Spektrum der Woche Aufsätze - Notizen FEUILLETON
Aus Glas gefügte
Kunstwerke
Der Glasmaler Horst Hähle, 1923 in Pommern geboren, seit mehr als ei- nem Jahrzehnt Bürger der Stadt Köln, hat seinen eigenen künstleri- schen Weg beschritten. Er versteht sich nicht als „Künstler am Bau", wie es seine Kollegen von den goti- schen Bauhütten einmal waren, in deren Richtung auch die Meister am Bauhaus zu Weimar und Dessau (1919-1932) ihre Ziele verfolgten. Er ist der Erfinder oder zumindest der moderne Erneuerer des „mobilen Glasbildes".
Das mag bei manchem Betrachter Assoziationen zu den „Cabinett- scheiben" von anno dazumal wek- ken und Hähle als einen „Traditiona- listen" erscheinen lassen. Doch während die mit Schwarzlot auf Glas gezeichneten Kabinettbilder im 15.
und 16. Jahrhundert oft nach Vorla- gen von Grafiken (nach Dürer, Schongauer u. a.) entstanden, sind Hähles Arbeiten weder Kopien oder Nachahmungen noch „bemalte Glasscheiben". Für ihn ist das Mate- rial, u. a. Zufälligkeiten, wie sie bei der Glasherstellung in den Hütten entstehen können, wesentliches In- strumentarium: Der „gelenkte Zu- fall" seiner Kompositionen aus Glas- scheiben wird zur künstlerischen Methode.
Als Paten seiner „Mobilen Glasbil- der" könnte man Phantasie und ein überaus ästhetisches Empfinden, perfektes handwerkliches Vermö- gen und Materialkenntnis bezeich- nen. Wie man, am Strand liegend, unter Umständen in den Wolken skurrile Szenen, gegenständliche Panoramen entdeckt, läßt sich Hähle von den verschiedenen, einstmals gesammelten Glasscheiben, die oft längere Zeit in seinem Atelier ste-
„Transplantation”
eines der „Mobilen Glasbilder" von Horst Hähle im Universitätsklinikum Köln
hen, zu seinen Arbeiten anregen.
Plötzlich ist die Idee zum Bild da, skizzenhaft notiert, entsteht hernach ein maßstabgerechter Karton.
Schließlich geht's ans Ausschneiden des Glasmosaiks und ans Einfassen durch Bleiruten und Stahlrahmen.
Horst Hähle kam vor nahezu zwan- zig Jahren zu seinen „Mobilen Glas- bildern" von symbolischem und ge- genstandsfreiem Charakter. Doch gleichzeitig entstanden und entste- hen auch Werke, in denen reale Bild- elemente wie Wolken und Bäume, eine Sanduhr, Tücher, Früchte, Mu- scheln eine wichtige Rolle spielen.
Wohlgemerkt, nicht von der Natur abgemalt! Nicht selten werden sie in einen Scheinraum hineingestellt, hier und da auch in mehrere, manchmal blickt man in ein von Bleiruten eingefaßtes Fenster, in ein Bild im Bild. Auch seine weiten Hori- zonte ließen sich zu den Stilmitteln des Surrealismus zählen.
Adäquat zum breitgefächerten Werk verraten auch die Bildtitel Hähles
„abstrakte" und gegenständliche Auffassung. In den teils poetisch teils wissenschaftlich anmutenden, manchmal auch nur registrierenden Titeln der mobilen Glasbilder offen- bart sich — wenngleich Namen nur andeutungsweise das Kunstwerk umschreiben können — Hähles Kunstauffassung: „Technologische Merkmale", „Floral vor Kupferrot",
„Blaue Schichtungen", „Organi- sches Rot", „Transplantation" (Ab- bildung), „Aufbruch" und „Flug- wind" — und über „Feuertropfen"
und „Mondphase" wird es konkre- ter: „Du mein stilles Tal" oder gar
„Spuren im Sand". G. 0.
Ausstellungs-Hinweis:
Horst Hähle, Köln: Mobile Glasbilder
— Ernst Krebs, München: Glasgravu- ren — vom 8. bis zum 29. November 1981 im Rahmen der Ausstellungen
„Kunst in der Universität Köln", Neu- bau der Universitätskliniken, Ebene 0. Die Vernissage ist am Sonntag, dem 8. November 1981, um 11.30 Uhr mit einer Einführung von Mu- seumsdirektor i. R. Günther Ott.
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 44 vom 29. Oktober 1981 2109