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Archiv "Qualitätssicherung der radikalen Prostatektomie" (26.12.2005)

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Q

ualitätssicherung in der Medizin ist ein Anliegen aller Beteiligten seit es definierte Therapien für ein- zelne Krankheitsbilder gibt. In der Ver- gangenheit wurde das Qualitätsmanage- ment durch die streng selektierte Weiter- gabe des Wissens im Rahmen einer langjährigen Aus- und Weiterbildung hoch qualifizierter Fachkräfte prakti- ziert. Die Ergebnisqualität wurde durch die Zufriedenheit des Patienten streng kontrolliert. Daran hat sich im Prinzip nichts geändert. Neu ist, dass in den letz- ten Jahren Qualitätsmanagementprozes- se aus der Massenproduktion industriel- ler Güter auf die Medizin übertragen werden. In der Industrie wurde ein Qua- litätsmanagement erforderlich, weil eine mangelnde Standardisierung in Verbin-

dung mit immer weniger qualifizierten Fachkräften zu ökonomischen Verlusten geführt hat. Erst die Ökonomisierung des Gesundheitsmarktes führte zur Übertragung industrieller Qualitätsma- nagementprozesse auf die Medizin. Bei vielen Vorteilen einer dokumentierten Qualitätssicherung, wie zum Beispiel der Vergleichbarkeit („benchmarking“) und langfristigen Therapiekontrollen (Tu- morrezidiv), generiert dieser Prozess je- doch auch Nachteile, wie etwa einen ho- hen Dokumentationsaufwand und eine Technisierung des Arzt-Patienten-Ver- hältnisses.Unklar ist,ob ein Qualitätsma- nagement in der Medizin tatsächlich zu einer Verbesserung der Qualität einzel- ner Leistungen führt.

Untersuchungen bei sehr häufigen operativen Eingriffen, wie zum Beispiel kolorektalen Resektionen, haben Kor- relationen zur Operationsqualität erge- ben (1). Dieser Beitrag prüft die vor- handenen Daten im Hinblick auf die ra- dikale Prostatektomie.

Bisherige Datenlage

Zur Übersicht über bislang publizier- te Angaben wurde eine systematische Literatursuche in der Datenbank Med- line über die Jahre 1990 bis 2005 durch- geführt. Vor dieser Zeit wurden kei- ne relevanten Daten zur Qualitätser- fassung der radikalen Prostatektomie publiziert. Suchbegriffe waren: „radical prostatectomy“, „hospital volume“,

„surgeon volume“, „quality of care“,

„outcome“.

Die ersten umfangreichen Angaben zur Qualität operativer Verfahren wur- den 2002 durch Birkmeyer et al. veröf- fentlicht (2). Bei einer retrospektiven Analyse krankenversicherungsrelevan- ter Parameter zu 2,5 Millionen Opera- tionen, die zwischen 1994 und 1999 bei

„Medicare“-Patienten in den USA durchgeführt wurden, registrierte man auch urologische Operationen – sie sind im Vergleich zu beispielsweise Herz- operationen selten. Endpunkte der

Qualitätssicherung der radikalen Prostatektomie

Zusammenfassung

Die Übertragung von Qualitätsmanagement- prozessen auf die Medizin impliziert Versor- gungsdefizite, die in vielen Fällen jedoch unbe- wiesen sind. Zur Ergebnisqualität der radikalen Prostatektomie als operative Therapieoption des lokal begrenzten Prostatakarzinoms, in Ab- hängigkeit von beispielsweise der Operations- frequenz, liegen bislang nur Daten aus den USA vor. Diese zeigen für einzelne Parameter eine positive Korrelation zwischen Operations- frequenz und Ergebnis. Die Datenbasis gene- riert sich jedoch aus rein versicherungsrelevan- ten, retrospektiven Werten in einer Alters- kohorte von Patienten, die nicht der Versor- gungsrealität entspricht. Daher sind Schluss- folgerungen aus diesen Erhebungen nur mit Einschränkungen möglich. Keinesfalls lassen sich daraus zum Beispiel Mindestmengen gemäß § 137 SGB V für die radikale Prostatek- tomie ableiten. Ein weiteres Manko besteht darin, dass es bislang keine aussagekräftigen prospektiven Daten zum onkologischen Lang- zeitergebnis der Patienten bezogen auf die Operationsfrequenz gibt, es wurden lediglich Komplikationen und Mortalität erfasst. Nach

Analysen aus operativen Nachbargebieten der Urologie ist damit zu rechnen, dass Behand- lungspfade und interne Ausbildungsstandards eine höhere Aussagekraft haben als die Opera- tionsfrequenz. Jeder Patient hat ein Recht dar- auf zu erfahren, welche Ergebnisse sein ge- wählter Operateur beziehungsweise seine ge- wählte Klinik erwarten lassen. Die Qualität der radikalen Prostatektomie sollte in prospekti- ven Untersuchungen mit validierten Instru- menten erfasst werden. Dabei sind die Indikati- on zur Operation, die Qualität der Operation und das onkologische Ergebnis gemeinsam zu bewerten.

Schlüsselwörter: radikale Prostatektomie, Qua- lität, Komplikationen, Mortalität, Chirugie

Summary

Outcome measurement in radical prostatectomy

The application of quality management methods to medical care is founded on the assumption of deficits in care which remain largely unproven.

The only available published outcome data on

radical prostatectomy as a possible treatment option of locally limited prostate cancer come from the USA. These data show a positive correlation between operation frequency and successful outcome. However, these are retro- spective data gathered by insurance companies in an age-selected group of patients and are therefore poorly generalisable to other popu- lations. In particular, it is impossible to draw reliable conclusions from these data regarding the mimimum number of operations needed to train a surgeon in radical prostatectomy. In addition, oncological outcome data are miss- ing. General surgeons have shown that the clinical pathway and standardization of surgical education is more important than the mere frequency of performing a surgical procedure.

Every patient must receive local information on the outcome of radical prostatectomy from the institution he has chosen. These outcome measures must be prospectively evaluated with validated instruments, including evaluation of indication, quality and outcome of surgery should be evaluated.

Key words: radical prostatectomy, quality, complications, mortality, surgery, outcome

1Klinik für Urologie (Direktor: Prof. Dr. med. Peter Albers), Klinikum Kassel GmbH

2Klinik für Urologie (Direktor: Prof. Dr. med. Gerhard Jak- se), Universitätsklinikum der Rheinisch-Westfälisch Tech- nischen Hochschule Aachen

Peter Albers1 Gerhard Jakse2

(2)

Auswertung waren Mortalität und Komplikationen. Die Interpretation war erschwert durch die Beschränkung auf Kriterien des „Medicare“-Pro- gramms. Diese beinhalten eine Alters- grenze > 65 Jahre, ein in der Regel geringes Jahreseinkommen und einen schlechten Gesundheitszustand sowie eine Komplikationserfassung nur in Verbindung mit einer Versicherungslei- stung. Das wichtigste Ergebnis war, dass Mortalität und Komplikationsraten nur dann statistisch valide Unterschiede zwischen den Institutionen und Opera- teuren mit unterschiedlicher Frequenz zeigten, wenn diese Parameter relativ häufig auftraten, wie beispielsweise bei Pankreasresektionen. Bei allen urologi- schen OPs ist die Mortalität sehr nied- rig.

Eine Publikation des Memorial Sloan Kettering Cancer Centers in New York von Begg et al. aus dem gleichen Jahr widmete sich ausschließlich der Ana- lyse der Qualitätsparameter der radi- kalen Prostatektomie (RP) (3). Von 1992 bis 1996 untersuchten die Wissen- schaftler in der „Medicare“-Bevölke- rung, in der das Durchschnittsalter 70 Jahre betrug, 11 522 Operationen. Insti-

tutionen und Operateure wurden in Frequenzkategorien eingeteilt (Tabel- len 1, 2). Die Auswertung bezog sich auf vier Qualitätsparameter:

>postoperative Mortalität innerhalb von 60 Tagen nach RP

>postoperative Komplikationen in- nerhalb von 30 Tagen nach RP, wie etwa Reoperationen, Nierenversagen, kar- diovaskuläre Ereignisse

>Anastomosenstrikturen innerhalb von zwölf postoperativen Monaten und Inkontinenz im Langzeitverlauf mehr als zwölf Monate nach RP – gemessen an registrierten urodynamischen Un- tersuchungen

>Implantationen von artefiziellen Sphinkteren oder andere operative Kor- rekturen.

Die Nachteile der Analyse einer

„Medicare“-Population sind auch hier offensichtlich. Der Altersdurchschnitt der in den USA operierten Patienten liegt bei der radikalen Prostatektomie in einem beispielhaft gewählten urba- nen Zentrum bei 60,3 Jahren (4) und damit zehn Jahre unter dem Durch- schnittsalter der Analyse.

Es fällt auf, dass bei der Auswer- tung von 999 Operateuren in 403 In- stitutionen die willkürlich festgelegte Kategorie „sehr hoch“ bezüglich der Operationsfrequenz pro Jahr

und Institution beziehungs- weise Operateur nur von je- weils fünf Prozent der Institu- tionen beziehungsweise Ope- rateuren erreicht wird. Über zwei Drittel der Einrichtun- gen oder Operateure wurden in die Frequenzkategorie „nie- drig“ gruppiert, das bedeutet, es wurden weniger als 17 Ope- rationen pro Jahr oder weniger als fünf Operationen pro Ope- rateur durchgeführt. Damit basieren die nachfolgenden Vergleichsanalysen zwischen

„guten“ und „schlechten“ In- stitutionen und Operateuren zumeist auf „schlechten“ In- stitutionen (69,5 Prozent mit

< 17 RP pro Jahr) und Opera- teuren (64,3 Prozent mit < 5 RP pro Jahr) und auf nur we- nigen „guten“. Unterschiede zwischen den Gruppen gab es nicht bezüglich der Mortalität,

sondern der Komplikationsraten, aller- dings nur zwischen den Gruppen mit der geringsten und der häufigsten Fre- quenz an Operationen (Grafik 1, 2).

Interessant ist, dass die Differenz zwi- schen den „besten“ und den „schlechte- sten“ Operateuren absolut nur sechs Prozent (26 Prozent versus 32 Prozent) und den „besten“ und den „schlechte- sten“ Institutionen absolut nur fünf Pro- zent (27 Prozent versus 32 Prozent) be- trug.

Als Komplikationen wurden Ereignis- se in den ersten 60 Tagen nach RP gewer- tet,die zu einer erneuten Behandlung des Patienten führten. Signifikant verschie- den war zudem die Häufigkeit zweier ty- pischer Langzeitkomplikationen der RP:

der Inkontinenz und der Anastomosen- striktur. Auch hier bestanden die Unter- schiede nur zwischen den „besten“ und den „schlechtesten“ Kliniken und Ope- rateuren. Das Ausmaß der Inkontinenz war nur im Vergleich der Operateure deutlich different.

Die Beurteilung der Inkontinenz ist nur anhand von validierten Fragebögen und standardisierten „pad“-Tests, das heißt, einem Auswiegen des täglich un- willkürlich verlorenen Urins, möglich.

Der Zeitpunkt der Erfassung ist sehr wichtig, weil sich die Kontinenzsituation

´ Tabelle 1 1

Radikale Prostatektomien pro Institution pro Jahr

Frequenz- Operationen Zahl der kategorie pro Jahr Institutionen

(n = 403)

niedrig 1–16 280 (69,5 %)

medium 17–28 67 (16,7 %)

hoch 29–50 37 (9,1 %)

sehr hoch 51–120 19 (4,7 %) (in Begg et al. 2002 [3])

´ Tabelle 2 1

Radikale Prostatektomien pro Operateur pro Jahr

Frequenz- Operationen Zahl der kategorie pro Jahr Operateure

(n = 999)

niedrig 1–4 642 (64,3 %)

medium 5–9 198 (19,8 %)

hoch 10–15 103 (10,3 %)

sehr hoch 16–58 56 (5,6 %) (in Begg et al. 2002 [3])

Komplikationsrate in Prozent pro Institution und Fre- quenzkategorie (aus Begg et al. 2002 [3])

Grafik 1

(3)

bis zu 24 Monate nach der Operation wieder normalisieren kann (5). Man muss daher berücksichtigen, dass die Harninkontinenz nach radikaler Prostat- ektomie unterschiedlich definiert wird.

Häufig wird die Zahl der Vorlagen ange- geben, wobei die Verwendung einer Vor- lage pro Tag von vielen Autoren als kom- plette Harnkontinenz gewertet wird.

Beim prospektiven Vergleich von drei Fragebögen konnten die Autoren zeigen, dass die Vorlagenzahl zwar immer in der- selben Menge angegeben wurde, dass aber keine Korrelation zum unwillkürli- chen Harnverlust besteht und die subjek- tive Beeinträchtigung des Patienten ein klinisch relevanter aber lediglich in ei- nem Fragebogen erfassbarer Parameter ist (eigene Daten Jakse et al.). Daher ist der Unterschied von 16 Prozent versus 20 Prozent zwischen den „besten“ und den

„schlechtesten“ Operateuren nur einge- schränkt interpretierbar.

Bei der Anastomosenstriktur-Häu- figkeit fällt auf, dass die Gesamtrate auch bei den „besten“ Institutionen und Operateuren bei etwa 20 Prozent liegt.

Dies ist aus den publizierten Angaben der Zentren in Deutschland, beispiels- weise zur perinealen Prostatektomie, und auch bei den eigenen prospektiv er-

hobenen Daten (Mirzapour und Albers, 2005) nicht nach- vollziehbar (Tabelle 3). Die Komplikationsraten von „Me- dicare“-Analysen sind außer- gewöhnlich hoch, denn sie ge- nerieren sich aus Forderungen der Patienten gegenüber der Versicherung.

Die Auswertung dieser größ- ten zurzeit vorliegenden Se- rien zur Qualitätserfassung der RP aus den USA (3, 9–11) zeigt deutlich, dass diese Da- ten nur eine grobe Annähe- rung an die Zielsetzung einer verbesserten, standardisierten und transparenten Qualitäts- sicherung der RP in Deutsch- land darstellen können. In keinem Fall kann man aus die- sen Angaben Empfehlungen bezüglich Zentrumsgröße oder Operationsfrequenz ab- leiten. Zudem befassen sich die Autoren der „Medicare“- Analyse nur mit den Parame- tern Institutsfrequenz, Operateursfre- quenz und Komplikationen als Maß der Qualität. Völlig unbeachtet bleiben die für die Patienten wesentlichen Parame- ter des onkologischen Behandlungser- gebnisses, wie zum Beispiel Überleben, langfristige Tumorheilung und biologi- sche Rezidivfreiheit (= kein Anstieg des prostata-spezifischen Antigens [PSA]

postoperativ).

Adäquate Parameter zur Erfassung der Qualität

Bei der Therapie einer heilbaren Tumor- erkrankung sind für die meisten Patien- ten nur zwei Punkte wesentlich und soll- ten im Idealfall erreicht werden: die Ge- nesung und die Nebenwirkungsfreiheit der Behandlung.

Bei korrekter Indikationsstellung zur RP sollten nur Patienten mit einem or- ganbegrenzten Tumor operiert werden, die durch die radikale Entfernung der tu- mortragenden Prostata heilbar sind. Do- kumentiert wird diese Genesung durch das langfristige tumorspezifische Überle- ben. Da dies beim Prostatakarzinom erst nach Ablauf von etwa 10 bis 15 Jahren auswertbar ist, hat sich als Surrogatpara- meter das langfristige PSA-freie Überle- ben angeboten, das heißt, der Anstieg des PSA-Wertes nach RP auf mehr als 0,2 ng/mL wird als Rezidiv der Erkrankung gewertet. Ein weiterer onkologischer Qualitätsparameter wäre die stadienspe- zifische Rate der R1-Resektionen („po- sitive margins“). Diese sollte zum Bei- spiel für organbegrenzte Tumorstadien im Idealfall bei null Prozent liegen. Ein Patient mit einem R0-resezierten Prosta- takarzinom im organbegrenzten Stadium hat zwar noch ein Rezidivrisiko von etwa zehn Prozent über zehn Jahre, doch das Interessante am histologischen Quali- tätsparameter „R0-Resektion“ wäre des- sen direkte postoperative Verfügbarkeit.

Allerdings setzt dies eine standardisierte

´ Tabelle 3 1

Komplikationsraten der perinealen Prostatektomie in Deutschland

Gillitzer et al. Borchers et al. Brehmer et al. Mirzapour und Albers (6) (7) (8) (unveröffentlicht)

n = 630 n = 80 n = 200 n = 247

1997–2003 (erweitert) 07/2003–07/2005

(Prozent) (Prozent) (Prozent) (Prozent)

Anteil pT2c 74 47 68

R1-Resektion pT2 8,0 3,5 0 3,0

Anteil 0 („a few“) 47 0 73

nervenerhaltende

Transfusionen 5,9 2,5 14,0 7,0

Revision wg.

Blutung 1,1 0 1 2,4

Revision wg. Fistel 1,3 0 1,5 1,3

Rektale Läsion

ohne Revision 5,1 5,0 12,8 5,1

Anastomosenenge 2,7 2,5 5,0 2,7

Komplikationsrate in Prozent pro Operateur und Fre- quenzkategorie (aus Begg et al. 2002 [3])

Grafik 2

(4)

histopathologische Aufarbeitung der Re- sektionspräparate durch den Pathologen voraus, weil der Abstand der histologi- schen Schnitte und die Art der Aufarbei- tung beispielsweise des Apex der Prosta- ta und des Blasenhalses Einfluss auf die Diagnose „R0-Resektion“ haben.

Bei Nebenwirkungen oder Komplika- tionen der Operation wird nur eine pro- spektive Erfassung von beispielsweise perioperativen Komplikationen, Trans- fusionshäufigkeit, Inkontinenzrate nach zwölf Monaten, Anastomosenstriktur- Rate nach zwölf Monaten und Potenz nach zwölf Monaten (standardisierte Fragebögen) aussagekräftige Daten lie- fern (Kasten). Wichtig werden dabei vali- dierte Fragebögen sein, die von den Pati- enten unbeeinflusst ausgefüllt und von Personen, die an der Krankenversorgung unbeteiligt sind, ausgewertet werden (12).

Die Definition von Harninkontinenz und Potenz muss festgelegt sein. Geschlechts- verkehr nach potenzprotektiver radika- ler Prostatektomie ist nur ein grobes Maß für die Qualität der Erektion und die Zufriedenheit mit dem Sexualleben, wie eigene Untersuchungen zeigen (7).

Bedeutung des „clinical pathway“

Vor zehn Jahren publizierte die Study Group Colo-Rectal Cancer (SGCRC) eine Studie, die bei sieben Zentren mit ei- nem unterschiedlich hohen Aufkommen von Patienten und einer unterschiedli- chen Organisationsstruktur (akademisch beziehungsweise nichtakademisch, das heißt, Universitätsklinikum und Lehr- krankenhäuser sowie nichtakademische Krankenhäuser) über einen Zeitraum von zwei Jahren Rektumresektionen zur operativen Therapie von Rektumkarzi- nomen erfasste (1). Ziel dieser Erhebung war bereits damals ein Qualitätsvergleich der einzelnen Zentren und die Erar- beitung von Qualitätsstandards für die Rektumresektion. Die Rate an Lokalre- zidiven zeigte deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Zentren. Die interessanteste Beobachtung war aller- dings, dass die Lokalrezidivrate nicht ein- fach mit der Zahl der durchgeführten Eingriffe korrelierte. Es gab Kliniken mit jeweils mehr als 100 Resektionen im 2-Jahres-Zeitraum, die untereinander je-

doch um mehr als 100 Prozent unter- schiedliche Lokalrezidivraten aufwiesen.

Das weist darauf hin, dass die interne Ausbildungsqualität, zum Beispiel durch eine Standardisierung des operativen Vorgehens, einen größeren Einfluss auf das onkologische Behandlungsergebnis hat als die alleinige Zahl von Operatio- nen pro Operateur oder Institution.

Auch bei der RP konnte die interne Ausbildungsqualität neben der alleinigen Zahl an Operationen als wesentliches Qualitätsmerkmal gewertet werden.

Dieser „clinical pathway“ garantiert un- abhängig vom einzelnen Operateur eine Konstanz der Therapieergebnisse durch RP auf einem hohen Niveau (13, 14). Bei guter Ausbildung unterscheiden sich die Komplikationsraten nicht von denen geübter Operateure (15). Eine Verringe- rung der Aufenthaltsdauer und der Ope- rationskosten können als positive Neben- effekte nachgewiesen werden (16).

Qualitätsparameter des onkologischen

Behandlungsergebnisses

Seit 2004 gibt es erstmals Daten zum on- kologischen Behandlungsergebnis RP als Qualitätsparameter.Auf der Jahresta- gung der Amerikanischen Urologenver- einigung (American Urological Associa- tion, AUA) wurden Angaben aus dem Johns Hopkins Cancer Center in Balti- more und dem Memorial Sloan Ketter- ing Cander Center (MSKCC) in New York publiziert, die eine Korrelation der Anzahl von RP pro Institution und Ope- rateur zum PSA-freien Überleben zeig-

ten. Hinsichtlich der Institutsdaten wur- de im Langzeitverlauf einer „Medicare“- Population, in der RPs zwischen 1990 und 1994 durchgeführt worden waren, ermittelt, welche Patienten sich im weite- ren Verlauf einer Hormontherapie oder Bestrahlung als Behandlung eines Tu- morrezidivs unterziehen mussten. Es konnte in dieser Auswertung, die mit den Nachteilen einer retrospektiven Analyse einer „Medicare“-Population verbunde- nen war, gezeigt werden, dass bei einem statistischen „Cut-off“-Wert von 108 Operationen pro Jahr und Institution ei- ne Differenz von 11 Prozent zu 25 Pro- zent an Rezidivtherapien auftraten (17).

In einer Untersuchung des MSKCC in New York, die sich auf die Zahl der RP pro Operateur und Jahr bezog, war ein statistischer „cut-off“ von 75 Operatio- nen pro Jahr ermittelt worden, bei dem ein Unterschied in der Rate des PSA- freien Überlebens von 10 Prozent versus 23 Prozent auftrat. Zugrunde lagen hier 3 852 RP bei 11 Operateuren und einer PSA-Rezidivquote von 14 Prozent (18).

Diese operateursspezifische Auswertung innerhalb einer Institution weist deutli- cher auf die Rolle der Operationsfre- quenz des einzelnen Operateurs hin, als dies in den retrospektiven „Medicare“- Auswertungen von Begg et al. ablesbar war. Allerdings arbeiten im amerikani- schen System mehrere an unterschiedli- chen Institutionen ausgebildete Urolo- gen gemeinsam in einer Abteilung, das heißt, die Rolle einer institutseigenen Ausbildungsstandardisierung ist dort we- niger bedeutsam als in Deutschland.Dar- über hinaus besteht in Institutionen, die sich weitgehend auf die RP spezialisiert Mögliche Qualitätsparameter einer radikalen Prostatektomie

>onkologisch

R0-Resektion bei pT2-Tumoren PSA < 0,2 ng/mL im Langzeitverlauf

>Komplikation

perioperativ: Nachblutung/Revision Transfusionshäufigkeit stationärer Aufenthalt

Wiederbelebung innerhalb von 30 Tagen

langfristig: Inkontinenz nach 3 Monaten, nach 12 Monaten („pad“-Test) Impotenzrate (standardisierte Fragebögen)

Anastomosenstriktur-Rate nach 12 Monaten (klinische Untersuchung) Kasten

(5)

haben, eine erhebliche Patientenselek- tion zugunsten geringer Tumorstadien (T1c). Diese Patienten konzentrieren sich institutsintern hauptsächlich auf die überregional bekannten Kapazitäten.

Auch diese Faktoren können ein Aus- wertungs-Bias darstellen und suggerie- ren fälschlicherweise, dass der Operateur mit der höchsten Operationsfrequenz in einer spezialisierten Einheit auch die be- sten Ergebnisse hat.

Fazit

Die bisherigen Daten zur Qualitätserfas- sung der RP erlauben folgende Folgerun- gen:

>Die Frequenz der RP pro Institution oder Operateur pro Jahr allein kann kein Qualitätskriterium sein.

>Es bleibt prospektiv zu analysieren, welche Faktoren für ein onkologisch gutes Ergebnis einer RP verantwortlich sind.

>Aus vergleichbaren Untersuchun- gen in der kolorektalen Chirurgie kann gefolgert werden, dass eine gute interne Ausbildungsqualität neben der bloßen Operationsfrequenz einen wesentlichen Einfluss auf das Ergebnis einer Operati- on hat.

>Klinische Behandlungspfade sind für ein gutes Operationsergebnis maß- geblich verantwortlich.

Forderungen zur Qualitätserfassung

Aus der Analyse der Literaturdaten (19, 20) ergeben sich folgende Konsequenzen für eine Verbesserung der Qualitätserfas- sung der RP:

Prospektive Datenerfassung – Nur ei- ne prospektive Datenerfassung mit vali- dierten Instrumenten in der jeweiligen Institution erlaubt langfristig die Identifi- kation der Parameter, die für ein ideales onkologisches Behandlungsergebnis der Patienten, verbunden mit einer niedrigen Komplikationsrate, verantwortlich sind.

Jeder Patient hat ein Recht, sich bei der Aufklärung über seine anstehende Ope- ration über die Ergebnis- und Komplika- tionsdaten seines Operateurs bezie- hungsweise seiner gewählten Institution zu informieren. Diese Daten liegen bis-

lang selten vor, wären jedoch die Basis für jede weitere Diskussion über die Qualität der RP. Durch ein solches In- strument ist bereits heute der Operateur, der außerhalb eines Zentrums radikale Prostatektomien in geringerer Frequenz durchführt in der Lage, zu dokumentie- ren, dass er die gewünschte Qualität er- reicht.

Finanzierung der institutseigenen Qualitätserfassung – Die mangelnde Fi- nanzierung ist ein wesentlicher Grund dafür, dass in Deutschland kaum Daten zur Ergebnisqualität der RP vorliegen.

Die im Rahmen der neu eingeführten DRG-Abrechnungsmodalitäten (DRG,

„Diagnosis Related Groups“) notwendi- gen Klinikinformationssysteme bieten eine gute Grundlage, um operationsspe- zifische Daten zu erfassen. Darauf basie- rend wäre der Schritt zu einer Erhebung der Diagnose- und Nachsorgedaten für die einzelne Institution nicht mehr weit.

Wenn Patienten und Kostenträger be- rechtigterweise die Erfassung der Ergeb- nisqualität wünschen, müssen diese ärzt- lichen Leistung auch bezahlt werden.

Es ist deutlich geworden, dass und wie die Qualität der radikalen Prostatekto- mie in Deutschland messbar ist. Weder Arzt noch Administration werden sich gegen eine Qualitätserfassung ausspre- chen, wenn damit ein Nutzen für den Pa- tienten generiert wird. Aber auch in der Industrie konnte sich ein Qualitätsmana- gement nur dort durchsetzen, wo damit Kosten reduziert und Ergebnisse verbes- sert wurden. Beides bleibt für die Qua- litätserfassung der radikalen Prostatek- tomie zu beweisen.

Manuskript eingereicht: 5. 4. 2005, revidierte Version ange- nommen: 25. 5. 2005

Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2005; 102: A 3582–3586 [Heft 51–52]

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Anschrift für die Verfasser:

Prof. Dr. med. Peter Albers Klinik für Urologie, Klinikum Kassel GmbH Mönchebergstraße 41–43

34125 Kassel

E-Mail: albers@klinikum-kassel.de

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