A 2516 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 108|
Heft 47|
25. November 2011 Dank der Einführung der hochaktiven antiretro-viralen Therapie (HAART) Ende der 90er Jahre können HIV-Infizierte heute bis zu fünfzehn Jahre länger leben als noch vor einem Jahr- zehnt – vorausgesetzt, die Virusinfektion wird rechtzeitig diagnostiziert, so lautet das Ergeb- nis einer kürzlich publizierten Kohortenstudie (British Medical Journal 2011; 343: d6016).
Hierfür evaluierte Prof. Margret May von der Universität Bristol, Großbritannien, die Daten von 17 661 HIV-Infizierten, die zwischen 1996 und 2008 mit einer HAART begonnen hatten (UK Collaborative HIV Cohort Study). Ihren Be- rechnungen zufolge lebt ein zum Zeitpunkt der Infektion 20-jähriger Mann durchschnittlich noch 40 Jahre, eine gleichaltrige HIV-infizierte Frau sogar noch 50 Jahre.
Entscheidend ist nach Mays Studien, dass so früh wie möglich mit der Therapie begon-
nen wird. Beginnt ein 20-Jähriger seine Thera- pie bei einer CD4-Zellzahl zwischen 200 und 350 pro Mikroliter Blut, ist seine Lebenserwar- tung 53,4 Jahre; startet er mit der HAART zwi- schen 200 und 100 Zellen/mm3 sinkt die Le- benserwartung auf 41,0 Jahre und unter 100 Zellen/mm3 auf 37,9 Jahre. Als Reaktion auf die Studie forderte die größte britische Aids-Organisation, der Terrence Higgins Trust, eine verstärkte Testung auf HIV.
In Deutschland leben derzeit circa 73 000 Menschen mit dem HI-Virus (61 500 Männer, 11 500 Frauen und 200 Kinder), wie das Ro- bert-Koch-Institut (RKI) jetzt mitteilt. Danach wurde die Infektionskrankheit 2011 bei etwa 2 800 Personen neu diagnostiziert. Das ist we- niger als in den Vorjahren und betrifft auch die größte Betroffenengruppe der Männer, die Sex mit Männern haben. Damit sei nach einer
mehrjährigen Plateauphase bei der Zahl der Neudiagnosen jetzt eine Trendwende zu erken- nen, berichtet das RKI aus Anlass des Welt- Aids-Tages am 1. Dezember, der unter der bundesweiten Kampagne „Positiv zusammen leben. Aber sicher!“ steht.
Mit diesem Motto soll auf die Tatsache hin- gewiesen werden, dass auch in Deutschland immer noch Menschen mit HIV/Aids ausge- grenzt werden. „Die Angst vor Diskriminierung macht es vielen schwer, sich als HIV-positiv zu outen. Sie fürchten ausgegrenzt zu werden, vielleicht sogar den Arbeitsplatz oder Freund- schaften zu verlieren“, sagt die Direktorin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Prof. Dr. med. Elisabeth Pott. „Mit unserer Kampagne wenden wir uns gegen die Stigma- tisierung von Betroffenen.“
Dr. med. Vera Zylka-Menhorn
HIV: LÄNGERES LEBEN, WENIGER NEUINFEKTIONEN
Erneut hat der Wis- senschaftsrat (WR) die Qualität von Promo- tionen in der Medi- zin kritisiert. Das wis- senschaftliche Niveau der oft studienbeglei- tenden Doktorarbei- ten entspreche in der überwiegenden Zahl der Fälle nicht den Standards von Arbei- ten in anderen natur- wissenschaftlichen Fä- chern, heißt es im Po- sitionspapier „Anfor- derungen an die Quali- tätssicherung der Pro- motion“, das der Rat nach seinen Herbstsitzungen Mitte November in Berlin vorstellte.
Der Wissenschaftsrat empfiehlt zum wiederholten Male, den Dok- torgrad in der Medizin nur für Dis- sertationen zu verleihen, die einen substanziellen Beitrag zum wis - senschaftlichen Erkenntnisfortschritt leisten und deren Ergebnisse in ei- ner international anerkannten Zeit- schrift publiziert werden. Zur Fra- ge eines berufsbefähigenden Titels PROMOTIONEN
Wissenschaftsrat fordert höhere Qualität
will der WR zu einem späteren Zeitpunkt Vorschläge unterbreiten.
Ziel des Positionspapieres war es, zeitnah Stellung zu den Quali- tätsdebatten über Promotionen zu nehmen. Dabei plädiert der WR besonders für eine Doktoranden- ausbildung in stärkerer kollegialer Verantwortung. „Die Qualität der Promotion müssen neben den ein- zelnen Betreuerinnen und Betreu- ern auch die Universitäten als Trä- ger des Promotionsrechts mitverant- worten“, erläuterte Prof. Dr. Wolf-
Die Deutschen sind bei der Grip- peimpfung nach wie vor zurückhal- tend. Dies zeigen Auswertungen des Zentralinstituts für die kassenärztli- che Versorgung in Deutschland (ZI).
Demnach ließen sich im Winter 2008/2009 nur 41 Prozent der Per- sonen, für die eine Grippeimpfung empfohlen wird, impfen.
Der Auswertung zufolge zeigen sich auf regionaler Ebene deutliche GRIPPE
Niedrige Impfraten besonders im Westen
Doktorarbeiten in der Medizin hätten oft nicht das wis- senschaftliche Ni- veau wie in anderen Naturwissenschaf-
ten, sagt der Wis- senschaftsrat.
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gang Marquardt, Vorsitzender des WR. Konkret geht es darum, Pro- motionskomitees einzurichten, flä- chendeckend Betreuungsvereinba- rungen einzuführen und externe Doktoranden besser in Arbeitsgrup- pen zu integrieren. Der Deutsche Hochschulverband lehnte dagegen die Ablösung des persönlichen Ver- hältnisses zwischen Doktoranden und Doktorvater/-mutter zugunsten einer entpersonalisierten Zuwei- sung der Doktoranden an ein Pro- motionskomitee ab. ER
Unterschiede. „Dabei besteht insbe- sondere in den alten Bundesländern noch Aufholbedarf“, heißt es dazu aus dem ZI. In vielen Landkreisen der neuen Bundesländer hingegen liegen die Impfraten nahe am Impf- ziel der Weltgesundheitsorganisa - tion. Die Ost-West-Unterschiede könnten darin begründet sein, dass in der ehemaligen DDR eine Impf- pflicht bestand, so die Forscher. hil