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Einmal monatlich zur Neumondszeit, in der Konjunktion des Mondes und der Sonne, tritt sie nämlich, teils als Morgensonne, teils als Abendsonne, mit dem Mond¬ gott in eheliche Verbindung

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(1)

Von Ditlef Nielsen, Kopenhagen

In altarabischen Inschriften ist die Sonnengöttin, hier die

einzige weibliche göttliche Gestalt, die große Muttergöttin,

die mit dem Mondgott als Vater, sämtliche lebendigen, himm¬

lischen und irdischen Wesen geboren hat').

Unter ihren vielen Namen und Beinamen kommt für uns

in diesem Zusammenhang hauptsächlich der Name 'Atirat in

Betracht.

Sie führt — wie es scheint — diesen Namen, dessen Be¬

deutung noch nicht ganz klar ist, als Braut oder Gattin des

Mondgottes. Einmal monatlich zur Neumondszeit, in der

Konjunktion des Mondes und der Sonne, tritt sie nämlich,

teils als Morgensonne, teils als Abendsonne, mit dem Mond¬

gott in eheliche Verbindung.

Weit nach Norden hat diese Vorstellung und dieser Name

sich verbreitet.

In der Teima-Inschrift aus Nordarabien finden wir, wie

in südarabischen Inschriften, die 'A§tra' neben dem Mond¬

gott Sin-galla, und überall auf nordsemitischem Gebiet finden

wir Reste von dieser ursprünglichen semitischen Mutter-

1) Jede Göttin ist hier eine iSams „Sonnengöttin" (Plur. aSmtls) wie bei den Akkaden jede Göttin eine lätar , .Venusgöttin" (Plur.

istaräti) (Hugo Winckleb: ZDMG 54. 1900, S. 408—420). Aber im alten

Südarabien ist jede Göttin auch eine Muttergöttin und ursprünglich eine Sams, was nicht bei den Akkadern der Fall ist, wo bekanntlich ver¬

schiedene andere Göttinnen — oder verschiedene ältere Phasen der¬

selben Muttergöttin — in IStar aufgegangen sind, und noch dazu ein¬

zelne Charakteristika des arabischen Venusgottes auf IStar übertragen sind (DiTL. Nielsen: Ras Samra-Mythologie und Biblische Mythologie,

1936, S. 63/64 in Abhandl. für die Kunde des Morgenlandes XXI, 4).

(2)

D. Nielsen, Die altsemitische Muttei^öttin 505

göttin, obwohl sie hier schon in sehr alter Zeit von der Venus¬

göttin Utar-'Astart ersetzt wurde.

Wie in früheren Arbeiten ausgeführt, ist die südsemitische

oder altarabische Religion in allen Punkten die älteste histo¬

risch erkennbare Stufe von semitischer Religion, und diese

Stufe hat sich noch teilweise in den sekundären nordsemiti¬

schen Religionsformen erhalten, die ebenfalls viele Reste der

altsumerischen, nichtsemitischen Religion bewahrt haben.

So sind auch in diesem Falle bei den Nordsemiten viel¬

fach Reste einer weiblichen Sonne vorhanden, obwohl die

Sonne in der regelrechten normalen nordsemitischen Religion

männlich ist und als Gott aufgefaßt wird. Demgemäß wären

auch bier Reste einer solaren Muttergöttin, Gemahlin des

obersten Gottes, zu erwarten. Solche Reste sind in der Tat

auch da, genau wie nicht verkennbare Reste der altsumeri¬

schen Muttergöttin, die ebenfalls ursprünglich nichts mit der

Venusgöttin IStar zu tun hatte, hier bewahrt sind.

In einer Inschrift aus der Hammurapi-Zeit wird ASratu

als Himmelskönigin und Braut des Gottes Martu oder Ram-

man (ein akkadischer Name des westsemitischen Mondgottes)

feierlich gepriesen. Wie sie auch sonst in akkadischen Texten,

neben Amurru, bei Sadt „Der Herr des Berges" als bellt seri

„Herrin der Wüste", oft genannt wird. Da Amurru der Gott

des Westlandes ist, wird ASratu (ASirtu) indirekt als Göttin

des Westlandes und direkt als Göttin der Wüste bezeichnet.

In palästinerisischen Briefen der Amarna-Zeit kommt sie

in Personennamen vor*). In altphönizischen Inschriften aus

Ras Samra (etwa 14. Jahrh. v. Chr.) spielt ASirat als Sonnen¬

göttin, Gemahlin des Hauptgottes El (ursprünglich der

Mondgott) und Mutter der vielen Sternenkinder als Mutter¬

göttin noch dieselbe Rolle wie in altarabischen Inschriften,

während in späteren phönizischen Texten die Muttergöttin

als Venusgöttin AStart auftritt. Endlich ist, wie bekannt, im

alten Testament nicbt selten von dieser Göttin die Rede.

1) Fb. Hommel, Aufs, und Abhandl. II, 1900, S. 206—213. E. Ebe¬

ling, Altor. Texte z. A. T., 2. Aufl. 1926, S. 338.

(3)

Früher hat man allerdings die Existenz einer Göttin

lASerah im Alten Testament vielfach angezweifelt') oder sie

mit der Göttin 'AStart identifiziert), aber das neue inschrift¬

liche Material über diese Göttin, besonders das Material von

den Ausgrabungen in Ras Samra, stimmt mit den Angaben

des Alten Testaments in schöner Weise überein.

Bevor aber das genauere Wesen dieser Göttin an der

Hand dieses neuen Materials erörtert wird, ist es notwendig,

auf eine Tendenz aufmerksam zu machen, die im Süden und

Westen des semitischen Gebietes den Göttergestalten —

darunter auch der Muttergöttin — ein ganz anderes Gepräge

gibt, als im Osten bei den Akkadern der Fall ist.

In der primitiven semitischen Mythologie, wie wir sie im

alten Arabien und in Kanaan vorfinden, begegnet uns eine

einfache Naturreligion, wo nur die drei wichtigsten Gestirne,

Mond, Sonne und Venusstern, als Vater, Mutter und Sohn

verehrt werden, und zwar — wie in früheren Arbeiten be¬

tont*) — in ganz anderer Weise als bei den Akkadern. Diese

einfache Götterdreiheit ist vom ausgedehnten babylonischen

Pantheon mit seinem Gewimmel von Göttern und Göttinnen

weit entfernt, aber der Hauptunterschied liegt dennoch in

zwei verschiedenen Entwicklungslinien, die noch nicht von

den Gelehrten in gebührender Weise gewürdigt worden sind.

1) So z. B. E. Meter, Artikel 'AStarte in Roschers ausf. Lexicon

der griech.-röm. Mythologie, Bd. I, 1884—90, Sp. 655, und B. Stade,

ZATW I, 1881, S. 345/46, IV, 1884, 294-296, VI, 1886, 318-326.

Geschichte des Volkes Israel I, 1887, S. 460—462.

2) So noch Ghessmann in der zweiten Ausgabe des Handbuches

„Die Religion in Geschichte und Gegenwart", Bd. I, 1927. 'ASerah ist

nur eine andere Namensform von 'AStart und = Istar 2. Kön. 23, 4. —

Vor nahezu hundert Jahren hat aber schon F. C. Movers (Die Phö¬

nizier, Bd. I, 1841, S. 560—584) die alttestam. 'ASerah als ursprüng¬

liche Muttergöttin und Xaturgöttin scharf von 'AStart unterschieden.

Ähnlich M. J. Laorakge, Etudes sur les religions Semitiques, 2. edit.,

Paris 1905, S. 120-123 (vgl. S. 175-180) mit vielen richtigen Be¬

merkungen und P. ToROE, Aschera und Astarte, 1902, der im „Ascheren¬

dienst einen uralten Bestandteil des volkstümlichen Kultus" sieht, S. 24.

3) Zuletzt in der .•Abhandlung: Ras Samra-Mythologie und Biblische

Theologie, Leipzig 1936 (AKM X.\I, 4), S. 2-6.

(4)

D. Nielsen, Die altsemitische Muttergöttin 507

Die Götter bei den Südsemiten, wie bei einigen alten nörd-

licben Völkern südsemitischer Herkunft, legen im Laufe der

Zeit ihre astrale Natur mehr und mehr ab und

werden schließlich zu unsichtbaren persönlichen

Wesen, während umgekehrt bei den ostsemitischen Akka¬

dern ursprünglich nicht astrale Gottheiten in Ge¬

stirngötter umwandelt werden.

In derjenigen sumerischen Religion, welche die Akkader

übernahmen, fmden wir von der ältesten Zeit ab starken

semitischen Einfluß ^). Es ist schwer zu konstatieren, welcher

Art die reinen sumerischen Göttergestalten — auch die

Muttergöttin — ursprünglich gewesen sind. Man wird aber

wieder und wieder zu der Annahme geführt, daß sie ursprüng¬

lich irdischer Natur, mit Mutter Erde als Muttergöttin, waren

und allmählich in überirdische persönliche Mächte umgeformt

wurden'').

Wie dem auch sei, sicher ist in jedem Fall, daß diese

sumerischen Götter bei den Akkadern mehr und mehr mit

Gestirnen identifiziert wurden, bis schließlich die ganze

Götterlehre in Astronomie und Astrologie ausmündet.

1) Dieser Einfluß ist nicht allein direkt astral, sondern zeigt sich auch in der wechselnden Stellung der Gottheiten innerhalb der Götter¬

familie. Wie z. B. bei den Semiten die ursprünglich weibliche Sonne

später männlich wird, so werden (solare?) mit nin ,, Herrin" anfangende

Namen der sumerischen Muttergöttin später für einen männlichen

Sonnengott verwendet (W. Förtsch, Religionsgesch. Untersuchungen,

S. 12/13 in MVAG, 19. Jahrg., 1914, Heft 1). Die Muttergöttin, ur¬

sprünglich Gemahlin des Hauptgottes und Mutter des göttlichen

Sohnes, wird bei den Sumerern wie bei den Semiten Tochter des Haupt¬

gottes und so Schwester des Gottessohnes ( Tammuz) — genau wie die

Muttergöttin unter wechselnden Namen in Arabien {Al-lat), Kanaan

{'Aiirat) und Babylonien-Assyrien {IStar).

2) Vgl. die Arbeiten St. Langdon's, besonders Tammuz and Ishtar,

Oxford 1914, Chapt. I/II, S. 1-113, und E. Briem, Studier over

Moder-och Fruktbarhetsgudinnorna i den Sumerisk-Babyloniska Reli¬

gionen, Lund (Diss.) 1918. — Zu „Mutter Erde" bei den Semiten vgl.

man die Artikel von A. Dietrich, Th. Nöldeke, P. Dhorme und E. Bbiem

in „Archiv für Religionswissenschaft", Bd. VIII, 1905, S. 1—50, S. 161

bis 166, S. 550ff.; Bd. XXIV, 1926, S. 179-195. Weitere Literatur¬

angaben D. Nielsen, Der dreieinige Gott, I, 1922, S. 219, 277ff., 323ff., 331 ff.

(5)

Der persönliche sumerische Schöpfergott wurde z. B. hier

als Gestirngott (Marduk) im Lichte der Sonne verehrt, wäh¬

rend bei den Süd- und Westsemiten ein Gestirngott, d. h. der

lunare Hauptgott, vom Monde emanzipiert, zum persönlichen

Schöpfer avanciert.

Ihm folgt in beiden Fällen die Muttergöttin.

Die Erkenntnis dieser beiden Entwicklungslinien löst mit

einem Schlage verschiedene Rätsel der altsemitischen Reli¬

gionsgeschichte, auch in der Entwicklungsgeschichte der

Muttergöttin, die früher unverständlich waren.

Sie erklärt z. B., warum die altarabische Religion schon

in ihren theophoren Personennamen sich so scharf von den

Personennamen der babylonisch-assyrischen Religion abhebt.

Seit 50 Jahren hat die Forschung innerhalb der Keil¬

schriftliteratur eine besondere Gruppe von Personennamen

herausgearbeitet, wo die gewöhnlichen astralen Namen der

Gottheit sehr selten sind, weit häufiger dagegen Verwandt¬

schaftsbezeichnungen, einfach der Name ilu „Gott" oder

andere Äquivalente, die dem Gotte ethische Eigenschaften

beilegen.

Diese Personennamen rühren von semitischen, aber nicht

babyl.-assyrischen, Bevölkerungselementen her, welche man

mit verschiedenen Namen — südarabisch, arabisch, kanaanä-

isch, aramäisch, westsemitisch, ostkanaanäisch, protoara-

mäisch, amoräisch usw. — benannt hat^).

Die Unklarheit in der Wahl der Namen für diese fremden

Bevölkerungsgruppen, die, obwohl sie an verschiedenen Orten

und zu verschiedenen Zeiten vorkommen, dennoch ein starkes

einheitliches Gepräge aufweisen, zeigt, wie hilflos man in der

Beurteilung dieses fremden Elements innerhalb oder am

Rande der Domäne der Keilschriftliteratur gewesen ist.

Die hohe religionsgeschichtliche Bedeutung dieser Per¬

sonennamen hat schon Fr. Hommel vor 40 Jahren erkannt.

1) Eine gute orientierende Übersicht über diese Frage gibt

P. Dhorme: Les Amorrheens, Revue Biblique, Tome 37 (1928), S. 63

bis 79, 160-180; Tome 39 (1930), S. 168-178; Tome 40 (1931), S. 161

bis 184 (besonders Tome 3", S. 65-78, 160-165; Tome 40, S. 183).

(6)

D. Nielsen, Die altsemitische Muttergöttin 509

In grammatischer, syntaktischer und besonders in religiöser

Hinsicht heben sie sich auf dem Hintergrund der echt akka¬

dischen Namen deuthch ab.

Im schroffen Gegensatz zu der akkadischen Nomenklatur,

die von Gestirnnamen wimmelt, sind hier Gestirnnamen als

Götternamen äußerst selten. Mond und Sonne als Gottheiten

— und zwar in ihrer altarabischen Form — sind wohl hier

und da belegt, aber solche Gestirnnamen verschwinden bei¬

nahe in der großen Menge von nichtastralen Götternamen,

besonders Verwandtschaftsnamen, die der Gottheit nach

menschlicher Art ethische, persönliche Eigenschaften zu¬

schreiben.

Die Muttergöttin, die überhaupt auf semitischem Gebiete,

besonders in der arabischen Kultur, weniger hervortritt, weil

die Frau hier im privaten wie im sozialen Leben eine sehr

untergeordnete Stellung innehatte, kommt hier selten zum

Vorschein, aber die allgemeine arabische Abkehr von Ge¬

stirnen und Gestirngöltern zeigt sich überall.

Diese Personennamen rühren alle von dem Kulturkreise

lier, wo die altarabische Religion seiner Zeit zu Hause gewesen

ist, d. h. nicht allein vom eigentlichen Arabien und der

arabisch-syrischen Wüste, sondern auch von denjenigen nörd¬

lichen Grenzländern, wo schon in uralter Zeit Einwanderer

aus den nördlichen Steppen in friedlicher oder feindlicher

Weise Niederlassungen gegründet haben.

Die Muttergöttin in Arabien

Wie der Hauptgott im alten Arabien als Stamm- oder

Volksgott allmählich seine ursprüngliche astrale Natur ablegt

und Vater eines sozialen Verbandes wird, so ist die gleiche

Entwicklungslinie hier auch bei derjenigen Muttergöttin zu

belegen, die immer an der Seite des obersten Gottes sich

befindet.

Daß diese Muttergöttin ursprünglich eine Sonnengöttin

war, geht schon daraus hervor, daß wir in diesem Kultur¬

kreise nur mit einer Göttin zu tun haben, die unter wech-

(7)

selnden Namen und Formen auftritt, aber oft direkt Sams

,. Sonne" heißt und als Sonnengöttin neben dem Mondgotte

als dessen Gemahlin erscheint.

Wo aber der Hauptgott den nichtastralen Namen 'II

{'Hah) ,,Gütt" führt, heißt sie ebenfalls einfach 'Hat {Ilahat)

,, Göttin", und in den nationalen Götteranrufungen der

Reichsinschriften, wo der oberste Gott als Nationalgott unter

einem besonderen nationalen, nichtastralen Namen angerufen

wird, tragt sie als Reichsgöttin und Gattin des Volksgottes

einen ebenfalls nichtastralen Namen.

In katabanischen Inschriften kommt die Muttergöttin

z. B. selten neben dem Mondgott {Warah, Sahar) vor, häufiger

neben dem Volksgott {'Amm, Wadd) als Gattin {'AUrat, Hukm)

des Nationalgottes und Mutter des Volkes wie des Königs.

In einer besonderen Gruppe der katabanischen Inschriften,

wo von einer männlichen und weiblichen Tempelgenossen¬

schaft des Volksgottes {'rbi Amm) die Rede ist'), werden

Opfergaben an den Nationalgott Amm erwähnt.

Wie Jahwe in den Elephantine-Texten die Opfergaben mit

einer weiblichen paredros teilen muß, so wird hier die Tempel¬

steuer nicht dem Amm allein, sondern dem Amm und der

'Atirat dargebracht =).

1) IMe Forscliung der Zulcuntl tiat zu entscheiden, ob diese Tempel- Icaste, die 'rbi 'mm. nach Rhodokanakis, ,,t)ie Ernährten des (Gottes) 'Amm", eine .\rt I.,eviten oder Tenificldiener sind oder — was wohl waliischeinlichor i.st — männlielie und \veil)liolie Hierodulen, wie die

Kedesim und Kedf^ol de.s .Mten Teslanu'nts. Sgl. die sogenannten

Hierodul-Inschriften aus Südarabien, wie 'M. 'Jß^ (min.) und den Kom¬

mentar dazu von .Nik. Rhodoka.nakis. .Studien I, S. 60 — 66 ,, besondere religiü.se Kategorie von Frauen, etwa geueilitc oder Gottesfrauen"

i'S. f.31 iSWA 178. -'i. 191.".;.

2) In einer liisrhrift Ol. 1601, Zeile il 6 bit nrfii n 'mm Im

Tempel der (Göttin) «r/"« und des (Gottes) '.Vmni . . ." wird — wie es scheint — '.Atjrnt durch »rfi< ersetzt — wohl ein anderer Name der¬

selben Göttin. \f.'l. Nile. Rhodoka.nakis, Katab. Texte zur Bodenwiri- sfhaft. 1, l'.M'.', S. 7. 9. f^tudien III, l'.";il, .s. 41 zu SR 95 = G!. tu,', wo iirf.i wie Sams als mndh ,,Scliulzgö!tin" auftritt. G. Rvck- MANs, Les noms propres Siid-Semitii]ues. li:>i, S. 12. Makia Höpner, WZKM ßd. '.2, I9:>5. S. 43 zu SE 123.

(8)

D. Nielsen, Die altseinilische Muttergöttin 511

Die Muttergöttin, die überall im alt arabischen Kultur¬

kreis als ,, Braut" oder Gemahlin des Hauptgottes figuriert,

tritt hier neben dem Nationalgott, wahrscheinlich als seine

Ehefrau, auf).

So verstehen wir, daß in anderen katabanischen Texten

nicht vom Tempel des Wadd die Rede ist, sondern vom

„Tempel des Wadd un d der 'Atiral" bit ud^ u Hrl. Die Mutter¬

göttin 'A tirat tritt hier als Inhaberin des nationalen Tempels aus¬

nahmsweise neben dern Volksgott diesem gleichwertig, auf^).

Wie Atiral hier neben dem minäischen Nationalgott

Wadd auftritt, so kommt sie bei den Minäern in einigen recht

dunklen Inschriften vor, wo eine Übersetzung vorderhand

nicht möglich ist, sowie im Monatsnamen Dii-Aiiral.

Sie ist wahrscheinlich auch mit derjenigen Muttergöttin

identisch, die bei den Sabäern als Geburtsgöttin, Göttin der

Weiber und der Familie belegt ist, und unter anderen Namen

auch den Namen 'Umm-'attar ,, Mutter des 'Attar" führt. In

einer sabäischen Inschrift, CIS IV, Tome 2, 1920, Nr. 544,

weiht ein Ehepaar dieser ' Umm-' altar vier Bilder (Statuetten)

aus Gold ,,zum Danke dafür, daß 'Umm-'attar ihnen geschenkt

hat einen Knaben und drei Töchter, daß alle diese Kinder

am Leben blieben und daß ihr Herz sich erfreute an diesen

Kindern"^).

Unter den Inschriften, die der dänische Missionar Oluf

Höver nach Dänemark gebracht hat, befindet sich ein Text

Höyer Nr. 11 (= Rev. Semitique 1908, S. 229, Nr. 5), offenbar

1) Olaserinschr. Nr. IGOl, 1602, 1395 (= 160'i = d. li. Südarab.

Exped. 84), 1412 (= 1612 = SE 81). .Siehe Nik. Ruodokanakis, Katab.

Texte zur Bodenwirtscliaft 1," Wien 1919, S. 1-132 (SW-\ 194). S. 106:

,,tjber die Göttin 'Atirat vgl. Hommel, .\ufs. u. Abh., S. 150, Note 4, 157, Note 2. Sie ist die Gemahlin des 'Amin, bei den Minäern des Wadd."

2) Fr. Hommel, Aufs. u. Abhandi. II, München 1900, S. 150,

157, Anm. 2, 159, Anm. 2, 206-213. Ditlef Nielsen, Neue Kataba¬

nische Inschriften, Berlin 1904, zu Glaserinsclir. Nr. 1600, S. off.,

besond. S. 7/8 (MVAG 11,4. 1906). Vgl. G. Ryckmans, Les noms

propres Sud-Semitiques I, Louvaire 1934, S. 7.

3) Ditlef Nielsen, Der dreieinige Gott in rel.-hist. Beleuchtung,

Bd. I, 1922, Kap. 8. Die Mutter. S. 317-323: Die arabische Mutter¬

göttin als Sonnengöttin in sabäischen Inschriften.

Zeitschrift d. D.MG Bd. 92 (Xeue Folge Bd. 17) 33

(9)

katabanisch, wo der Dedikator der Göttin 'Atirat neun „Bil¬

der?", bht, weiht') — wahrscheinlich für neun Kinder.

In drei vom Verfasser im Jahre 1906 veröffentlichten

katabanischen Inschriften kam in den Götteranrufungen ein

Name hukm vor, den ich Hukm vokalisierte und ähnlich wie

der Gottesname Wadd ,, Liebe" und andere abstrakte Götter¬

namen nach arabisch hukm mit „Weisheit" übersetzte, indem

die personifizierte und theifizierte Weisheit Hokmah, die als

göttliches Wesen in der alttestamentlichen Weisheitsliteratur

eine so große Rolle spielt, als Parallele herangezogen wurde 2).

Später, wo ich die regelmäßige schematische Reihenfolge

der Götter in den südarabischen Götteranrufungen dazu be¬

nutzte, die Götternamen dieser Formeln auf die drei großen

Gottheiten zu verteilen, die allen südarabischen Völkern ge¬

meinsam sind, deuteten die damals zu Gebote stehenden

katabanischen Götterlisten in die Richtung, daß Huhn

ursprünglich ein Beiname des Mondgottes sein müßte, was

auch damit übereinstimmte, daß Weisheit überall ein stehen¬

des Epithet dieses Gottes war').

In später publizierten katabanischen Texten lassen aber

die Götteranrufungen die Möglichkeit offen, daß Hukm zu

den weiblichen Götternamen gehört und also die Mutter¬

göttin bezeichnet*).

1) Vgl. zu bht Mordtmann-Mittwoch, Sabäische Inschriften,

1931 (Hamburg. Univ.-.\bhandlungen Bd. 36), S. 209-211 zu Nr. 162.

2) Neue katabanische Inschriften S. 15 (MVAG 11, Jahrg. 1906,

Heft 5); vgl. -Abstrakte Götternamen, OLZ 1915, S. 289/290 als ur¬

sprüngliche Adjektiva und Beinamen eines persönlichen Gottes, Sp.291:

,,Der persönliche Gott ist bei den Semiten stets aus einem konkreten

Naturobjekt entstanden, und in den abstrakten Götternamen, oder

richtiger Götter-Beinamen, beurkundet sich die stetige Vergeistung

dieses Naturgotles."

3) Melanges Hartwig Derenboübg, Paris 1909, Die südarabische

Göttertrias, S. 187-195. Der sabäische Gott Ilmuhah in MVAG

14, 1909 ,,Die südarabischen Götter, S. 57/58. Der dreieinige Gott in

rel.-hist. Beleuchtung, Kopenhagen 1922, S. 8", 122, 147.

4) So z. B. in den beiden von .Maria Hofner veröffentlichten kata¬

banischen Texten von der südarabischen Expedition (SE) Gl. 1422

(10)

D. Nielsen, Die altsemitisclie Muttergöttin 513

Nach dem Gebrauch des Namens außerhalb der Götter¬

anrufungen in katabanischen Inschriften muß diese Möglich¬

keit als Wahrscheinlichkeit bezeichnet werden. In Gl. 1415

sind 'Amm und Hukm eher ein Götterpaar wie 'Amm und

Atirat, also zwei verschiedene göttliche Personen, als zwei

Namen desselben Gottes i), und in häufigen katabanischen

Formeln, wo der Priesterfürst {mkrb) im mythologischen

Sinne sich als bkr 'nbi u hukm, bakur 'Anbai wa-Hukm, „erst¬

geborener 'Anbai's und Hukm's" bezeichnetist dieses

Götterpaar wahrscheinlich — ungefähr wie bereits Fr. Hom-

MKii vermutet hat') — der nationale Hauptgott und seine

Gemahhn.

Der südarabische Priesterfürst und König ist ja wie der

äthiopische, phönizische, israelitische und nordarabische Herr¬

scher Sohn des obersten Gottes. Er hat aber natürlicher¬

weise auch eine Mutter gehabt. Hier ist wahrscheinlich von

dieser Mutter die Rede, die dann, wie vielfach in nordsemi¬

tischer und sumerischer Mythologie die große himmlische

Muttergöttin ist.

Bei den Israeliten ist der König der Sohn Jahwes, wie bei

den Katabanen der Sohn 'Anbai's, Ps. 2,7. Wie aber der

(= Gl. 1620 = SE 90) und SE 99, WZKM Bd. 42 (1935), S. 35 ff. und

S. 41 ff. — 'Amm und 'Anbai {'nbt) sind hier, wie auch sonst, zwei

Namen des nationalen Hauptgottes. Bvkm und die folgenden mit dat-

angehenden Namen bezeichnen wahrscheinlich alle seine Gattin. Das¬

selbe ist wahrscheinlich dann auch in den oben genannten zuerst

publizierten drei katabanischen Inschriften der Fall.

1) Vgl. NiK. Rhodokanakis, Die Inschriften an der Mauer von

Kofelän-Timna', Wien 1924 (SWA 200, 2), S. 33 und die dort angeführte

Literatur, wozu jetzt G. Ryckmans, Les noms propres Sud-S6mitiques I,

1934, S. 12/13 nachzutragen ist. „Ici la distinction entre les divinitös semble nettement etablie" S. 13.

2) Vgl. die Texte bei N. Rhodokanakis, Inschriften ... von

Kofelän-Timna, Wien u. Leipzig 1924, S. 37—49.

3) Ethnologie und Geographie des alten Orients, München 1904 bis

1926, S. 660/661. Nur ist 'Anbai kaum Sohn des Mmm — dafür gibt

es in den Texten keinen Anhaltspunkt —, sondern vielmehr ein anderer

Name des katabanischen Hauptgottes 'Amm (vgl. G. Ryckmans,

Les noms propres Sud-S6mitiques I, 1934, S. 6).

3 33«

(11)

israelitische König nach Ps. 110, 3 ursprünglich von de^-

solaren Göttin Sahar geboren wurde, so hat der katabanische

König hier wahrscheinlich die solare Göttin Hukm „Weisheit"

zur Mutter 1).

Wenn sie aber Mutter des Königs sein sollte, dann ist sie

als Gemahlin des obersten Gottes wahrscheinlich auch die

Mutter des Volkes.

Man beachte nämlich, daß die Muttergöttin in Anrufungen,

wie auch sonst, regelmäßig neben dem Nationalgott als

Nationalgöttin erscheint, wie sie auch das Nationalheiligtum

mit ihm teilt. Da nun der Hauptgott überall gerade als

Nationalgott der Vater des Volkes war, muß sie als einzige

Göttin die Mutter der Nation sein. Wie der Vater als Urahn

oder Stammvater das Volk erzeugt hat, so hat wohl sie natur¬

gemäß als Urmutter das Volk geboren, wenn auch wie ge¬

wöhnhch bei den Semiten nur der Vater in der Genealogie

genannt wird. Das israelitische Volk ist wie bekannt der Sohn

Jahwes, Exod. 4, 22, Hos. 11, 1, die Minäer aulad{a) wadd

„Die Söhne des Wadd", Saba walad 'ilmuhah ,,Der Sohn des

Ilmukah", Kataban walad 'amm ,,Der Sohn des 'Amm".

Vielleicht haben wir dennoch einen Beleg für Hukm als

Mutter der Katabaner auf dem Obelisk von Kohlan, wo auf

der Westseite Zeile 4/5 dhbu hukm mit uld 'mm, walad 'Amm,

„Sohn des 'Amm" anscheinend parallel steht. Allerdings ist

die genaue Bedeutung des dhbu vorläufig nicht ganz klar").

Der lunare Hauptgott ist allerdings bei den Semiten viel-

1) Handbuch der altarab. Altertumskunde I, 1927, S. 233/234.

Ras Samra-Mythologie und Biblische Theologie, 1936, S. 112/113.

Über IStar und die sumerische Muttergöttin als Mutter des Königs

vgl. H.Zimmern, KAT», 1903, S. 379, und die Zitate bei E. Briem,

Moder-och Fruktbarhetsgudinnorna i den Sumerisk-Babyloniska Reli¬

gionen, Lund (Diss.) 1918, S. 12, 13, 14 (und passim); St. H. Langdon,

The Mythology of all Races, Vol. V Semitic, 1931, S. 13, 158 (und

passim). Charles F. Jean in L'Ethnographie, Nouv. S6rie No. 31,

15. Dec. 1935, sub Nin-hugr-sag S. 49.

2) Maria Höpner, WZKM 42, 1935, S. 50tt. übersetzt: „die so

dem Jfukm folgen, und die ualad 'Amm und die Gemeinde von Timna'

(der IBLataban-Hauptstadt) und die Gemeinde der ualad 'Amm".

(12)

D. Nielsen, Die altsemitische Muttergöttin 515

fach der „Weise", aber Weisheit wird auch der Muttergöttin

zugeschrieben 1). Wie bekannt heißt sie geradezu in der

jüdischen und gnostischen Weisheitshteratur ,, Weisheit"

Hokmah, Sofia, wie wahrscheinhch schon in den hier behan¬

delten Texten der altarabischen (katabanischen) Mythologie.

Wenn aber Hukm wie 'Atirat ein Name der alten süd¬

arabischen Muttergöttin sein sollte, dann läßt sich der Schluß

kaum vermeiden, daß sie als Weib des lunaren Hauptgottes

auch hier den einfachen Namen ,,Das Weib" Hurm-an, arab.

al-hurm, getragen hat.

In der schon behandelten katabanischen Inschrift Gl. 1405

ist das Götterpaar Amm und Hukm offenbar mit den beiden

Gottheiten identisch, die später in der gleichen Inschrift

Warah wa Hurm-an heißen und durch die Dualform des Pro¬

nomens -Smi deutlich als zwei Gottheiten bezeichnet werden.

Hier entspricht Warah ,,Mond" dem Amm „Vater", d. h.

dem katabanischen Volksgotte, dessen ursprüngliche lunare

Natur, schon durch diese Gleichsetzung hier belegt wird. Die

Hurm „Das Weib" oder „Die Frau", wird als Gattin des

lunaren Gottes mit derjenigen Göttin identisch sein, die oben

Hukm „Weisheit" heißt").

Die minäischen Inschriften geben über die Muttergöttin

wenig Auskunft. Die sabäischen mit dat- angehenden Namen,

die wegen ihrer weiblichen Form Beinamen dieser Göttin

sein müssen, sind uns leider vorderhand noch ziemlich

dunkel'), um so mehr müssen wir dafür dankbar sein, daß

1) Vgl. z. B. H. Zimmern, KAT», 1903, S. 432 „Göttin der Weis¬

heit", S. 439; W. F. Albright, The Godess of Life and Wisdom, AJSLL, Vol. 36, 1919/1920, S. 258-294, bes. IV, S. 285-294.

2) Fr. Hümmel, Ethnologie S. 664/665 erklärt hrmt im Corpus

Nr. 366 (= Hai. 50, Gl. 901, 1530, 1531) als eine Göttin Harimat und

Gemahlin des sabäischen Nationalgottes Ilmuhah, faßt aber S. 141 Hrmn als Hariman (d. i. ,,der Verwehrende" und dann = Saturn als der ab¬

nehmende Mond) in der Inschrift Gl. 1405 (= Derenb. II) als Mond¬

name auf, wie ich selbst früher getan habe (Der dreieinige Gott I, S. 87, 147; Handbuch I, S. 215).

3) Zu den verschiedenen Namen der altarabischen Göttin vgl.

"WtFell, Südarabische Studien I, Zur Erklärung der sabäischen Götter-

(13)

Texte aus dem alten Königreich Kataban, durch Eduard

Glaser's gefahrvolle Reisen für die Wissenschaft gerettet und

durch Nie. Rhodokanakis' unermüdliche Spezialforschungen

weiteren Kreisen zugänglich gemacht, über eine Gottheit

etwas Licht werfen, die für den späteren Verlauf der semiti¬

schen Religionsgeschichte eine eminente Bedeutung gehabt hat.

Die schon gewonnenen Aufschlüsse genügen, um auch bei

der Muttergöttin die Entwicklung zu belegen, die bei allen

Gottheiten im alten Arabien, Palästina und Phönizien be¬

merkbar ist. Ihre ursprünglich astrale Natur wird allmählich

abgestreift, und eine unsichtbare Gottheit mit menschen¬

ähnlichen Zügen tritt als Vater, Mutter oder König des

Stammes oder des Volkes an die Stelle des sichtbaren Ge¬

stirns.

Die Volksreligionen im alten Arabien bieten besonders

genaue Analogien zu der Volksreligion im alten Palästina, wie

sie in den Nachrichten des Alten Testaments geschildert wird.

Hier ist nicht allein wie im südlichen Arabien ein ursprünglich

lunarer Hauptgott El (Elohim), der als nationaler Gott und

Vater des Volkes einen besonderen Namen führt, sondern

auch eine Muttergöttin, welche dieselben Namen, 'ASerah,

Hokmah, wie im alten Arabien trägt und als Gattin des

Nationalgottes wie als Mutter des Königs auftritt.

Schon die beiden Namen Atirat und Hukm für dieselbe

Göttin zeigen z. B., daß Hokmah im Alten Testament nicht —

wie gewöhnlich angenommen — ein spätes philosophisches

Kunstprodukt der hellenistischen Zeit ist, sondern nur in

abgeblaßter Form eine Variante der altisraelitischen , (heid¬

nischen" Göttin ASerah ist.

Das Vorkommen der Göttin Hukm in alten katabanischen

Inschriften zeigt ferner, daß diese Gestalt nicht speziell

israelitischer — oder wie vielfach vermutet — assyrisch-baby¬

lonischer Herkunft ist, sondern als altarabische Göttin zu der

namen, ZDMG, Bd. 54,1900, S. 238 —251; „Handbuch der altarabischen

Altertumskunde", Bd. I, 1927, S. 224-228, und G. Ryckmans, Les

noms propres Sud-S6mitiques, Tome I, 1934; Noms divins S. 1—35.

(14)

D. Nielsen, Die altsemitisclie Muttergöttin 517

ältesten primitiven Schicht semitischer Mythologie gehört.

Hier hat allerdings „Weisheit" die spezielle Bedeutung

„sexuelle Weisheit", indem Hukm wie 'Atirat die Mutter¬

göttin als Fruchtbarkeitsgöttin bezeichnet.

Die Königreiche im alten Arabien waren wie das israeli¬

tische Beich auf Stämmen aufgebaut, die niemals ihre Selb¬

ständigkeit verloren. In ähnlicher Weise wurde die Reichs¬

religion auf der Stammesreligion aufgebaut, ohne daß die

letztere dadurch verschwand. Sie wurde nur der Reichs¬

religion untergeordnet.

Wie Rhodokanakis geschildert hat, war der Stamm das

bleibende soziale Element in allen südarabischen Reichen,

die als Stammesorganisationen zu betrachten sind. ,,Volk ist

aber zunächst jener Stamm, der später die Führung über die

ihm angegliederten, politisch nicht durchweg gleichgestellten

Stämme übernimmt »).'"

In ähnlicher Weise sind die Volksgötter, mit dem Haupt¬

gott als besonderem Nationalgott und Vater des Volkes,

zunächst die Götter des führenden Stammes, dann aber

werden die übrigen Stammesgötter diesen Göttern unter¬

geordnet nach einem gemeinsamen Schema, ebenso stereotyp

wie das Schema der Götteranrufungen. Eine genauere Er¬

örterung dieser Vorgänge würde ein besonderes und großes

Kapitel in Anspruch nehmen, ist aber nicht ohne Interesse

für das Verständnis des Anfangs und der Ausbreitung der

/aA«;e-Religion in Palästina.

Nach dem Zusammenbruch der südarabischen Staaten

verschwinden die großen Reichsgötter plötzlich von der

Bühne, während der israelitische Volksgott, nachdem das

israelitische Reich aufgehört hatte, und die Stammesgott¬

heiten längst verschollen waren, in der vergeistigten jüdischen

Religion alle anderen semitischen Volksgötter überlebt.

Auch hier folgt die semitische Muttergöttin dem göttlichen

1) Handbuch der altarabischen Altertumskunde, 1. Bd., 1927,

Kap. 3, S. 119. Die Stämme sind Staatenkeime, S. 121. „Der Gott

Almaliah des . . .-Stammes Saba ist noch später der oberste sabäische Ueichsgott", S. 1^0.

3 I •

(15)

Vater. Als eine weibliche göttliche Hypostase lebt sie noch

als Geist oder Weisheit (Hokmah, Sophia) in der spätjüdischen

Weisheitsliteratur und als weiblicher Heiliger Geist später im

Christentum, bei den Katholiken als Mutter Maria.

Nach dem Untergang der'Südarabischen Staatsbildungen

treten die alten Stammesgottheiten, die existiert hatten,

bevor die Königreiche gebildet wurden, und innerhalb oder

wohl richtiger unterhalb der Reichsreligion ein schatten¬

artiges Dasein gefristet hatten, wieder auf den Plan.

Schon in den politischen Wirren der spätsabäischen nach¬

christlichen Zeit, wo die innere Auflösung der Großreiche

anfängt, treten Stammes- (und Familien-) Gottheiten, dar¬

unter auch die Muttergöttin, stärker hervor. Inschriften aus

Nordarabien aus der nachchristlichen Zeit (Thamud, Safa)

geben dasselbe Bild.

Das Wiederaufleben dieser Gestalten bedeutet aber

keineswegs ein Wiederaufleben des Gestirndienstes. Im

Gegenteil. Gewöhnlich treten sie unter nichtastralen Namen

auf, weil der Gestirnkult in dieser Periode seine ursprüng¬

liche Kraft verloren hat. Aus den Gestirngöttern sind in der

Regel unsichtbare menschenähnliche Personen geworden.

Die spärlichen Nachrichten der muslimischen Überliefe¬

rung, die L. Krkhl und J. Wellhausen, hauptsächlich aus

dem Werk des Ibn al-Kelbi, gesammelt haben, deuten in

dieselbe Richtung; das Zeugnis des Korans ebenfalls.

Der kulturelle Rückschritt nach dem Zusammenbruch der

großen Staaten im Süden ist auch in der Auffassung der

Gottheiten bemerkbar. Anstatt einer Weiterführung der

vielen Anläufe zu einer ethischen geistigen Auffassung der

göttlichen Vater- und Muttergestalt, die in der Reichsreligion

der südarabischen Völker vorhanden sind, ist im Gegenteil

ein Rückfall zu derjenigen Zeugungsreligion zu konstatieren,

welche die ursprüngliche Form der Verwandtschaftsreligion

als Naturreligion war.

Das göttliche Ehepaar ist Vater und Mutter im materiah-

stischen, physischen Sinne des Wortes. In der heiligen Ehe

tritt die rohe, animalische Seite des Verhältnisses, Kinder-

(16)

D. Nielsen, Die altsemitische Muttergöttin 519

erzeugung und Kindergeburt, so stark hervor, daß Muhammed

immer wieder dagegen polemisieren muß. „Al-Muharrik war

ein Götze der Bakr b. Väil . . . Nahm ein Götze der Muzaina,

Bu(}ä ein Götze der Bann Rabi'a, Sa'ad ein Götze der Banu

Milkän, yams ein Götze der Banu Tamim, Su'air ein Götze

der Anaza, 'Al-Ukaisir ein Götze der Kudä'a usw.", so lauten

gewöhnlich die Aussagen des Ibn al-Kelbi.

Obwohl hier gelegentlich von weiblichen und astralen

Gottheiten die Rede ist, so erfahren wir aus dieser Quelle

sehr wenig über das Schicksal der arabischen Muttergöttin

in der letzten Periode des sterbenden arabischen Heidentums.

Noch weniger kann aus diesem Material allein ihre ursprüng¬

liche Natur — wie überhaupt das ursprüngliche Wesen der

arabischen Götter — erschlossen werden i).

1) Robertson-Smith hat hier mit großem Scharfsinn die funda¬

mentalen Ideen der Religion als Verwandtschaft zwischen Götter und

Menschen bloßgelegt, aber in totemistischen Hypothesen befangen,

findet er als ursprüngliche Grundlage nicht Verwandtschaft mit himm¬

lischen Mächten, sondern mit gewissen Tieren. In ähnlicher Weise

beeinflußt die seinerzeit landläufige Matriarchats-Theorie seine Auf¬

fassung von der Muttergöttin: ,,Sie erscheint in Verbindung mit Kulten, die in Zeiten der Polyandrie und der Bestimmung der Verwandtschaft nach dem Weibe zurückreichen." Die Religion der Semiten, Deutsche

Ausgabe 1899, Weibliche Gottheiten als Mutter S. 39 — 42, Der Tote¬

mismus S. 87-92 (vgl. S. 95, Note 136).

J. Wellhausen hat den sozialen Charakter der arabischen Götter

erkannt und ist der Annahme eines ursprünglichen semitischen Gestirn¬

dienstes nicht abgeneigt. Er polemisiert gegen Renan's Lehre von dem

monotheistischen Instinkt der Semiten, und — merkwürdigerweise —

auch gegen die Behauptung, ,,es sei im Gegenteil der sexuelle Dualismus,

mit dem daraus entspringenden Prozeß des Zeugens und des Gebärens,

das wichtigste Merkmal ihres Gottesbegriffes", Reste arabischen

Heidentums, 2. Au.sgabe 1897, Die Natur der Götter S. 208-214.

Demzufolge hat er für eine Muttergöttin keinen Platz.

L. Kbehl hat schon im Jahre 1863 die ursprüngliche Grundlage

der vorislamischen arabischen Religion als Naturreligion und Gestirn¬

dienst erkannt. Der Hauptgott ist unter dem Namen Wadd „Liebe",

Repräsentant des befruchtenden, die Göttin Suva' „semen effluens"

(eigentlich Dat-Suwa' „Receptaculum seminis effluentis") Repräsentant

des befruchteten Prinzipes. Über die Religion der vorislamischen

Araber (Dissertation, Leipzig) 1863, S. 66 — 68. Vgl. Fb. Hommel,

(17)

Nach dem Vorbild Robertson- Smith's findet man in

neuester Zeit mit Recht das charakteristische Merkmal des

arabischen Gottes darin, daß er im physischen Sinne Vater

und Erzeuger des Stammes ist. In dieser „Religion der Ver¬

wandtschaft" sind alle Glieder des Stammes Söhne und

Töchter des obersten Gottes. Wunderlich ist aber, daß man

von theologischer Seite dabei nicht nach einer eventuellen

Mutler des Stammes fragt, ja oft die Existenz einer arabischen

Muttergöttin, die doch in den alten südarabischen Denk¬

mälern fast in jeder Inschrift bezeugt ist, einfach leugnet*).

Man könnte hier die nichttheologische Frage aufwerfen,

woher die Kinder des göttlichen Vaters gekommen sind, wenn

ihm keine göttliche Mutter zur Seite stand. Aber man kann

auch als Zeugen für die Existenz einer solchen Muttergöttin

die nordarabischen Denkmäler heranziehen. In den vielen

Safa-lnschriften aus der nachchristlichen Zeit ist diese

Muttergöttin nicht allein in theophoren Personennamen be¬

legt, sondern kommt auch sonst unter dem Namen ,,Die

Göttin", Ha-(i)lat = Al-(i)lat, häufiger vor als irgendeine

andere Gottheit").

Man hat richtig erkannt, daß sie hier wie anderswo die

Gattin des Hauptgottes, „Der Gott", Ha-{i)lah = Al-(i)lah,

Ethnologie 1904-1926, S. 716, Anm. 2. Suwä' Synonym zu 'AtiraX,

Gemahlin des Wadd.

1) So z. B. sogar ein so gründlicher Forscher wie Graf W. W. Bau¬

dissin, der noch dazu ,,für eine weibliche Gottheit bei den ältesten

Hebräern keine Anzeichen" findet, obwohl auch nach ihm Jahwe ur¬

sprünglich der Vater und Erzeuger des Volkes war, wie der arabische

Stammes- und Voiksgott. ,,Als Urheber eines menschlichen Lebens

kennt die Erfahrung des Menschen eben nur den Vater (und zwar einen

Vater, der mit einem Totem nichts gemein hat)." Kyrios als Gottes¬

name, 3. Teil, 1929, 2. Abteil., 3. Kap. 11,2. Jahwe Vater Israels

S. 327. 3. Der Gott Erzeuger des Stammes S. 327-336. 4. Ahnendienst und Totemismus S. 341, VI. Die Muttergöttin S. 371. Richtiger urteilt

O. EissFELD in den Nachträgen zu diesem Werke, 4. Teil, 1929, S. 43.

2) R. Dussaud, Mission dans les regions dösertiques de la Syrie

Moyenne, 1903, S. 55-57, 61/62. M. Lidzbakski, Ephemeris II, 1903

bis 1907, S. 38/39. E. Littmann, Semitic Inscriptions, 1905 (Part IV

of the publications of an Americ. Exped. lo Syria) S. 113/114.

(18)

D. Nielsen, Die altsemitische Muttergöttin 521

der auch in diesen Inschriften belegt ist und als II in den

Personennamen stark dominiert, sein muß*). Dieser tritt

allerdings im Kultus, wenn er nicht Nationalgott eines Volkes

ist, wenig hervor, aber behauptet dennoch durch die ganze

altarabische Religionsgeschichte seine Stellung als der oberste

Gott, bis er durch Muhammed der alleinige Gott der Araber

wurde").

So verstehen wir, daß Muhammed, um den obersten

männlichen Gott zu dem einzigen zu machen (21, lOs, 22, 35,

41, 5), im Koran hauptsächlich gegen seine ,, Genossin", sä-

hiba oder ,, Gattin" polemisieren muß (6, loi, 72, 3).

Diese Polemik ist die letzte Kunde von der arabischen

Muttergöttin, bevor sie endgültig verschwindet, und erzählt

uns mehr von ihrem damaligen Wesen und vom Kern des

arabischen Heidentums als alle anderen literarischen Nach¬

richten aus der ersten muslimischen Zeit.

Zuerst ersehen wir, daß sie nicht mehr mit der Sonne

identisch ist oder mit diesem Himmelskörper viel zu tun hat,

sonst hätte Muhammed in dieser Verbindung vor Sonnenkult

gewarnt. In den alten südarabischen Inschriften tritt sie im

Singularis wie im Pluralis auf. In der Einzahl heißt sie Sams

,, Sonne, Sonnengöttin", in der Mehrzahl ASmus „Sonnen,

Sonnengöttinnen". Jede Göttin ist eine Sams ,, Sonnen¬

göttin", alle Göttinnen sind ASmus „Sonnengöttinnen".

In den alten Inschriften ist die Sonnengöttin zugleich

die große Göttin, die alles Lebendige geboren hat. Im Koran

ist sie n u r die Göttin. Von der Sonnengöttin ist nur die Göttin

1) R. Dussaud, Les Arabes en Syrie avant l'Islam, 1907, S. 121,

127, 142. D. Nielsen, Über die nordarabischen Götter in der Hommel-

Festschrift 1917 (MVAG, 21. Jahrg. 1916), S. 253-265.

2) Handbuch der altarab. Altertumskunde I, 1927, S. 218—222,

248—250. Zu der dort angefügten Literatur wäre noch zu vergleichen

i'.. Brockelmann, Allah und die Götzen, der Ursprung des islamischen

Monotheismus. Archiv für Religionswissensch. XXI, 1922, S. 99 — 121.

,,Aus dem Christentum kann also der Glaube an Allah nicht hergeleitet werden. An das Judentum wird man erst recht nicht denken dürfen"

(S. 101).

(19)

geblieben, weil in der Religion der Verwandtschaft die Göttin

als Muttergöttin und Schutzgöttin mehr Bedeutung hat als

die solare Seite ihres Wesens.

Wo im Koran von diesen Göttinnen die Rede ist, heißen

sie nicht Sonnengöttinnen oder Sonnenweiber, sondern ein¬

fach „Weiber", 'inät: ,,Sie rufen außer ihm {Allah) Weiber

an" (Sure 4, 117). '

Durch solche ,, Weiber", 'Stm., hier solare Göttinnen, er¬

zeugt in der ältesten Schicht der altphönizischen Mythologie,

die aus den Ausgrabungen in Ras Samra jetzt bekannt ge¬

worden ist, der Hauptgott El, die „Söhne Gottes", bn El, die

hier mit Sternen identisch sind, aber späterhin im Alten Testa¬

ment „Engel" oder ,, Boten", maVakim, genannt werden').

In ähnlicher Weise erzeugt Allah im Koran — ursprünglich

wohl durch dieselben Weiber — diejenigen Kinder, die ihm

zugeschrieben werden (Sure 6,100-101 und öfters). Die ganze

Götterfamilie hat aber hier, wie schon im Alten Testament,

ihren astralen Charakter verloren (Sure 21, 26).

Daß die Muttergöttin dennoch dieselbe Gestalt ist, die wir

in den alten Inschriften finden, ersehen wir da, wo sie mit

Namen genannt wird. „Der Herr wohnt im Sommer bei

Al-lat und im Winter bei Al-'uzza." Hier sind offenbar diese

beiden Göttinnen Gemahlinnen Allahs, und beide sind in

südarabischen Inschriften als Sonnengöttinnen und Mutter¬

göttinnen belegt").

Daß die Sonnengöttin, wo sie Muttergöttin ist, oft in

Doppelgestalt auftritt, hat ebenfalls Parallelen in südarabi¬

schen wie in Ras Samra-Inschriften').

Der Kultus dieser Göttinnen oder Weiber war noch zu

Muhammeds Zeit in ganz Arabien weit verbreitet. Im Range

1) Ditlef Nielsen, Ras Öamra-Mythologie und biblische Theologie, 1936, III. Gottessöhne und Gottessohn S. 37-39.

2) J. Wellhausen, Reste arabischen Heidentums, 1897, S. 45:

,,Wie Al-lat das Femininum zu Allah ist, so Al-'uzza zu Al-'azz, einem Beinamen .Vllahs." D. Nielsen, Der dreieinige Gott I, 1922, S. 317/318,

Handbuch I, 1927, S. 224-228. G. Rvckmans, Noms propres I, 1934,

S. 3 und 26.

3) Ras Sainra-.Mythologie, 1936. S. 85, 87/88.

(20)

D. Nielsen, Die altsemitische Muttei^öttin 523

waren sie offenbar die ersten nach dem Hauptgott und wich¬

tiger als alle anderen männlichen Götter, was mit dem Zeugnis

der nachchristlichen, nordarabischen Inschriften überein¬

stimmt (siehe oben S. 520). Als Schutzgottheiten oder Für¬

sprecher, Sure 30, 12, standen sie Allah so nahe, daß es auch

für Muhammed persönlich sehr schwierig wurde, ihre „Für¬

sprache" aufzugeben*). Alles dies erinnert so stark an die

Stellung der ehemaligen solaren Muttergöttin im alten Süd¬

arabien als Gefährtin des Hauptgottes und Schutzgöttin,

mn4h, xar e^ox>]v, daß an einer ursprünglichen Identität

kaum gezweifelt werden kann. Noch dazu sind die beiden

Namen Al-lat und Al-'uzza weibliche Korrellate zu den männ¬

lichen Namen des Hauptgottes.

Es hat den Forschern große Schwierigkeiten bereitet, daß

diese Göttinnen im Koran Töchter Allahs genannt werden

(Sure 53, 19 ff., vgl. 37, 149 ff.)"). Gerade diese Tatsache ist

aber ein weiterer Beleg für ihre ursprüngliche solare Natur,

indem in Ras Samra-Texten die solaren Gattinnen des El

deuthch zugleich seine Töchter sind').

1) Bei der Vorlesung der Sura 53, u-jo: Was meint ihr von Al-lat

und Al-'uzza [und Manät, der dritten daneben]? fügte Muhammed be¬

kanntlich ursprünglich folgende Worte hinzu, welche bei der Um¬

kreisung der Ka'ba als feste Formel gebraucht wurden:

,,Dies sind die beiden hochfliegenden Vögel (yardntk).

Und auf ihre Fürsprache darf man hoffen."

als eine Art Kompromiß mit dem alten Glauben. Schon am nächsten

Tage erklärte er aber die beiden letzten Verse als Worte Satans.

Jul. Wk.llhausen, Reste arab. Heidentums, 1897, S. 34. Th. Nöldeke, Geschichte des Korans, 2. Aufl. bearbeitet von Fr. Schwall», I, 1909,

S. 100 — 103. Fr. Buhl, Muhammeds religiöse Forkyndelse, Kebenhavn

1924, S. 44 und 74.

2) J. Wellhausen, Reste arab. Heidentums, 1897, S. 208, leugnet,

daß diese Töchter Allahs zugleich seine Gemahlinnen waren. R. Dus¬

saud, Les Arabes en Syrie, 1907, S. 120 — 122 hält mit Recht Al-lat —

,,nous verrons qu'al-'Ouzza et Manat ne sont que des dedoublements de cette d6esse — pour la parMre d'.MIah", sucht aber die Tat.«ache in Abrede zu stellen, daß diese Göttinnen im Koran auch seine Töchter sind.

3) Ras Samra-Mythologie, 1936, S. 3 und S. 85/86; vgl. oben M' .

Anm. 1.

(21)

Wie Allah schon vor Muhammed ein über der Natur er¬

habener Gott geworden war (Sure 29, 6i, 31, 24, 39, 39 u.

öfters), der nichts mehr mit Mondkult zu tun hat, so hat auch

seine Gemahlin mit ihm eine ähnliche Entwicklung durch¬

gemacht. Im Koran fmden wir das endgültige Resultat einer

Entwicklung, die sich über mehr als tausend Jahre vollzogen

hat und von der einzelne Phasen in den Inschriften belegt sind.

Ferner ersehen wir, daß bei dieser südsemitischen Mutter¬

göttin, einem Erzeugnis der primitiven arabischen Natur¬

religion, noch in dieser späteren Zeit die physische Seite der

Mutterschaft stärker hervortritt, als dies bei der nordsemi¬

tischen Muttergestalt schon in uralter Zeit der Fall ist.

Im Gegensatz zu lätar, der kinderlosen, jungfräulichen

Mutter der hochentwickelten akkadischen Kultur, nur in

übertragenem ethischen Sinne die barmherzige Mutter der

Menschen, begegnet uns hier eine Muttergöttin, wo offenbar

die sexuelle animalische Seite der Mutterschaft und Kinder¬

gebären die Hauptsache ist.

Daß die Muttergestalt in der akkadischen Religion durch

den Venusstern repräsentiert wird, ist in diesem Zusammen¬

hang von untergeordneter Bedeutung, aber nachdem sie

Tochter anstatt Ehefrau des Hauptgottes geworden ist und

als kinderlose Jungfrau aufgefaßt wird, ist sie bei den Nord¬

semiten nicht mehr Muttergöttin im physischen Sinne, son¬

dern nur eine Art Adoptivmutter für die Menschen, welcbe

in diesem Kulturkreis nicht durcli göttliche Geburt, sondern

durch göttliche Schöpfung entstanden sind.

Auch hier folgt nämlich die Muttergöttin dem göttlichen

Vater, der nicht mehr in naturalistischer physischer Weise

Erzeuger des Volkes und der Menschen, sondern in ethischer

geistiger Weise ein guter gnädiger Vater geworden ist.

Auch bei der Schöpfung — wie ehemals bei der Zeugung —

finden wir sie in nordsemitischen Schöpfungsberichten an der

Seite des männlichen Schöpfergottes*).

t) Schon bei den alten Sumerern hat die Muttergöttin Aruru, Mami

die Menschen aus Erde (Lehm, Ton) gemacht. Bei den Akkadern ist

(22)

D. Nielsen, Die altsemitische Muttergöttin 525

So hat sie auf diesem Kulturboden eine kulturelle und

ethische Entwicklung durchgemacht, welche sie fähig macht,

auch fernerhin in vergeistigter oder vermenschlichter Form

neben dem christlichen Gott-Vater einen Platz zu behaupten,

während sie in Arabien hauptsächlich Fruchtbarkeitsgöttin

verblieb. In der Religion der Verwandtschaft ist sie wohl die

erhabene himmlische Mutter, aber die ethischen Keime dieser

Mutterschaft kamen in Arabien nie richtig zur Entfaltung.

In einer Kulturreligion wie dem Islam, wo Schöpfung an die

Stelle der Zeugung tritt, hat eine solche Muttergöttin keinen

Platz.

Deshalb polemisiert Muhammed gegen die Vorstellung,

daß Allah zeugt, daß er Weib und Kinder hat. Diese Polemik

ist nicht allein gegen den christlichen Gottessohn, sondern

auch gegen die weitverbreitete Familienmythologie und Ver¬

wandtschaftsreligion des arabischen Heidentums gerichtet,

und so verschwindet die Muttergöttin aus der offiziellen

arabischen Religion.

In der niederen Volksreligion leben aber immer noch Reste

von ihr wie von der Vorstellung, daß Gott zeugt, Weiber be¬

fruchtet und Urahn des Stammes ist*).

JStar „Schöpferin der Menschen" bänat t^niStti oder die „Töpferin",

wie sie auch nicht, wie die Muttergöttin in den Ras Samra- (Ugarit-)

Texten oder die altsumerische Muttergöttin Ninharsag im physischen

Sinne, Mutter der (niederen) Götter ist, sondern ,, Schöpferin der Göt¬

ter", bänat ilani genannt wird. Wo der Hauptgott der Schöpfer ist,

hilft sie oft diesem bei der Schöpfung, wie noch in der ursprünglichen Vorlage der beiden biblischen Schöpfungsberichte.

Vgl. P. Jensen in Keilinschr. Bibl. VI, 1. Teil, 1900, S. 544.

H. ZiMMEBN, KAT, 3. Aufl., 1903, S. 428/429. St. Lanodon, Sumerian

epic of paradise, the flood and the fall of man, 1915 (Univ. of Penn¬

sylvania. The Univ.-Museum, Publications of the Babyl. section. Vol. X, No. 1, S. 17). E. Bbiem, Studier över Moder-och Fruktbarhetsgudinnorna

i den Sumerisk-Babyloniska Religionen, 1918, S. 40/41. D. Nielsen, Ras

Samra-Mythologie und Bibhsche Theologie, 1936 (AKM XXI, 4,

S. 79/80).

1) Vgl. z. B. S. I. CoBTiss, Ursemitische Religion im Volksleben des heutigen Orients, Leipzig 1903, Kap. 11. Die Gottheit als Erzeuger

des Menschen S. 117—127.

(23)

Die Muttergöttin in Kanaan

Auch in den Inschriften von Ras Samra, dem altphöni¬

zischen Ugarit, wie später im Alten Testament, läßt sich die

Entwicklung verfolgen, die aus unpersönlichen Gestirnen

persönliche menschenähnliche Götter macht, bis schließlich

die astrale Herkunft völlig vergessen wird.

Genau wie in altarabischen Inschriften ist diese Entwick¬

lung bei dem Hauptgott besonders greifbar. Er geht hier den

anderen göttlichen Gestalten voran und ist schon in sehr

alten Quellen, wo die anderen Gottheiten noch deutlich von

astraler Natur sind, ein ethischer persönlicher Gott geworden,

dessen ursprüngliche lunare Herkunft nur gelegentlich her¬

vortritt.

Deshalb hat es in der altarabischen Epigraphik lange ge¬

dauert, bevor er von den Gelehrten als ursprünglicher Mond¬

gott anerkannt wurde, obwohl er stets — wie auch vielfach

in Ugarit-Texten — neben Sonnengöttin und Venusgott

erscheint. Ähnliches wird wohl auch beim Studium der neuen

Texte von Ras Samra der Fall werden. Bei demselben Haupt¬

gott im Alten Testament darf man sicher mit noch größeren

Zeiträumen rechnen.

In südarabischen Inschriften wurde der ursprüngliche

lunare Charakter des Hauptgottes zuerst erkannt, wo er

unter einem besonderen nationalen Namen als Volksgott

auftritt »).

In den Personennamen des alten Arabien, die aus einer

Periode herrühren, wo die Staaten in . Südarabien noch nicht

gebildet waren, dominiert der Gott Il[ah] völlig. Dieser Gott

muß — wie allgemein anerkannt — in prähistorischer Zeit

der oberste und wichtigste Gott bei allen Südsemiten gewesen

sein, aber in der historischen Zeit ist er als Kultgott nur

selten neben anderen Göttern belegt, und so erfahren wir über

sein eigentliches Wesen äußerst wenig.

Nur soviel läßt sich aus den alten Inschriften Südarabiens

ermitteln, daß der alte Hauptgott Ilfah] überall mit dem

1) Fb. Hommel, .Aufsätze und Abhandlungen II, 1900, S. 150-160.

(24)

D. Nielsen, Die altsemitische Muttergöttin 527

späteren Nationalgott identisch ist. Wie Jahwe bei den

Israeliten nur ein anderer Name Elf ohimj's ist, der diesen als

Nationalgott charakterisiert, so ist dasselbe bei dem minä¬

ischen Wadd, bei dem sabäischen Ilmukah und dem kataba¬

nischen Amm der Fall. Es gibt auch hier andere Anzeichen

dafür, daß IlfahJ ursprünglich ein lunarer Gott war*).

Da dieser altsemitische IlfahJ ,,Gott" in den großen

Kulturreligionen, Judentum, Christentum und Islam, in ver¬

geistigter Form immer noch fortlebt, so leuchtet ein, daß

jeder Beitrag zur Vorgeschichte dieser Gestalt, darunter auch

sein Verhältnis zu der Muttergöttin, von größter Wichtig¬

keit ist.

Außerdem können wir-nicht die Geschichte der altsemi¬

tischen Muttergöttin schreiben, ohne das wechselnde Schick¬

sal ihres Gemahls zu berücksichtigen. Wie das Schicksal

eines irdischen Weibes mit der Geschichte des Ehemannes

innig zusammenhängt, so auch bei dem großen altsemitischen

Götterpaare, das in altphönizischen und altarabischen In¬

schriften ständig beisammen ist.

Früher war der Gott IlfahJ ein farb- und blutloses Ab¬

straktum, das in erhabener Ferne thronte und dessen eigent¬

liches Wesen nur durch sublime philosophische, theologische

oder philologische Spekulationen zu ermitteln war.

Jetzt gibt er in den Ras Samra-Texten seine vornehme

Isolation auf und tritt — mit der Muttergöttin an seiner

Seite — als eine greifbare mythische Gestalt von Fleisch und

Blut mit Frau und Kindern zwischen anderen Göttern auf.

Er ist hier gewöhnlich, wie Elohim im Alten Testament,

ein über die Natur erhabener persönlicher ethischer Gott, der

in menschenähnlicher Gestalt gedacht wird '), auch als Schöp-

1) DiTL. Nielsen, Handbuch der altarabischen Altertumskunde I,

1927, S. 222—224. Ras Samra-Mythologie und Biblische Theologie,

1936. Der lunare Hauptgott S. 11 — 17. Das Zeugungsepos S. 81—95.

2) Ein hübsches Reliefbild, wohl aus dem 14. Jahrh. v. Chr., leider ohne Inschrift, stellt wahrscheinlich den ugaritischen König und diesen

Gott El vor. Vgl. Cladd.15 F.-A. Schaefper, Rapport Sommaire Syria 18,

1937, p. 128, pl. XVII: Stöle figurant une offrande au dieu El.

Zeitscbrilt d. DMG Bd. 92 (Neue Folge Bd. 17) 31

(25)

fer gilt, und so nur in übertragener Weise Vater der Götter

und Menschen ist.

Als freundlich gesinnter höchster Gott, Herr des Weltalls,

des Landes und des ganzen Lebens, ordnet er für Götter und

Menschen alles in bester Weise*).

In ähnlicher Gestalt und Weise aufgefaßt steht hier die

Muttergöttin, gewöhnlich unter dem Namen ASiraf^), treu

an seiner Seite. Sie erscheint als Fürsprecher wie die Mutter¬

göttin in Arabien, wie Istar in Babylonien und der Heilige

Geist im Christentum. Sie ist im Königtum des El eine Art

Mitregent, „Teilhaber am Königtum" Sarik fi -l-mulki, wie

es im Koran heißt (Sure 17, iii, 25, 2). Sie ist ständig in allen

wichtigen Sachen Ratgeber EVs, so daß die Entscheidung

lautet: „wir wollen" AI 20, 26.

Daneben fmden sich aber in einer älteren Schicht der¬

selben Ras Samra-Mythologie Belege für eine rohere natura¬

listische Auffassung desselben obersten Götterpaares, wo

Zeugung an Stelle von Schöpfung tritt. El ist hier nicht

Schöpfer, sondern Vater und Erzeuger, seine Gemahlin vor¬

wiegend eine Fruchtbarkeitsgöttin, die unzählige Kinder ge¬

biert. Die göttlichen Eltern sind hier oft mit Mond und

Sonne, ihre göttlichen Kinder mit Sternen identisch.

Wir haben offenbar hier, in dieser Naturreligion, die lange

gesuchte Naturgrundlage für die himmlische Götterfamilie,

für die „Söhne Gottes", die im Alten und Neuen Testament,

wie noch im Koran, eine so große Rolle spielt.

Schon der Beiname Sur „Stier", den El in Ras Samra-

Texten führt, erinnert an eine lunare Herkunft, und im „Zeu-

1) Vgl. RsNi DcBSAüD, Les decouvertes de Ras Shamra (Ugarit) et

r.\ncien Testament, Paris 1937, S. 67/68. „Plus encore que dans les

autres textes on est frappe du röle eminent qu'y (dans la legende de

Keret) joue le dieu El" (S. 101.

2) Andere Namen dieser Göttin sind D. Nielsen, Ras Samra-

Mythologie, 1936, II, Die Sonnengöttin S. 27 — 37 zusammengestellt.

Dazu wäre wohl noch der Name 'IShara, 'Shri nachzutragen. Über diese

uralte, weit verbreitete, auch sumerische Muttergöttin hat zuletzt

E. Dodolas van Buben, Arch, für Orientforsch., Bd. 12, 1937, S. 1-28 gehandelt.

(26)

D. Nielsen, Die altsemitisclie Muttergöttin 529

gungsepos" (Gedicht C) schimmert — wie der Verfasser neu¬

lich gezeigt hat — seine ursprüngliche lunare Natur durch,

indem die Ehefrau hier deutlich wie im alten Arabien als

Sonnengöttin auftritt, (Sapas, Jörn), und die Kinder der Ehe

Sterne sind.

Außerdem heißt die Sonnenfrau in diesem Gedicht C, wo

der Anfang der heiligen Ehe geschildert wird, 'H Hrh „Weib

des 'Eterah", wo 'Eterah wahrscheinlich eine Variante von

Jerah (Jareah) „Mond" ist, und so den Ehemann El als

Mondgott bezeichnet.

Später publizierte Texte geben für diese Auffassung neue

Belege.

In einem kürzlich veröffentlichten Heldengedicht*) heißt

die göttliche Frau, Zeile 13/14, trh „Weib TeraJ/s" oder

mtrht. Terah ( Tareah) ist, wie man längst vermutet hat, eine

Variante zu Jerah und wird späterhin im selben Gedicht,

Z. 100—103 wie Z. 189—191, mit dem Neumond Ms in Ver¬

bindung gesetzt. Wie man nun mtrht auch übersetzen mag,

jedenfalls ist dieser Name — wie Virolleaud richtig gesehen

hat (1. c. S. 55) — eine weibliche Partizipalform, die in irgend¬

einer Weise die Göttin mit Terah, dem Mondgott, verknüpft.

Hdrt ,,die glänzende, herrliche" ist hier offenbar ein anderer

Name derselben Muttergöttin. Sie tritt an die Seite des El,

wo der Held Köret, der König der Sidonier", mtk sdni[m]

(Z. 279/280), und der Sohn EVs (Z. 59), „der Knecht des El

und der Hadarat", 'bd H uhdrt (Z. 155) genannt wird 2).

Wahrscheinlich steckt diese Muttergöttin auch dahinter,

1) Claude F. A. Schaefper, Mission de Ras-Shamra, Tome II. La

legende de Keret, roi de."- Sidoniens par Ch. Viholleaud, Paris 1936

(Haut-Commissariat — en Syrie et au Liban, Bibliotheque archeolog.

et historique, Tome XXII).

2) Virolleaud 1. c. S. 7 und 14, wo ben El wohl Druckfehler für

'ebed El Ujlm El) ist, S. 87/88. Hdrt. qui correspond ä heb. hadarah ,, magnificence", designe sans doute la deesse Elai, ou ,,rEpouse de El",

S 88 _ Man vergleiche zu diesem Titel den Titel des katabanischen

Königs, bakur 'Anbai wa Hukm, ,, Erstgeborener des 'Anbai und der

Hukm" und die gewöhnliche Funktion der Muttergöttin als besondere

Mutter des Königs bei den Semiten und Sumerern oben S. 513/514.

3 .• 34«

(27)

wenn im Anfang des Gedichtes, wo der göttliche Befehl zum

großen Feldzug gegeben wird, Köret „unser Kind", ktkn

(Z. 10) genannt wird.

Der Zweck des Feldzuges ist — ungefähr wie schon

Albright in seiner Übersetzung erkannt hat *) — die Braut¬

werbung für Köret bei den Beduinen im Osten. Bei dieser

Brautwerbung spielen aber mythologische Motive von der

heiligen Ehe zwischen Mondgott und Sonnengöttin hinein.

Die seßhafte Bevölkerung Kanaans bestand vielfach im

Altertum, wie noch heute, aus „angesiedelten Beduinen" und

betrachtete die Beduinen als ihre Vorfahren. Einerseits waren

die hene kedem ihre Feinde, «mdererseits aber die stolzen

Repräsentanten des reinen semitischen Blutes und des freien

Wüstenlebens, des ursprünglichen Lebens der alten Semiten.

So sind im Alten Testament, in den Mosesagen wie in den

Patriarchenerzählungen, die Vorfahren der Israeliten Beduinen,

und für Isaak holt in Gen. 24 eine Karawane eine Braut bei

den Vorfahren im Osten. Eine Variante dieser Brautwerbung

ist uns wahrscheinlich im Heldenepos vom König Köret

erhalten.

Sein Heer macht bei Tyrus und Sidon halt, um im Heilig¬

tum, käi, der Muttergöttin (der 'AHrat der Tyrer und der

'Elat der Sidonier) Opfer zu bringen. Es bandelt sich nämlich

um eine bevorstehende Ehe und darauffolgende Kindes¬

geburt, die des Segens der Muttergöttin nicht entbehren kann.

„Ich werde eine Edelfrau {hrj,) in mein Haus nehmen.

Ich werde eine Jungfrau (glmt) in meine Wohnung ein¬

führen" (Z. 203—205).

Gib für Köret Nachkommen {§ph).

Für den Diener EV& einen Burschen {glm) (Z. 152/153,

298—300«)).

1) Bulletin of the American Schools of Orient. Research No. 63,

October 1936, New Canaanite historical and mythological Data, S. 23

bis 32.

2) hm hri bti 'kh 'i'rb glmt turi (Z. 203-205), j{W Spi Ikrt u glm l 'bd 'l (Z. 152/153, 298-300).

(28)

D. Nielsen, Die altsemitische Muttergöttin 531

Schon im B VI, 24—33 wurde eine Periode von sieben Tagen

erwähnt, welche man zum israelitischen Sabbat und Woche

in Beziehung gesetzt hat*).

„Sieben Tage", sb' im (so Virolleaud), oder wohl rich¬

tiger ,, siebenter Tag", wird auch im fragmentarischen Anfang

des Koret-Epos (Z. 8/9) erwähnt. In den Zeitangaben für die

Reise nach der Heimat der Braut kommen zwei solche auf¬

einanderfolgende Zeitabschnitte oder Wochen von je sieben

Tagen vor. Im Traum des Köret wird die Reise in zwei solche

Wochen eingeteilt (Z. 100—119) und später, nach Antritt der

Reise, ebenfalls, indem die erste Woche in 3 + 4 Tage zer¬

legt wird (Z. 189—209, 218—221).

Zu beachten ist hier, daß die erste Woche mit dem Neu¬

mond angeht, die zweite fängt also mit dem ersten Viertel an

und endet mit dem Vollmond.

Im Gegensatz zur späteren jüdischen Woche, die von den

Mondphasen losgelöst worden ist, haben wir also hier eine

richtige an die Mondphasen und an den Mondumlauf ge¬

bundene Mondwoche, wie im Priesterkodex bei dem israeli¬

tischen Auszug aus Ägypten, dem Aufenthalt in der Wüste

und am Berge Sinai und noch später im heiligen israelitischen

Festkalender 2).

Die These vom lunaren Ursprung nicht allein der ganzen

israelitischen Zeitrechnung, sondern auch der israelitischen

Gottesauffassung bekommt dadurch eine neue Stütze.

1) Otto Eissfeldt, Die religionsgeschichtliche Bedeutung der Funde

von Ras Schamra, ZDMG 88 (N. F. 13), 1934, S. 180 redet von einer

kultischen Periode von sieben Tagen, welche „die viel behandelte und

sehr verschieden beantwortete Frage nach der Herkunft von Sabbat

und Woche in einem neuen Lichte erscheinen" läßt ... „indem nun

deutlich würde, daß Isrfiel diese Einrichtung von den Kanaanäern

übernommen hat".

Anzeichen einer Woche an den Mondphasen gebunden liegen aber

schon bei den alten Arabern vor. Ditl. Nielsen, Die altarabische Mond¬

religion, 1904. Die Woche S. 52 —88, wozu man jetzt die Inschrift

Gl. 542 und Nik. Rhodokanakis Bemerkungen dazu WZKM Bd. 38,

1932, S. 178 vergleiche.

2) Vgl. DiTLEP Nielsen, Die altarabische Mondreligion und die

mosaische Überlieferung, 1904. Die Pilgerfährt S. 143 — 164. Am Sinai

S. 187 —189. Die hebräischen Gesetze S. 199—203.

(29)

Das Heer bricht unter dem Glückszeichen des Neumondes

auf, für eine lange Reise zugleich die günstigste Zeit. Man

marschiert, wie in Arabien und in der Mesa-Inschrift Z. 14/15,

mit Vorliebe während der Nacht, und vom Neumond an wird

das nächtliche lunare Licht mit dem zunehmenden Monde

stärker und stärker.

Die Zeitangabe über das Erscheinen des neuen Mond¬

lichtes ist in einer mythologischen Sprache gehalten, welche

den Mondgott und seine Ehe mit der Sonnengöttin charak¬

terisiert. . , , ,

M|s trh, häs

ib'r Un 'Sth

Im nkr mddth^)

„Und Terah (der Mondgott) ging auf als Neumond

Er flammte auf, sein Weib zu Sn

Und seine Geliebte zu verbannen*)."

Terah kann natürlich nur der Mondgott sein. Er ist keine

menschliche Person (chef d'une tribu). Wie der neue Mond

sich schnell gegen Osten bewegt, um mit der Sonnenbraut im

Osten Hochzeit zu feiern, so marschiert Köret und sein Heer

mit dem Mond nach Osten, um sich mit der Braut im Osten

zu vermählen. Er macht mit dem Mond halt am ersten Viertel

(nach 7 Tagen) ^) und am Vollmond (nach 14 Tagen).

Spsm ist eine andere Zeitangabe. Dieses Wort als Pluralis

aufzufassen mit der Bedeutung ,,les Sepa^ites" (ceux de

1) Zeile 100-103 und Zeile 189-191. Die letztere Stelle hat als

Variante von ,, aufgehen" das Verbum ibi.

2) Daß Sn ein Verbum ist, zeigt die parallele Phrase Zeile 27 ibki b Sn rgmm ,,Er weinte die Botschaft wiederholend". Hier hat Virol¬

leaud die Form richtig aufgefaßt als verkürzten Infinitiv von Sni

,, wiederholen" (S. 59). Eine ähnliche Kurzform ist das Zahlwort Sn (Zeile 182 und passim) ,,zwei". Das Verbum fc'r hat B IV, 16/17 wahr¬

scheinlich die Bedeutung ,, aufflammen, aufleuchten", k kbkb, ,,wie der Stern" (vgl. .\lbhight, JPOS, Vol. 14, 1934, S. 121). Sein Weib und

seine Geliebte sind wohl die vom alten Südarabien bekannten beiden

Sonnengöttinnen (Göttin der Abendsonne und Göttin der Morgen¬

sonne), die auch sonst in Ugarit-Texten belegt sind.

3) Wie das Feuer B VI, 31,/32 „am 7. Tag", mk bsb' im aufhört.

Vgl. H. Bauer, OLZ 1934, Sp. 246.

(30)

D. Nielsen, Die altsemitische Muttergöttin 533

Sapas, gens de Keret) ist unmöglich. Es bedeutet wahrschein¬

lich wie nhrm B II 7 und shrm in der Mesa-Inschrift Zeile 15

„Mittag". Das Heer marschiert gewöhnlich in der Nacht,

aber am letzten Tage, bevor es halt macht, sogar bis Mittag

mk spsm (Var. hn spsm 'hr sp[s]m), Zeile 107, 118, 196, 209,

221, wie in der Mesa-Inschrift ,, vom Anbruch der (weiblichen)

Morgensonne bis zum Mittag", mbk' hsJrt 'd hshrm^).

In einem später publizierten mythologischen Fragment*),

wo die allmonatliche Fortsetzung der heiligen Ehe zur Neu¬

mondszeit eingehend geschildert wird, trägt der Gemahl end¬

lich den gewöhnlichen Namen für „Mond" und ,, Mondgott"

Jrh (Variante T( ?)rh), der außerdem als nir smm „Licht des

Himmels" bezeichnet wird. Hier ist kein Zweifel über den

lunaren Charakter des Ehemannes möglich; dagegen herrscht

Unklarheit über das Wesen seiner Gattin.

In der Behandlung dieses Textes von Virolleaud vermißt

man diese Gattin, aber Dussaud bat richtig gesehen „que

le texte se comprend mieux, si une deesse intervient, pr6-

1) Albright übersetzt ,, after the sun (rose)", 1. c. Spim und nhrm

ist wie shrm, hebr. shrim (und wohl auch hebr. 'rhim] kaum Dual

(Baube-Leander, Histor. Grammatik d. hebr. Sprache I, 1922, S. 518),

sondern eher eine alte erstarrte Mimation (vgl. D. Nielsen, Ras Samra- Mythologie, 1936, S. 17-26). Shr bedeutet wohl hier wie zhr „Licht"

(B König, Hist.-krit. Lehrgebäude der hebr. Sprache, 1881 — 1897,

Bd. 2, I, 1895, S. 93 und 437); vgl. arab. ?ahar heftig versengen (von der Sonne), zahtre „Mittag" und wohl auch die katabanische Sonnen-

göttin Dat-zhrn. Daß nhr in Ras Samra-Texten öfters wie nr und nrt

die Bedeutung ,, Licht" hat und als Name der Sonne {Jom, i^apai)

verwendet wird, habe ich früher betont (Ras Samra-Mythologie, 1936,

S. 28 — 30, 34/35, 115/116), wie nhr auch in einem Fragment (Syria 16,

1935, S. 184) parallel mit im steht. Die Zeitangabe b nhrm B II, 7 über¬

setzt Albright (JPOS, Vol. 14, 1934, S. 117) „On the morrow" und

fügt die Note hinzu: ,,This explanation ist very doubtfull. We take

nhrm as nuhrim (type like Heb. ^ohorayim ,,noon" and bin ha-'arbayim ,,at sunset"). Hier ist aber deutlich von großer Hitze die Rede. Der

Parallelismus mit shrm und spsm liegt nahe. Nahoren bedeutet in dem

Mehri-Dialekt „Die Zeit unmittelbar vor Mittag" (A. Jahn, Die Mehri- Sprache, 1902, S. 216).

2) Ch. ViROLLEAüD, Hymne Ph6nicien au dieu Nikal et aux dresses

Koäarot, provenant de Ras Shamra (Single NK = Nkl et KSrt) Syria

XVII, 1936, S. 209-228.

Abbildung

figure are extended with an officiating priest at their feet.

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