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Kompetenz − ein schwacher Begriff

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phIakzente 1/2012 21 Standpunkt |

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ahrscheinlich wird der eine Leser oder die andere Leserin schon beim Titel die Stirne runzeln und ver­

sucht sein, leicht angewidert schnell umzublättern. Darum sei hier sofort die zugespitze Aussage des Titels erläutert:

Schwach meint nicht schlecht; der Be­

griff «Kompetenz» ist wenig konturiert, allgemein und offen und daher, so mei­

ne These, wertvoll fürs Leben, aber kaum nützlich für die Wissenschaft.

«Kompetenz» heisst nach Fremdwör­

ter­Duden (Ausgabe 2001) Vermögen, Fähigkeit, Zuständigkeit, Befugnis. Und im allgemeinen Sprachgebrauch wird das Wort «Kompetenz» und vor allem das Adjektiv «kompetent» in einem sehr allgemeinen Sinne verwendet. Wir alle haben schon häufig eine Person als

«kompetent» (oder «inkompetent») be­

zeichnet, und unsere Gesprächspartner haben verstanden, was wir damit ge­

meint haben.

Entscheidend ist nun allerdings, dass mit diesem Wort wahrscheinlich bewusst das Diffuse mitgemeint ist.

Vielleicht ist das sogar das Entscheiden­

de: Wir wissen zwar ungefähr, was da­

mit gemeint ist, genauer können oder wollen wir aber die Fähigkeiten der Person nicht umschreiben. Alle Spra­

chen kennen solche schwachen Begrif­

fe, sie sind meines Erachtens für die Alltagskommunikation ganz wichtig.

Handlungswissen für Praxis

In jüngerer Vergangenheit hat sich die Erziehungswissenschaft des Begriffs be­

mächtigt und sich ihn nutzbar gemacht.

Dazu musste er zunächst möglichst prä­

zise definiert werden. Mittlerweile gilt Franz Weinerts Definition aus dem Jahr 2001 für den deutschen Sprachraum als Standard: Kompetenz ist «die bei Indi­

viduen verfügbaren oder durch sie er­

lernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme

zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozi­

alen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwor­

tungsvoll nutzen zu können.»

Damit haben wir eine Bandwurm­

definition, die einerseits selbstreferen­

ziell ist (Kompetenz ist die Fähigkeit – Fähigkeit ist die Kompetenz) und die sich anderseits aus vielen offenen, un­

klaren und mehrdeutigen Elementen zusammensetzt. Grundsätzlich ist eine solche Definition für die Wissenschaft kein Problem, solange sie als Hypothese diskutiert wird. Mir scheint dies jedoch nicht der Fall zu sein, und das ist be­

zeichnend für die Erziehungswissen­

schaft.

Unter dem Druck der Bildungsver­

waltung, die sich als oberste Steue­

rungsmacht im Bildungswesen versteht, will sie hauptsächlich Handlungswis­

sen für die Praxis generieren. Also: Was Kompetenzen sind, ist klar, nun gilt es

aufzuzeigen, wie alle Menschen – von Jung bis Alt – am wirksamsten ihre spe­

zifischen Kompetenzen erwerben kön­

nen.

Irrtum und Unsicherheit

Damit ist für mich die empirisch gewen­

dete Erziehungswissenschaft an einem Punkt, an dem die Physik Ende des 19.

Jahrhunderts war. Damals glaubte man, die Welt mit den bekannten physikali­

schen Gesetzen umfassend und endgül­

tig erklären zu können. Der Glaube hielt allerdings nicht lange, die Relativitäts­

theorie und die Quantenphysik verän­

derten das bestehende physikalische Weltbild radikal. Es entstand jedoch nicht einfach ein neues Weltbild, viel­

mehr wurden mit der Revolution die wissenschaftliche Unsicherheit und das Nichtwissen etabliert (z.B. durch Wer­

ner Heissenbergs Unschärferelation und Erwin Schrödingers Katze).

Irrtum und Unsicherheit scheinen heute für Physiker keine Schreckensge­

spenster zu sein, so schreibt z.B. Hans­

Peter Dürr in einem seiner Texte in bes­

ter Stimmung: «Ich habe als Physiker 50 Jahre lang – mein ganzes Forscherleben – damit verbracht, zu fragen, was ei­

gentlich hinter der Materie steckt. Das Ergebnis ist ganz einfach: Es gibt keine Materie!» Könnte es sich mit den Kom­

petenzen ähnlich verhalten?

Claudio Caduff ist Dozent für Fachdidaktik All- gemeinbildender Unterricht und Geschichte auf der Sekundarstufe II an der PH Zürich.

Im Standpunkt nehmen Persönlichkeiten Ste- lung zu einem aktuellen Thema aus dem Bil- dungsbereich. Ihre Aussagen müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen.

Claudio Caduff, Fachdidaktiker an der PH Zürich

Kompetenz − ein schwacher Begriff

«Es gilt aufzuzeigen, wie alle Menschen ihre spezifischen Kompetenzen erwer­

ben können.»

Claudio Caduff

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