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FORUM-7-8-2012

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Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns

NiederlassuNg im grüNeN

Wie sieht die medizinische Versorgung in Bayern außerhalb der städte aus?

KVB FOrum 07 08 |12

dmP: Fußinspektion bei diabetes-Patienten zeigt erfolg

PsYCHOTHeraPie: mitgliederfortbildung zum Thema „Palliative Care“

PaTieNTeNOrieNTieruNg: diagnose Parkinson

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Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

um mögliche Missverständnisse gleich aus dem Weg zu räumen: Die sympathische Dame auf dem Titelbild dieser Ausgabe von KVB FORUM sowie die Schlagzeile „Niederlassung im Grünen“ sollen keineswegs symbolisieren, dass es bestens steht um die ambulante ärztliche und psychotherapeutische Versorgung in den ländlichen Regionen Bayerns. Denn das ist leider nicht der Fall. Die Arbeitsbelastung durch Praxistätigkeit und Bereitschaftsdienste, zunehmende Bürokratie und mangelnde wirtschaftliche Planungssicherheit haben dazu ge- führt, dass es immer schwerer wird, junge Kolleginnen und Kollegen für eine Niederlassung in eigener Praxis insbesondere auf dem Land zu gewinnen. Das Durchschnittsalter der nie- dergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten steigt zusehends an. Wenn der Nachwuchs ausbleibt, sind größere Versorgungslücken wohl unvermeidbar.

Deshalb ist es fünf vor zwölf, wenn man die ambulante Patientenversorgung auch auf dem Land weiterhin erhalten möchte. Wie diese Ausgabe von KVB FORUM zeigt, gibt es durch- aus Chancen, mit gemeinschaftlichen Anstrengungen vieler Beteiligter den negativen Trend aufzuhalten. Dabei darf an dieser Stelle eines nicht unerwähnt bleiben: Letztlich werden un- sere jungen Kolleginnen und Kollegen nur dann eine Praxis übernehmen oder neu aufbauen, wenn auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stimmen.

Hier sehen wir eindeutig die Krankenkassen in der Pflicht, sich stärker als bisher zu enga- gieren. Statt immer wieder auf eine angebliche Überversorgung laut – längst veralteter – Bedarfsplanungsrichtlinien zu verweisen, wären die Kassen besser beraten, die bestehen- den Nachwuchsprobleme endlich anzuerkennen und sich ebenfalls an der Lösung des Pro- blems aktiv zu beteiligen.

Ihr KVB-Vorstand

Dr. Krombholz

Vorsitzender des Vorstands Dr. Schmelz

1. Stellv. Vorsitzender des Vorstands Dr. Enger

2. Stellv. Vorsitzende des Vorstands

(3)

Wichtiges für die Praxis

zaHl des mONaTs ziTaT des mONaTs

VerTreTerVersammluNgeN 2012

KamPagNe PrO HausarzT

Die Vertreterversammlungen der KVB finden im Jahr 2012 noch an folgenden Terminen statt:

„ Mittwoch, 25. Juli 2012

„ Samstag, 24. November 2012

„Hausarzt zu sein, ist ein schöner Beruf mit Zukunft!“ – unter diesem Motto startet die KVB gemeinsam mit dem Bayerischen Hausärztever- band (BHÄV) an der Universität Erlangen-Nürnberg eine Kampagne, die Medizinstudenten für das Fach All-

gemeinmedizin und die beruflichen Perspektiven des Hausarztes be- geistern soll. In der Vorlesung „All- gemeinmedizin“ werden Lehrbe- auftragte den Studierenden neben Fachwissen künftig auch Informa- tionen zum praktischen Tätigkeits- feld des Hausarztes, zu Aus- und Weiterbildung sowie zu Forschungs- möglichkeiten vermitteln. Einen weiteren Schritt in Richtung Haus-

arztpraxis bietet das neue Mentorenprogramm: Ab dem fünften Semes- ter werden Medizinstudenten auf Wunsch von einem Hausarzt als Men- tor betreut, der ihnen als kompetenter Ansprechpartner rund um das Thema Hausarztpraxis zur Seite steht. Dabei sollen die Studierenden auch Einblicke in den Praxisalltag ihres Mentors erhalten. KVB und BHÄV hoffen so, dem medizinischen Nachwuchs die positiven Seiten des Hausarztdaseins vermitteln zu können, damit die wohnortnahe Ver- sorgung der bayerischen Bevölkerung auch künftig flächendeckend ge- sichert werden kann.

Redaktion

„Nur gemeinsam wird unser Engage- ment für eine bessere ambulante Versorgung der Patienten und eine angemessenere ärztliche Vergütung Erfolg haben.“

Regina Feldmann nach ihrer Wahl zum stellvertretenden Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (Quelle: Pressemitteilung der KBV vom 21. Mai 2012)

5

Millionen Menschen im Ge- sundheitswesen erwirtschaf- ten bereits seit Jahren um die zehn Prozent des Bruttoinlands- produkts. Das bedeutet, jeder sieb- te Beschäftigte arbeitet in dieser Branche.

(Quelle: Ärzte Zeitung vom 13. Juni 2012 anlässlich des Haupt-

stadtkongresses 2012 in Berlin)

Fragen zur Fortbildung (Teil 6)

Was passiert, wenn sie im maßgeblichen zeitraum mehr als 250 Fortbildungspunkte erreicht haben?

Für Ärzte, Psychologische Psychotherapeuten so- wie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, die zugelassen, ermächtigt oder bei einem Vertrags- arzt/-psychotherapeuten beziehungsweise in einem Medizinischen Versorgungszentrum angestellt sind, besteht die gesetzliche Verpflichtung, sich inner- halb fortlaufender Fünfjahreszeiträume in dem Um- fang fortzubilden, wie es zur Erhaltung und Fortent- wicklung der zur Berufsausübung in der vertrags- ärztlichen Versorgung erforderlichen Fachkennt- nisse notwendig ist.

Der angemessene Umfang der Fortbildung wurde von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung im Einvernehmen mit der Bundesärztekammer auf der- zeit mindestens 250 Fortbildungspunkte innerhalb jedes Fünfjahreszeitraums festgesetzt. Die Fort- bildungspflicht ist erfüllt, wenn innerhalb des Fort- bildungszeitraums gegenüber der KVB das Errei- chen von mindestens 250 Fortbildungspunkten nachgewiesen wird. Fortbildungspunkte, die darü- ber hinaus bis zum Ablauf des maßgeblichen Fort- bildungszeitraums erreicht wurden, können nicht für den nachfolgenden Fünfjahreszeitraum berück- sichtigt werden. Durch ein vorzeitiges Erbringen des Fortbildungsnachweises wird der individuelle Fortbildungszeitraum auch nicht verkürzt.

Claudia Liebling (KVB)

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18 Die Online-Börsen der KVB Sinnvolle Hilfen bei der Suche nach einer Vertretung, einem Kooperationspartner oder einem Weiterbildungsassistenten

KVB regiONal

19 OP-Zentrum eröffnet In Kempten im Allgäu wagen 18 Vertragsärzte ein beeindrucken- des Unternehmen

reCHT iNTeressaNT 20 Qualität in der Medizin

Auf welchen gesetzlichen Grundlagen basieren die aktuel- len Qualitätssicherungsmaß- nahmen der KVB?

12 Flexibilität ist Trumpf Mit Durchhaltevermögen und vereinten Kräften ist es gelun- gen, eine Landarztpraxis im Landkreis Ansbach zu erhalten 14 Kirchdorf am Inn – eine Ge- meinde auf der Suche nach einem Hausarzt

Kontakte der KVB-Praxisberater gaben für die erfolgreiche Pra- xisnachfolge den Ausschlag

15 Das Kulmbacher Modell Der Augenarzt Dr. Gernot Pet- zold hat mit über dreißig Kolle- gen und dem örtlichen Klinikum ein MVZ gegründet

16 Glückliches Ärzteleben auf dem Land?

Eine Hausärztin, ein Facharzt und ein Psychologischer Psy- chotherapeut berichten von ihren Erfahrungen

TiTelTHema

6 Die ärztliche Versorgungs- lage auf dem Land

Nachwuchssorgen und anhal- tender Strukturwandel prägen das Bild

8 Altersdurchschnitt steigt:

Statistiken und Analysen Der Anteil der über 60-jährigen Mediziner in Bayern nimmt kon- tinuierlich zu

10 Die vertragsärztliche Be- darfsplanung

Wie können regionale Besonder- heiten zukünftig besser berück- sichtigt werden?

11 Landärzte gesucht

Landrat Dr. Jakob Kreidl hat kon- krete Vorstellungen, wie man Ärzte aufs Land bringen könnte

Welchen Weg schlägt die Be- darfsplanung in Zukunft ein?

Die KVB bietet auch online Un- terstützung bei der Suche nach einem Praxis- nachfolger Eine Niederlas-

sung auf dem Land birgt Chan- cen und Risiken

18

10 16

(5)

31 leserBrieFe

KurzmelduNgeN

32 Ärztebefragung „Beruf und Berufung“

32 100. Arzt-/Patientenseminar in Würzburg

32 Servicekompass für Kinder- und Jugendärzte

33 Allgäu erhält Qualitätssiegel

33 imPressum

34 KVB serViCeNummerN ÄrzTe-eNgagemeNT

26 Ein Leben zwischen Bayern und Afrika

Der Chirurg Professor Matthias Richter-Turtur will dazu beitra- gen, die medizinische Versor- gung strukturell zu verbessern

PaTieNTeNOrieNTieruNg 28 Leben mit Parkinson

Selbsthilfegruppen unterstützen Patienten, um ihnen möglichst lange ihre Unabhängigkeit zu be- wahren

PraxisFüHruNg

30 Befragung zu Praxiskosten Eine fachübergreifende, reprä- sentative Kostenstrukturerhe- bung liefert Daten zur wirtschaft- lichen Situation der Praxen QualiTÄT

22 Online-Prüfung zum neuen Ultraschallscreening im zwei- ten Trimenon

Wichtiges zum Befähigungs- nachweis und zur Fachwissens- prüfung

PsYCHOTHeraPie

23 Fortbildung „Palliative Care für Psychotherapeuten“

Die Beratung und Betreuung von Palliativpatienten und deren An- gehörigen ist eine besondere Herausforderung

dmP

24 Fußinspektion bei Diabetes- patienten zeigt Erfolg

Ergebnisse der Untersuchungen und Diagnosen im Rahmen der DMP zeugen vom hohen Engage- ment der Ärzte im Freistaat

Auch auf Haiti arbeitete der Münchner Chirurg Mattias Richter- Turtur schon

22

Eine Broschüre gibt Tipps für Kin- der- und Jugend- ärzte beim Aus- bau ihres Service in der Praxis

32 26

Welche Voraus- setzungen gelten für das neue Ultraschall- screening?

(6)

I

n Bayern gibt es 79 Planungs- bereiche, die in der Regel den Stadt- und Landkreisen entspre- chen. Nur bei kreisfreien Städten unter 100.000 Einwohnern wurden die Stadt und der zugehörige Land- kreis zu einer „Kreisregion“ zusam- mengelegt. Das ist in Bayern in 17 Städten der Fall. 14 Arztgruppen unterliegen derzeit der Bedarfs- planung. 14 mal 79 ergibt 1.106 Planungsentscheidungen. So oft muss der Landesausschuss eine Entscheidung über den Versor- gungsgrad treffen, und in 1.019 Fällen musste er bisher Zulassungs- beschränkungen wegen Überver- sorgung anordnen. Für die Arzt- gruppen der fachärztlich tätigen Internisten, der Radiologen und der Urologen gilt dies sogar aus- nahmslos für alle Planungsberei- che, für Orthopäden und Psycho- therapeuten gibt es nur eine einzi- ge Ausnahme. Die durchschnittli- chen Versorgungsgrade reichen von 109 Prozent bei den Hausärzten bis zu 256 Prozent bei den fach- ärztlich tätigen Internisten. Ab 110 Prozent des Sollwerts besteht eine Überversorgung. Die maximalen Versorgungsgrade bei den Arzt- gruppen erreichen bei den Anäs- thesisten knapp 400 Prozent, bei den fachärztlich tätigen Internis- ten und den Psychotherapeuten sogar deutlich über 500 Prozent.

Klare Sieger aber sind die Radiolo- gen im Landkreis Regensburg mit

sieben Ärzten oder 596 Prozent.

Den geringsten Wert weisen die Augenärzte im Landkreis Fürth mit 63,4 Prozent auf, erst unter 50 Pro- zent ist eine Unterversorgung zu vermuten. Bei den Hausärzten be- steht der geringste Versorgungs- grad mit 87,4 Prozent im Landkreis Schweinfurt (unter 75 Prozent ist eine Unterversorgung zu vermuten).

überversorgung

Wenn Bayern also ein Problem hat, dann mit seiner gigantischen Über- versorgung – könnte man wohl meinen. Das jedenfalls lassen die- se Zahlen vermuten. In Bayern müssten demnach wohl eigentlich sehr viele Vertragsarztsitze „abge- baut“ werden. Wer mutmaßt da nicht, dass die Kassenärztliche Vereinigung schuld ist an dieser Lage und unterstellt, dass sie – wahrscheinlich unter Umgehung des Rechts – bedenkenlos Zulas- sungen in den Städten ausgespro- chen hat? Tatsächlich gibt es in Bayern derzeit 248 Ärzte, die auf- grund einer Sonderbedarfsfest- stellung und 55 Ärzte, die auf- grund eines Belegarztvertrags in einem eigentlich überversorgten Gebiet zugelassen wurden (Quelle:

Arztregister der KVB, Stand 1. Ja- nuar 2012). Diese Entscheidungen wurden selbstverständlich nicht von der KVB, sondern von den Zu- lassungsausschüssen getroffen,

Auf den ersten Blick ist die vertragsärztliche Versorgung in Bayern gut. Im Frei- staat wurde bei zirka 92 Prozent aller Planungsentscheidungen für die vertrags- ärztliche Versorgung eine Überversorgung festgestellt (Stand: Feststellungen des Landesausschusses der Ärzte und Krankenkassen in Bayern vom 12. Dezember 2011). Eine Unterversorgung gibt es bisher nicht – oder doch?

die ÄrzTliCHe VersOrguNgs- lage auF dem laNd

einem Gremium der gemeinsamen Selbstverwaltung, das aus Arzt- und Kassenvertretern besteht.

Aufgrund der Verfahrensregeln musste jedes Mal eine Mehrheit der Ausschüsse für die Zulassung stimmen.

Umgekehrt bedeutet dies, dass al- le anderen 23.574 Ärzte in nicht beplanten Arztgruppen oder zu Zeiten ins System kamen, als im jeweiligen Planungsbereich noch keine Zulassungsbeschränkungen bestanden haben. Denn erst, wenn der Landesausschuss erstmals ei- nen Versorgungsgrad ab 110 Pro- zent erkennt, kann er eine Über- versorgung feststellen – und der Landesausschuss tagt regelhaft im Abstand von sechs Monaten.

Wird dagegen ein vormals ge- sperrter Planungsbereich wieder entsperrt, dann – und nur dann – entscheidet der Landesauschuss, wie viele Zulassungen ausgespro- chen werden dürfen bis wieder ei- ne Überversorgung eintritt. Man spricht dabei von „partieller Ent- sperrung“. Nur dann dürfen die für die Zulassungsentscheidungen zu- ständigen Zulassungsausschüsse selbst saldieren. Damit ist zunächst festzustellen, dass sowohl die Kassenärztlichen Vereinigungen als auch die Zulassungsausschüs- se auf dem Boden der bestehen- den Rechtslage gehandelt haben.

Wird es in zu- kunft gelingen,

die ländliche Niederlassung für den ärztli-

chen Nach- wuchs attrakti- ver zu machen?

Oder wird der Trend zur städti-

schen Praxis auch in den nächsten Jahren weiter anhalten?

(7)

Versteckte Versorgungslücken Was bedeutet diese Zahlenlage für Bayern tatsächlich? Die Versorgung ist derzeit relativ gut, aber sie ist weit davon entfernt, für jeden Be- wohner Bayerns optimal zu sein.

Das liegt innerhalb derjenigen Arzt- gruppen, die der Bedarfsplanung unterliegen, an der mangelnden räumlichen Verteilung innerhalb der einzelnen Planungsbereiche (Stadt- und Landkreise). Eine Steue- rungsmöglichkeit innerhalb der Planungsbereiche besteht so gut wie nicht. Der Zulassungsaus- schuss darf einem Zulassungsbe- werber keinen konkreten Nieder- lassungsort vorschreiben. Von den guten Zahlen werden also Versor- gungsdisparitäten, sprich eine un- gleiche Verteilung der Ärzte und Psychotherapeuten im Raum, ka- schiert. Je kleinräumiger die Ver- sorgungsbeziehungen zu den ein- zelnen Arztgruppen sind, desto mehr dürfte dieser Effekt spürbar sein. Bei Arztgruppen, die bisher nicht der Bedarfsplanung unterlie- gen – wie etwa bei den Kinder- und Jugendpsychiatern – wird kein Ver- sorgungsgrad festgestellt. Eine räumliche Versorgungssteuerung ist dort überhaupt nicht möglich, sodass sich knapp die Hälfte aller Praxen auf die Städte München, Würzburg, Regensburg, Augsburg, Landshut und Nürnberg verteilen, während die Mittelgebirgsregionen Ostbayerns und Oberfrankens nicht ortsnah versorgt werden können.

Handlungsoptionen der Kassen- ärztlichen Vereinigung sind an die Bedarfsplanung gebunden, fallen für diese Arztgruppen also weitge- hend aus. Was bleibt ist die Bera- tung bei der Niederlassung.

Nachwuchssorgen der Vertragsärzte

Zum anderen liegt es an der Alters- struktur der Ärzte: 23 Prozent aller Hausärzte, das heißt 2.096 von

9.112, waren im Jahr 2010 über 60 Jahre alt (Quelle: Versorgungsatlas KVB). Geht man davon aus, dass allein in Bayern und nur aus die- sem Erhebungsjahr knapp 3.000 Hausärzte bis 2020 ersetzt werden müssen, richtet sich der Blick auf den Nachwuchs: Im gleichen Jahr haben in ganz Deutschland zusam- mengenommen nur 1.085 Allge- meinärzte beziehungsweise Fach- ärzte für Innere und Allgemeinme- dizin ihre Facharztprüfung abgelegt.

Lässt man die beiden Rekordjahre 1995 und 2005 unberücksichtigt, so bewegen sich diese Zahlen seit 1993 zwischen 1.200 und 2.200 (Quelle: Bundesärztekammer, Ärz- testatistik 2010). Daraus ergibt sich, dass der Nachwuchs den Ersatz- bedarf bei den Hausärzten nicht allein zu decken vermag.

strukturwandel

Zugleich findet ein Strukturwandel auf der Anbieterseite statt. Allein in der hausärztlichen Versorgung hat die Zahl der freiberuflich tätigen Vertragsärzte seit Inkrafttreten des Vertragsarztrechtsänderungsge- setzes von 9.526 auf 9.265 abge- nommen, davon 183 in hälftiger Zu- lassung (Stand 31. Dezember 2006 im Vergleich zum 31. Dezember 2011). Im gleichen Zeitraum hat die Anzahl der Angestellten von 237 auf 699 zugenommen, 352 davon in Teilzeit. Betrachtet man die Ver- tragsärzte der haus- und fachärzt- lichen Versorgung sowie die Psy- chotherapeuten insgesamt, so gilt Entsprechendes: Auch hier haben die Freiberufler von 21.134 auf 20.917 leicht abgenommen, dabei hat aber die Zahl der nicht in Voll- zeit tätigen Ärzte und Psychothera- peuten von 23 auf 1.010 deutlich zugenommen. Auch die Angestell- ten haben für alle Versorgungsebe- nen von 690 (davon 337 in Teilzeit) im Jahr 2006 auf 2.418 (davon 1.337 in Teilzeit) im Jahr 2011 zugenom- men (Quelle jeweils: Arztregister-

daten der KVB). Vor diesem Hin- tergrund wird verständlich, dass derzeit nicht alle Hausarztpraxen einen Nachfolger finden. Und ob dieser Trend zur Ausübung der ärzt- lichen Tätigkeit in (Teilzeit-)Ange- stelltenverhältnissen geeignet ist, die Versorgung in ländlichen Ge- bieten zu verbessern, bleibt abzu- warten. Hierzu bedürfte es eines grundlegenden Wandels im Ver- ständnis der Arzt-Patientenbezie- hungen sowie einer größeren un- ternehmerischen Bereitschaft, um die Nachfrage nach Angestellten- verhältnissen zu befriedigen. Ent- scheidend aber wird letztlich sein, ob es gelingt, den Arztberuf auch jenseits der Stadtmauern als at- traktiv zu erhalten und den derzei- tigen Trend zur Präferenz einer Niederlassung in den Städten um- zukehren. Maßnahmen der Kas- senärztlichen Vereinigungen wer- den dabei nur dann Aussicht auf Erfolg haben, wenn staatliche Ent- wicklungsprogramme und ver- tragsärztliche Bedarfsplanung ein- ander nicht widersprechen.

Klaus Joos (KVB)

(8)

W

ie für Deutschland insge- samt gilt auch für Bay- ern: Die Bevölkerung wird immer älter (Abbildung 1). Und je älter die Menschen werden, desto mehr ambulante vertragsärztliche Leistungen nehmen sie tendenziell in Anspruch. Dabei macht der de- mografische Wandel auch vor den Vertragsärzten und Psychothera- peuten selbst nicht Halt. Deren Durchschnittsalter steigt kontinu- ierlich an, ebenso der Anteil der über 60-Jährigen, also derjenigen, die in absehbarer Zeit ihre Praxis abgeben und in den Ruhestand

gehen wollen (Abbildung 2). Einer potenziell wachsenden Arbeitslast stehen damit zukünftig voraussicht- lich weniger Vertragsärzte gegen- über.

engpässe bei den Hausärzten Besonders augenfällig ist diese Ent- wicklung im hausärztlichen Bereich (siehe auch Seite 6/7). Eine Analy- se der KVB zeigt, dass – wenn von einem Tag auf den anderen alle Hausärzte über 60 Jahre aus der Ver- sorgung ausscheiden würden – be- reits 17 der derzeit 79 Planungsbe-

Bayern steht vor enormen Herausforderungen, um die flächendeckende ambu- lante vertragsärztliche Versorgung im Freistaat auch in Zukunft zu sichern. An- hand ausgewählter Statistiken und Analysen sollen einige der aktuellen und zukünftigen Probleme beispielhaft verdeutlicht werden.

alTersdurCHsCHNiTT sTeigT:

sTaTisTiKeN uNd aNalYseN

reiche in Bayern als unterversorgt eingestuft würden (Abbildung 3).

Gleichzeitig fehlt es an hausärztli- chem Nachwuchs. Trotz umfangrei- cher Fördermaßnahmen, beispiels- weise für die Weiterbildung von Allgemeinmedizinern, streben nur wenige Nachwuchsmediziner den Facharzt für Allgemeinmedizin an.

In Bayern gab es von 2008 bis 2011 im Durchschnitt pro Jahr lediglich zirka 200 Facharztanerkennungen in der Allgemeinmedizin beziehungs- weise der Inneren und Allgemein-

Szenario Hausärztliche Versorgung: Status der Planungsbereiche mit Hausärzten über 60 Jahre und ohne Hausärzte über 60 Jahre Altersaufbau der Bevölkerung in Bayern 2010 und

2030 nach Geschlecht

Abbildung 3 Quelle: HuV Analysen, Stand: 1. Januar 2011

Abbildung 1 Quelle: Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung 2011

0 0

38 62

41

Unterversorgung Regelversorgung Überversorgung

60 50 40 30 20 10

0

17

Status mit Hausärzten 60+ Status ohne Hausärzte 60+

Anzahl Planungsbereiche

männlich weiblich

120 100 80 60 40 20 0 0 20 40 60 80 100 120 95

99 oder älter

90 85 80 75 70 65 60 55 50 45 40 35 30 25 20 15 10 5

Altersjahre

Tausend Personen Tausend Personen

2010 2030

(9)

medizin (Quelle: Bayerische Landes- ärztekammer, für bundesweite Zah- len siehe Seite 6/7). Um die Zahl der Facharztanerkennungen zu er- höhen, wäre es daher dringend not- wendig, den Stellenwert der Allge- meinmedizin im Medizinstudium zu stärken sowie die Attraktivität des Hausarztberufes deutlich zu stei- gern.

Praxen ohne Nachfolger Schon jetzt können in Bayern zahl- reiche Hausarztpraxen, insbeson- dere in ländlichen Regionen, nicht nachbesetzt werden – Tendenz stei- gend. Blieben 2009 noch 52 Pra- xisnachbesetzungen erfolglos, wa- ren es 2010 bereits 74 Praxen, die mangels Nachfolger geschlossen wurden. Für das Jahr 2011 liegt die Zahl bei zirka 113 Hausarztpraxen (vorläufige Zahl, da der Zeitraum für ein Praxisabgabeverfahren sechs Monate beträgt). Das Berufsmoni- toring Medizinstudenten, eine bun- desweite Befragung, die die Uni- versität Trier 2010 in Kooperation mit der Kassenärztlichen Bundes-

vereinigung durchgeführt hat, zeigt, dass eine Niederlassung als Haus- arzt auf dem Land nur für 16 Pro- zent der befragten Studierenden überhaupt eine Option darstellt.

Problem Bereitschaftsdienst Neben der Angst vor Regressen oder geringeren Verdienstmöglich- keiten ist es unter anderem auch die hohe Arbeitsbelastung, und da- bei insbesondere die Verpflichtung zum Bereitschaftsdienst, die viele junge Ärzte vor einer Niederlassung auf dem Land abschreckt. Während der Bereitschaftsdienst in der Stadt in der Regel unter zahlreichen Kol- legen aufgeteilt wird, müssen Ärzte in ländlichen Gebieten meist deut- lich mehr Dienste leisten und da- bei oft längere Wege in Kauf neh- men. Im organisierten Bereitschafts- dienst in Bayern hat die KVB zirka 100 Brennpunkte identifiziert (Stand: Dezember 2011). Dies sind Bereitschaftsdienstgruppen mit weniger als acht Teilnehmern. Eini- ge dieser Dienstgruppen haben bereits Auflösungsanträge gestellt,

ziehen diesen Schritt in Erwägung oder haben wiederkehrende Prob- leme mit der Besetzung der Diens- te. Zusammen mit den Bereit- schaftsdienstgruppen und deren Obleuten sucht der Vorstand der KVB nach tragfähigen Lösungen, um die Dienstbelastung für die be- troffenen Ärzte zu reduzieren – zu- gleich ein Beitrag, um die vertrags- ärztliche Tätigkeit in diesen Gebie- ten auch für potenzielle Praxis- nachfolger attraktiver zu machen.

Neben der Entwicklung und Um- setzung alternativer Konzepte für den organisierten Bereitschafts- dienst engagiert sich die KVB auch in diversen anderen Berei- chen, um die ambulanten Versor- gungsstrukturen in Bayern zu för- dern und zu erhalten. Allerdings ist dies auch eine gesamtgesell- schaftliche Aufgabe, die nicht nur von der Ärzteschaft geschultert werden kann. Land und Kommu- nen müssen ebenfalls ihre Haus- aufgaben machen.

Adelheid Röben (KVB)

Altersverteilung der Vertragsärzte in Bayern: Hausärzte (HÄ), Fachärzte (FÄ) und Psychotherapeuten (PT)

Alter

31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 6 %

5 %

4 %

3 %

2 %

1 %

0 %

Anteil Ärzte

Durchschnittsalter HÄ: 53 Jahre Durchschnittsalter FÄ: 51,5 Jahre Durchschnittsalter PT: 54,2 Jahre

Abbildung 2 Quelle: HuV Analysen & VE, Stand: 1. Januar 2011

ab 60 Jahre: HÄ: 25,7 %, FÄ: 17,8 %, PT: 25,6 %

(10)

D

iese hat ihre Grundlage insbesondere in den Para- graphen 99 bis 104 des Fünften Sozialgesetzbuches (SGB V) sowie in den Paragraphen 12 bis 16b der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte. Konkretisiert werden diese gesetzlichen Vorga- ben durch die Bedarfsplanungs- Richtlinie des Gemeinsamen Bun- desausschusses (G-BA).

Die Richtlinie legt Arzt-Einwohner- Verhältniszahlen für den allgemei- nen bedarfsgerechten Versorgungs- grad in der vertragsärztlichen Ver- sorgung fest. Überschreitet die Zahl der tatsächlich vorhandenen Ärzte beziehungsweise Psychothe- rapeuten einer Arztgruppe diesen Zielwert um zehn Prozent, besteht eine Überversorgung. Dann muss der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen – eine Einrich- tung der gemeinsamen Selbstver-

waltung – Zulassungsbeschränkun- gen anordnen. Seit ihrer Einfüh- rung wurden die Verhältniszahlen nicht mehr geändert.

Räumliche Bezugsgröße ist dabei der Planungsbereich, der bisher einheitlich den Land- beziehungs- weise Stadtkreisen entsprechen musste. Doch deren Ausdehnung ist nicht für alle Arztgruppen sinn- voll. In der hausärztlichen Versor- gung etwa wird eine angemessene räumliche Angebotssteuerung da- durch eher behindert. Der Gesetz- geber hat daher mit dem am 1. Ja- nuar 2012 in Kraft getretenen GKV- Versorgungsstrukturgesetz (VStG) dem G-BA den Auftrag erteilt, die Planungsbereiche künftig „so fest- zulegen, dass eine flächendecken- de Versorgung sichergestellt wird“.

Dabei kann der G-BA die Größe auch nach Versorgungsebenen (zum Beispiel haus- und fachärztli- che Versorgung) oder nach Arzt- gruppen differenzieren. Die Ver- hältniszahlen sollen ebenfalls be- darfsbezogen angepasst werden.

Im Übrigen sind Ermächtigte künf- tig auch bei der Berechnung des Versorgungsgrads mitzuzählen, während Ärzte herauszurechnen sind, soweit sie an der „ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung“

nach Paragraph 116b SGB V teil-

Die Bedarfsplanung steht im Spannungsfeld zwischen dem Individualinteresse des Arztes an einem möglichst freien Zugang zur Berufsausübung und dem Gemeinwohlinteresse am Erhalt der Finanzierbarkeit der Gesetzlichen Kranken- versicherung (GKV). Mit steigendem Kostendruck ab Mitte der siebziger Jahre hat die Gesetzgebung dem Gemeinwohl eine immer höhere Bedeutung beige- messen und 1993 die Bedarfsplanung in ihrer heutigen Form eingeführt.

die VerTragsÄrzTliCHe BedarFsPlaNuNg

nehmen. Besteht danach eine Un- terversorgung, so sind neben er- weiterten Teilnahmemöglichkeiten auch Verbesserungen der Vergü- tung und der Finanzierung von Si- cherstellungsmaßnahmen vorge- sehen.

Der G-BA muss seine Richtlinie bis zum 1. Januar 2013 an das neue Gesetz anpassen. Ob dies fristge- recht gelingt, ist freilich offen: Zu- sätzlich zu den Positionen der stimmberechtigten „Bänke“ (Ärzte, Krankenkassen) und der Patienten- vertreter gilt es auch, die Interes- sen der Bundesländer zu berück- sichtigen, die jetzt mit am Tisch sitzen.

Auch bei der regionalen Umsetzung der Richtlinie wird sich manches ändern: Paragraph 99 Absatz 2 SGB V sieht nun ausdrücklich vor, dass die Kassenärztlichen Vereini- gungen bei der Erstellung des Be- darfsplans von der Bedarfspla- nungs-Richtlinie abweichen kön- nen, wenn dies zur Berücksichti- gung regionaler Besonderheiten – insbesondere der regionalen De- mografie und Morbidität – für eine bedarfsgerechte Versorgung er- forderlich ist.

Klaus Joos (KVB) Wo bitte geht´s

zum nächsten arzt? Für den all-

gemeinen be- darfsgerechten

Versorgungs- grad in der ver- tragsärztlichen Versorgung wer- den die arzt-ein- wohner-Verhält- niszahlen zugrun- de gelegt.

(11)

D

ie Prognosen sind eindeu- tig: Wenn keine Gegenmaß- nahmen ergriffen werden, erleidet der Freistaat Bayern in we- nigen Jahren das gleiche Schicksal wie manch andere Bundesländer, in denen die ärztliche Versorgung in vielen ländlichen Regionen nicht mehr oder nur noch eingeschränkt gewährleistet ist. Aufgrund der Schlüsselstellung der Berufsgruppe der Ärzte gefährdet ihr Mangel in ländlichen Regionen die gesamte medizinische Versorgung, die einen wesentlichen Pfeiler zur Verwirkli- chung des Verfassungsgrundsatzes der gleichwertigen Lebensbedin- gungen darstellt.

Die Politik auf Landes- und Bundes- ebene hat das Problem zwischen- zeitlich erkannt. Die bisherigen Lö- sungsvorschläge, etwa im GKV- Versorgungsstrukturgesetz werden jedoch ihrem eigenen Anspruch („Landarztgesetz“) nicht gerecht.

Zwar finden sich begrüßenswerte Ansätze wie etwa die Einführung einer kleinräumigen Bedarfspla- nung im niedergelassenen Bereich.

Andere Neuerungen wie etwa die Schaffung von kommunalen Eigen- einrichtungen sind dagegen für Bayern aufgrund der eingeschränk- ten Voraussetzungen keine Lösung.

Auch eine verbesserte Vergütung ärztlicher Leistungen in unterver- sorgten Gebieten durch den neuen Strukturfonds wird keine Trendum- kehr auslösen, denn die regionale Niederlassungsbereitschaft der Ärzte hängt nicht allein von den Verdienstmöglichkeiten ab. Die

höhere Belastung mit Bereitschafts- und Notarztdiensten und das zen- trumszentrierte Studium sind wei- tere Ursachen. Soll die ärztliche Versorgung im ländlichen Raum verbessert werden, müssen daher Maßnahmen in der Aus- und Wei- terbildung ergriffen werden.

Erste Belege für diese Zusammen- hänge liefern die Weiterbildungs- verbünde für Allgemeinmedizin, die bereits seit einiger Zeit in Baden- Württemberg und in Teilen Bayerns helfen, die Nachwuchssituation von Hausärzten in den Regionen zu ver- bessern. Wenn die Länder sich ent- schließen, weitere Lehrstühle für Allgemeinmedizin einzurichten, könnte hier viel bewegt werden. Die Politik müsste aber noch früher an- setzen. Ein weitreichender Schritt wäre beispielsweise eine Änderung der Approbationsordnung, damit auch kleinere Krankenhäuser im ländlichen Raum Medizinstudenten

im Praktischen Jahr ausbilden könn- ten. Dort wird zwar keine Medizin auf Universitätsniveau praktiziert, aber die Studenten bekommen das grundversorgungsrelevante Spek- trum an Krankheiten vermittelt und können in kleineren Strukturen in viel stärkerem Maße soziale Kompe- tenzen entwickeln, auf die es ange- sichts der demografischen Entwick- lung zukünftig verstärkt ankommen wird. Sowohl in der Politik als auch in Fachkreisen muss noch Über- zeugungsarbeit geleistet werden, dass eine immer weitergehende Spezialisierung der Ärzte aufgrund des dauernden medizinischen Fort- schritts nicht zukunftsfähig ist. Ne- ben den Spezialisten braucht es auch den Generalisten, der den Menschen als Ganzes im Blick hat.

Wenn es parallel den Landkreisen gelingt, über geeignete Informations- kampagnen die Studenten davon zu überzeugen, dass ihre Vorstel- lungen vom ländlichen Raum nicht immer zutreffend sind und dass es dort sehr wohl Kultur und Einkaufs- möglichkeiten, kaum längere, aber auf jeden Fall in kürzerer Zeit zu be- wältigende Wege als in Ballungsräu- men und auch Jobmöglichkeiten für den Partner gibt, stehen die Chan- cen vielleicht doch nicht so schlecht, Ärzte weiterhin aufs Land zu be- kommen. Wichtig wäre eine gemein- same Verpflichtung aller Beteilig- ten und Verantwortlichen, um die Gleichwertigkeit der Lebensver- hältnisse weiterhin sicherzustellen.

Dr. Jakob Kreidl

Welche Voraussetzungen müssen auf regionaler und bundespolitischer Ebene geschaffen werden, um den Beruf des Landarztes für Ärzte attraktiver zu machen? Der Präsident des Bayerischen Landkreistags, Landrat Dr. Jakob Kreidl aus Miesbach, hat ganz konkrete Vorstellungen.

laNdÄrzTe gesuCHT

in seinem gast- kommentar for- dert landrat dr.

Jakob Kreidl aus miesbach unter anderem Ver- besserungen in der aus- und Weiterbildung, um die ärztliche Versorgung im ländlichen raum zu verbessern.

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I

n der im südlichen Landkreis Ansbach liegenden Gemeinde mit zirka 2.500 Einwohnern ar- beitete Dr. Wolfgang Winter meh- rere Jahrzehnte als Hausarzt. Trotz vieler Gespräche mit potenziellen Interessenten konnte er keinen Nachfolger finden. Schließlich ent- schied er sich, ohne Nachfolge En- de September 2010 in den Ruhe- stand zu gehen.

Der Landkreis Ansbach ist für Haus- ärzte nicht gesperrt. Die nächst- liegenden Praxen sind in Dürrwan- gen, Langfurth, Feuchtwangen und Weiltingen etwa fünf bis 18 Kilome- ter entfernt. Bürgermeister Fried- rich Wörrlein und der Gemeinderat von Dentlein am Forst wollten sich mit der unbefriedigenden Situation jedoch nicht abfinden. Nachdem sich die bisherigen Praxisräume im Wohnhaus des ausscheidenden Arztes befanden, beschloss die Gemeinde, in kommunaler Regie eine Praxis zu bauen und diese zu vermieten. Sie fanden schließlich eine Allgemeinärztin, die dort zu ar- beiten begann, aus gesundheitlichen Gründen aber nach drei Monaten leider wieder aufhören musste.

Durch meine Vermittlung als Pra- xisberater der KVB in Mittelfran- ken kamen neue Kontakte zu nie- derlassungswilligen Ärzten zustan- de. Einer davon, Jörg Pabst, zeigte Interesse an der Fortführung der Praxis. Allerdings fehlte ihm noch ein Jahr Weiterbildung. Nach Aus- kunft des Bürgermeisters hatten sich fast ausschließlich Ärzte ge-

meldet, die sich noch in der Weiter- bildung befanden. Es scheint hilf- reich, wenn sich auch die KVB künftig auf diese Situation besser einstellt und entsprechende Über- gangsmodelle aus zulassungs- rechtlicher Sicht akzeptiert.

Im vorliegenden Fall musste zu- nächst für die schwierige Aufgabe eine Lösung gefunden werden, da- mit in der einjährigen Übergangs- zeit die gerade neu eingerichtete Praxis für die Patienten weiter ge- öffnet bleiben konnte. Nach zahlrei- chen Telefongesprächen traf ich mich mit dem Bürgermeister und den umliegenden Hausärzten zu einem „Runden Tisch“ im Rathaus.

Dort kamen die vielfältigen Gestal- tungs- und Kooperationsmöglich- keiten, die der Gesetzgeber seit einigen Jahren ermöglicht, zur Spra- che und es wurden verschiedene Lösungsmodelle erörtert. Dass oh- ne die Erfahrung und das Know- how der KVB-Experten die kom- plexe Materie nicht zu durchschau- en gewesen wäre, brachte der Bür- germeister deutlich zum Ausdruck.

Schließlich erklärte sich Dr. Martin Kreuzer aus dem nahe gelegenen Weiltingen bereit, zur Aufrechter- haltung des bisherigen Versorgungs- angebots eine Filiale in Dentlein zu eröffnen. Da er dies wegen seiner großen Hausarztpraxis nicht alleine schultern konnte, bot glücklicher- weise der eben erst ausgeschiede- ne Hausarzt Dr. Winter eine befris- tete Unterstützung an. Er übernahm als angestellter Arzt von Dr. Kreu-

zer die ärztliche Versorgung seiner

„alten“ Gemeinde und ermöglichte seinem Nachfolger in spe, die noch fehlende restliche Weiterbildung bei ihm zu absolvieren. Dadurch konnte Pabst bereits ab August 2011 in Dentlein arbeiten und sich während seiner Ausbildung bereits einen guten Patientenstamm auf- bauen. Die Patienten erkannten, dass die Praxis Zukunftsperspekti- ven hat, und hielten ihr die Treue.

Dem tatkräftigen Einsatz des Bür- germeisters war es zu verdanken, dass Dr. Winter eine Sonder-Weiter- bildungsbefugnis der Bayerischen Landesärztekammer erhielt. Der Politiker scheute dabei keine Aus- einandersetzung mit Ämtern in München oder Nürnberg und wur- de am Ende für seinen Einsatz be- lohnt. Für die zahlreichen Anträge bei der Bayerischen Landesärzte- kammer, dem Zulassungsausschuss für Ärzte Mittelfranken beziehungs- weise der KVB leistete die Praxis- beratung entscheidende Hilfestel- lung. Nach erfolgreichem Abschluss der Weiterbildung konnte Pabst Anfang April 2012 die Praxis selbst- ständig übernehmen. Nur durch die Vermeidung einer Praxisschlie- ßung konnten die Bewohner der Gemeinde ohne größere zeitliche Unterbrechung ihren Hausarzt

„vor Ort“ behalten, der sich be- reits nach kurzer Zeit auch gesell- schaftlich vollkommen integriert fühlt. Im Übrigen suchten bis Ende Mai bereits 900 Patienten seine Praxis auf!

Hans-Dieter Moritz (KVB)

Sicherlich ist es nicht einfach, einen Praxisnachfolger in ländlichen Gebieten zu finden und ein Patentrezept für eine erfolgreiche Suche gibt es nicht – dafür aber Beispiele, die Mut machen. Eines davon ist die Landarztpraxis Dentlein am Forst im Landkreis Ansbach. Praxisberater Hans-Dieter Moritz erinnert sich.

FlexiBiliTÄT isT TrumPF

Bei einer Praxis- nachfolge auf dem land sind einsatz, durch- haltevermögen und Flexibilität gefragt. Wer alleine nicht weiter kommt, sollte unbedingt die Praxisberater der KVB mit ins Boot holen. ihr Know-how und ihre Kontakte sind oft der schlüssel zum erfolg.

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miT VereiNTeN KrÄFTeN zum ziel: iNTerVieW miT BürgermeisTer FriedriCH WörrleiN uNd PraxisNaCHFOlger Jörg PaBsT

Herr Wörrlein, wie hat Ihre Ge- meinde von der Unterstützung durch die KVB profitiert?

Nur dadurch, dass die Berater, ex- plizit Herr Moritz, für uns ständig erreichbar waren, schafften wir es, einen jungen Arzt in Weiterbildung überhaupt zu gewinnen. Herr Mo- ritz war auch maßgeblich daran beteiligt, eine neue Rechtsform für unsere Praxis zu finden. Diese er- möglichte es uns, den Betrieb auch nach der Erkrankung der Ärztin fortzuführen und die Zulassungs- voraussetzungen und damit später die kassenärztliche Zulassung schnellstmöglich zu erhalten. Ins- gesamt muss ich sagen, dass wir ohne die ständige Beratung keines unserer Ziele erreicht hätten.

Was wünschen Sie sich in diesem Zusammenhang von der Politik?

Ich erhoffe mir vonseiten der Ge- setzgebung mehr Offenheit für neue Wege. Es gäbe so viele Ver- einfachungs- und Verbesserungs- möglichkeiten, die nichts kosten, aber gerade kleinen Kommunen im

ende gut, alles gut: Nach mona- telangem Hin und Her hat sich der einsatz aller Beteiligten ge- lohnt. die Bürger der gemeinde dentlein und um- gebung haben wieder einen landarzt und sind am ende die gewinner.

ländlichen Raum viel helfen würden.

Ich denke hier beispielsweise an die Zulassungsvoraussetzungen für ein kommunales MVZ.

Herr Pabst, haben Sie zwischen- zeitlich aufgrund der vielen Hür- den daran gezweifelt, dass das Ganze noch klappen könnte?

Natürlich war es ein weiter Weg, aber mit vereinten Kräften ist es schlussendlich doch gelungen, in Dentlein die allgemeinmedizinische Versorgung für die Patienten zu erhalten. Es ist unmöglich, alle auf- zuzählen, die daran ihren Anteil hatten und mit unermüdlichem En- gagement an den Lösungen mitge- arbeitet haben. Ich bin allen zu großem Dank verpflichtet.

Neben der erfahrenen Solidari- tät vor Ort haben Sie als neu niedergelassener Arzt aber si- cher ein paar Vorschläge, wie Kollegen in ähnlichen Situatio- nen auch strukturell besser un- terstützt werden könnten.

Da fiele mir eine ganze Liste ein. In

erster Linie wären natürlich finan- zielle Hilfen bei Gründung oder Übernahme einer Landarztpraxis oder zumindest zinsgünstige Kre- dite wünschenswert. Ob Existenz- gründerzuschläge gewährt werden, liegt seit Anfang 2012 im Ermes- sen der Arbeitsagenturen. Für jun- ge niederlassungswillige Ärzte ist es oft schwer zu durchschauen, welche Förderungsmöglichkeiten es insgesamt gibt und bei welcher Stelle diese beantragt werden müs- sen. Hier wäre eine Hilfestellung wünschenswert. Eine Erhöhung des KV-Honorars für Landärzte um einen Euro pro Arzt-/Patienten- kontakt oder aber auch Zuschläge für die Entfernungspauschale wä- ren in meinen Augen eine gerechte Sache.

Wo sehen Sie im Bereich der Verwaltung noch Verbesserungs- möglichkeiten?

Eine einfachere Antragsstellung für Genehmigungen würde vieles erleichtern. Auch die „Zweimonats- regelung“ für den Praxisbedarf sollte meiner Meinung nach abge- schafft werden. Insgesamt wäre es ideal, wenn der neue Arzt und seine Praxismitarbeiter vor Ort in- dividuell beraten werden könnten, beispielsweise zu Abrechnung, Arzneimittelbudget oder Verord- nung von Krankengymnastik.

Herr Wörrlein, Herr Pabst, Ihnen beiden vielen Dank für das Gespräch!

Redaktion Bürgermeister Friedrich Wörrlein, Praxisgründer Jörg Pabst und

KVB-Berater Hans-dieter moritz (von links)

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D

ie Gemeinde Kirchdorf am Inn liegt im Süden von Nie- derbayern, direkt an der österreichischen Grenze, und hat etwas über 5.000 Einwohner. Fast 30 Jahre lang hat Dr. Heinz Arnold die Kirchdorfer hausärztlich ver- sorgt. In diesem Frühjahr wollte er

seine Tätigkeit beenden und seine Praxis übergeben.

Bereits vor zwei Jahren hatte er sich deshalb auf die Suche nach einem Nachfolger gemacht. Doch ohne Erfolg: Kein Kollege wollte sich seit- her in der idyllischen Gegend nie- derlassen und seine stattliche Land- arztpraxis übernehmen. Schließ- lich wandte sich die Gemeinde im September 2011 selbst an die KVB-Bezirksstelle in Straubing und bat sie um Unterstützung.

Bald darauf trafen sich Bürgermeis- ter Joachim Wagner und Mitglieder des Gemeinderats mit dem Regio- nalen Vorstandsbeauftragten der KVB für Niederbayern, Dr. Gerald Quitterer, und den KVB-Beratern der Bezirksstelle, um nach tragfä- higen Lösungen zu suchen. Er- schwerend zur Situation in Kirch- dorf kam nach Aussagen der Kom- munalpolitiker hinzu, dass in den umliegenden Gemeinden in abseh- barer Zeit weitere Hausärzte ihre Tätigkeit aus Altersgründen been- den würden und ebenfalls noch keine Praxisnachfolger hätten.

Persönliche Kontakte entscheidend

Keine leichte Aufgabe also, insbe- sondere angesichts des generel- len, bundesweiten Hausärzteman- gels. In diesem und ähnlich gela- gerten Fällen zeigt es sich, dass das wichtigste Pfund, mit dem die Berater der KVB wuchern können, ihre vielfältigen, über Jahre gewach- senen Kontakte und Verbindungen sind. Auch im Fall Kirchdorf kon- taktierten die Mitarbeiter unver- züglich alle in Frage kommenden Ärzte. Seien es diejenigen, die in der Praxisbörse der KVB gemeldet

Wenn es Probleme bei einer Praxisnachfolge gibt, spielen oft mehrere Faktoren zusammen. Im Fall der niederbayerischen Gemeinde Kirchdorf am Inn waren es nicht nur der generelle Hausarztmangel im ländlichen Raum, sondern auch die Tatsache, dass gleich mehrere Umlandgemeinden auf der Suche nach neuen Ärzten waren. Keine geringe Herausforderung auch für die Praxisberater der KVB-Bezirksstelle Niederbayern.

KirCHdOrF am iNN –

eiNe gemeiNde auF der suCHe NaCH eiNem HausarzT

waren, die Teilnehmer von KVB- Existenzgründerseminaren oder die Allgemeinärzte und Internis- ten, die in der Vergangenheit grund- sätzlich einmal Interesse an einer eigenen Hausarztpraxis gezeigt hatten.

Im vorliegenden Fall lag der ent- scheidende Hinweis auf einen In- teressenten in einem schon länger zurückliegenden Gespräch des Beraters mit einer bereits nieder- gelassenen Hausärztin im Land- kreis Rottal-Inn. Der Mitarbeiter erinnerte sich, dass auch die Schwester der Ärztin gegebenen- falls einmal eine eigene Praxis übernehmen wollte. Es stellte sich heraus, dass sie zwar mittlerweile als angestellte Ärztin arbeitete, aber weiterhin an einer Übernah- me interessiert war. Nach einem ersten Kontakt mit Dr. Arnold und den Gemeindevertretern von Kirch- dorf war schnell klar, dass Dr. Eva Marka-Tomori das Richtige für sich gefunden hatte. Bereits im Febru- ar 2012 konnte sie sich als Sicher- stellungsassistentin einarbeiten und führt seit April die Praxis in Eigen- regie weiter.

Anton Altschäffl (KVB) Joachim Wagner,

Johann springer, dr. eva marka- Tomori, dr. Heinz

arnold mit ehe- frau, anton alt- schäffl, dr. ge- rald Quitterer (von links) freuen sich, dass Kirch- dorf am inn auch

weiterhin gut hausärztlich ver-

sorgt ist.

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D

er fehlende ärztliche Nach- wuchs und die schwinden- de Attraktivität einer Nie- derlassung in strukturschwachen Gebieten führen dazu, dass aus Alters- oder Gesundheitsgründen ausscheidende Kassenärzte häufig keine Nachfolger finden. Diese Ärz- te müssen auf einen Teil ihrer Alters- versorgung verzichten und der Re- gion geht dadurch eine wichtige in- frastrukturelle Dienstleistung ver- loren. „Kooperative Versorgungs- strukturen“ sind deshalb in aller Munde. Sie werden aber nur dort Erfolg haben, wo die beteiligten Ärzte durch sie echte Vorteile ge- winnen. Es ist daher wichtig, dass die niedergelassenen Ärzte Inha- ber dieser Strukturen sind. Unbe- stritten ist, dass Kooperationen in vielerlei Hinsicht die berufliche (und private) Situation der Ärzte verbessern. Aktuelle Beispiele zei- gen, wie Ärzte schon jetzt mit Ko- operationen einen Weg gefunden haben, dies zu realisieren.

Dr. Gernot Petzold, Augenarzt aus Kulmbach, zeigt mit dem Kulmba- cher Modell, welche Möglichkei- ten Ärzte in ländlichen Regionen haben, und wie sie dadurch den Verlust von Kassenarztsitzen ver- hindern können.

In Kulmbach haben 32 Fach- und Hausärzte aus der Region gemein- sam mit dem Klinikum Kulmbach ein Medizinisches Versorgungs- zentrum (MVZ) gegründet. Das

Modell umfasst zwei alternative Betreibermöglichkeiten:

Modell 1: Facharzt und Hausarzt gründen gemeinsam eine Ärzte-GbR (Gesellschaft bürgerlichen Rechts) und sind Träger des MVZ ohne die Beteiligung eines Krankenhauses.

Modell 2: Facharzt und Hausarzt gründen eine Ärzte-GbR und bil- den zusammen mit dem örtlichen Klinikum die Gesellschafter einer MVZ-Träger GmbH.

In Kulmbach wurde das Modell 2 verwirklicht. Dr. Petzold betont die Vorteile des Kulmbacher Modells:

„ Kassenarztsitze bleiben in der Region, weil das MVZ die Sitze von abgabewilligen Ärzten kau- fen kann.

„ Aus Altersgründen ausscheiden- de Vertragsärzte können auf Wunsch noch in Teilzeit im MVZ tätig sein.

„ Alle teilnehmenden Ärzte sind Inhaber des MVZ und bestim- men dessen Leistungsumfang und machen es zu einem starken Marktteilnehmer (unter Kontrol- le der Ärzte).

„ Spezielle ambulante Leistungen werden vom Klinikum und den niedergelassenen Ärzten ge- meinsam im MVZ erbracht. Die Kooperation mit dem Kranken- haus findet auf Augenhöhe und ohne Konkurrenz zu den nieder- gelassenen Ärzten vor Ort statt.

„ Alle Ärzte, die Mitglieder der Ärzte-GbR sind, müssen sich

In den vergangenen Jahren ist es zunehmend schwieriger geworden, in ländli- chen Regionen frei werdende Kassenarztsitze neu zu besetzen. Neue Koopera- tionsformen von niedergelassenen Haus- und Fachärzten und bei Bedarf auch mit kommunalen Kliniken sollen eine Lösung des Problems anbieten. Ein Beispiel für eine solche Kooperation ist das Kulmbacher Modell.

das KulmBaCHer mOdell

finanziell beteiligen, dadurch entsteht ein Unternehmens- wert. Alle Vertragsärzte vor Ort haben aber die Chance, die eigene Praxis einzubringen.

„ Möglichkeiten einer freien und individuellen Finanzierung vor Ort mit fester Bankenbeteili- gung (keine renditeorientierte Aktiengesellschaft).

„ Entwicklung von Weiterbildungs- netzwerken in den angeschlos- senen Praxen zur Nachwuchs- sicherung.

„ Konzept mit individuellen, situ- ationsangepassten Modulen wie beispielsweise flexiblen Arbeits- zeitmodellen, Kooperation und Synergie innerhalb der Gesell- schaft bei Verwaltung, Abrech- nung, Personal und Geräten.

„ Notfall- und fachübergreifende Bereitschaftspraxen können bei Bedarf von den Ärzten im MVZ betrieben werden.

Solche oder ähnliche Kooperations- formen unter Führung von nieder- gelassenen Ärzten können für alle strukturschwachen Regionen in Bayern eine Option für die Zukunft sein, um die ärztliche Versorgung zum Vorteil aller Beteiligten zu ge- stalten.

Rebecca Riss (KVB)

dr. gernot Pet- zold, augenarzt aus Kulmbach, hat zusammen mit niedergelas- senen Kollegen vor Ort und dem Klinikum Kulm- bach ein außer- gewöhnliches Kooperations- modell auf den Weg gebracht.

informationen erhalten sie über den Bayeri- schen Facharzt- verband.

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dr. marie-luise Vogel, Hausärz- tin aus Neumarkt in der Ober- pfalz

„Wenn das silberne Praxisjubiläum vor der Türe steht, darf man ein kurzes Resümee ziehen. Ich habe eine eigene Praxis in einem Land- städtchen, in dem jeder jeden kennt. Ich bin für viele meiner Pa- tienten eine Lebensbegleiterin und fester Bestandteil ihres Alltags. Ich kenne Oma und Opa und oft die ganze Verwandtschaft und ihre kleinen und großen, oft tragischen Probleme. Ich werde geliebt oder auch nicht. Der faire Wettbewerb unter uns Kollegen ist freundschaft- lich und vertrauensvoll. Ich wollte immer eine gute Ärztin sein, zu Fortbildungen hatte ich immer Zeit und Lust. Auch mit der Familie war immer alles im Lot. Soweit der po- sitive Aspekt.

Vor einigen Jahren merkte ich dann, dass ich mir die Medizin, wie ich sie betrieb, mit meinem Personal und Equipment nicht mehr leisten konnte. Ich war nach ständigem Hin und Her unterschiedlicher Ab- rechnungsmodalitäten wirtschaft- lich bedroht. So begann meine be- rufspolitische Laufbahn. Ich grün- dete ein Ärztenetz mit zirka 100 Mitgliedern, um ein avisiertes Me- dizinisches Versorgungszentrum

und den Einfall der Management- gesellschaften in unsere regionale Gesundheitswelt zu stoppen. Es gelang.

Neben der Praxis widme ich mich nun intensiv der Verbandspolitik.

Ich stehe vehement für unsere Ziele ein: Die Rechte der Hausärz- te zu verteidigen, ihren Stellen- wert in der Gesellschaft zu erhö- hen, eine adäquate Honorierung einzufordern und damit hausärzt- lichen Nachwuchs zu gewinnen.

Jeder kennt unser Waterloo – letzt- endlich haben wir zuviel gewagt:

Wir Protagonisten haben unsere Grundsätze zu schnell gelebt und die Kollegen unterwegs verloren.

Doch ich will keine dieser Stunden missen. Dies alles gehört zu dem, was ich bin.

Mein Berufsleben geht weiter. In meiner Praxis habe ich einen 14- Stundentag. Die verantwortliche politische Arbeit erstreckt sich auf meinen Bezirk, sowohl im Verband als auch in der Selbstverwaltung.

Dem Wunsch, hausärztlichen Nach- wuchs zu gewinnen und zu fördern, soll auch meine kurze Geschichte hier gewidmet sein. Denn die medi- zinische Zukunft ist weiblich. Des- halb: Nur Mut Mädels, Hausärztin zu sein, ist ein Traumberuf!“

dr. Johann Hartl, Facharzt für innere medizin aus Nittenau im Oberpfälzer landkreis schwandorf

„Ich bin seit 16 Jahren als fachärzt- licher Internist mit dem Schwer- punkt Diabetologie in Nittenau tä- tig. Mindestens einmal pro Jahr wurden Reformen durchgeführt, auf die mein Praxisteam und ich stets flexibel reagieren mussten.

Um die Wirrungen der sich ständig ändernden Rahmenbedingungen besser ergründen zu können, habe ich in Bayreuth ein Studium der Ge- sundheitsökonomie absolviert und dies als Master of Business Admi- nistration abgeschlossen. Ich ha- be Fachärzte aus der Inneren Me- dizin – Kardiologie und Gastroen- terologie – angestellt und eine fach- ärztliche Internisten-Praxis dazu- gekauft, um die Budgetprobleme zu umgehen. Außerdem habe ich eine diabetologische Belegstation im Krankenhaus St. Barbara in Schwandorf und bin innerhalb ver- schiedener Versorgungsebenen tätig. Es sind nicht immer Medizi- nische Versorgungszentren oder sonstige Konstrukte notwendig.

Durch diese Organisationsform wird die Schnittstellenproblematik umgangen.

Trotzdem ist nicht immer alles eitel

Wie lebt und arbeitet es sich als Hausarzt, Facharzt oder Psychotherapeut auf dem Land? Sind die Bedingungen eher schwierig oder überwiegen am Ende doch die Vorteile gegenüber einer Praxis in der Stadt? Kann man dem ärztlichen Nachwuchs die Übernahme einer Landarztpraxis wirklich ans Herz legen? „Ja“, sagen diejenigen, die es wissen müssen, weil sie seit vielen Jahren in ländlichen Regionen tätig sind.

glüCKliCHes ÄrzTeleBeN

auF dem laNd?

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Sonnenschein. Das hängt mit dem deutlichen Anstieg des Bürokratie- aufwands und mit der zunehmen- den Orientierungslosigkeit der Ge- sundheitspolitik zusammen. Den- noch bin ich gerne als internisti- scher Facharzt auf dem Land nie- dergelassen: Der Kontakt zu den Patienten ist persönlich und lang- fristig. Für die meisten bin ich der Herr Hartl und nicht der Doktor Hartl, was von einem partnerschaft- lichen Arzt-Patientenverhältnis zeugt. Viele sprechen scherzhaft vom „Zuckerpapst“. Die Gestal- tungsmöglichkeiten der eigenen Praxis sind groß, aber natürlich trägt man dafür auch das Risiko der unmittelbaren persönlichen Haftung. Nichtsdestotrotz bin ich von der Tätigkeit als Facharzt auf dem Lande überzeugt und habe auch meinen Sohn Johannes – er studiert Medizin – empfohlen, die- sen Weg einzuschlagen. Dann kann er genau wie ich mit seinem Auto direkt vor der Haustür parken.“

Klemens Funk, Psychologischer Psychotherapeut aus Krumbach- Niederraunau

„In Niederraunau bin ich seit 1995 niedergelassen. Als Psychothera- peut aufs Land zu gehen, war nach meiner Klinikzeit zunächst nur als kurze Übergangsphase geplant, bis geeignete Räumlichkeiten in Augs- burg gefunden waren. Doch die Skepsis hinsichtlich der Akzeptanz einer psychotherapeutischen Land- praxis schwand rasch – auch sei- tens meiner Klinikkollegen. Schon nach wenigen Jahren konnte ich in Niederraunau – einem Stadtteil von Krumbach und eigentlich ein Dorf – eigene Praxisräume bauen.

Ich war damals der erste zugelas- sene Psychotherapeut hier am Ort, es gab einen Nervenarzt, der mir regelmäßig Patienten geschickt hat.

In der Anfangszeit musste ich mich als Städter – ich bin in Augsburg aufgewachsen – schon umstellen:

Die ländliche Mentalität der Men- schen, die teilweise noch dem Aberglauben verhaftet waren, war mir etwas fremd. Ich dachte sogar erst, dass ich das nicht lange aus- halte und dass das Ganze mit zu viel Aufklärungsarbeit verbunden ist. Aber dann habe ich gemerkt, dass sich genau diese Aufklärungs- arbeit und das Eingehen auf die Menschen hier lohnen, und dass sie dafür sehr zugänglich sind. Die Compliance war und ist entspre- chend hoch. Dieser Kontakt zu den Menschen hat mich hier in Nieder- raunau recht schnell heimisch wer- den lassen. Und das ist es auch,

was ich jungen Kollegen sage, wenn sie mich nach einer Niederlassung auf dem Land fragen: dass sie sich auf die Mentalität, auch auf den Dialekt der Menschen einstellen müssen. Denn über ihre persönli- chen Probleme berichten Patien- ten meistens in der Sprache, in der sie denken und leben. Wenn man ihren Dialekt dann versteht oder zumindest Interesse daran zeigt, dann hilft das ungemein und wird positiv honoriert.

Außerdem ist es als Psychothera- peut auf dem Land ganz wichtig, über die Lebensweise der Leute

und über ihre kulturellen Hinter- gründe Bescheid zu wissen. Es spielen bei ihren Problemen ja im- mer der Lebenskontext und die Lebensbedingungen mit. Die muss man kennen und mit einer großen Toleranz an diese Themen heran- gehen. Am besten, man beteiligt sich deshalb am Kultur- und Sozial- leben der Umgebung. So kann man auch besser den immer noch vor- handenen Vorbehalten gegenüber einer Psychotherapie begegnen.

Die sind aufgrund der fehlenden Anonymität auf dem Land grund- sätzlich größer als in der Stadt.

Man muss sich vor der Niederlas-

sung deshalb sehr gut überlegen, welchen Ort man wählt. Manch- mal kann es wichtig sein, dass der Eingang zur Praxis nicht zu ein- sichtig ist und vielleicht um die Ecke oder in einem Hinterhof liegt.

Ich habe einige Patienten, die lie- ber einige Straßen weiter parken.

Früher hatte ich sogar welche, die nur kamen, wenn es abends be- reits dunkel war. Das ist aber in- zwischen die Ausnahme.“

Redaktion

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ie Online-Börsen der KVB existieren zum Teil bereits seit einigen Jahren und er- freuen sich bei den bayerischen Niedergelassenen wachsender Be- liebtheit. Für diejenigen, die sie noch nicht kennen, hier ein kurzer Überblick:

Kooperationsbörse

Für all diejenigen unter Ihnen, die einen Partner für eine Zusammen- arbeit, eine Anstellung oder eine gemeinsame Berufsausübungsge- meinschaft suchen oder eine sol- che Stelle anbieten möchten. Die Kooperationsbörse gibt außerdem einen schnellen Überblick über sämtliche Stellenangebote Medizi- nischer Versorgungszentren. Sie finden die Kooperationsbörse un- ter www.kvb.de in der Rubrik Pra- xis/Online-Angebote/Kooperations- börse.

Praxisbörse

Hier kann eine Praxis ihren Besitzer wechseln. Der kostenfreie Service bringt Praxisabgeber und Praxis- suchende zusammen. Wie in allen Online-Börsen der KVB stehen An- bietern und Suchenden auch hier entsprechende Anmeldeformulare zur Verfügung, mit denen KVB-Mit- glieder den Service kostenlos und auf Wunsch anonym nutzen können.

Sie finden die Praxisbörse unter www.kvb.de in der Rubrik Praxis/

Online-Angebote/Praxisbörse.

Praxisvertretung

Bei Urlaub, Krankheit, Weiterbil- dung, Wehrübungen etc. können sich unsere Mitglieder in ihren Praxen vertreten lassen. Die KVB bietet für alle Fachgruppen in Bay- ern eine Vertretervermittlung an und rät Ärzten und Psychothera- peuten, die Vertretungen überneh- men möchten, sich frühzeitig in die Vermittlungsdatei aufnehmen zu lassen. Sie finden die Praxis- vertretung im geschützten Mitglie- derbereich unter www.kvb.de in der Rubrik Praxis/Online-Angebo- te/Praxisvertretung.

Vermittlungspool Weiterbil- dungsstellen Haus- und Fach- ärzte

Mit diesem Service unterstützt die KVB in Zusammenarbeit mit der

Die Suche nach einer Vertretung, einem Kooperationspartner oder Weiterbil- dungsassistenten ist nicht immer einfach. Besonders nicht auf dem Land.

Auch ein geeigneter Kandidat für die Übernahme der eigenen Praxis ist hier nicht immer schnell gefunden. In diesen und anderen Fällen kann es für unse- re Mitglieder deshalb hilfreich sein, einen Blick in eine der zahlreichen Online- Börsen der KVB zu werfen.

die ONliNe-BörseN der KVB

Bayerischen Landesärztekammer angehende Allgemeinmediziner und Fachärzte bei den oftmals schwierigen Planungen der einzel- nen Weiterbildungsabschnitte. Un- sere Mitglieder haben hier die Ge- legenheit, ihre zu besetzenden Weiterbildungsstellen anzubieten und mit den Interessenten Kontakt aufzunehmen. Die eingestellten Stellenangebote sind in allen Re- gierungsbezirken verfügbar. Es werden laufend neue Stellen ein- gepflegt. Sie finden den Vermitt- lungspool Weiterbildungsstellen Haus- und Fachärzte unter www.

kvb.de in der Rubrik Praxis/On- line-Angebote/ Weiterbildungsstel- len Haus- und Fachärzte.

Vermittlungspool Weiterbil- dungsstellen Psychotherapie Die Online-Weiterbildungs- und Ausbildungs-Börse OWAB ist spe- ziell für den psychotherapeuti- schen Nachwuchs auf Stellensu- che in Bayern gedacht. Bitte nut- zen Sie die OWAB-Plattform, wenn Sie in Ihrer Praxis eine Weiterbil- dungs- oder Ausbildungsstelle an- zubieten haben. Sie finden OWAB unter www.kvb.de in der Rubrik Praxis/Online-Angebote/ Weiter- bildungsstellen Psychotherapie.

Redaktion

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ie CAMBOMED Klinik ist das Herzstück eines Ge- sundheitszentrums, das in Kempten auf insgesamt sechs Stockwerken Facharztpraxen, eine Apotheke, medizinische Dienst- leistungen wie zum Beispiel Physio- therapie und eben jenes OP-Zent- rum vereint. Dr. Pedro Schmelz zeig- te sich beeindruckt von den groß- zügigen und modern eingerichte- ten Räumlichkeiten und wünschte den Ärzten um Geschäftsführer Dr.

Lutz Lindner viel Erfolg. Neben dem KVB-Vorstand ließen es sich auch der Leiter der Staatskanzlei, Staats- minister Dr. Thomas Kreuzer, und der Kemptener Oberbürgermeister Dr. Ulrich Netzer nicht nehmen, das CAMBOMED persönlich zu besich- tigen. Der Staatsminister mit Kemp- tener Wurzeln erklärte: „Wir sind stolz, in unserer Region solche Ver- sorgungsstrukturen anbieten zu können.“

Wofür steht der Name CAMBOMED?

Dies klärt sich bei einem Blick in die Stadtgeschichte. Denn unter römischer Herrschaft nannte sich die Siedlung auf dem Gebiet des heutigen Kemptens „Cambodunum“.

Die Gesellschafter des OP-Zent- rums – 18 Vertragsärzte und der Investor Walter Bodenmüller – ha- ben sich zum Ziel gesetzt, OP-Räum- lichkeiten auf höchstem Niveau zu schaffen. „Wir möchten dem Patien- ten nicht nur medizinische Qualität, sondern auch Zeit, individuelle Be-

treuung aus einer Hand und ein angstfreies, angenehmes Umfeld bieten“, so Geschäftsführer Lindner.

Wie schnell man Patienten im neuen Gesundheitszentrum behandeln kann, beschreibt er so: „Stellen Sie sich vor, es ist ein wunderschöner Sonntag im Februar, Sie fahren die Skipiste hinunter. Plötzlich knicken Sie um und spüren einen stechen- den Schmerz. Im CAMBOMED OP- Zentrum ist eine zügige Behand- lung Standard: Sie kommen am Montag zu uns, wir stellen per MRT intern noch am selben Tag eine ope- rationspflichtige Diagnose und können Sie Mitte der Woche ope- rieren.“ So lasse sich die Wieder- eingliederung in den Arbeitsprozess um bis zu sechs Wochen verkürzen.

Die Fachärzte des OP-Zentrums decken beinahe alle Operationsge- biete ab: von HNO über Urologie, Orthopädie, Unfall-, Neuro- und Wirbelsäulenchirurgie bis hin zur

Gefäßchirurgie. Die ausschließlich langjährig erfahrenen Fachärzte werden ambulante, aber auch kurz- stationäre Eingriffe vornehmen.

Für die Übernachtung nach kom- plexeren Eingriffen stehen insge- samt 14 Betten in Ein- und Zwei- bettzimmern zur Verfügung.

Die ambulanten Eingriffe stehen al- len gesetzlich versicherten Patien- ten offen. Eingriffe mit stationärer Unterbringung hingegen dürfen der- zeit nur Privatpatienten in Anspruch nehmen. Dies soll sich bald ändern, betont Lindner. „Ziel der CAMBO- MED Klinik ist es ausdrücklich, diese komplexeren Eingriffe auch

gesetzlich Versicherten anbieten zu können.“ Hiefür stehen die All- gäuer Ärzte, unterstützt vom KVB Abrechnungsservice Zusatzverträ- ge, bereits mit mehreren Kranken- kassen in Verhandlung.

Stephanie Euchner (KVB)

Es gibt sicher Begriffe, die positivere Assoziationen hervorrufen als der Begriff Operation. Dies ist jedoch schnell vergessen, wenn eine Gruppe niedergelas- sener Anästhesisten und Operateure bei schönstem Allgäuer Frühlingswetter die Eröffnung ihres modernen CAMBOMED OP-Zentrums feiert. KVB-Vorstands- mitglied Dr. Pedro Schmelz konnte sich davon höchstpersönlich überzeugen.

OP-zeNTrum eröFFNeT

KVB-Vorstandsmitglied dr. Pedro schmelz (links) mit staatsminister dr. Thomas Kreuzer.

dr. lutz lindner, geschäftsführer des CamBOmed OP-zentrums, bei der feierlichen eröffnung ende mai.

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er Codex, der unter ande- rem auf drei Stelen in alt- babylonischer Keilschrift niedergeschrieben wurde und im Louvre in Paris besichtigt werden kann, geht insbesondere davon aus, dass durch den Arzt nicht nur eine fachgerechte ärztliche Leistung als solche (im Sinne eines Dienstver- trags), sondern auch der Erfolg der Behandlung (entsprechend einem Werkvertrag) geschuldet wird. Die Sanktionen bei Misslingen einer Be- handlung waren drastisch und mit unserem heutigen Verständnis von Menschenwürde und Grundrechten unvereinbar:

„Wird ein Herr vom Arzt mit dem Bronzemesser wegen einer schwe- ren Wunde behandelt und stirbt, so werden dem Arzt die Hände abge- hackt. Die gleiche Strafe trifft den Arzt, wenn er bei einer Augenope- ration das Sehorgan eines Mannes der höheren Klassen zerstört. Wenn der Arzt durch seine Behandlung einen Sklaven tötet, so hat er ihn zu ersetzen; wenn er sein Augen- licht zerstört, seinen halben Kauf- preis zu zahlen.“ (Zitat nach Venz- mer, G.: Fünftausend Jahre Medi- zin, Bremen, 1968).

Die Frage, wie die Qualität ärztli- cher Leistungen sichergestellt und nachgewiesen werden kann, hat bis heute nicht an Relevanz verloren.

Im Rahmen dieses Beitrags sollen die durch den Gesetzgeber geschaf- fenen (und bei einem Mangel in der Ergebnisqualität weit weniger in die elementaren Persönlichkeitsrechte eines Arztes eingreifenden) Grund- lagen für die aktuellen Qualitätssi- cherungsmaßnahmen der Kassen- ärztlichen Vereinigungen kurz vor- gestellt werden.

Qualitätssicherungsvereinba- rungen auf Basis § 135 abs. 2 sgB V

§ 135 Abs. 2 SGB V verpflichtet die Partner der Bundesmantelverträge – Kassenärztliche Bundesvereini- gung (KBV) und Spitzenverband Bund der Krankenkassen (SpiBu KK) – für ärztliche Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die ihrer Eigenart nach

„ besondere Kenntnisse und Erfahrungen des Arztes,

„ eine besondere Praxisausstat- tung

„ und weitere Anforderungen an die Strukturqualität vorausset- zen,

einheitliche Qualifikationserfor- dernisse für Vertragsärzte zu ver- einbaren.

Auf Basis des § 135 Abs. 2 SGB V wurden durch die KBV und den SpiBu KK in den letzten Jahren na- hezu 30 Qualitätssicherungsverein- barungen zu den verschiedensten Leistungen – von der Akupunktur über sonographische Leistungen bis hin zur Zytologie abgeschlossen.

Aktuell ist zum 1. April 2012 eine Vereinbarung für die Versorgung mit Hörgeräten auf dieser Grund- lage in Kraft getreten.

Die Qualitätssicherungsvereinba- rungen beinhalten insbesondere Vorgaben an die Strukturqualität, die von den Kassenärztlichen Ver- einigungen im Zuge der Erteilung der für die Abrechnung dieser Leistungen notwendigen Genehmi- gungen geprüft werden müssen.

In Bayern werden durch die KVB jährlich weit über 20.000 Geneh- migungen auf dieser Basis ausge- sprochen. Die Vereinbarungen können auch Vorgaben zur Prü- fung der Vollständigkeit und Nach- vollziehbarkeit der ärztlichen Do- kumentation enthalten (zum Bei- spiel HIV, Koloskopie, Sonographie).

Das Thema „Qualität in der Medizin“ beschäftigt ebenso wie die Frage der angemessenen Vergütung ärztlicher Leistungen seit vielen Jahrhunderten die Gelehrten dieser Welt. Bereits der Codex Hammurapi, der mit seiner Entstehungszeit von zirka 1750 vor Christus als eine der ältesten überlieferten Rechts-

sammlungen gilt, enthält hierzu erste, aus heutiger Sicht irritierende Regelungen.

QualiTÄT

iN der mediziN

RECHT INTERESSANT

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