Nach Operation mit Bart: Dr. Bruno Kreisky, der ehemalige österreichische Bundes- kanzler, bei einer Pressekonferenz in der Medizinischen Hochschule Hannover.
Links im Bild Professor Dr. Rudolf Pichlmayr Foto: Hans Jürgen Fratzer
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
KURZBERICHTE
Kreisky wirbt
um Nierenspender
Der frühere österreichische Bun- deskanzler, Dr. Bruno Kreisky (73), der am 22. April 1984 in der medizinischen Hochschule Han- nover eine neue Niere erhielt, ist der an Jahren älteste Empfänger einer Spender-Niere in Hannover, allerdings nach seinem biologi- schen Alter von erstaunlicher Vita- lität, wie sich auf einer Pressekon- ferenz mit Prof. Rudolf Pichlmayr am 30. Mai in der MHH Hannover zeigte. Kreisky schilderte dabei die körperlichen und seelischen Belastungen seiner „Dialyse-Jah- re", denn schon zu seiner Amts- zeit als Bundeskanzler wurde bei ihm eine (zunehmende) Nierenin- suffizienz festgestellt. Bis vor zweieinhalb Jahren waren die Kreatinwerte noch normal. Dann mußte er sich zwei- bis dreimal in der Woche einer Dialyse unterzie- hen, auch bei seinen zahlreichen Reisen ins Ausland. Ob er nun als Staatsgast kam oder als privater Gesprächspartner eines ausländi- schen Politikers, immer war in den Hauptstädten der Welt das Dialyse-Bett für ihn bereitgestellt.
Seitdem er auf die „Maschine"
angewiesen war, hatte er den dringenden Wunsch nach einer Nieren-Transplantation. Er kon- sultierte alle ihm zugänglichen Kapazitäten, so in New York, in der Schweiz, in England und in Kairo, und überall wurde ihm we- gen seines Alters von einer Ope- ration abgeraten. Pichlmayr, mit seinem in 16 Jahren gewachse- nen Team, entschloß sich dazu, nachdem sich schon nach den er- sten Untersuchungen ein beson- deres Vertrauensverhältnis zwi- schen dem Patienten und seinem Arzt herausgebildet hatte. Die Transplantation war seit längerer Zeit beschlossen. Ihr Termin hing nur von der Beschaffung eines ge- eigneten Transplantats ab. Inner- halb weniger Stunden entschied sich Kreisky am Ostersonntag 1984, nach Hannover zu kommen.
Er wurde am selben Tag operiert und am 31. Mai 1984 zu Himmel- fahrt entlassen.
Der prominente Patient ist nach seinen eigenen Erlebnissen in den Dialyse-Jahren und nach dem Erfolg seiner Nierentransplanta- tion zu einem Aufruf bereit, daß sich Ärzte und alle Mitmenschen vermehrt um die Beschaffung von Transplantationsorganen bemü-
hen. Er weiß aus seiner eigenen
„Wartezeit", daß die Genesungs- chancen weitgehend davon ab- hängen, daß die Transplantation noch zu einem geeigneten Zeit- punkt durchgeführt wird. Nach Angabe von Prof. Pichlmayr wer- den von Mitarbeitern der Medizi- nischen Hochschule Hannover jährlich 100 bis 120 Nieren explan- tiert. Etwa zwei Drittel davon wer- den außerhalb von Hannover ent- nommen. Diese Zahlen signalisie- ren die Mitarbeit von mittelgroßen Kliniken außerhalb von Hannover.
Sie wird gefördert durch Kontakt- gespräche zwischen deren Chef- ärzten und den Verantwortlichen der Medizinischen Hochschule Hannover und durch jetzt ange- laufene Fortbildungsveranstaltun- gen in den Lehrkrankenhäusern in ihrem Bereich.
In der Pressekonferenz wurde Pichlmayr auch die Frage gestellt, warum die Ärzte einem anderen prominenten Patienten nicht hät- ten helfen können, nämlich dem früheren sowjetischen Partei- und Staatschef Juriy Andropow. Pichl- mayr bestätigte, daß bei Andro- pow eine Nierentransplantation vorgenommen worden wäre. Ein- zelheiten über den offenbaren Mißerfolg und über die Krankheit dieses prominenten Staatsman- nes konnte er freilich nicht berich- ten. Wenn es für die Beschaffung eines geeigneten Transplantats und eventuell sogar für eine Ope- ration in Hannover keinen Eiser- nen Vorhang gegeben hätte ...
Dr. Hermann Kater, Hameln
—DR. FLEISS' BLÜTENLESE —
Schlichtes vom Alten
Adenauer nach einer Wahl- rede zu einem Journalisten:
„Wissen Sie, ich lese gerne etwas für einfache Gemüter, die Bildzeitung zum Bei- spiel. Man muß die Leute nehmen wie sie sind; es gibt keine anderen."
Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 28/29 vom 13. Juli 1984 (27) 2159