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Eine empirisch begründete Theorie der Gehaltserwartungen türkischer BWL-StudentInnen

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Academic year: 2022

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Gehaltserwartungen türkischer BWL-StudentInnen

DIPLOMARBEIT

zur Erlangung des akademischen Grades einer Magistra der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften (Mag.rer.soc.oec.)

eingereicht bei

Frau Univ.- Prof.

in

Dr.

in

Julia Brandl

Institut für Organisation und Lernen, Fakultät für Betriebswirtschaft Leopold-Franzens-Universität, Innsbruck

von

Büsra Alkan-Colak

Martikel-Nr. 01516139

Innsbruck, Mai 2021

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I

Danksagung

An dieser Stelle möchte ich mich bei all jenen bedanken, die mir während der Verfassung meiner Diplomarbeit zur Seite standen und mich stets motiviert haben.

An erster Stelle gebührt mein Dank Frau Prof. Julia Brandl, die mir dieses interessante sowie wenig erforschte Thema nähergebracht und mir die Forschung im Rahmen meiner Diplomarbeit ermöglicht hat. Ferner bedanke ich mich herzlich für die hilfreichen Anregungen und die tatkräftige Unterstützung während der Phase der empirischen Erhebung.

Ein besonderer Dank gilt außerdem Herrn Dr. Levent Yilmaz und allen Teilnehmern und Teilnehmerinnen meiner Befragung, die mir ermöglichten, diese Forschungsarbeit zu realisieren.

Abschließend möchte ich mich bei meinen Eltern und meinem Mann bedanken, die mich in den Höhen und Tiefen bei der Verwirklichung dieser Arbeit unterstützt haben. Zudem möchte ich mich besonders bei meinen Freunden Aycan und Baris bedanken, die stets ein offenes Ohr für meine Sorgen hatten.

Danke auch an all jene, die in irgendeiner Weise in meine Arbeit involviert waren.

Büsra Alkan-Colak

(3)

II

Inhaltsverzeichnis

Danksagung ... I

Inhaltsverzeichnis ... II Abbildungsverzeichnis und Tabellenverzeichnis ... IV

1 Einleitung ... 1

1.1 Forschungskontext und Forschungsproblem ... 1

1.2 Zielsetzung ... 2

2 Gender Pay Gap in Österreich und in der Türkei ... 4

2.1 Größe, Begriffsklärung und Erwerbsbeteiligung ... 4

2.2 Bereinigter und unbereinigter Lohngefälle ... 5

2.3 Vergleich Gender Pay Gap zwischen Österreich und der Türkei ... 6

2.4 Einfluss verschiedener Faktoren auf den Gender Pay Gap und ihre Ursachen ... 9

3 Bisherige Erkenntnisse über die Entstehung der Gehaltserwartung ... 13

3.1 Das Wissen der Studierende über den Arbeitsmarkt ... 13

3.2 Gehaltserwartungen als Expat ... 16

3.3 Veränderte Geschlechterrollen und Identitätstransformation ... 18

3.4 Gründe für den „unerklärten“ Lohnunterschied zwischen den Geschlechtern ... 19

3.4.1 Risikoneigung ... 20

3.4.2 Wettbewerbsneigung und Selbstüberschätzung ... 24

3.4.3 Orientierung an einem Referenzwert – „Anchoring“ ... 28

3.4.4 Geschlechternormen ... 33

3.5 Zusammenfassung und forschungsleitende Frage ... 35

4 Methode der empirischen Erhebung ... 37

4.1 Qualitative Forschung ... 37

4.2 Datengewinnung ... 39

4.3 Datenerhebung & Durchführung ... 41

4.4 Qualitative Datenanalyse ... 43

(4)

III

5 Ergebnisse der empirischen Erhebung ... 47

5.1 Selbstentwicklung & Gehaltszusammensetzung ... 48

5.2 Auswahl der Universität als Voraussetzung für den Berufseinstieg ... 56

5.3 Türkische Kultur als Einflussfaktor ... 63

5.4 Mann Hauptverdiener/ Frau Zusatzverdienst ... 68

5.5 Beteiligung der Frauen am Arbeitsmarkt ... 73

5.6 Rolle und Denkweise im Ausland ... 79

5.7 Veränderte Rolle & Denkweise im Ausland à Imaginierte Identität ... 82

6 Diskussion ... 85

6.1 Die Literatur und der Bezug auf die Erkenntnisse dieser Arbeit ... 85

6.2 Begrenzungen ... 91

7 Fazit ... 93

8 Literaturverzeichnis ... 95 9 Anhang ... V

(5)

IV

Abbildungsverzeichnis und Tabellenverzeichnis

Abbildung 1: Entstehung der Gehaltserwartungen der türkischen BWL-Studierende ... 47 Abbildung 2: Interview-Leitfaden 1 ... V Abbildung 3: Interview-Leitfaden 2 ... VI Abbildung 4: Interview-Leitfaden 3 ... VII Tabelle 1: Interviewdetails ... 43

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1

1 Einleitung

In der vorliegenden Arbeit wird eine empirisch begründete Theorie der Gehaltserwartungen türkischer BWL-StudentInnen anhand einer qualitativ-explorativen Studie beschrieben. Der erste Abschnitt umfasst den Forschungskontext und das Forschungsproblem. Darauffolgend wird der Hintergrund der Arbeit erläutert und die Zielsetzung formuliert. Nachdem der theoretische Bezugsrahmen alle möglichen Sichtweisen und Begründungen für die vorliegende Thematik umfassend erleuchtet, wird zunächst die Methode der empirischen Erhebung geschildert und anschließend die Ergebnisse der Empirie in Form eines Modells präsentiert. Abschließend werden Erkenntnisse diskutiert und ein Fazit gezogen.

1.1 Forschungskontext und Forschungsproblem

In den letzten Jahren erfuhr die Thematik der geschlechtsbezogenen Gehaltsunterschiede einen deutlichen Aufschwung. Zahlreiche Studien (Böheim et al., 2011; Geisberger, 2007;

Goldan, 2019; Gregoritsch et al., 2008) griffen diese Thematik auf. Zum Beispiel zeigte die quantitative Studie von Brandl et al. (2018) die Effekte von typischen Formulierungen auf die Gehaltserwartungen von Frauen und Männern. Die Aktualität der Thematik und die Notwendigkeit an weiterer Forschung zeigt auch eine Auswertung von Statistik Austria (2019), welche im EU-Vergleich feststellt, dass Österreich zu den Ländern mit den höchsten geschlechtsspezifischen Unterschieden gehört. Während im europäischen Raum viele aktuelle Studien zu diesem Thema vorliegen, sind aktuelle Studien zum Thema „Gender-Pay- Gap“ von der Türkei nur schwer zu finden.

Als eine wichtige Ursache für Gehaltsunterschiede resultieren sich folglich wechselseitige Erwartungen der Geschlechter. So unterscheiden sich die männlichen Gehaltserwartungen von den weiblichen Erwartungen. Die Studie von Brandl und Yilmaz (2018) zeigte die geschlechtsspezifischen Unterschiede im erwarteten Gehalt zwischen zwei verschiedenen Ländern - einem westlichen und einem östlichen Land. Mithilfe quantitativer Sozialforschung

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2 wurden auf Basis eines Fragebogens die Unterschiede zu Gehaltserwartungen analysiert. Die Studie stellte dabei fest, dass weibliche Probanden in Innsbruck ein niedrigeres Gehalt als ihre männlichen Kollegen erwarten – übereinstimmend mit der Literatur (Brandl & Yilmaz, 2018).

Überraschenderweise erwarten weibliche Studierende in Istanbul gegenüber ihren männlichen Kollegen höhere Gehälter. Frauen in Innsbruck unterschätzen ihr mögliches Gehaltsniveau, während Frauen in Istanbul ihr mögliches Gehaltsniveau im Vergleich zu Männern überschätzen (Brandl & Yilmaz, 2018). Diese Studie hat einige Einschränkungen, da sie nicht alle relevanten Informationen im Zusammenhang mit den Gründen für geschlechtsspezifische Unterschiede bei den Gehaltserwartungen abdeckt. Ebenso wurden bislang die traditionellen Geschlechterrollen in einem patriarchischen1 Land gering untersucht, welches sich laut Soziologen im Übergang befindet (Moghadam, 2004). Aus dieser quantitativen Studie gehen keine eindeutigen Ergebnisse hervor, weshalb die türkischen Probandinnen höhere Gehaltserwartungen als ihre männlichen Kollegen haben. Aus diesem Grund ist es in diesem Fall interessant, eine qualitativ-explorative Studie zu erstellen und die Forschungslücke somit schließen sowie neue Erkenntnisse gewinnen zu können.

1.2 Zielsetzung

Die Ergebnisse der quantitativen Ausgangsstudie (Brandl & Yilmaz, 2018) liefern überraschende geschlechtsspezifische Erkenntnisse. Dennoch ist es eine weitgehende offene Frage, weshalb die Gehaltserwartungen der Geschlechter variieren. Deshalb befasst sich die vorliegende Arbeit mit der Aufklärung der quantitativen Daten, um eine empirisch begründete Theorie zu entwickeln und neue Erkenntnisse abzuleiten. Des Weiteren wird Einblick in einen unerforschten Themenbereich gewonnen. Ebenfalls haben qualitative Methoden das gemeinsame Ziel, neue Sichtweisen auf bestehende Daten zu generieren (Morse & Richards, 2007). Eine neue Betrachtungsweise besteht etwa darin, die vorhandenen quantitativen

1Patriarchalische Gesellschaft wird laut Duden (2021b) auf ihm beruhend, zu ihm gehörend definiert.

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3 Befunde aus einer anderen Perspektive, wie beispielsweise aus einer kulturellen Perspektive, zu betrachten.

Zu diesem Zweck wurden in einem dreimonatigen Zeitraum sowohl weibliche als auch männliche Studierende interviewt, welche sich zum Teil im ersten Abschnitt ihres Studiums befanden sowie zum anderen Teil, sich am Ende ihres Studiums befanden und bereits erste Berufserfahrungen sammeln konnten. Hierbei geht es weniger um den Vergleich der Studierenden, sondern vorwiegend um die begründete Theorie dahinter, wie Gehaltserwartungen von Studierenden zustande kommen. Anhand der empirischen Analyse wird der Prozessgedanke - wie geschlechtsspezifische Unterschiede bei Gehaltserwartungen von Studierende entstehen - dargelegt. Ebenso wird das explorative Forschungsziel mit Anwendung einer qualitativen Methode und halbstandardisierten Interviews untersucht und dadurch neue theoretische Konzepte aus den gewonnenen Daten entwickelt.

Um die Gründe für diese Gedanken aufzuzeigen, werden einzelne Prozesse auf Basis der Grounded Theory untersucht und erklärt. Theoretische Grundlage der Arbeit ist die Gender Pay Gap, die Entstehung der Gehaltserwartungen und die Gründe für den ‚unerklärten‘

Lohnunterschied zwischen den Geschlechtern. Im Anschluss folgt der empirische Teil, welcher durch die qualitative Forschung, Datengewinnung, Datenerhebung, Durchführung und der Datenanalyse beschrieben wird. Abschließend werden die Ergebnisse durch ein Modell präsentiert und diskutiert, um anschließend ein finales Fazit zu ziehen.

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4

2 Gender Pay Gap in Österreich und in der Türkei

2.1 Größe, Begriffsklärung und Erwerbsbeteiligung

Klenner et al. (2016) definieren Gender Pay Gap als den prozentualen Unterschied zwischen Frauen und Männern mit durchschnittlichem Bruttostundenverdienst, welcher gleichzeitig den Hauptindikator für die Beurteilung der Europäischen Kommission darstellt. Zusammengefasst drückt der Gender Pay Gap prägnant die Benachteiligung der Frauen am Arbeitsmarkt aus (Klenner et al., 2016). Um die geschlechtsspezifischen Lohnunterschiede EU-weit vergleichen zu können, wird der Gender Pay Gap in der gesamten EU einheitlich für alle Mitgliedstaaten berechnet. Wichtig hierbei ist zu betonen, dass Betriebe in der Privatwirtschaft mit bis zu zehn Beschäftigten nicht berücksichtigt werden (STATISTIK AUSTRIA, 2020a).

In diesem Zusammenhang ist die Auslegung und die Entwicklung der Erwerbstätigenquote relevant. Man kann von einer wachsenden Erwerbsbeteiligung der Frauen am österreichischen Arbeitsmarkt innerhalb der letzten zehn Jahre sprechen. Während 2009 die Erwerbstätigenquote der 15- bis 64-jährigen Frauen bei 65,2% lag, stieg sie 2019 auf 69,2%.

Ebenso erhöhte sich der Anteil der erwerbstätigen Männer von 75,5% auf 78,0% an, wobei zu erwähnen ist, dass Männer mit einem höheren Niveau am Arbeitsmarkt vertreten sind.

Gleichzeitig kann man beobachten, dass die steigende Erwerbsbeteiligung eine Erhöhung der Teilzeitquote bewirkt. Während 2009 der Teil der teilbeschäftigten Frauen 43,1% betrug, wuchs sie zwischen 2009 und 2019 auf 47,7% an. Ebenfalls dehnte sich die Teilzeitquote der Männer im Abstand von zehn Jahren von 8,8% auf 10,7%. Wesentlich ist, dass die Quote der teilzeitbeschäftigten Männer vergleichsweise nach wie vor eine geringere Bedeutung hat, da 2019 insgesamt rund 80% der Teilzeitbeschäftigten weiblich waren. Zusätzlich lag Österreich 2019 im europäischen Vergleich mit der hohen Erwerbsbeteiligung über dem EU-Durchschnitt.

(STATISTIK AUSTRIA, 2020b)

(10)

5 Im Vergleich dazu lag die Erwerbstätigenquote der über 15-Jährigen in der Türkei 2019 weit unter Österreich mit 52,8%. Obwohl der Anteil neun Jahre zuvor bei 47,7% lag, ist die Beteiligung der erwerbstätigen Männer mit etwa 60,1% deutlich höher als der Anteil von Frauen (2010: 29,2%). Insgesamt konnte die Türkei eine Zunahme der Erwerbstätigkeiten in allen Bereichen – sowohl bei den Frauen als auch bei den Männern – verzeichnen. Im Jahr 2019 waren 63,8% der Männer am Arbeitsmarkt beschäftigt. Parallel dazu lag der Wert der erwerbstätigen Frauen in der Türkei bei 33,0%. Anders als in Österreich reduzierte sich die Teilzeitquote, während der Anteil der Erwerbsbeteiligten zunahm. Im Jahr 2010 betrug die Quote der Teilzeitbeschäftigten - gemessen prozentuell an Erwerbstätigen – 11,7%. Neun Jahre später stellte man einen Rückgang auf 10,3% fest. Demzufolge sank auch die Teilzeitquote der Frauen von 23,8% auf 17,4% innerhalb der Jahre 2010 und 2019.

Überraschenderweise kam es zu einem prozentuellen Zuwachs der Teilzeitquote der Männer von 6,9% auf 7,1%. Laut Daten der Weltbank ist der Unterschied zwischen Frau und Mann unter 36 Ländern in der Türkei am größten. (Kohler & Weltbank, 2019; Eurostat et al., 2020;

Weltbank, 2020)

2.2 Bereinigter und unbereinigter Lohngefälle

Zusätzlich wird zum Gender Pay Gap die „bereinigte Lohnlücke“ gegenübergestellt. Wenn sich Frauen und Männer hinsichtlich ausgeübter Berufe, Führungspositionen und anderen Merkmalen nicht unterscheiden würden, dann beschriebe der übrig gebliebene Teil den

„bereinigten Gender Pay Gap“ (Klenner et al., 2016). Geisberger & Glaser (2014) zufolge misst der EU-Indikator den sogenannten „unbereinigten Gender Pay Gap“, welches ohne Berücksichtigung im Hinblick auf die Beschäftigungsstruktur zum Ausdruck gebracht wird. Um vergleichbare Aussagen mit Merkmalausstattung über Frauen und Männer treffen zu können, ist es relevant, dass anhand vom bereinigten Lohngefälle strukturelle Unterschiede herausgerechnet werden (Geisberger & Glaser, 2014).

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6 Vereinfacht ausgedrückt, gibt die „bereinigte Lohnlücke“ an, wie hoch der Gender Pay Gap ausfallen würde, wenn sich Frauen und Männer beispielsweise in Bezug auf die ausgeübten Berufe, die Besetzung von Führungspositionen und ihre jeweiligen Arbeitszeiten gleichen würden (Klenner et al., 2016). Zur Berechnung wird ein Verfahren basierend auf der Oaxaca- Blinder-Dekomposition verwendet (Oaxaca, 1973; Blinder, 1973). Bei dieser Methode wird das Lohndifferenzial in einen erklärten und einen unerklärten Anteil zerlegt und sie gilt als die am häufigste verwendete Methode zur Ermittlung von Verdienstunterschieden (Finke et al., 2017, hier: S. 48; Geisberger & Glaser, 2014, hier: S. 9; Klenner, 2016, hier: S. 6).

Durch diese Art kann der erklärte Anteil für einzelne Merkmale weiter ausdifferenziert werden.

Ferner kann laut Geisberger und Glaser (2014) damit der Einfluss der einzelnen Faktoren auf die Gesamthöhe des Verdienstunterschieds ermittelt werden. Somit liefert die Dekomposition2 sowohl wichtige Anhaltspunkte zur Höhe des bereinigten Gender Pay Gaps als auch eine Ursachenanalyse des Verdienstunterschieds. Ein wichtiger Hinweis dabei ist, dass die Bereinigung bei der Interpretation als rein rechnerisch angesehen werden sollte, da geschlechtsspezifische Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt bewusst herausgerechnet werden, obwohl real die Unterschiede und damit zusammenhängend das Lohngefälle bestehen bleibt (Geisberger & Glaser, 2014).

2.3 Vergleich Gender Pay Gap zwischen Österreich und der Türkei

Wie bereits in den vorherigen Punkten beschrieben, besteht sowohl in Österreich als auch in der Türkei nach wie vor ein beachtliches Lohngefälle. Die Höhe kann sich je nach Datengrundlage, Modellspezifikation und Messmethode unterscheiden. Diesen Wert kann ferner für die Messung von Jahres-, Monats- oder Stundenlöhne in Betracht gezogen werden.

Welche Betrachtung geeignet ist, hängt zum einen von der Fragstellung und zum anderen von der verfügbaren Datenquelle ab (Geisberger & Glaser, 2017).

2Dekomposition ist die Auflösung bzw. das Erfassen der verschiedenen Bedeutungsmerkmale (Duden, 2020c).

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7 Die in den vorliegenden Kapiteln präsentierten Ergebnisse beruhen auf den Daten der OECD, die durch zwei Maßnahmen erfasst wurden. Zum einen wurde das geschlechtsspezifische Lohngefälle im Medianverdienst von Vollzeitbeschäftigten als die Differenz zwischen dem Medianverdienst von Frauen und Männern im Verhältnis zum Medienversdienst von Männern definiert. Zum anderen beziehen sich die in den Berechnungen verwendeten Schätzungen des Einkommens auf das Bruttoeinkommen der Vollzeitlohn- und Gehaltsarbeiter (OECD Family Database, 2020). Während 2017 das durchschnittliche geschlechtsbezogene Lohngefälle in den OECD Ländern bei 13,1 Prozent lag, verdienten Frauen in Österreich etwa ein Sechstel weniger als Männer. Das bedeutet, dass auf Basis der Lohnsteuerdaten, die Einkommenssituation von Frauen und Männern in Österreich - unter Berücksichtigung der Unterschiede im Beschäftigungsausmaß - immer noch um 15,6 Prozent unter jenen der Männer lagen (OECD Family Database, 2020).

Im OECD Data-Report (2020) wird ersichtlich, dass der zuletzt berechnete Gender Pay Gap von der Türkei im Jahre 2014 etwa 6,9 Prozent betrug, wo hingegen Österreich im selben Jahr mit 17,7 Prozent über dem OECD-Schnitt lag. Vier Jahre zuvor betrug das Lohngefälle in der Türkei 3,1 Prozent und 19,2 Prozent in Österreich. Zwischen 2002 und 2018 verringerte sich das Gefälle beim Medianeinkommen und Österreich befindet sich hier unter den Ländern, welche die größten Rückgänge (2002: 24,5%; 2018: 14,9%) verzeichneten. Während von Jahr zu Jahr die Lohnunterschiede zwischen den Geschlechtern in Österreich sanken, stieg der Anteil der geschlechtsspezifischen Kluft in der Türkei in den Jahren 2010 und 2014 von 3,1%

auf 6,9%. Dies lässt sich unter anderem mit der im Kapitel 2.1 ausgelegten Erwerbstätigenquote der Frauen erklären. Da die Beteiligung der Frauen zunahm, kam es auch zu höheren Differenzen zwischen den Geschlechtern (OECD Family Database, 2020).

Des Weiteren wurde das Gender Pay Gap im durchschnittlichen Jahresvierdienst in Vollzeit und ganzjährig nach Bildungsniveau (Tertiäre Bildung, Sekundarstufe II und unterhalb der Sekundarstufe II) definiert. Die Daten, die in der OECD-Beschäftigungsdatenbank (2020)

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8 erhoben wurden, unterscheiden sich je nach Land durch Verdienstangaben. Während Österreich das Jahreseinkommen angibt, verwendet die Türkei monatliche Verdienstdaten.

Wichtig hierbei ist noch zu erwähnen, dass die geschlechtsspezifischen Unterschiede leicht überschätzt werden können, wenn die Messung auf den Bruttolohn basiert, da aufgrund der Einbeziehung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen unterschiedliche Steuerschwellen entstehen (wenn beispielsweise zwischen zwei erwerbstätigen Partnern unterschiedliche Steuern abgezogen werden). In diesem Fall lieferte Österreich Bruttoeinkommen (d.h. vor Einkommenssteuer und Sozialversicherungsbeiträgen) und die Türkei stellte Nettobeträge zur Verfügung (OECD Family Database, 2020).

Die Ergebnisse des OECD Family Database (2020) zeigen, dass das Gender Pay Gap generell bei gut ausgebildeten Frauen und Männern tendenziell etwas größer ist als bei weniger ausgebildeten Personen, wobei hier die Türkei (2017: GPG unterhalb der Sekundarstufe II lag bei 28,2%) größere geschlechtsbezogene Lohnunterschiede zwischen gering qualifizierten Frauen und Männern aufweist. Hingegen lag im selben Jahr der Lohnunterschied zwischen Frauen und Männer in Österreich unterhalb der Sekundarstufe II bei 23,9 Prozent. Während in Österreich der Gender Pay Gap mit steigendem Bildungsgrad zunimmt, sinkt der Anteil der geschlechtsbezogenen Lohnunterschiede in der Türkei.

Türkische Frauen, die eine tertiäre Bildung erhalten haben, verdienten 2017 um 18,5%

weniger als Männer. In Österreich betrug der geschlechtsspezifische Unterschied im gleichen Jahr für gut ausgebildete Frauen 24,6% (OECD Family Database, 2020).

Je höher der Bildungsstand der türkischen Frauen, desto niedriger das Lohngefälle zwischen den Geschlechtern. Demzufolge verdienten Frauen mit hohem Bildungsstatus im selben Bereich teilweise mehr als ihre männlichen Arbeitskollegen (Şen, 2018). Während Frauen 2010 in „Managerpositionen“ im Schnitt jährlich 52.242 TL (1 € = ca. 10 TL, 2021) verdienten, betrug das Jahresgehalt bei den Männern 48.198 TL – das entspricht einem Lohngefälle von -7,3 Prozent. Hingegen verdienten Frauen, die keine Schulausbildung oder eine geringe

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9 Ausbildung haben, im Vergleich zu Männern mit ähnlichem Bildungsstand, an selben Arbeitsplätzen deutlich weniger. Beispielsweise verdienten Frauen 2010 mit der Berufsbezeichnung „Anlagen- und MaschineninstallateurIn“ jährlich im Durchschnitt 11.266 TL, wohingegen Männer für dieselbe Arbeitsposition einen Jahreslohn von 15.144 TL erhielten – daraus resultiert zwischen den Geschlechtern ein Lohngefälle von 24,1 Prozent (TurkStat, Structure of Earnings Survey, 2010).

2.4 Einfluss verschiedener Faktoren auf den Gender Pay Gap und ihre Ursachen

„Es gibt Berufe, da spielt es für den Stundenlohn eine erhebliche Rolle, ob Sie viele oder wenige Arbeitsstunden leisten. Das betrifft zum Beispiel Berufe in der Unternehmensorganisation oder im Vertrieb: In diesen Berufen wird man für Teilzeit, die ja in der Mehrheit Frauen betrifft, in gewisser Weise bestraft. Dadurch entstehen dort vergleichsweise große Gender Pay Gaps.“ – (Zucco, 2019, S. 127)

Wie bereits im vorherigen Kapiteln beschrieben, beruhen die starken Unterschiede des Gender Pay Gaps auf einer Vielzahl komplex miteinander verbundenen Faktoren, die in den einzelnen Mitgliedstaaten stark variieren. Daher sollte man die geschlechtsspezifischen Lohndifferenzen immer in Verbindung mit weiteren Kontextfaktoren interpretieren (Geisberger

& Glaser, 2017).

Einer der beeinflussbarsten Faktoren ist die Erwerbsbeteiligung der Frauen. Frauen mit höherer Qualifikation und damit zusammenhängend bessere Verdienstchancen sind häufiger auf dem Arbeitsmarkt vertreten als jene mit geringeren Qualifikationen und Bildungsniveau (Geisberger & Glaser, 2017). In diesem Kontext entsteht somit ein Ungleichgewicht, welches die Ursache für den geringeren Verdienstunterschied zwischen Frauen und Männern sein kann. Da der Anteil der besser Ausgebildeten unter den erwerbstätigen Frauen höher ist als unter den Männern, fällt der geschlechtsspezifische Lohnunterschied in Ländern mit niedrigen Frauenerwerbsquoten geringer aus (Geisberger & Glaser, 2014, S. 462). Der vergleichsweise

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10 geringe Gender Pay Gap der Türkei (2014 - Österreich: 17,7 %; Türkei: 6,9 %) lässt sich demnach so erklären, dass mit zunehmendem Bildungsgrad Frauen in einigen Tätigkeitsbereichen mehr als Männer verdienten (OECD Family Database, 2020). Da jedoch nach wie vor Frauen mit niedrigem Bildungsniveau am Arbeitsmarkt vorhanden sind, führt dies zu Lohngefällen zwischen den Geschlechtern (Şen, 2018). Wiederum geht in Österreich die die höhere Beschäftigungsquote mit einem höheren Anteil an teilzeitarbeitende Frauen und einem höheren Anteil an gering qualifizierten Frauen einher, weshalb die Erwerbsbeteiligung somit einen relevanten Einflussfaktor darstellt (Geisberger & Glaser, 2017). Demgegenüber kann hingegen nicht immer zwangsläufig davon ausgegangen werden, dass eine hohe Erwerbsbeteiligung von Frauen zu einem hohen Gender Pay Gap führt. Beispielsweise betrug 2018 die weibliche Erwerbstätigenquote in Schweden 76,0 Prozent, die Teilzeitquote der Frauen 34,4% und trotzdem lag Schweden im selben Jahr mit einem Gender Pay Gap von 12,2% unter dem EU-Durchschnitt (Geisberger & Glaser, 2014; Bundesagentur für Arbeit, 2019; Eurostat, 2020).

Um die geschlechtsspezifischen Lohnunterschiede zu analysieren, sind neben der Erwerbsbeteiligung von Frauen weitere ausschlaggebende Faktoren zu berücksichtigen.

Strukturelle Unterschiede spielen eine erhebliche Rolle bei der Erklärung des Verdienstgefälles. Sowohl persönliche als auch berufliche Merkmale wirken sich auf das Einkommensniveau aus (Geisberger & Glaser, 2017). Unter diesen strukturellen Unterschieden sind nach Geisberger und Glaser (2017) unter anderem Branchen und Berufe gemeint, in denen Frauen eher in schlecht bezahlten Dienstleistungsbranchen und Sektoren mit geringem Einkommenspotenzial arbeiten, während Männer eher in hochbezahlten technischen und Managementpositionen arbeiten. Obwohl Frauen in großen Unternehmen stärker vertreten sind als Männer, ist der Anteil der Frauen im Handel höher als jene der Männer, was wiederum erklärt, dass Frauen in schlechtbezahlten Tätigkeiten stärker vertreten sind (Geisberger & Glaser, 2017). In Anlehnung an Zucco (2019) stellt sich zudem heraus, dass große Gender Pay Gaps in einzelnen Berufen stark mit der ansteigenden Entlohnung

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11 von langen Arbeitszeiten zusammenhängen. Sie stellte fest, dass in Berufen, in denen der Lohn mit der Anzahl der Arbeitsstunden überproportional ansteigt, die Verdienstlücke zwischen Frauen und Männern größer ist. Daher spricht Zucco (2019) davon, dass durch flexiblere Arbeitsorganisation und Veränderung in der Organisation es zu kleineren Verdienstlücken zwischen Männern und Frauen führen könnte. Ebenso befürwortet die Autorin, dass größere Tarifbindung zur Reduzierung des Gender Pay Gaps beitragen kann (Zucco, 2019). Auch Gärtner et al. (2015) stellen fest, dass Tarifverhandlungen keine Einigung über die Löhne von Männern und Frauen vereinbaren, sondern Verträge mit Arbeitsbewertungsverfahren definieren. Diese Verträge können in Verbindung mit der konkreten Umsetzung auf Unternehmensebene die Lohnunterschiede beeinflussen.

Des Weiteren zeigt Schmidt (2018) in seinem Bericht, dass zu den angeführten Punkten weitere Ursachen zum erklärten Anteil in der Zerlegung des Gender Pay Gaps gehören. Neben der Erwerbserfahrung und den tätigkeitsbezogenen Merkmalen baut er die Führungsposition in seiner Dekomposition ein. Laut Schmidt führt der größte Anteil der Entgeltlücke auf die Erwerbserfahrung zurück. Reduzierte Arbeitszeit und kürzere Erwerbserfahrung – beispielsweise im Zusammenhang mit der Familiengründung – könnten bedeutende Einflüsse auf die Entgeltlücke haben (Schmidt, 2018). Damit zusammenhängend lassen sich Arbeitszeiten laut dem Autor mit Führungspositionen schwer vereinbaren und daher sieht man dies auch als eine Ursache für den geschlechtsspezifischen Lohnunterschied (Schmidt, 2018).

In Anlehnung an die Berechnungen von Finke et al. (2017) geht hervor, dass die wichtigsten Unterschiede die ungleiche Besetzung von Leistungsgruppen, die unterschiedlich ausfallende Berufs- und Branchenwahl, die bevorzugte Teilzeitbeschäftigung und die tendenziell schlechtere Ausbildung der Frauen waren. Ebenso wird in einem anderen Bericht für die erklärenden Faktoren auf die ungleiche Verteilung von Männern und Frauen bei Berufen, Branchen und berufliche Positionen sowie auf die Frauen benachteiligenden Strukturen im Arbeitsmarkt eingegangen (Klenner et al., 2016). Darüber hinaus werden die Löhne auf dem

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12 Arbeitsmarkt von zahlreichen Faktoren beeinflusst. Untersuchungen haben ergeben, dass insbesondere die Ausstattung mit arbeitsmarktrelevanten Qualifikationen, Segregationsprozesse3 sowie eine mögliche Diskriminierung bestimmter Beschäftigtengruppen die Höhe geschlechtsspezifischer Lohndifferenziale beeinflussen (Gärtner et al., 2015). Frauen tendieren dazu, typische Frauenberufe zu wählen (Mischke &

Wingerter, 2012). Ebenso ist Kohaut et al. (2013) zufolge der Anteil von Frauen in Führungspositionen immer noch deutlich niedriger als der von Männer.

In diesem Kontext ist die Definition von Frauen-, Misch- und Männerberufe von Relevanz. Die Einteilung basiert auf dem Frauenanteil aller Beschäftigten in einem Arbeitsbereich. Zucco (2019) definiert Frauenberufe als Berufe, in denen der Anteil der weiblichen Beschäftigten über 70 Prozent liegt, Männerberufe als diejenigen mit weniger als 30 Prozent Frauenanteil und demnach Mischberufe, die einen Anteil an Frauen zwischen 30 und 70 Prozent haben. Daher stellt die Autorin fest, dass der Gender Pay Gap in Frauenberufen tendenziell geringer ist als in Misch- und Männerberufen (Zucco, 2019).

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass außerdem zu den genannten Punkten Bildung, Altersgruppen, Dauer der Unternehmenszugehörigkeit, Ausmaß der Beschäftigung, Art des Arbeitsvertrages, Unternehmensgröße und die Region als weitere Einflussfaktoren gesehen werden (Geisberger & Glaser, 2017).

3Segregation beschreibt laut Duden (2020e) die Trennung von Personengruppen mit gleichen sozialen (religiösen, ethnischen, schichtspezifischen u. a.) Merkmalen von Personengruppen mit anderen Merkmalen, um Kontakte untereinander zu vermeiden.

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13

3 Bisherige Erkenntnisse über die Entstehung der Gehaltserwartung

Im vorherigen Kapitel wurden Fakten und Zahlen zum Gender Pay Gap und die Einflussfaktoren geschildert. Zudem wurde das ‚bereinigte‘ Lohngefälle ausführlich beschrieben. Nun stellt sich die Frage, weshalb es trotz allem noch einen unerklärten Rest zwischen den Gehältern der Geschlechter gibt. Diese Frage kann zwar nicht eindeutig beantwortet werden, jedoch werden im folgenden Abschnitt auf die Entstehung der Gehaltserwartungen und auf die verschiedenen Perspektiven und Erklärungen der Ökonomen – die sogenannten Rational Choice Theoretiker – eingegangen. Außerdem werden Untersuchungen über den Wissensstand der Studierenden und BerufseinsteigerInnen über den Arbeitsmarkt erläutert und damit zusammenhängend das Wissen über das Gehalt begründet.

3.1 Das Wissen der Studierende über den Arbeitsmarkt

Die Regressionsanalyse von Betts (1996) untersucht das Wissen der StudentInnen über den Arbeitsmarkt, die Übereinstimmung des ausgewählten Fachgebiets mit dem Beruf und die Informationsnutzung der Studierenden einer vierjährigen Hochschule. Ebenso versuchte die Studie die Frage zu klären, wie junge ArbeitnehmerInnen Erwartungen über die zukünftigen Verdienste verschiedener Ausbildungsniveaus bilden. Laut der Humankapitaltheorie wählen Menschen das optimale Schulniveau und die Schulart (Betts, 1996). Freeman (1971) beschreibt in seinem Buch den wandelnden Arbeitsmarkt für hochranginge, vorwiegend hochschulausgebildete Arbeitskräfte in den Vereinigten Staaten und widmet sich dem Prozess der Gehaltsermittlung. Dabei wendete er das Spinnennetzmodell4 auf die Reaktion des Lohnschocks auf die Einschreibung in zahlreichen Fachrichtungen an und stellte fest, dass

4Nach Piekenbrock (2008) wird das Theorem Spinnennetz benannt, weil sich im Fadenkreuz der Angebots- und Nachfragekurve der Prozess von Preis- und Mengenschwankungen kontinuierlich wie ein Spinnennetz erstreckt.

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14 der Arbeitsmarkt in den 70er Jahren für beispielsweise IngenieurInnen überflutet war. Einige Jahre später beobachteten Zarkin (1983) und Siow (1984), dass das Ausmaß der Schwankung von Preisen bei der Einschreibung in die Hochschulen tatsächlich hocheffiziente Angebotsreaktionen auf Schocks in der Arbeitsnachfrage widerspiegeln kann. Vor allem dann, wenn die ArbeitnehmerInnen durchdachte Erwartungen über die künftigen Verdienste in verschiedenen Fachrichtungen bilden. Die beiden Forschenden gingen davon aus, dass ArbeitnehmerInnen zu einem bestimmten Zeitpunkt künftige Verdienste basierend der aktuellen Informationsmenge prognostizieren (Zarkin, 1983; Siow, 1984). Daher war der Bedarf gegeben, diesen Informationssatz über die gegenwärtigen Gehälter nach Fachrichtung und Abschluss gründlich zu untersuchen. Ebenso ist der Zeitpunkt, zu dem Studierende Informationen über Verdienste erwerben und die Information, welche die Menschen über den Arbeitsmarkt sammeln, für die Entstehung der Gehaltserwartungen der Studierenden ein relevantes Forschungsthema (Betts, 1996).

Manski (1993) argumentiert, wenn es Ungleichartigkeit in der Art und Weise gibt, in der Studierende Erwartungen bilden, ist es unter anderem unmöglich die genaue Bildungswahl einer Person zu modellieren, da der Mechanismus, durch den die Person Erwartungen bildet, unbekannt ist. Daher könnte man dieses Problem indirekt damit messen, in dem erforscht wird, wie übereinstimmend das Ausmaß des Wissens über den Arbeitsmarkt unter den Studierenden ist (Betts, 1996). Außerdem können mangelnde Informationen Personen daran hindern, völlig rationale Bildungsentscheidungen zu treffen, wenn das Wissen von High- School-SchülerInnen und ihren Eltern über College-Kosten und finanzielle Unterstützung unzureichend oder lückenhaft ist (U. S. Government Accountability Office, 1990). Ergänzend untersuchte Leonard (1980) Daten aus einer jährlichen Umfrage zum Thema der Lohnerwartungen der Arbeitgebenden und lehnte dabei die Hypothese ab, dass in den meisten Fällen vernünftiger Erwartungen entschieden werden, da diese Marktbeteiligte immer wieder die Löhne, die sie tatsächlich zahlen, unterschätzen. Betts‘ (1996) Regressionsanalyse zeigte, dass Studierende signifikant zu niedrigeren Schätzungen des Verdienstes von College-

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15 AbsolventInnen neigen, wenn deren Eltern ein Einkommen von weniger als 50.000 $ hatten.

Dagegen neigten StudentInnen, deren Eltern ein Einkommen von mehr als 75.000 $ hatten, zu höheren Verdienst-Schätzungen. Übereinstimmend mit dem Modell von Streufert (2000) lässt sich begründen, dass junge Menschen ihre Erwartungen über die Verdienste durch die Beobachtung von ArbeiterInnen in ihrer Umgebung bilden. Wenn man demnach davon ausgeht, Familien nach Einkommen zu spalten, sollten SchülerInnen in einkommensschwachen Regionen die Verdienstmöglichkeiten ausnahmslos unterschätzen.

Die Regressionsanalyse von Betts (1996) bestätigte, dass genau diese Studierende die größten Fehleinschätzungen machen, wenn sie die Einstiegsgehälter mit einem Bachelor- Abschluss schätzen. Zu diesem Thema präsentierten Smith und Powell (1990) interessante Ergebnisse einer Umfrage unter 388 StudentInnen an zwei Universitäten, in denen sie Studierende darum baten, den Verdienst sowohl von AbsolventInnen ihres eigenen Colleges als auch von Gleichaltrigen ohne College-Abschluss, für ein und zehn Jahre in der Zukunft vorherzusagen. Während die Verdiensterwartungen der Frauen von High-School- AbsolventInnen tendenziell niedriger als die der Männer waren, gab es ferner keine statistisch bedeutsame Abweichung zwischen den Erwartungen von Männern und Frauen für den Verdienst von HochschulabsolventInnen (Smith & Powell, 1990).

Zusammenfassend zeigte die Studie von Betts (1996), dass Studierende tatsächlich unterschiedliche Vorstellungen über den Arbeitsmarkt haben und dass diese Unterschiede in den Überzeugungen systematisch mit persönlichen Merkmalen, wie beispielsweise dem Studienjahr und der Studieneinrichtung, verbunden sind. Zudem lagen die Schätzungen über die Lohnvorstellung weit auseinander, da einige Studierende das Gehalt in einem bestimmten Job überschätzten, während es andere unterschätzten. Ebenso ergab die Studie, dass Studierende, die Informationen über den Verdienst in ihrem Haupt- und Nebenfach erwerben, am meisten von den Verdienstinformationen junger ArbeitnehmerInnen profitieren.

Studierende, die sich eher am Ende ihres Studiums befanden, wussten signifikant mehr über das Gehaltsniveau als jene im ersten Studienjahr. Die Regressionsanalyse zeigte, dass

(21)

16 StudentInnen auch unterschiedliche Erwartungen an zukünftige Einkommen der Ausbildung in verschiedenen Bereichen haben (Betts, 1996). Wie bereits beschrieben, sind nach Manski (1993) die konventionellen Methoden zur Schätzung der Verdienste aus der Schulbildung wahrscheinlich verzerrt. Zusammenfassend stützen die Ergebnisse dieser Studie die Annahme der Humankapiteltheorie, dass ArbeitnehmerInnen Informationen über den Verdienst nach Bildungsniveau erhalten, um ihr optimales Niveau zu wählen (Betts, 1996).

3.2 Gehaltserwartungen als Expat

Die Studie von Duarte et al. (2020) beschreibt die Individualität der Gehaltserwartungen von Personen, welche bei Annahme ausländischer Jobs in Entwicklungsländern - unter anderem im Kontext hoher Unsicherheit - antraten. Ein zentraler Aspekt sind spezifische Erwartungen an zukünftige Gehälter bei der Gewinnung von Expatriate. Die Bezeichnung Expatriate beschreibt eine Person, welche unter anderem im Auftrag des Unternehmens für einige Zeit im Ausland arbeitet, um Entwicklungsmöglichkeiten zu bekommen und Verantwortung zu übernehmen (Kagan, 2020). Zudem bewirkt die Expatriate-Vergütung multinationale Unternehmen, wertvolle MitarbeiterInnen anzuziehen, zu motivieren und zu binden (Harvey, 1993; Tornikoski, 2011). Die Bezahlung wiederum kann aus individueller Sicht der Mitarbeitenden die Bereitschaft erhöhen umzuziehen, neue Jobs sowie Angebote anzunehmen (Konopaske & Werner, 2005; Dickmann et al., 2008; Wagner & Westaby, 2009;

Doherty et al., 2011; Dickmann & Watson, 2017). Ferner können Gehälter für Expatriate als Belohnung für angeeignete Erfahrungen in der Vergangenheit angesehen (Cable & Judge, 1994) oder ebenfalls als Entschädigung für die wahrgenommene Einsätze und die Entscheidung ins Ausland zu ziehen anerkannt werden (J. Bonache et al., 2009; J. Bonache

& Zárraga-Oberty, 2017). Anderseits werden großzügige Gehälter auch ausgezahlt, um Besorgnisse und Bedenken (Lowe et al., 1999; Konopaske & Werner, 2005; Wagner &

Westaby, 2009; Bader & Berg, 2014) der ArbeitnehmerInnen zu wichtigen Themen wie Terrorismus, Sicherheit und politische Stabilität des Gastlandes zu lindern (J. P. Bonache, 2006; Dickmann & Watson, 2017; Wagner & Westaby, 2009).

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17 Die Ergebnisse der Studie von Duarte et al. (2020) zeigen, dass mit steigendem Alter auch die Gehaltserwartungen der ArbeitnehmerInnen ansteigen und wiederum die Bewertung über das Land mit niedrigeren Gehaltserwartungen verbunden ist. Zudem gibt es einige Hinweise in den Forschungsergebnissen, dass ältere Personen höhere Sensibilität für beispielsweise kulturelle Attraktivität oder Infrastruktur aufweisen, während jüngeren Individuen diese Themen nahezu gleichgültig sind. Selektiveres Verhalten älterer ArbeitnehmerInnen oder ihr größeres Bedürfnis, zukünftige Herausforderungen auszugleichen, könnte hierfür eine entsprechende Erklärung sein. Ferner deuten die Ergebnisse darauf hin, dass MitarbeiterInnen mit höherer Betriebszugehörigkeit oder jene, die einen festen Arbeitsvertrag haben, höhere Gehaltserwartungen haben. Ziel ist es, die Beständigkeit des Arbeitsplatzes zu erhalten und dafür ausreichend entschädigt zu werden, wenn der Arbeitsplatz für einen anderen verlassen wird (Duarte et al., 2020). In Anlehnung an Cable und Judge (1994) haben ältere MitarbeiterInnen geringere Bereitschaft, neue Karrieremöglichkeiten anzunehmen und eine stärkere Neigung höhere Gehälter zu beantragen. Neben dem Alter und der Dauer der Betriebszugehörigkeit, spielt auch der Standort bei der Annahme von Expatriate Positionen in Entwicklungsländern eine bedeutsame Rolle (Cable & Judge, 1994). Ebenfalls stellten Duarte et al. (2020) fest, je positiver die Bewertung der kulturellen Aspekte des Gastlandes seitens Befragten ist, desto geringer ist die Gehaltserwartung für die Annahme eines Stellenangebots.

Hingegen hatten finanzielle Anreize einen stärkeren Effekt auf die Umzugsbereitschaft, wenn die Kultur des Ziellandes nicht ähnlich mit dem Heimatland war (Wagner & Westaby, 2009).

Schätzen Menschen die Kultur des Gastlandes negativ ein, erwarten sie zusammenhängend negativen sozialen Austausch bei Umzugsentscheidungen. Daher nutzen sie höhere Gehaltswünsche, um die bevorstehenden Schwierigkeiten auszugleichen (Duarte et al., 2020).

Weitere Einflussfaktoren bei Gehaltserwartungen von Expatriates und Umziehbereitschaft sind sozioökonomische und politische Dimensionen der Länder (Lowe et al., 1999; Wagner &

Westaby, 2009; Doherty et al., 2011; Kim & Froese, 2012).

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18

3.3 Veränderte Geschlechterrollen und Identitätstransformation

Die traditionale Rolle des Vaters als Familienoberhaupt hat im Verlauf des 20. Jahrhunderts stark an Wert abgenommen (Peuckert, 2008). Durch die zunehmende Erwerbsbeteiligung von Frauen und die Verbreitung ‚atypischer‘ Beschäftigungsverhältnisse nimmt der Anteil an Haushalten, in denen der Mann der alleinige Ernährer und Hauptverdiener der Familie ist, ab (Liebig et al., 2011). Die Entwicklung und Veränderung im Geschlechterverhältnis spielt eine wesentliche Rolle in der geschlechtsspezifischen Aufteilung der Haushaltstätigkeiten (Doppler, 2008). Dennoch können vor allem in patriarchischen Ländern traditionelle Geschlechterrollen und damit verbunden Geschlechterverhältnisse – das traditionelle Male-Breadwinner-Modell (Mann als Ernährer der Familie) – erhalten bleiben. Höhere Bildung der Frauen und vermehrte Erwerbsbeteiligung am Arbeitsmarkt haben zur Folge, dass Frauen soziale und ökonomische Selbststätigkeit erlangen (Doppler, 2008). Ferner bestätigen Frauen, dass mit Zunahme ihres Verdienstes auch ihre wahrgenommene Einkommensgerechtigkeit im Haushalt steigt. Im Gegensatz dazu sehen Männer als legitimen Grund ein höheres Einkommen zu fordern, wenn eine Verletzung des traditionellen männlichen Ernährermodells gegeben ist (Liebig et al., 2012).

Im Falle dessen, dass Frauen die Rolle des Ernährers annehmen müssen oder sich die typischen Beschäftigungsverhältnisse – haustätige Ehefrau und familienernährenden erwerbstätigen Ehemann – verändern, können Identitäten gewissermaßen transformatiert werden (Krüger & Born, 2000). Menschen konstruieren im Feld der Selbst- und Fremdwahrnehmungen ihre Identitäten. Beispielsweise beschrieb Schneider (2020) in ihrem Beitrag wie Identitätstransformation im Rahmen eines biografischen Wandlungsprozesses im Anbetracht eines Bildungsaufstieges verlaufen kann. Obwohl nach Schütze (1981) alle Organisationsstrukturen im Lebensablauf die Selbstidentität der Person verändern, widmet die Prozessstruktur der ‚Wandlung‘ dem Veränderungsprozess der Selbstidentität besondere Aufmerksamkeit. Dabei durchläuft die eigene Identität eine ‚innere Veränderung‘, da für den Betroffenen etwas grundlegend Neues im eigenen Leben stattfindet (Schütze, 1981, zitiert

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19 nach Schneider, 2020). Wenn sich neue biografische Relevanzstrukturen bilden, sind laut Berger und Luckmann (2018) soziale Beziehungen und Personen erforderlich um einen Interaktionskreis zu bilden, in dem die neue Identität anerkannt wird. Außerdem stellte Kotzyba (2020) fest, dass SchülerInnen mit Migrationshintergrund in Gymnasien auf verschiedenen Ebenen Identitäten konstruieren und Identitätsarbeit leisten müssen sowie sich mit der Migrationsgeschichte und damit zusammenhängend mit den Fremd- und Selbstzuschreibungen auseinandersetzen müssen. Ebenso zeigte die Grounded Theory Studie von Badawia (2002), dass junge Menschen mit Migrationshintergrund ihre Identität in Bezug auf die Kultur nicht einseitig definieren, sondern sich eher neue Positionen suchen, die einer bi-kulturellen Identitätstransformation entsprechen. Ebenfalls stellte Schneider (2020) fest, dass Identitätstransformation im Kontext eines Bildungsaufstiegs einen ‚gelungenen‘

Wandlungsprozess anregen kann, jedoch oftmals mit einer Entfremdung und Distanzierung vom Herkunftsmilieu einhergeht. Infolgedessen fallen Eltern als Interaktionspartner aus und dadurch müssen neue biografische Identitäten im familiären Kontext durch alternative Sozialbeziehungen ersetzt werden.

3.4 Gründe für den „unerklärten“ Lohnunterschied zwischen den Geschlechtern

Beblo et al. (2017) untersuchten die Zerlegung des Gender Pay Gap in erklärlichen Teilen - unter Berücksichtigung von Einflussfaktoren (Erwerbsbeteiligung der Frauen, strukturelle Unterschiede, tätigkeitsbezogenen Merkmalen, Führungsposition, Teilzeitbeschäftigung der Frauen, Bildung, Altersgruppen, Dauer der Unternehmenszugehörigkeit, Ausmaß der Beschäftigung, Art des Arbeitsvertrages, Unternehmensgröße und die Region), welche im Kapitel 2.4 näher beschrieben wurden. In Betracht mit dem unerklärlichen Rest sehen Beblo et al. (2017) als Ursache für die Lohnlücke zwischen Mann und Frau zum einen die Hindernisse und Benachteiligungen der Frauen und zum anderen die Neigungen und Präferenzen. Diese lassen sich folglich in den Punkten Risikoneigung, Wettbewerbsneigung und Selbstüberschätzung, Orientierung an einem Referenzwert und Geschlechternormen

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20 unterteilen und werden nachstehend näher beschrieben (Beblo et al., 2017). Ein wichtiger Hinweis dabei ist, dass in jedem geschilderten Unterpunkt ein Literaturüberblick von verschiedenen Ökonomen und deren Sichtweisen beschrieben wird sowie all die angesprochenen Themen im Zusammenhang mit den Gehaltserwartungen interpretiert werden sollten.

3.4.1 Risikoneigung

Die Risikoneigung spielt bei Gehaltserwartungen eine ausschlaggebende Rolle. Einige Studien legen nahe, dass die relativ mangelnde Vertretung von Frauen in hochbezahlten Berufen auf Unterschiede in den Risikopräferenzen zurückzuführen sein kann und dass Frauen bei Entscheidungen risikoscheuer als Männer sind (z.B. Byrnes et al., 1999; Eckel &

Grossman, 2008; Croson & Gneezy, 2009; Charness & Gneezy, 2012). Diese Risikopräferenz beruht im Allgemeinen auf der Feststellung von Unterschieden zwischen dem Verhalten von Männern und Frauen im Durchschnitt bei Lotterie- und Glücksspielexperimenten (Nelson, 2015). Croson und Gneezy (2009) bestätigten diese Schlussfolgerung beispielgebend in ihrer Umfrage zu experimentellen Studien, in denen sie für jede Studie die Richtung der gefundenen statistisch signifikanten Unterschiede sowie einige Details des Designs angeben. Frauen seien risikoreicher als Männer und die sozialen Vorlieben von Frauen seien eher situationsgebunden. Zudem sind Frauen beim Wettbewerb abgeneigter als Männer. Ebenfalls schilderten die Ökonomen, weibliche Personen würden sich in ihrer emotionalen Reaktion auf unsichere Situationen unterscheiden und diese andersgeartete Reaktion führt zu Unterschieden in der Risikobereitschaft (Croson & Gneezy, 2009). Ähnliche Ergebnisse lieferte die Metaanalyse5 von Byrnes et al. (1999), die die Risikobereitschaft von Frauen und Männern miteinander vergleicht. Die Kernaussage der Studie stützt eindeutig die Vorstellung, dass männliche Teilnehmer eher Risiken eingehen als weibliche Teilnehmer (Byrnes et al.,

5 Müllner (2002) definiert Metaanalyse als Ergebnisse von einzelnen, systematisch aufgespürten Artikeln zum selben Thema, die zu einem Gesamtergebnis verbunden werden und die dann sinnvoll sind, um den Effekt von kleinen einzelnen Studien zu zeigen.

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21 1999). Außerdem gehen Männer mehr Risiken ein, selbst wenn ein Risiko einzugehen eine schlechte Idee war. Im Gegensatz dazu neigen Frauen und Mädchen dazu, Erfolg seltener zu erleben, als sie sollten (Byrnes et al., 1999). Eckel und Grossman (2008) befassen sich mit der Frage der geschlechtsspezifischen Unterschiede bei den Risikopräferenzen und ebenfalls mit der Betrachtung, ob das Geschlecht als Signal für die Risikoneigungen angesehen wird.

Die Forschenden zogen aus der Untersuchung das Fazit, dass Frauen bei den untersuchten Glücksspielen signifikant risikoscheuer als Männer waren und damit zusammenhängend, die wirtschaftliche Auswirkung dieser größeren Risikoaversion sehr bedeutend sein kann (Eckel

& Grossman, 2008). Berufe mit höheren Löhnen sind häufig mit höheren Risiken verbunden und die Auswirkungen dieser Art der Stereotypisierung bzw. Diskriminierung könnten ausschlaggebende Resultate auf die wirtschaftliche Entscheidung der Geschlechter haben (Eckel & Grossman, 2008). Als eine bedeutende Anregung für die vorliegende Arbeit brachten Eckel und Grossmann (2008) das Beispiel der risikoaversen Frauen in Arbeitsverhandlungen an, die den Zusammenbruch von Verhandlungen nicht riskieren wollen. Möglicherweise erhalten Frauen mit dieser Risikoneigung weniger großzügige Erstangebote und sind aggressiveren Verhandlungen ausgesetzt, was schlussfolgernd zu niedrigeren ausgehandelten Löhnen führen kann (Eckel & Grossman, 2008). Vesterlund (1997) zeigte in seinem Modell, je risikoaverser Frauen am Arbeitsmarkt teilnehmen, desto weniger sind sie arbeitslos und desto mehr sind sie bereit niedrigere Reservationslöhne6 zu akzeptieren. Je nach Produktivität erhalten Frauen mit geringerem Risiko niedrigere Löhne als Männer (Vesterlund, 1997). Zum Beispiel argumentierten Johnson und Powell (1994), dass risikoscheue Frauen in Bezug auf das Treffen von Entscheidungen, weniger wahrscheinlich Unternehmensförderungen erhalten.

Abgesehen vom Finanzmarkt können Risikoneigungen der Geschlechter ebenso Auswirkungen auf andere Aspekte des eigenen Lebens haben. Schulman et al. (1999)

6 Schäfer und Schmidt (2012) beschreiben den Reservationslohn als den Lohn, den ein Arbeitsloser oder Nichterwerbstätiger mindestens einfordern würde, um ein Beschäftigungsangebot anzunehmen.

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22 widmeten sich der Untersuchung von Ärzten im Gesundheitswesen sowie ihren Behandlungsempfehlungen und argumentierten, dass Ärzte ihre Empfehlungen so anpassen können, sodass sie die Risikopräferenzen ihrer Patienten einschätzen. Schließlich zeigten die Studien, Frauen würden im Vergleich zu Männern Patienten mit den gleichen Symptomen weniger wahrscheinlich eine aggressive Behandlung verschreiben (Schulman et al., 1999).

Hingegen legten die Untersuchungen von Saha et al. (1999) nahe, dass Frauen genauso bereit oder eher bereit als Männer sind, sich einer Operation zu unterziehen. Dabei stellten sie fest, dass diese Unterschiede nicht auf die Präferenzen der Patienten zurückzuführen sind. In Anlehnung an Charness und Gneezy (2012) stellte sich außerdem heraus, dass auf Basis der Untersuchung der systematischen Unterschiede in der Risikobereitschaft zwischen den Geschlechtern ein beträchtlicher und konsequenter Unterschied in Investitionsentscheidungen zwischen Mann und Frau besteht. Trotz der Tatsache Frauen seien finanziell risikoaverser als Männer, bestätigen Charness und Gneezy (2012) nicht, dass Frauen immer risikoaverser sind als Männer. Sie empfehlen weitere Forschungen in Form einer umfassenden Untersuchung der Randbedingungen anhand einer Vielzahl von Experimenten (Charness & Gneezy, 2012).

Auch Byrnes et al. (1999) ermöglichten mit der Bereitstellung von Rohdaten in einer Metaanalyse ForscherInnen mit unterschiedlichen Perspektiven die Gelegenheit, die Daten auf eine Weise neu zu organisieren und alternative Interpretationen auszuarbeiten. Ebenso erwähnten Croson und Gneezy (2009), mehr Forschung sei erforderlich, um die vielfältigen Ergebnissen zu erklären, welche zu einer höheren Variabilität des Verhaltens von Frauen als bei Männern führen könnte.

Wie bereits zu Beginn des Abschnittes erwähnt, wurden die geschlechtsspezifischen Risikopräferenzen großteils im Rahmen der Lotterie- und Glücksspielexperimenten erforscht.

Als Problem stellte sich laut Nelson (2015) heraus: „Aus solchen Erkenntnissen wird heute oft die Binsenweisheit7 abgeleitet, dass Frauen aufgrund ihres Geschlechts in der Eigenschaft

7 Binsenweisheit beschreibt eine allgemein bekannte Tatsache (Duden, 2020b).

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23 der Risikoneigung wichtig, grundlegend und/oder kategorisch anders als Männer sind“ (S.

565). Eine unwahre Überzeugung über Risikopräferenzen kann dazu führen, die Rolle diskriminierender Praktiken auf den Arbeitsmärkten nicht nur zu verbergen, sondern sie zu fördern. Nelson fügte hinzu: „Erstens sagt die Feststellung eines mittleren Unterschieds, auch wenn er statistisch signifikant ist, nichts über den tatsächlichen Unterschied aus, der zwischen der Verteilung von Männern und Frauen besteht“ (Nelson, 2015, S. 567). Schubert et al. (1999) boten ebenso widersprüchliche Beweise zu den Behauptungen, Frauen wären risikoaverser als Männer. Sie stellten die Prävalenz8 stereotyper geschlechtsspezifischer Risikohaltungen in Frage und argumentierten, dass weibliche Probanden im Allgemeinen nicht weniger riskante finanzielle Entscheidungen treffen als männliche Probanden. Zudem können abstrakte Glücksspielexperimente kein genaues Maß für das relative Risiko liefern (Schubert et al., 1999). Im Rahmen der untersuchten Daten stellten Schubert et al. (1999) ebenfalls fest, dass die vergleichende Risikobereitschaft von männlichen und weiblichen Probanden bei finanziellen Entscheidungen stark vom Entscheidungsrahmen abhängt. ForscherInnen, die Frauen als die risikoreichere Partei in Entscheidungsfindungen ansehen, vergleichen Verhalten in abstrakten Entscheidungskontexten mit denen, die in eine bestimmte Investition oder Versicherung eingebettet sind und stellen fest, dass der reichhaltigere Kontext den Unterschied im Verhalten zwischen Frauen und Männer beseitigt. Demnach werden keine geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Risikohaltung festgestellt, wenn identische Entscheidungen als Investitions- und Versicherungsentscheidungen dargestellt werden (Schubert et al., 1999).

Nach der Überprüfung der empirischen Literatur unter Berücksichtigung der richtigen Interpretationen sowie der Auswirkungen des kulturellen Kontextes stellte zudem Nelson (2015) fest, dass die Aussage „Frauen sind risikoscheuer als Männer“ nicht durch die tatsächlichen empirischen Belege gestützt wird, da die materielle Größe der Lücke im

8Prävalenz beschreibt die Überlegenheit bzw. das Vorherrschen (Duden, 2020d).

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24 Allgemeinen erheblich kleiner als eine Standardabweichung ist. Männer und Frauen neigen dazu, in ihren Reaktionen auf Risiken viel ähnlicher zu sein (Nelson, 2015). Ebenso entstand Filippins und Crosettos (2016) Analyse aufgrund dieser Gegebenheit, dass in vielen Studien, Frauen risikoaverser als Männer dargestellt werden, wenn sie mit Entscheidungen unter Risiko konfrontiert werden. Als Beispiel dafür brachten sie die Umfragen von Eckel und Grossman (2008) und Croson und Gneezy (2009) an. Auch in der Psychologie fanden Byrnes et al. (1999) heraus, Männer würden in den meisten Fällen mehr Risiken als Frauen eingehen. Trotz allem behaupten Filippin und Crosetto (2016), dass die Risikoneigungen von den Einzelheiten der Aufgaben abhängig sind. Als Begründung für diese Denkweise schilderten die Verfassenden, dass die vorhandene Literatur nicht umfassend erforscht wurden und zweitens, dass kein Versuch unternommen wurde zu untersuchen, ob und wie die Erhebungsmethoden eine Rolle bei der Gestaltung der beobachteten Ergebnisse nach Geschlecht spielen (Filippin & Crosetto, 2016).

3.4.2 Wettbewerbsneigung und Selbstüberschätzung

Während im vorherigen Kapitel über die Entscheidungsfindung von Frauen im Kontext zu Männern erläutert wurde, werden hier unter anderem Erklärungen zu den Präferenzen der Frauen für gleichgeschlechtliche Konkurrenz geschildert. Neben der Risikoneigung der Geschlechter weist beispielsweise die Studie von Burow et al. (2017) Unterschiede in der Wettbewerbsneigung auf. Auch die Selbstüberschätzung, die in der Regel im Zusammenhang mit der Wettbewerbsneigung erhoben wird, dient dazu die Gründe für die Lohnlücke zwischen Mann und Frau zu klären (Burow et al., 2017).

Bereits in früheren Jahren wurde die Frage „Haben Frauen Vorurteile gegenüber Frauen?“

aufgeworfen und erforscht (Goldberg, 1968). Die Ergebnisse von Goldberg (1968) zeigten, dass College-Frauen von männlichen Autoren verfasste Artikel positiver bewerteten als die identischen Artikel, die Frauen zugeschrieben wurden. Hingegen wurde Goldbergs Arbeit (1968) von zwei unabhängige Studien wiederholt und erweitert, um unter anderem zu

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25 erforschen, ob die Frau heute genauso antifeministisch wäre wie in den 1960er Jahren (Levenson et al., 2010). Diese Studie konnte keine signifikanten Unterschiede beobachten und stellte ebenso fest, dass Frauen Aufsätze von weiblichen Verfassern besser bewerteten als dieselben Aufsätze verfasst von Männern. Auch Gneezy et al. (2003) prüften die unterschiedlichen Reaktionen von Frauen und Männer auf Wettbewerbsanreize. Die Studie stellte ein geschlechtsspezifisches Gefälle im Wettbewerb mit Frauen fest, die ihre persönliche Produktivität nur dann erhöhten, wenn ihre Gegner ebenfalls Frauen waren. Männer hingegen steigerten ihre Leistung durch den Einsatz von Wettbewerbsanreizen in gemischtgeschlechtlichen Gruppen (Gneezy et al., 2003). Niederle et al. (2012) beobachteten ebenfalls Geschlechterkluft-Effekte bei der Selektion von gemischtgeschlechtlichen Wettbewerben. Frauen haben zum Teil eine größere Bereitschaft gegen andere Frauen anzutreten (Niederle et al., 2012). Die Möglichkeit, das Geschlecht des Gegners etwa bei Turnieren zu wählen, bewirkt eine deutliche Zunahme der Wettbewerbsbereitschaft bei den Frauen, dennoch schließt dies die geschlechtsspezifische Diskrepanz bei der Wettbewerbsfähigkeit nicht aus (Gupta et al., 2013). Booth und Nolen‘s (2012) Untersuchung zeigt, dass Mädchen in einem gleichgeschlechtlichen Umfeld mit gleicher Wahrscheinlichkeit wie Jungen konkurrieren. Die Ergebnisse der Studie stimmen mit der Theorie überein, welche darauf hinweist, dass in den Wettbewerben, in denen Jungen anwesend sind, für Mädchen ein größerer Druck besteht ihre Geschlechtsidentität zu bewahren, als für Jungen, wenn Mädchen anwesend sind (Maccoby, 1990; Booth & Nolen, 2012). Niederle et al. (2012) erwähnten eine geschlechtsspezifische Diskrepanz an entsprechende Fähigkeiten, die nur in gemischten Gruppen vorhanden und in Ein-Geschlechter-Gruppen nicht präsent ist. Zudem fanden Burow et al. (2017) Beweise für die außergewöhnlich erhöhte Wettbewerbsbereitschaft von Frauen in gleichgeschlechtlichen Umfeldern, während sich bei Männern keine geschlechtsspezifischen Paarungseffekte feststellen ließen. Frauen - unter anderem auch jene, welche sich selbst als nicht risikofreudig einschätzen - halten sich eher von gemischtgeschlechtlicher Konkurrenz fern, konkurrieren aber zu sehr im gleichgeschlechtlichen Wettbewerb (Burow et al., 2017).

(31)

26 Das Geschlecht kann beispielsweise als ein Signal für die Fähigkeit angesehen werden, wenn von dem Standpunkt ausgegangen wird, dass eine gleichgeschlechtliche Gruppe als eine homogenere Gruppe mit vergleichbaren Fähigkeiten wie die eigene angesehen wird (Booth &

Nolen, 2012; Gneezy et al., 2003). Schließlich folgt aus der Studie von Burow et al. (2017), dass die Kluft zwischen einer gleich- und gemischtgeschlechtlichen Wettbewerbsbereitschaft nur bei den wettbewerbswilligen Frauen vorhanden sei, die ihre persönlichen Leistungen nicht richtig einschätzen oder sogar unterschätzen. Newton & Simutin (2015) ergänzen die Literatur über geschlechtsspezifische Paarungseffekte indem sie zeigen, dass das Gender-Paar auch in einem Lohnbildungskontext von Bedeutung ist. CEOs bezahlen Führungskräfte des anderen Geschlechts weniger als jenen ihres eigenen Geschlechts, wobei auch der Unterschied in der Entlohnung von männlichen und weiblichen Unternehmensleitern mit dem Alter des CEOs zunimmt (Newton & Simutin, 2015). Ergänzend zeigten Dittrich et al. (2014), dass das Geschlecht und die Geschlechterpaarung in Verhandlungsprozessen ebenfalls eine wichtige Rolle spielen. Frauen verhandeln demnach in einem gleichgeschlechtlichen Umfeld niedrigere Löhne als Männer (Dittrich et al., 2014). Ebenso wird diese Aussage unterstützt von Sutter et al. (2009), die eine geringere Effizienz feststellten, wenn in Verhandlungen beidseitig Frauen involviert sind. Obwohl das Geschlecht an sich keinen signifikanten Einfluss auf die wirtschaftliche Entscheidungsfindung in Verhandlungen hat, kann die Geschlechterpaarung das Verhalten systematisch beeinflussen (Sutter et al., 2009). Ferner fanden Newton und Simutin (2015) Belege dafür, dass die Unterschiede in der Entlohnung von den Geschlechtern nicht auf individuelle Merkmale wie Risikoaversion, Verhandlungsfähigkeit, Selbstauswahl oder Produktivität zurückzuführen sind.

Eine frühere Studie stellt fest, weibliche Paare spielen in einem Gefangenendilemma9 seltener kooperativ als männliche Paare (Rapoport & Chammah, 1965). Dies bestätigten Ben-Ner et

9 Das Gefangenendilemma ist laut Thelen (2003) ein mathematisches Spiel aus der Spieltheorie, welches die Situation zweier Gefangenen modelliert, die beschuldigt werden, gemeinsam ein Verbrechen begangen zu haben.

In dieser Situation haben die beiden Gefangenen keine Möglichkeit, sich über ihr Vorgehen abzustimmen und daher ist ihre Entscheidung von großer Bedeutung (Thelen, 2003).

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27 al. (2004), indem sie zeigen, dass weibliche Teilnehmer in einem Diktatorspiel-Experiment einen bestimmten Geldbetrag weniger mit anderen Frauen als mit anderen Männern teilen möchten. Paarungseffekte können in verschiedenen Gebieten erforscht werden. Beim Verkauf des Unternehmens bewerten Frauen den Verkaufswert höher, wenn sie mit einem weiblichen Käufer konfrontiert werden (Di Cagno et al., 2016). Ebenfalls beobachteten Eckel & Grossman (2001) gleichgeschlechtliche Paarungseffekte in Ultimatumspielen. Während Frauen allgemein höhere Großzügigkeit gegenüber Männern zeigen, weisen sie das Gegenteil gegenüber dem gleichen Geschlecht auf (Eckel & Grossman, 2001). Das Selbstvertrauen einer Person ist ein wichtiger Faktor für die Auswahl in Konkurrenzsituationen (Burow et al., 2017). Beispielsweise ging aus der Arbeit von Niederle und Vesterlund (2007) hervor, dass Frauen vom Wettbewerb zurückschrecken, während Männer ihn annehmen. Daher sind Frauen im Durchschnitt weniger selbstbewusst als Männer (Niederle & Vesterlund, 2007). Die Annahme daraus ist, je weniger selbstbewusst eine Person ist, desto weniger wettbewerbsfähig ist sie (Burow et al., 2017). Ebenso wird dies von Brandts et al. (2014) unterstützt, die über die negative Teilnahmeentscheidung am Wettbewerb sprachen, wenn mangelndes Selbstvertrauen Auswirkung auf die eigenen relativen Fähigkeiten hat.

Selbstvertrauen ist laut Kamas und Preston (2012) einer der wichtigsten Determinanten für die Entscheidung an Wettbewerben teilzunehmen. Demnach herrscht die Implikation, dass Informationen über das Geschlecht subjektive Überzeugungen über die Gewinnwahrscheinlichkeit anregen, die wiederum auf Stereotypen zurückzuführen sind (Kamas & Preston, 2012). Bordalo et al. (2016) argumentierten über die Auswirkungen der Stereotypen, dass Frauen ihre Gewinnwahrscheinlichkeiten in Gegenwart von Männern unterschätzen. Folglich würden Frauen, die Gewinnwahrscheinlichkeiten richtig einschätzen, wenn sie in einer gleichgeschlechtlichen Umgebung wären (Bordalo et al., 2016). Nach Kamas und Preston (2012) war die geschlechtsspezifische Ungleichheit besonders ausgeprägt, wenn sie als Selbsteinstufung gemessen wird, die ein Ausdruck der Selbsteinschätzung der eigenen relativen Fähigkeiten ist. Die Experimente von Azmat und Petrongolo (2014) liefern ebenfalls neue Erkenntnisse über geschlechtsspezifische Unterschiede in den Präferenzen. Im

(33)

28 Vergleich zu den Männern profitieren Frauen weniger von Verhandlungen, haben geringere Präferenzen für Wettbewerb und Risiko und reagieren möglicherweise sensibler auf soziale Signale. Diese geschlechtsspezifischen Unterschiede in den Präferenzen haben auch Auswirkungen auf das Gruppenumfeld, wobei die geschlechtsspezifische Zusammensetzung einer Gruppe sich auf Teamentscheidungen und Leistung auswirkt (Azmat & Petrongolo, 2014). Burow et al. (2017) beschreiben in ihrer Studie, dass Frauen im Durchschnitt weniger risikoscheu sind als Männer. Wie bereits erwähnt, wird das Risikoverhalten mit der Wettbewerbsbereitschaft einer Person in Verbindung gesetzt und demnach wird von einer Frau eine geringere Wettbewerbsbereitschaft erwartet (Burow et al., 2017). Risikopräferenzen spielen nur eine begrenzte Rolle bei der Erklärung des allgemeinen geschlechtsspezifischen Unterschieds in der Wettbewerbsbereitschaft (Niederle & Vesterlund, 2011). Anhand eines Experiments untersuchen Booth und Nolen (2012) die Erklärung der Tatsache, dass Frauen vor der Konkurrenz zurückschrecken. Dabei fanden sie heraus, dass sich der Geschlechtermix auf die Risikopräferenzen von Mädchen auswirkte. Demzufolge erwiesen sich Mädchen in einer Gruppe mit anderen weiblichen Kindern als deutlich weniger risikoscheu und nahmen häufiger an einer Lotterie teil (Booth & Nolen, 2012). Laut Burow et al. (2017) könnte dies wiederum darauf hindeuten, dass es bei Entscheidungen auf subjektive Wahrscheinlichkeiten ankommt.

3.4.3 Orientierung an einem Referenzwert – „Anchoring“

Wie bereits beschrieben, sahen Beblo et al. (2017) unter anderem als Ursache für den unerklärlichen Rest der geschlechtsspezifischen Lohnlücke die Orientierung an einem Referenzwert, welche nach dem Englischen „Anchoring“ (=Ankerwert) genannt wird.

Laut Duden (2020a) kommt das Wort „Anker“ ursprünglich aus dem Griechischen und bedeutet eigentlich etwas Gebogenes bzw. Gekrümmtes. Grundsätzlich beschreibt Anker einen schweren eisernen Gegenstand, der an einer Kette oder einem Tau befestigt ist und dann von einem Schiff auf den Grund des Gewässers hinabgelassen wird, um sich dort im

(34)

29 Boden festzuhaken. Daher kann dieses Wort auch als die Verbindung oder Verknüpfung von zwei nicht zusammengehörigen Teilen verstanden werden (Duden, 2020a).

Ursprung für die Überlegungen zur Ankertheorie ist die urteilende Heuristik. Der Begriff Heuristik hat seine Wurzeln im Altgriechischen und das Verb "heuriskein" bedeutet so viel wie

„zum Finden geeignet“ und wird heutzutage hauptsächlich im Sinne von „leitet Entdeckung“

oder „Verbesserung der Fähigkeit zur Problemlösung“ verwendet (Groner et al., 1983;

Zimmermann, 1992). Laut Tversky und Kahneman (1974) sind heuristische Ansätze ein intuitives und automatisches System, welches komplexe Themen zu Bewertungen und Vorhersagen auf einfache wertende Tätigkeiten zu reduzieren versucht. Entscheidungen werden durch den dynamischen Prozess der Angleichung von internen Faktoren (beispielsweise menschliche Charaktereigenschaften) und externen Faktoren (zum Beispiel Umwelteinflüsse) getroffen (Simon, 1955). Der Studie von Tversky und Kahneman (1974) zufolge, neigen Menschen aufgrund der Verankerungen dazu, die Wahrscheinlichkeiten zusammenhängender Ereignisse zu überschätzen. Andersrum tendieren Personen dazu, die Wahrscheinlichkeit in komplexen Systemen zu unterschätzen. Schlussfolgernd werden Entscheidungen von Personen systematisch beeinflusst und möglicherweise verändert. Durch diese Beeinflussung werden Menschen dazu veranlasst, eine Entscheidung zu treffen, die in Richtung des anfänglich genannten Wertes verzerrt sind (Tversky & Kahneman, 1974).

Galinsky und Mussweiler (2001) stellen fest, dass Menschen häufig versuchen, ihre potenziellen Gewinne bei Verhandlungen zu maximieren. Eines der auffälligsten Merkmale von Verhandlungen ist, dass Verhandlungen mit einem hohen Maß an Unsicherheit einhergehen und die Verhandlungsführer nur über begrenzte Kenntnisse über den Reservierungspunkt (den Punkt, an dem es dem Verhandlungsführer gleichgültig ist, ob er eine Einigung erzielt und die Verhandlung unterbricht) und Zielpunkt (das ideale oder am meisten bevorzugte Ergebnis des Verhandlungsführers) ihres Gegners verfügen (Galinsky &

Mussweiler, 2001).

Referenzen

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