit den Leistungserbringern.

Ziel der Interviews war es, den Istzu-

Jede der farbigen Säulen stellt eine der am Versorgungsprozess beteiligten Berufsgruppen dar (zum Beispiel gelb = ärztlicher Dienst) und enthält die der Verant- wortlichkeit dieser Berufsgruppe zugeordneten Prozesse. Auf der linken Seite ist eine Zeitachse (hier: fünfter post-operativer Tag) Die Zeitachse kann je nach Behand- lungsstadium und -intensität in kleinere (Stunden) oder größere (Tage) Einheiten eingeteilt werden. Ebenfalls enthalten sind Verweise auf begleitende Pfaddokumente wie Checklisten, Standards oder Handbücher.

GRAFIK 1

Die Istanalyse: chronologische Beschreibung des bisherigen Behandlungsprozesses Ärztlicher Dienst

Verlaufs- kontrolle

ja

ja ja

ja

ja

ja nein

nein nein

nein

nein

nein

STOP

Pflegemaßnah- men gemäß Standardpflege-

planung?

Pat. schmerzfrei, und keine Besonderheiten?

Drainage entfernt?

Standard rad Prost

Fördermenge

< 50 ml?

Entfernung Drainage

Verbleiben Drainage

PPR A2/S2

Abweichende A-/S-Einstellung

Entfernung der Schmerzpumpe

Verbleiben der Schmerzpumpe

Gruppenthera- pie: Becken-

bodentraining Einzeltherapie Terminierung

Organisation Sonstige Nachsorge?

AHB erwünscht?

Patient mobil?

Kontrolle Schmerzsitua-

tion (PCEA/

PCIA-Pumpe)

5.postoperativer TagTag

Pflegedienst Anästhesie Physiotherapie Sozialdienst

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stand weiter zu präzisieren und die Abfolge und die Beziehungen der einzelnen Leistungen zu entschlüs- seln. Dabei geht es in erster Linie dar- um, wie die klinischen Entscheidun- gen über Art und Umfang der Leis- tungen zustande kommen. Diese soll- ten grundsätzlich kriteriengeleitet und möglichst evidenzbasiert getrof- fen werden. Behandlungsentschei- dungen können in der Praxis aber auch von weiteren Rahmenbedingun- gen abhängen, wie etwa der Erfah- rung des Entscheidungsträgers oder der internen Ablauforganisation (15).

Die Interviews sollten zeigen, welche Entscheidungen wann, von wem und anhand welcher Kriterien getroffen werden und welche Konsequenzen eine getroffene Entscheidung auslöst.

Aus der Istanalyse resultiert eine chronologische Beschreibung des Behandlungsprozesses in Form ei- nes Flussdiagramms (Grafik 1). In der Analyse wurde deutlich, dass die stationäre Behandlung eng mit der prä- und poststationären und der ambulanten Versorgung verbunden ist. Daher wurden diese Prozesse in das Flussdiagramm mit einbezogen und später in den Pfad integriert.

Der Istzustand wurde dann von der Aufnahme bis zur Entlassung an-

hand folgender Faktoren auf sein Optimierungspotenzial überprüft:

>Ablauforganisation

>Patientenorientierung

>Ausrichtung an vorhandenen Leitlinien und Standards

>Evidenzbasierte Medizin und

>Ressourcenverbrauch.

Daraus entwickelte das Projekt- team die Sollkonzeption (Tabelle 1).

Die Pfaderstellung

Aus der Sollkonzeption und der da- mit verbundenen Veränderungen ent- stand das Pfaddokument. Das Pro- jektteam entschied, die bisherige Patientendokumentation mit Ausnah- me der Anästhesie- und Opera- tionsprotokolle sowie des Standard- aufklärungsbogens durch ein einzi- ges Pfaddokument zu ersetzen. Die Behandlungsabschnitte, die subopti- mal strukturiert waren, wie etwa die Entlassungsplanung oder die stan- dardisierte Verwendung von Ent- scheidungskriterien für die notwen- dige Zusatzdiagnostik, wurden in das Pfaddokument integriert.

Die Pfaddokumentation bildet den klinischen Behandlungspfad ab und ersetzt die bisherige Dokumen- tation. Abweichungen im Einzelfall werden auf einem Abweichungsdo-

kument vermerkt. Die Dokumenta- tion wird durch die standardisierten Vorgaben in Form von Textbaustei- nen erheblich vereinfacht.

Der Pfad wurde im Rahmen einer Testphase eingeführt. Es wurden spezifische Ergebnisindikatoren (Ta- belle 2) entwickelt, mit deren Hilfe das Erreichen der Projektziele ge- messen wird (13, 15). Die Testphase wurde nicht zeitlich, sondern auf ei- ne Patientenzahl begrenzt. Eine Eva- luation des Pfades erfolgt in regel- mäßigen Intervallen.

Das UKM will künftig ein Case- Management etablieren. Der Case- Manager soll das Pfadmanagement durch Erfassung und Auswertung der relevanten Daten unterstützen und an der kontinuierlichen Weiter- entwicklung der Behandlungspfade mitwirken. Da sich in einem Uni- versitätsklinikum die arbeitsteilige Krankenhausorganisation und Ver- sorgung mit einem hohen Speziali- sierungsgrad sehr komplex gestaltet, soll der Case-Manager langfristig die Rolle eines Koordinators über- nehmen (16). Dazu gehören die Pla- nung der Termine, der Aufnahme und der Entlassung, die Bettenbele- gung und das Informationsmanage- ment. Zudem dient er als ständiger Ansprechpartner für die Patienten und Angehörigen. Einbezogen in das Case-Management sind auch die vor- und nachstationären Prozesse einschließlich ambulanter fachärzt- licher Versorgung, hausärztlicher Versorgung, ambulanter Pflege und Anschlussheilbehandlung.

Bisherige Erfahrungen

Es bestätigte sich die Vermutung, dass auch vermeintlich hoch stan- dardisierte Behandlungsabläufe noch ein großes Standardisierungspoten- zial haben (15). Es besteht zudem ein Bedarf, langjährige Behandlungsab- läufe zu prüfen und durch interdiszi- plinäre Absprachen weiter zu verbes- sern. Weitere Ergebnisanalysen zei- gen zudem, dass die verschiedenen Berufsgruppen den durch den Pfad er- zielten Nutzen unterschiedlich bewer- ten. Die Pflegekräfte gaben an, vom höheren Standardisierungsgrad und der damit verbundenen Arbeits- und Dokumentationserleichterung zu pro- fitieren. Die Ärztinnen und Ärzte TABELLE 2

Ergebnisindikatoren

Ziel Messverfahren/Ergebnisindikator

Dimension Qualität

Reduzierung von Kontinuierliche Auswertung der Pfaddokumentation hinsichtlich Behandlungsvariabilitäten der inhaltlichen Einhaltung der definierten Standards

(inklusive Abweichungsdokumentation)

Reduktion des Dokumentations- Mitarbeiterbefragung: Vergleich der Vorher-/Nachher-Situation aufwands zur Entlastung des (subjektiv)

Behandlungsteams

Verbesserung des interdisziplinären Mitarbeiterbefragung: Vergleich der Vorher-/Nachher-Situation Informationsabflusses (subjektiv)

Dimension Zeit/Kosten

Erhöhung der zeitlichen Planbarkeit Kontinuierliche Auswertung der Pfaddokumentation hinsichtlich der Einhaltung der definierten Standards

(inklusive Abweichungsdokumentation)

Mitarbeiterbefragung: Vergleich der Vorher-/Nachher-Situation (subjektiv)

Vergleich der durchschnittlichen Verweildauer vor/nach der Pfadeinführung

Reduzierung der Verweildauer auf ein Vergleich der durchschnittlichen Verweildauer vor/nach medizinisch notwendiges Maß der Pfadeinführung

Erhöhung der Effizienz des klinischen Vergleich der durchschnittlichen Fallkosten vor/nach Handelns (Verbesserung des der Pfadeinführung

Aufwand-Ertrags-Verhältnisses)

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 45⏐⏐9. November 2007 A3091 bemängelten teilweise das als zu eng

empfundene Raster der Dokumentati- on beziehungsweise die starren Vor- gaben für die Diagnostik und Thera- pie. Hierbei scheint auch die Angst vor dem Verlust der individuellen ärztlichen Therapiefreiheit eine Rolle zu spielen. Solche Vorbehalte beste- hen jedoch zu Unrecht, der Behand- lungspfad ist der Konsens des Be- handlungsteams über die richtige Be- handlung und kein von außen auf- gezwungener Behandlungsweg. Die Ärzte können jederzeit vom Behand- lungspfad abweichen, wenn sie dies begründen können. Behandlungs- pfade sind keine Kochbuchmedizin.

Insgesamt ist das Stimmungsbild unter den Ärzten inzwischen positiv.

Dabei spielt der Grad der Informiert- heit über die auf den Weg gebrachten Veränderungen eine wichtige Rolle.

Transparente Information ist ein we- sentlicher Schlüssel zum Erfolg (14).

Qualitäts- und Risikoaspekte sind bei der Umsetzung von Behand- lungspfaden wichtig. Primäres Ziel ist es nicht, Kosten zu reduzieren. Ak- tuell lassen sich noch keine definiti- ven Aussagen zu den ökonomischen und qualitativen Effekten in unserem Haus machen. Aus dem urologischen Fachgebiet gibt es hierzu abgeschlos- sene Untersuchungen von Chang et al. (17, 18). Dort reduzierte sich die Verweildauer um bis zu 16 Prozent, die Behandlungskosten sanken zwi- schen 19 Prozent und 28 Prozent. Da- bei gelang der Nachweis, dass Ver- weildauer- und Kostensenkungen nicht zwangsläufig mit verminder- ter Ergebnisqualität einhergehen.

Vor dem Hintergrund der ökono- mischen Herausforderungen gilt es, geeignete Strategien und Strukturen zu entwickeln und zu etablieren, um die Behandlungsabläufe effektiv zu gestalten. Klinische Behandlungs- pfade können ein erster Schritt in diese Richtung sein.

❚Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2007; 104(45): A 3088–91

Anschrift für die Verfasser Dr. med. Gerald Pühse Klinik und Poliklinik für Urologie Universitätsklinikum Münster

Albert-Schweitzer-Straße 33, 48149 Münster E-Mail: puehse@uni-muenster.de

Weitere Literatur im Internet:

www.aerzteblatt.de/lit4507

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en Einfluss der Gesundheits- industrie auf Ärztinnen und Ärzte einzudämmen, ist das Ziel einer Kommission des American Board of Internal Medicine und des Institute of Medicine as Profession der New Yorker Columbia-Univer- sität. Das Gremium hat eine weitrei- chende Reformagenda erarbeitet, de- ren Veröffentlichung im Journal of the American Medical Association (JAMA) im Januar 2006 in Deutsch- land allerdings bislang wenig be- achtet wurde. Dabei ist eine breite innerärztliche wie auch gesell- schaftliche Diskussion dieser The- matik auch hierzulande überfällig.

Trotz aller bisherigen Anstrengun- gen würden die Grenzen zwischen Patientenwohl und Profit regelmäßig überschritten, schreiben die Autoren im „JAMA“. Das Verhalten der Ärz- te sei dabei ein großer Teil des Pro- blems. Das Ansehen des Berufs- stands und die Vertrauenswürdigkeit der Industrie stünden auf dem Spiel.

Die Annahme, es reiche aus, Inter- essenkonflikte offenzulegen, um die wissenschaftliche Glaubwürdigkeit und das Patientenwohl zu wahren, sei ein Mythos. In Anbetracht dessen, dass 90 Prozent des 21 Milliarden Dollar umfassenden Marketingbud- gets der US-Pharmaindustrie direkt auf Ärzte abzielen, sind nach Ansicht der Autoren strenge Regeln erforder- lich, die die gängige Praxis der Zu- wendungen beenden. Die Empfeh- lungen im Einzelnen:

>Es ist verboten, Geschenke oder Essenseinladungen anzunehmen so- wie sich Reisekosten oder die Teil- nahme an Tagungen oder Online- fortbildungen finanzieren zu lassen.

>Ärzte sollen keine Medikamen- tenmuster annehmen. Ein Gut- scheinsystem soll die Versorgung bedürftiger Patienten sicherstellen.

>Ärzte mit finanziellen Verbin- dungen zur Industrie sollen aus Kommissionen ausgeschlossen wer- den, die über die Erstattungsfähig- keit von Medikamenten oder den Kauf von Medizingeräten beraten oder entscheiden.

>Die Unterstützung zertifizierter Weiter- und Fortbildung durch die Industrie ist verboten. Firmen, die medizinische Fortbildung fördern wollen, sollten statt dessen in einen zentralen Fonds einzahlen.

>Beratungs- oder Vortragsho- norare für Ärzte sollten ebenso wie die zu erbringenden Leistungen ver- traglich festgehalten werden. „För- dermittel“ für Wissenschaftler, an die keine Bedingungen geknüpft sind, kommen Geschenken gleich und sind deshalb zu unterlassen.

>Industriegelder sollten statt an einzelne Wissenschaftler direkt an die Universitäten fließen und allge- meinen Forschungszwecken dienen.

Mit der Umsetzung dieser Emp- fehlungen erhofft sich die Kommissi- on eine Senkung der Arzneimittelaus- gaben, eine rationalere Pharmakothe- rapie und eine stärkere Orientierung an der ärztlichen Ethik. Einige re- nommierte medizinische Fakultäten haben diese Empfehlungen bereits umgesetzt, darunter die der Universi- täten von Stanford, Pennsylvania und Yale. Seit Anfang des Jahres unter- stützt eine Kampagne, die vom Pre- scription Project organisiert und von der gemeinnützigen Pew-Stiftung in Boston mit sechs Millionen Dollar unterstützt wird, die Umsetzung dieser Empfehlungen (www.pewtrusts.com;

www.prescriptionproject.org). I Dr. med. Dieter Lehmkuhl

LITERATUR

Brennan TA et al.: Health Industry Practices:

That Create Conflicts of Interest. JAMA 2006;

295: 429–33.

PHARMASPONSORING

Einfluss der Industrie beschränken

Eine Kampagne von US-Ärzten will durch einen Verhaltens- kodex zur Lösung von Interessenkonflikten beitragen.

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LITERATURVERZEICHNIS HEFT 45/2007, ZU:

„CLINICAL PATHWAY“ RADIKALE PROSTATEKTOMIE

Keine Kochbuchmedizin

Am Beispiel der radikalen Prostatektomie wird die Einführung eines klinischen Behandlungspfads am Universitätsklinikum Münster dargestellt.

Gerald Pühse, Tina Küttner, Ansgar Rausch, Andreas Wenke,

Lothar Hertle, Norbert Roeder

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