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Verwaltungsgericht Berlin Urteil vom

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Bevorzugung von Unionsbürger mit sich.

Der aus einem sog. Drittstaat stammende ausländische Ehegatte eines deutschen Staatsangehörigen kann bei einem Familiennachzug in die Bundesrepublik Deutschland keine Befreiung vom Sprach- erfordernis des § 30 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AufenthG verlangen.

(Amtlicher Leitsatz)

22 K 340.09 V

Verwaltungsgericht Berlin Urteil vom 01.08.2011

T e n o r

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des zu voll- streckenden Vollstreckungsbetrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Berufung und die Revision werden zugelassen.

T a t b e s t a n d

Die Klägerin begehrt die Erteilung eines Visums zum Ehegattennachzug.

Die am ... 1983 geborene Klägerin ist afghanische Staatsangehörige. Sie heiratete am 19. Dezember 2004 in ihrer Heimat den afghanischen Staatsangehörigen ..., der aus dem demselben Dorf wie die Klägerin stammt. Dieser war 1999 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist; ihm war nach erfolglos abgeschlossenem Asylverfahren im Jahr 2002 eine Aufenthaltsbefugnis erteilt worden. Am 11. August 2007 oder Anfang 2008 registrierte das Bezirksgericht von ... in Afghanistan die Ehe- schließung mit Herrn …, der sich ausweislich der vorgelegten Heiratsurkunde zu dieser Zeit erneut dort aufhielt; zu diesem Zeitpunkt war er im Besitz einer ihm von der Beigeladenen im Jahr 2006 aus humanitären Gründen erteilten Niederlassungserlaubnis.

Die Klägerin beantragte am 4. Mai 2008 bei der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Kabul die Erteilung eines Visums zum Ehegattennachzug. Nachdem die Beigeladene die Zustimmung zur Erteilung des beantragten Visums verweigert hatte, lehnte die Botschaft der Bundesrepublik Deutsch- land in Kabul den Visumantrag mit Schreiben vom 9. April 2009 mit der Begründung ab, ausreichende deutsche Sprachkenntnisse der Klägerin seien nicht nachgewiesen worden. Dagegen

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remonstrierte die Klägerin mit Schreiben vom 26. Mai 2009. Zur Begründung führte sie aus, sie habe vor Inkrafttreten des „Spracherfordernisses“ geheiratet. Faktisch sei ihr ein Erwerb der deutschen Sprache in Afghanistan unmöglich. Sie sei Analphabetin und lebe im Haus der hochbetagten Schwiegereltern. Die nächste größere Stadt läge vier bis sechs Autostunden entfernt.

Mit am 24. Dezember 2009 bei dem Verwaltungsgericht eingegangener Klageschrift vom 18. Dezem- ber 2009 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung beruft sie sich auf ihr Vorbingen im Remonstrationsschreiben und führt ergänzend aus: Da es ihr faktisch nicht möglich sei, die deutsche Sprache in Afghanistan zu erlernen, gebiete Art. 6 GG bzw. Art. 8 EMRK, dass ihr das Visum ohne Nachweis der Deutschkenntnisse erteilt werde, weil sonst die eheliche Lebensgemeinschaft in Deutschland nicht verwirklicht werden könne. Außerdem dürften ausländische Ehegatten von Deutschen in Bezug auf das Spracherfordernis nicht schlechter gestellt werden als ausländische Ehegatten von in Deutschland lebenden EU-Angehörigen. Eine Ausreise sei ihrem inzwischen (am 4.

November 2009) eingebürgerten Ehemann nicht zumutbar. Bei seinen Besuchen in Afghanistan habe er sich nur bis zu einem Monat dort aufgehalten.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Kabul vom 9. April 2009 zu verpflichten, ihr ein Visum zum Familiennachzug zu erteilen.

Mit Schriftsatz vom 30. April 2010 hat die Klägerin hilfsweise beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, ihr ein Visum zum Spracherwerb für ein Jahr zu erteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält an dem angegriffenen Bescheid fest und verweist auf die fehlenden Sprachkenntnisse. Diese würden mit Hilfe eines Sprachlehrers oder eines Kassetten- oder CD-gestützten Sprachkurses erwor- ben werden können. Auch könne der Ehemann gegebenenfalls selbst beim Spracherwerb behilflich sein, ohne seinen Wohnsitz in Deutschland aufzugeben. Das Goethe-Institut Kabul biete fortlaufend Deutschkurse zum Sprachzertifikat A 1 mit ca. 160 afghanischen Sprachschülern pro Quartal an, darunter 75 % weiblichen Teilnehmern. Die Beklagte sieht in dem Hilfsantrag eine (hilfsweise) Klageänderung, der sie nicht zustimmt.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Sie verweist darauf, der Ehemann der Klägerin habe sich seine Niederlassungserlaubnis und spätere Einbürgerung durch Verschweigen sowohl seiner Reisen

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nach Afghanistan 2004/2005 und 2008 als auch seiner Eheschließung 2004 „erschlichen“. Ihm, der auch die afghanische Staatsangehörigkeit weiter besitze, sei es deshalb zumutbar, die Ehe in Afghani- stan zu führen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsstreitakte und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten und der Beigeladenen verwiesen, die dem Gericht vorliegen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Das Gericht konnte durch den Vorsitzenden und Berichterstatter als Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (§ 101 Abs. 2 und § 87a Abs. 2 VwGO).

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf das begehrte Visum zum Ehegattennachzug (1.) noch einen Anspruch auf das hilfsweise begehrte Visum zum Sprach- erwerb (2.) (§ 113 Abs. 5 Satz 1 und 2 VwGO).

1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung eines Visums zum Familiennachzug.

Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerin sind – wegen des hier maßgeblichen Zeitpunkts der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 7. April 2009 – 1 C 17.08 – juris Rn. 37) – nach der Einbürgerung ihres Ehemanns die §§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 6 Abs. 4 und 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 5 i.V.m. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 und Satz 3 AufenthG.

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob im vorliegenden Fall von dem Erfordernis in § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG abzusehen sei, wonach sich der nachziehende Ehegatte zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen können muss. Diese Nachzugsvoraussetzung erfüllt die Klägerin nicht. Sie ist unstreitig nicht in der Lage, sich auf einfache Art in deutscher Sprache zu verständigen.

Das gesetzlich geforderte Spracherfordernis muss die Klägerin vor der Einreise erfüllen, auch wenn die entsprechenden Regelungen erst durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union – Richtlinienumsetzungsgesetz – vom 19. August 2007 (BGBl. I, S. 1970) – in Kraft getreten am 28. August 2007 – in das Aufenthaltsgesetz aufgenommen worden sind. Selbst wenn man als Eheschließungszeitpunkt auf den 19. Dezember 2004 abstellen würde – die Klägerin geht davon aus, dass damit noch keine rechtsgültige Ehe geschlossen wurde – könnte die Klägerin daraus keinen Vertrauensschutz ableiten. Denn auch in dem Fall, dass der Visumantrag vor Änderung der Rechtslage gestellt worden wäre – was vorliegend nicht der Fall ist –, müsste sie die neuen Anforderungen erfüllen, weil eine Übergangsregelung fehlt (vgl. Oberverwaltungsgericht

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Berlin-Brandenburg, Urteile vom 18. Dezember 2009 – 3 B 22.09 –, juris Rn. 16, und vom 28. April 2009 – 2 B 6.08 –, juris Rn. 62 sowie Beschluss vom 3. März 2008 – 12 M 120.07 – n.v.).

Die Bestimmung des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG ist, soweit hier von Interesse, nur dann unbeachtlich, wenn der nachzugswillige Ehegatte wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht in der Lage ist, einfache Kenntnisse der deutschen Sprache nach- zuweisen (§ 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AufenthG). Dass die Klägerin an einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung leidet und deshalb nicht Deutsch lernen kann, ist von ihr nicht vorgetragen worden. Die Klägerin geht vielmehr selbst davon aus, dass es ihr im Rahmen geeigneter Integrationsmaßnahmen gelingen wird, Lesen und Schreiben und zudem die deutsche Sprache zu erlernen. Darauf zielt ihr Hilfsantrag. Es ist auch nicht erkennbar, dass das Fehlen von Lese- und Schreibfertigkeiten bei der Klägerin krankheits- oder behinderungsbedingt ist. Insbesondere kann der auf die sozialen und kulturellen Verhältnisse im Heimatland zurückzuführende Analphabetismus nicht als geistige Behinderung im Sinn des § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AufenthG gewertet werden (so auch Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 29. April 2009 – VG 16 V 12.07 –). Analphabetismus kann auch nicht als Krankheit im Sinn dieser Vorschrift angesehen werden. „Analphabetentum“ wird in der ICD-10 (Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheits- probleme, Bd. I, Systematisches Verzeichnis, Stand: 24. September 2008, S. 769) lediglich im Kapitel XXI unter „Faktoren, die den Gesundheitszustand beeinflussen und zur Inanspruchnahme des Ge- sundheitswesens führen“ (Z 55) genannt. Derartige „Faktoren“ werden mithin statistisch nicht als Krankheit eingestuft (vgl. ICD-10, a.a.O., S. 751; vgl. auch Verwaltungsgericht Berlin, a.a.O., sowie Urteile vom 10. März 2009 – VG 30 V 55.08 –, juris Rn. 36, und vom 15. Oktober 2009 – VG 28 V 8.08 –).

Ebenso wenig ist erkennbar, dass bei der Klägerin nur ein geringer Integrationsbedarf im Sinne von § 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 2 der Integrationskurs-Verordnung vom 13. Dezem- ber 2004 (BGBl. I, S. 3370) besteht, der in der Regel nur bei akademischen Berufsqualifikationen angenommen wird.

Das Erfordernis, dass sich ein Ausländer grundsätzlich vor dem Nachzug zu dem im Bundesgebiet lebenden Ehegatten einfache Kenntnisse der deutschen Sprache aneignen muss, ist mit Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK und sonstigem Europarecht (insbesondere der Familienzusammenführungs- richtlinie) vereinbar. Zur näheren Begründung wird zunächst auf den (Nichtannahme-) Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 25. März 2011 – 2 BvR 1413/10 –, das dem zugrundeliegende Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. März 2010 – BVerwG 1 C 8.09 –, juris Rn. 29ff, sowie die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 28. April 2009 – OVG 2 B 6.08 –juris Rn. 32ff und Rn. 63ff, und vom 18. Dezember 2009 – OVG 3 B 22.09 –, bei juris, verwiesen. Diesen Entscheidungen folgt die Kammer (ebenso Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 18. Februar 2011 – VG 36 K 15.11 –, vgl. auch Urteile vom 17. Februar 2009 – VG 35 V 47.08 –, vom 10. März 2009 –

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VG 30 V 55.08 –, juris Rn. 39ff, vom 29. April 2009 – VG 16 V 12.07 – und 14. Januar 2010 – VG 28 K 202.09 V –).

Zwar wurde vom Bundesverwaltungsgericht in der o.g. Entscheidung nur über den Zuzug zu einem ausländischen Staatsangehörigen entschieden. Da die rechtlichen Voraussetzungen für den Zuzug zu Deutschen jedoch identisch sind, greifen die rechtlichen Erwägungen des Urteils vom 30. März 2010 auch im vorliegenden Fall.

Aus der Tatsache, dass Ehegatten von Unionsbürgern ohne Sprachkenntnisse einreisen und sich hier aufhalten dürfen, kann die Klägerin keine Befreiung vom Spracherfordernis herleiten. Denn das Spracherfordernis des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG bringt keine gleichheitswidrige Bevorzugung von Unionsbürgern mit sich (so schon Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 19. Dezember 2007 – VG 5 V 22.07 –, juris Rn. 35; ebenso Urteil vom 17. Februar 2009 – VG 35 V 47.08 – und im Ergeb- nis Urteil vom 18. Februar 2011 – VG 36 K 15.11 V –). Die Besserstellung von Unionsbürgern ist weder gegenüber Ausländern aus Drittstaaten wie der Klägerin noch in Bezug auf den deutschen Ehemann zu beanstanden. Das deutsche (Verfassungs-)Recht verlangt nicht, Zugeständnisse gegen- über der Europäischen Union auf Drittstaatsangehörige und Inländer zu erstrecken, soweit es sich um nationale Regelungsgegenstände handelt (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 4. September 2007 –1 C 43/06 –, juris Rn. 40; Hessischer VGH, Beschluss vom 23. Oktober 2006 – 7 TG 2317/06 – , juris Rn. 9f; Oppermann, Europarecht, 3. Aufl. 2005, § 25 Rn. 22 i.V.m. 28).

Ein sachlicher Grund für diese Ungleichbehandlung liegt darin, dass das Gemeinschaftsrecht die Fa- milienangehörigen von freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern privilegiert. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber den Familiennachzug zu deutschen Staatsangehörigen ebenso aber auch zu allen nicht freizügigkeits- oder assoziationsberechtigten Ausländern, mithin in der großen Mehrheit aller Fälle, aus Gründen der Einwanderungsbegrenzung auf das in Abwägung mit dem Schutzgebot von Ehe und Familie zulässige Ausmaß beschränkt, davon aber beim Nachzug zu Aus- ländern aus EU-Mitgliedstaaten wegen der Pflicht zur Umsetzung bindender EU-rechtlicher Vorgaben abweicht (Bundesverwaltungsgericht a.a.O. Rn. 40, so auch VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 9. März 2004 – 11 S 1518/03 – juris Rn. 18).

Da es vorliegend um den Nachzug einer Drittstaatsangehörigen zu einem Deutschen geht, kommt hier nicht die Unionsbürgerrichtlinie (RL 2004/38/EG), sondern die für Drittstaatsangehörige maßgebliche Familienzusammenführungsrichtlinie (RL 2003/86/EG) zur Anwendung. Nach Art. 7 Abs. 2 der Familienzusammenführungsrichtlinie können die Mitgliedsstaaten nach nationalem Recht von Drittstaatsangehörigen verlangen, dass sie Integrationsmaßnahmen nachkommen müssen, wozu auch der erfolgreiche Abschluss eines Sprachkurses gehört (vgl. zum ganzen Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 11. März 2009 – VG 16 V 26.08 –, juris Rn. 18, und Urteil des Oberverwaltungsgerichts

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Berlin-Brandenburg vom 28. April 2009 – 2 B 6.08 –, juris Rn. 64ff, Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 30. März 2010 – 1 C 8.09 –, juris Rn. 22ff).

Aus der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs – Große Kammer – vom 8. März 2011 – C 34/09 – (Zambrano), bei juris, kann die Klägerin ebenfalls kein Aufenthaltsrecht unter Verzicht auf das Spracherfordernis ableiten.

Diese Entscheidung betrifft einen extremen Ausnahmefall, in dem minderjährige Unionsbürger fak- tisch gezwungen gewesen wären, das Gebiet der Union zu verlassen, wenn ihrem Familienangehöri- gen der Aufenthalt im Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen, verweigert worden wäre.

Dies hätte zur Folge gehabt, dass den Unionsbürgern der tatsächliche Genuss der Rechte, die ihnen der Unionsbürgerstatus verleiht, verwehrt gewesen wäre. Den Entscheidungsgründen, die auf diese Besonderheiten des Einzelfalls abstellen, ist bereits nicht zu entnehmen, dass der Europäische Gerichtshof über den konkreten Einzelfall hinausgehende Aussagen zu den aus der Unionsbürger- schaft folgenden Rechten der Familienangehörigen von Unionsbürgern treffen wollte. Es spricht nichts dafür, dass durch das Urteil in der Rechtssache Zambrano das Erfordernis eines grenzüberschreitenden Bezugs, das der Gerichtshof seiner Rechtsprechung seit Jahrzehnten zugrundegelegt hat, insgesamt aufgegeben werden sollte (vgl. Oberverwaltungsgericht für Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29.

April 2011 – 18 B 377/11 – juris Rn. 15ff.).

Der vorliegende Fall ist mit dem Fall Zambrano nicht vergleichbar. Weder sichert die Klägerin den Unterhalt ihres in Deutschland lebenden Ehemanns, noch hat die Ablehnung des Visumantrags die Folge, dass dieser gezwungen wäre, das Gebiet der Union auf Dauer zu verlassen, um die Ehe mit der Klägerin führen zu können.

Denn die fehlenden Sprachkenntnisse stellen grundsätzlich nur ein vorübergehendes und behebbares Hindernis für den Ehegattennachzug dar, dessen Dauer im Übrigen vom Verhalten der Klägerin selbst abhängt. Aus diesem Grund ist es auch beim hier streitgegenständlichen Ehegattennachzug zu deut- schen Staatsangehörigen mit höherrangigem Recht – insbesondere Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz – vereinbar, vor dem Zuzug den Erwerb einfacher Kenntnisse der deutschen Sprache zu verlangen.

Denn Art. 6 Abs. 1 GG gibt auch Deutschen nicht das Recht, ihre Ehe unter allen Umständen und sofort im Heimatland zu führen. Das Spracherfordernis dient der Förderung der Integration und der Verhinderung von Zwangsverheiratungen (BT-Drs. 16/5065 S. 173 f.). Hierbei handelt es sich um legitime gesetzgeberische Ziele. Ob das zur Erreichung dieser Ziele gewählte Instrumentarium erfolg- versprechend ist, liegt im weiten Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers. Den Nachweis von Sprach- kenntnissen schon vor der Einreise zu verlangen, hat den Vorteil, dass dadurch tatsächlich Druck auf die Kreise ausgeübt wird, die auch nach einer Einreise freiwillig kaum die deutsche Sprache lernen (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 30. März 2010 a.a.O. Rn. 38f).

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Einfache Sprachkenntnisse erfordern dabei nach dem Willen des Gesetzgebers die Fähigkeit, sich auf zumindest rudimentäre Weise verständigen zu können (BT-Drs. 16/5065 vom 23. April 2007, S. 174).

Nach der Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung zum Aufenthaltsgesetz (GMBl. 2009, 878) lie- gen einfache Sprachkenntnisse dann vor, wenn das Sprachniveau der Stufe A 1 der kompetenten Sprachanwendung des gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens des Europarates (GER) erreicht ist. Dies beinhaltet nicht nur die Fähigkeit, mündlich einfache Sätze zu verstehen und zu bilden, son- dern auch das Lesen und Schreiben einfacher Texte. Dem steht nicht entgegen, dass im Wortlaut des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG schriftliche Sprachkenntnisse nicht ausdrücklich erwähnt sind, denn das Aufenthaltsgesetz bringt es eindeutig zum Ausdruck, wenn mündliche Kenntnisse ausreichen (vgl.

dazu näher Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. Dezember 2009 – 3 B 22.09 – , juris Rn. 20).

Es ist nicht überzeugend dargelegt worden oder sonst erkennbar, dass es der Klägerin unmöglich oder unzumutbar ist, einfache deutsche Sprachkenntnisse vor ihrem Zuzug nach Deutschland zu erwerben.

Entsprechende Kurse werden in Kabul angeboten. Der Klägerin ist es zumutbar, sich zur Absolvierung eines solchen Sprachkurses nach Kabul zu begeben. Die damit verbundenen finanziellen Aufwendun- gen und sonstigen Belastungen sind der Klägerin grundsätzlich zumutbar, weil es um eine so grund- legende Lebensentscheidung wie die Übersiedlung zu einem Ehegatten in ein anderes Land geht; auf finanzielle Unterstützung ihres Ehemannes kann sie im vorliegenden Fall zurückgreifen (vgl. Bundes- verwaltungsgericht Urteil vom 30. März 2010 – 1 C 8.09 –, juris Rn. 44). Unabhängig davon besteht die Möglichkeit, sich die notwendigen Grundkenntnisse der deutschen Sprache mit Hilfe von Audio- und Videosprachkursen oder anderen Medien anzueignen und zu vertiefen. Die dazugehörigen Abspielgeräte und ggf. erforderlichen Batterien lassen sich beschaffen. Die Eheleute können zudem gemeinsame Telefongespräche nutzen, um erste Sprachkenntnisse zu vermitteln. Auch spricht die Tatsache, dass der Ehemann der Klägerin diese zumindest in den Jahren 2004/2005 und 2008 trotz der Sicherheitslage in Afghanistan jeweils für bis zu einem Monat in ihrem Wohnbezirk besuchen konnte dafür, dass er einen Urlaubsaufenthalt für weitergehende Sprachvermittlung nutzen kann und in der Vergangenheit hätte nutzen können.

Der Klägerin steht auch kein Anspruch auf Erteilung des Visums zur Vermeidung einer außer- gewöhnlichen Härte nach § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG zu. Eine außergewöhnliche Härte im Sinn dieser Vorschrift ist anzunehmen, wenn im Einzelfall gewichtige Umstände vorliegen, die unter Berücksichtigung des Schutzgebotes des Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG und im Vergleich zu den in §§

27 ff. AufenthG geregelten Nachzugsfällen ausnahmsweise die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug gebieten. Da die Vorschrift der Vermeidung nicht nur einer besonderen, sondern einer demgegenüber noch gesteigerten außergewöhnlichen Härte dient, müssen die mit der Versagung der Aufenthaltserlaubnis einhergehenden Schwierigkeiten für den Erhalt der Familien- gemeinschaft nach ihrer Art und Schwere so ungewöhnlich und groß sein, dass im Hinblick auf den Zweck der Nachzugsvorschriften, die Herstellung und Wahrung der Familieneinheit zu schützen, die

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Ablehnung der Erlaubnis schlechthin unvertretbar erscheint. Dies setzt grundsätzlich voraus, dass der im Bundesgebiet oder der im Ausland lebende Familienangehörige allein ein eigenständiges Leben nicht führen kann, sondern auf die Gewährung von familiärer Lebenshilfe angewiesen ist und dass diese Hilfe zumutbarer Weise nur im Bundesgebiet erbracht werden kann (vgl. zu Vorstehendem Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 1. August 1996 – 2 BvR 1119/96 –, NVwZ 1997, 479;

Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 25. Juni 1997 – 1 B 236.96 –, Buchholz 402.240 § 22 AuslG Nr. 4; Oberverwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 31. Januar 2003 – OVG 3 B 4.02 –, InfAuslR 2003, 275, 276, jew. m.w.N.). Auf diese, noch zu § 22 AuslG ergangene Rechtsprechung kann bei der Anwendung des inhaltsgleichen § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG zurückgegriffen werden (Oberverwal- tungsgericht Lüneburg, Beschluss vom 2. November 2006 – 11 ME 197/06 –, InfAuslR 2007, 67;

ebenso Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Urteile vom 30. März 2007 – OVG 2 B 2.07 –, juris Rn. 23, und vom 18. Dezember 2009 – OVG 3 B 22.09 – juris Rn. 32). Für das Vorliegen einer derartigen Härte ist im vorliegenden Fall nichts erkennbar.

Die Ablehnung der Erteilung eines Visums zum Ehegattennachzug ist vorliegend auch nicht unver- hältnismäßig. Welcher Zeitrahmen für das Erlernen der deutschen Sprache als zumutbar anzusehen ist, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich beim Spracherwerb um eine Integrationsleistung handelt, die nicht nur im öffentlichen Interesse liegt, sondern dem Nachzugswilligen und seiner Familien nach der Einreise auch persönlich zu Gute kommt. Von daher liegt – auch mit Blick auf die nach Art. 8 der Familienzusammenführungsrichtlinie zulässigen Wartefristen – ein Zeitraum von zwei bis drei Jahren in aller Regel im Rahmen des Zumut- baren, sofern nicht besonders schutzwürdige Umstände vorliegen, (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 30. März 2010 a.a.O. Rn. 49). Solche besonderen Belange sind hier nicht festzustellen. Der Ehemann der Klägerin hat Afghanistan im Jahr 1999 verlassen, als die Klägerin 16 Jahre alt war.

Davon ausgehend, dass der Wunsch zur Eheschließung sich im Jahr 2004 manifestierte, wurde die Ehe erst im Jahr 2007 oder 2008 formgültig geschlossen. Erst Monate später beantragte die Klägerin das Visum zur Familienzusammenführung. Es ist nicht ersichtlich, dass sie zumindest seit ihrem Antrag auf Erteilung eines Visums irgendwelche Anstrengungen unternommen hat, die deutsche Sprache zu erlernen. Andererseits ist nicht zu erkennen, warum es dem Ehemann unzumutbar sein sollte, vorüber- gehend nach Afghanistan zurückzukehren. Als deutscher Staatsangehöriger hat er aufenthaltsrecht- liche Nachteile dadurch in Deutschland nicht zu besorgen. Er besitzt weiterhin die afghanische Staats- angehörigkeit und hat durch freiwillige Reisen dorthin gezeigt, dass er selbst sich solche Reisen zutraut.

2. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Erteilung eines Visums zum Spracherwerb. Dies schei- tert hier schon daran, dass sie ein solches nie bei der Beklagten beantragt hat. Die Stellung eines entsprechenden Antrags bei der Behörde ist jedoch eine nicht nachholbare Voraussetzung für einen etwaigen Anspruch auf Erteilung eines Visums.

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Unabhängig davon ist auch nicht erkennbar, dass die Klägerin gegenwärtig einen Anspruch auf Ertei- lung eines Visums für den Spracherwerb hätte. Nach § 16 Abs. 5 AufenthG kann einem Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis zur Teilnahme an Sprachkursen erteilt werden. Das entsprechende Visum steht im Ermessen der Beklagten. Anspruch auf ein Visum zum Spracherwerb besteht nur dann, wenn dem nachzugswilligen Ehegatten aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen in angemessener Zeit der Erwerb einfacher Sprachkenntnisse nicht möglich und zugleich dem in Deutschland lebenden Ehe- partner die Herstellung einer ehelichen Lebensgemeinschaft außerhalb des Bundesgebiets aus tatsäch- lichen oder rechtlichen Gründen objektiv nicht möglich oder auf Grund besonderer Umstände nicht zuzumuten ist (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 30. März 2010 a.a.O. Rn. 46). Diese Voraussetzungen hat die Klägerin hier – wie oben ausgeführt – nicht nachgewiesen.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO und § 167 VwGO i.V.m. §§

708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Berufung ist wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen, die ihr hinsicht- lich der Frage zukommt, ob das Spracherfordernis nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG bei Zuzug zu einem deutschen Familienangehörigen mit höherrangigem Recht vereinbar ist (§ 124 Abs. 1 und 2 Nr. 3 VwGO). Aus diesem Grund ist auch die Sprungrevision zuzulassen (§ 134 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

B e s c h l u s s

Der Wert des Streitgegenstands wird gemäß §§ 39 ff., 52 f. des Gerichtskostengesetzes auf 5.000 Euro festgesetzt.

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