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Miscellen. .
(Fortsetzung zu Bd. Ö2, S. 618.) Von
0. Böhtlingk.
16.
RV. 5, 74, 4
^ 'd^tjtiH ' TfH: ^TT^ fM^: II
^ ^TTfhiT^ ' W^sr*!^ If'it «
ist von verschiedenen Gelehrten übersetzt und besprochen worden,
zuletzt und am Ausführlichsten von Th. Baunack in Kuhns Zeit¬
schrift, Bd. 36, S. 245 fgg. Ich gedenke nicht die verschiedenen
Auffassungen hier vorzuführen, sondem beschränke mich, bevor ich
meine Übersetzung vorlege, auf einige allgemeine Bemerkungen.
Das dreimal sich wiederholende Wort «J^ ^ muss, da es sich
bier offenbar um ein Wortspiel handelt, meines Erachtens stets eine
andere Bedeutung haben; also kann der Vocativ ^Tl 5^ nicht wie
der Accusativ ^H '^^Hi wie Baunack annimmt, den Soma bezeiclmen.
Es erscheint mir überhaupt sehr gewagt, die durch (^«q«!: unter¬
brochenen Worte M^Tim — die Aävin
sprechen zu lassen und zu übersetzen : Füllespender, für den Fülle¬
spender (Opferer) ! Lass dich von ihm greifen. h\\ als Adjektiv
wird wohl Fülle habend, vollauf mü Etwas versehen bedeuten.
RV. 8, 61, 6 würde ich mit reich an Rossen wieder¬
geben. Der Soma wird seinen Namen wohl vom Saftreichtum er¬
halten haben. Der Vocativ ^^tK. wird, da mit r^«q«t: die Aävin
angeredet werden, am Natürlichsten auf die Asvin zu beziehen sein,
wie schon Säyana annimmt. Ob «Tl ^ als Anomalie beizubehalten
oder mit Grassmann in «Ti ^,1 zu ändem ist, mag einem Zweifel
unterliegen ; ich für meinen Teil wäre geneigt mich für Grassmanns
Konjektur zu entscheiden. Die Asvin können als Besitzer vieler
Güter recht wohl von einem Dichter als «T)angenifen werden.
BöhtUngk, Miscellen. 203
Nach Säyana sollen sie nach Paura, dem angeblichen Dichter unserer
Hymne , benannt worden sein , da sie dadurch , dass sie von ihm
gepriesen werden, in ein nahes Verhältnis zu ihm treten. Eine
sonderbare Erklärung, zu der auch die Auffassung Säyanas von
*ri t^«t, als Wolke stimmt, die auch nach dem Dichter benannt sein
soll, weil dieser dadurch, dass er die Asvin um Regen angeht,
zum Regen in ein nahes Verhältniss tritt Schliesslich ist ''ftX
(>flvl*l) hier imd an einer andern SteUe Nomen proprium eines
Mannes.
Sehen wir uns die Strophe genauer an , so ergiebt sich so¬
gleieh, dass die erste Hälfte von einer den Asvin zugeschriebenen
That berichtet; aber auch die zweite Hälfte verräth bei näherer
Betrachtung eine einheitliche Ergänzung zur vorangehenden Hälfte.
Der Dativ verkündet, wozu|,die That der Asvin erfolgt, oder was
durch sie erreicht wird. dass, damit ist zwar überflüssig,
lässt sich aber als fulcrum des enklitischen fjH rechtfertigen.
"Rfisf*!^ kann als Gleichnis nur zum unmittelbar Vorangehenden
in Beziehung gebracht werden; daraus folgt, da.ss wie auch
sonst, als anaphorischer , hier auf ^«1 zu beziehender Accusativ
zu fassen ist. Nun fragt sich aber, wovon dieser Acc. abhängig
ist. Ich wage die kühne Vermutung, ^»ftrtfl|ifi«J sei als eine Art
von Infinitiv mit aktiver, Bedeutung zu erklären. Pür diese Auf¬
fassung spricht seine Stellung unmittelbar nach einem Accusativ,
vor Allem aber ftif das nur von ihm abhängig gedacht werden
kann. Einen gleichgebildeten Genossen, der für oder gegen mich
auftreten könnte, hat ^iftnflifri leider nicht. Ist dieses vielleicht
eine gewagte , nicht ganz gelungene Bildung unseres Diebters , die
keinen Anklang gefunden hat? Eine zum allgemeinen Sprach¬
gebrauch gewordene ähnliche Verirrung des Sprachgefühls ist im
Lateinischen die Konstruktion des sogenannten Gerundium mit einem
Accusativ, als wenn dieser ein richtiges Objekt darstellte. Das
Gerundium ist ja nichts Anderes als ein Casus obliquus des im¬
personalen Gerundivum, hat also wie dieses von Haus aus passive
Bedeutung. Im Sanskrit wird das entsprechende Participiura ne¬
cessitatis impersonale, das ich Nomen passionis zu benennen gewagt
habe, nicht mit dem Accusativ, sondem mit dem Genitiv konstruiert, der hier, streng genommen, kein objektiver, sondern ein subjektiver
Genitiv ist; es ist mein sogenanntes Nomen patientis. Diesen
Genitiv glaube ich auch im Lateinischen erkannt zu haben. Wenn
es in einer mir vorliegenden Schulgrammatik heisst: ,Zu den
Genitiven der persönUchen Pronomina me«', tui, sui, nostri, vestri
tritt das Gemndivum in derselben Endung ohne Rücksicht
1) Mit dieser Deutung von Säyanas Worten stimmt jetzt auch Baunack überein.
204 BöMlingk, MisceUen,
auf Numerus und Genus, z. B. noatri, veatn, tui videndi eat
copia'*, so ist naoh meinem Sprachgefühl videndi nicht Gerundivum,
sondern Gerundium, mein Nomen passionis, imd der Genitiv des
Pronomeng mein Nomen patientis. Dass schon die Bömer früh¬
zeitig das Gefühl für diese Konstruktion einbüssten und sie als
Kongruenzverhältnis empfanden , beweist wohl der ümstand , dass
sie auf den Genitiv des Gerundium beschränkt blieb. Vgl. meinen
Artikel „Über den impersonalen Gebrauch der Participia ijecess.
im Sanskrit" in Bd. 42 dieser Zeitschrift, S. 366 fgg. und BKSGW.
Bd. 49, S. 134 unten und S. 135. Karl Brugmann, dem ich
eine Korrektur dieses Artikels zusandte, schreibt mir, dass er meiner
Ansicht in Betreff von nostri n. s. w. videndi eat copia nicht bei¬
pflichte, und dass auch die nicht seltenen Ausdrücke wie exiemplorum
eligendi poteatas (Cicero) wohl nicht zu meinen Gunsten sprächen,
da sie auf eine natürlichere Weise gedeutet werden könnten. Die
ausfiihrlichen Auseinandersetzungen des Preundes, deren Gewicht
ich nioht verkenne, hier mitzuteilen würde zu viel Baum in An¬
sprach nehmen.
Bei meiner Auffassung von B^- 5, 74, 4 gestaltet sich die
Strophe zu einem sprachlich korrekten und leicht hinfliessenden
Satze. Meine Übersetzung lautet: Jhr treibt ja, o Advin, im
Waaaer achtoimm^den Sorna dem Faura zu, damit er aich deaaen
toie einea Löwen in der Falle bemächiige. Aus dem Vergleich
mit einem Löwen in der Falle ersieht man , dass die Aövin mit
List verfahren, um dem Paura fremden oder herrenlosen Soma
zuzuführen.'
Ich glanbe, wie es sich von selbst versteht, der Wahrheit
näher gekommen zu sein als meine Vorgänger, ob ich aber das
Bätsei endgültig gelöst habe, ist eine andere Frage. Baunacks
Artikel habe ich Mtmches zu verdanken.
205
Zur Exegese und Kritik der rituellen Sütras ').
Von W. Caland.
XVin. Zum Kausikasütra.
Der genaue Inhalt des ebenso schwierigen wie wichtigen Kausika¬
sütra wird sich erst nach jahrelanger fleissiger Beschäftigung mit
diesem und den verwandten Texten genügend bemeistem lassen. Zu
einer Übersetzung braucht es noch vieler, sehr vieler Vorarbeiten.
Über das Heiratsrituell, welches von Haas-Weber (Ind. Stud. V),
über die einzelnen rituellen Abschnitte, die von Bloomfield (Saered
Books of the East, vol. XLH, passim) und über das Bestattungs¬
rituell, welches von mir behandelt worden, ist noch bei weitem
das letzte Wort nicht gesagt. Auch nicht über Bloomfields Aus¬
gabe des Kausikasütra.
Allererst ist es in hohem Grade auffallend, dass bei der Fest¬
stellung des Textes die Haug'sche Handschrift (Nr. 49, neue Nummer
44), die doch allgemein zugänglich ist, gar nicht iDenutzt worden
ist, ja sogar mit keinem einzigen Worte ihrer gedacht wird. Die
einfachste Erklärung davon ist, dass Bloomfield sie nicht gekannt
hat, sonst hätte eine Erwähnung in der Einleitung, auch nur der
Vollständigkeit halber, nicht fehlen dürfen. Ich habe nur die ersten
Kan4ikSs und die beiden Adhyäyas über Viväha und Pitj-medha
verglichen und obschon ich nicht glaube, dass eine Benutzung dieser
Handschrift auf die Gestaltung des Textes grossen Einfiuss gehabt
haben würde , enthält sie doch manches beachtenswerte. So liest
z. B. unsere Handschrift 1, 16: daJcsinäpratyak; 4, \S: jyotismati;
20, 5: pürusam; 76, 27: supatnyäm; 79, 33: präjäpatyah (bis);
81, 20 -.jaghanyam; 81, 28: diraspädena; 84, 9: riktam kumbham;
86, 8: yathäparu; 88, 29: manobhiUamupäkvayäniti.
Der Text wird in der Haug'schen Handschrift so wie in den
übrigen Handschriften (Introduction to the Kauä. sü. p. XH) un¬
getrennt und durchlaufend , also in Sandhiform gegeben. Die
Trennung der Sütras beraht also, die ersten Adhyäyas vielleicht
ausgenommen, wo Därilas Bhäsya von einiger Hülfe war, bloss auf
1) Vgl. diese Zeitschrift LII, 425.
1 I