• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Brustzentren: Zwischen Lob und Kritik" (06.02.2009)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Brustzentren: Zwischen Lob und Kritik" (06.02.2009)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 6⏐⏐6. Februar 2009 A231

M E D I Z I N R E P O R T

M

it dem Ziel der Qualitätssi- cherung in der Onkologie geht der Wunsch nach etablierten Leitlinien einher. Bei einem ernsthaft durchgeführten Qualitätsmanage- mentsystem müssten aber auch diese Leitlinien einem ständigen Erneue- rungsprozess unterliegen, lautete der Tenor auf der Jahrestagung der Deut- schen (DGHO), Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Onkologie im Oktober 2008 in Wien. Außerdem müsse man bei einem Qualitäts- managementsystem auch strukturel- le Vorgehensweisen immer wieder auf ihren Nutzen hin überprüfen. So wurde in Wien des Weiteren die Rolle der Brustzentren kritisch hin- terfragt, die die folgende Kriterien erfüllen müssen:

c Mindestens 150 neu diagnosti- zierte Brustkrebserkrankungen soll ein Zentrum jährlich behandeln.

c Jeder Operateur soll mindestens 50 Eingriffe pro Jahr vornehmen.

c Die Therapie muss den aktuel- len Leitlinien entsprechen.

c Die Auswahl des Therapiere- gimes erfolgt gemeinsam mit der Patientin in einem multidiszipli- nären Team.

c Einmal wöchentlich werden multidisziplinäre Tumorkonferenzen durchgeführt.

Im Jahr 2008 bestand mit 228 zer- tifizierten Brustzentren in Deutsch- land eine fast flächendeckende Ver- sorgung, die von mehr als 50 Prozent der neu an Brustkrebs Erkrankten in Anspruch genommen werden. Aller- dings ist die Verteilung von Brust- krebszentren in den Bundesländern sehr unterschiedlich. So waren im Jahr 2008 in Mecklenburg-Vorpom- mern nur vier, in Baden-Württem- berg hingegen 50 Zentren zertifiziert.

Bezogen auf die Bevölkerungszahl ergeben sich große Unterschiede in der Versorgung, das heißt, pro Brust- krebszentrum müssen unterschied- lich viele Frauen behandelt werden.

Prof. Dr. med. Dieter Lutz (Linz/

Österreich) resümierte, dass im Ver- gleich mit anderen Versorgungsfor- men etablierter gesundheitsmedizi- nischer Systeme der Nachweis einer besseren und erfolgreicheren Be- treuung von Patientinnen mit Mam- makarzinom in einem Brustkrebs- zentrum bisher nicht erbracht werden konnte. Die Bildung von medizini- schen Zentren widerspreche zudem einer wohnortnahen medizinischen Versorgung der Bevölkerung. Die Betreuung von Brustkrebspatientin- nen in Zentren sei in weiten Berei- chen ländlicher Regionen kontrapro- duktiv, ineffektiv und teuer.

Leistungsvergleich von Brustzentren

Während die Struktur Brustzen- trum, besonders auch unter dem Aspekt der Aus- und Weiterbildung von Ärzten und der ökonomischen Gesichtspunkte, bei der DGHO-Ta- gung hinterfragt worden war, wur-

BRUSTZENTREN

Zwischen Lob und Kritik

Schlaglichter von den Tagungen der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie sowie der Deutschen Gesellschaft für Senologie

In einem Brustzentrum wird die Diagnostik zur Abklärung des Verdachts auf ein Mammakarzinom mit allen dazu not- wendigen Schritten bei einem einzigen Besuch durchge- führt.

Foto:ddp

(2)

A232 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 6⏐⏐6. Februar 2009

M E D I Z I N R E P O R T

den drei Wochen später bei der 28.

Jahrestagung der Deutschen Gesell- schaft für Senologie in Stuttgart be- reits erste Daten eines Benchmar- kings deutscher Brustzentren vorge- stellt. Der zunächst über vier Jahre laufende Leistungsvergleich habe sich als erfolgreich erwiesen, be- richtete der Präsident der Gesell- schaft, Prof. Dr. med. Diethelm Wallwiener (Tübingen). Die Bench- marking-Studie habe allerdings bis- her noch Pilotcharakter.

Sämtliche Brustzentren in Deutsch- land waren dazu aufgefordert wor- den, sich freiwillig von einem ex- ternen, unabhängigen Institut eva- luieren zu lassen. Das Projekt war zunächst 2003 mit 59 Zentren ge- startet, und im Jahr 2006 – dem letz- ten Jahr des nun ausgewerteten Vierjahreszeitraums – nahmen be- reits 202 Brustzentren teil. 2006 wurden bereits mehr als 25 000 neu diagnostizierte Brustkrebsfälle in der Studie dokumentiert. Das sei rund die Hälfte aller Brustkrebs- neuerkrankungen in Deutschland, sagte Wallwiener.

Jedes der teilnehmenden Zentren meldete seine verschlüsselten und anonymisierten Patientendaten halb- jährlich an das externe Evaluations- institut. Dort wurden die Daten gemäß den nationalen Leitlinien zur Brustkrebsfrüherkennung, zur Diag- nostik, Therapie und Nachsorge von Brusterkrankungen ausgewer- tet. Diese interdisziplinären Leitlini- en bilden auch die Grundlage für die Auszeichnung (Zertifizierung) eines Brustzentrums durch die Deutsche Krebsgesellschaft und die Deutsche Gesellschaft für Senologie.

Aus den Leitlinien wählten die Studienleiter zunächst neun, später zwölf Qualitätsindikatoren aus, die für den Leistungsvergleich zwi- schen den Zentren herangezogen wurden. Auf dieser Liste stehen dia- gnostische Kriterien – wie etwa die Bestimmung von Hormonrezepto- ren auf der Oberfläche der Krebs- zellen oder die Sicherung der Dia- gnose vor der Operation. Wie die Auswertung ergab, verbesserte sich die medizinische Versorgung der Patientinnen im Verlauf der Studie bereits deutlich. So stieg der Anteil der Patientinnen, die den Leitlinien

gemäß bestrahlt wurden, auf über 70 Prozent. Ebenso erhielten deut- lich mehr Patientinnen, deren Tu- moren hormonrezeptorpositiv wa- ren, eine angemessene antihormo- nelle Therapie: Ihr Anteil stieg auf 94 Prozent.

Diese Entwicklung sahen zwar die Studienorganisatoren als großen Erfolg an, gleichzeitig wiesen sie je- doch darauf hin, dass die bisheri- gen Qualitätsindikatoren lediglich stellvertretenden Charakter hätten.

„Letztlich muss die Qualität der me- dizinischen Versorgung danach be- urteilt werden, wie die Krankheit langfristig verläuft und wie lange die Patientinnen die Krebsdiagnose überleben“, so Wallwiener. Aussa- gen hierzu seien frühestens nach zehn Jahren möglich. Wallwiener zeigte sich überzeugt davon, dass diese schließlich nur eine Bestäti- gung der Leitlinien sein werden und kein Indikator für ein längeres Überleben durch die Behandlung in einem Brustzentrum.

Mammografie-Screening und S3-Leitlinien im Widerspruch?

Die Versorgung von Mammakarzi- nompatientinnen hat nach überwie- gender Meinung ein hohes Niveau.

Die Einrichtung und Zertifizierung von Brustzentren, die Überarbei- tung der S3-Leitlinien zum Brust- krebs und letztlich die Mammogra- fie-Screenings nach EU-Leitlinien hätten entscheidende Qualitätsver- besserungen gebracht, erläuterte Hilde Schulte, Bundesvorsitzende der Frauenselbsthilfe nach Krebs, auf der Senologietagung. Trotzdem bleibe leider ein defizitärer Bereich, der Aufmerksamkeit erfordere und Handlungsbedarf signalisiere.

Die Früherkennungsrichtlinie in der im Jahr 2004 geänderten Versi- on beschreibt ein gesetzlich geregel- tes Versorgungsangebot für Frauen zwischen dem 50. und 69. Lebens- jahr zur Teilnahme an einer Mam- mografie im Zweijahresabstand. Im Gegensatz hierzu erfolgt die Stu- fe(S)-3-Leitlinie Brustkrebsfrüher- kennung in ihrer aktualisierten Form von 2008 auf dem aktuellen evi- denz- und konsensbasierten Wis- sensstand und beschreibt ein um- fassendes und fachübergreifendes

Konzept von Anamnese, Risiko- beratung und klinischer Untersu- chung über apparative Diagnostik bis hin zur operativen Abklärung und pathomorphologischen Befun- dung. „Sie geht damit weit über das reine Mammografie-Screening- Programm hinaus“, sagte Prof.

Dr. med. Ingrid Schreer (Univer- sitäts-Klinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel) als stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Gesell- schaft für Senologie. Die S3-Leitli- nie sehe auch keine Altersbegren- zung bezüglich der Indikation Brust- krebsfrüherkennung vor, sondern beschreibe mittels Algorithmen die empfohlenen Vorgehensweisen bei asymptomatischen beziehungsweise symptomatischen Frauen.

Da das Mammografie-Scree- ning-Programm nur Frauen in der Altersgruppe der 50- bis 69-Jähri- gen erfasst, werden durch die Rei- henuntersuchung lediglich 50 Pro- zent der Brustkrebsfälle entdeckt:

Denn 20 Prozent der Frauen erkran- ken noch vor ihrem 50. Geburtstag und 30 Prozent nach ihrem 70. Le- bensjahr. Für Frauen mit einer Gen- mutation, bei denen Brustkrebs häu- fig im Alter von 30 bis 40 Jahren auftritt, liegt mit einem besonderen Früherkennungsprogramm und ei- nem besonderen Betreuungskon- zept an zwölf Zentren für familiären Brust- und Eierstockkrebs eine gute Versorgung vor. Das Problem besteht hier leider in mangelnder Informa- tion und Aufklärung und dem ge- ringen Bekanntheitsgrad des An- gebots. Problematisch ist auch die Lage für Frauen ab 70 Jahren. Die Inzidenz für Brustkrebs steigt nach dem 70. Lebensjahr noch an, im- merhin erkranken 30 Prozent der Frauen in diesem Alter.

Insofern lautete das Resümee des Senologiekongresses, dass für Frau- en außerhalb der Screeningpopulati- on, ob jung oder alt, ungeachtet des medizinischen Kenntnisstands ein Versorgungsdefizit mit verhängnis- vollen Folgen bestehe. Für diese Frauen müsse ein wirksames Früh- erkennungsangebot geschaffen wer- den, das sich auf eine fachübergrei- fende, qualitätsgesicherte Diagnose- kette stützen müsse. n Dr. rer. nat. Annette Junker

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Daß wir andere Werte nicht begreifen, glaubt Germaine Greer an unse- rer Entwicklungshilfe ab- zulesen: Während für die Frauen in Afrika oder Asien Unfruchtbarkeit das

Er entde____ te ein kleine Schne_____ e, die auf einem Blatt Papier auf dem Wasser trieb.. Um an ihr zu schnuppern, stre____te er sich solange bis er das Gleichgewicht verlor und

Um der Sache auf den Grund zu kommen, be- sorgte er sich von einem Er- krankten das Material, um sich damit selbst zu infizieren. Er handelte sich damit nicht nur den Tripper

Er schlägt daher vor, dass Fachgesellschaften zukünftig keine eigenen Leitlinien und keine neuen Krankheitsdefinitionen mehr erstellen sollten.. Dies habe grundsätzlich

viralen Therapie (HAART) Ende der 90er Jahre können HIV-Infizierte heute bis zu fünfzehn Jahre länger leben als noch vor einem Jahr- zehnt – vorausgesetzt, die Virusinfektion wird

5 Eine Gemeinde erhält den Zuschuss nur noch zur Hälfte ausbezahlt, solange auf ihrem Gebiet eine oder mehrere Anlagen oder Einrichtungen gemäss Anhang III des Gesetzes be- stehen,

Es gehört sich nicht, die Beweggründe von Patienten zu bewerten. Ich kann Wün- sche erfüllen oder versagen, je nach Indikation und ab- hängig von meiner morali- schen Überzeugung,

Sicher, es wird behauptet, daß die Unfallbilanz sich gebessert hat - jeder, der die Unfall- bilanzen jedoch seit vielen Jahren verfolgt (wie ich), weiß, daß dies nur Schwan-