A-2722 (42) Deutsches Ärzteblatt 94, Heft 42, 17. Oktober 1997 nimmt die kleine Gruppe von wissen-
schaftlichen Repräsentanten des Zen- trums ein, die gemeinsam mit dem Wissenschaftlichen Stiftungsvorstand jährlich die Maßstäbe für die lei- stungsbezogene Mittelvergabe fest- legt. Hier werden in sorgfältiger Dis- kussion alle vorgenannten Kriterien für jede Abteilung und Arbeitsgruppe geprüft, darüber hinaus auch noch die Publikationsliste des letzten Jahres angefordert. Die Diskussion endet mit der Festlegung von einer von fünf Bewertungskategorien für den betref- fenden Bereich, wobei die niedrigste Kategorie ein deutliches Herunter- fahren der Förderung bedeutet, die höchste analog dazu eine deutliche Steigerung darstellt. Die vergleichen- de Bewertung wird nicht veröffent- licht. Jede Gruppe kann jedoch ihr Ergebnis erfahren.
Die geschilderten Maßnahmen mögen immer noch nicht ausreichen, um in jedem Einzelfall eine wirklich gerechte Bewertung durchzuführen.
Das aufwendige Bewertungssystem des DKFZ hat das Leistungsbewußt- sein der Mitarbeiter gestärkt und eine objektivierbare Leistungssteigerung zur Folge gehabt. Die Bewertung der Arbeit durch ausländische Spitzen- wissenschaftler, die – trotz gelegent- lich auch harscher Kritik – bisher fast immer einen sehr positiven Eindruck von den Aktivitäten des Zentrums mitnahmen, erweist sich nicht zuletzt auch als eine bedeutsame Maßnahme zur internationalen Verbreitung der Leistungen des Zentrums.
Prof. Dr. Harald zur Hausen
Wissenschaftlicher Stiftungsvorstand Deutsches Krebsforschungszentrum
T H E M E N D E R Z E I T AUFSÄTZE/KOMMENTAR
Aktion Stammzelltransplantation
Einen Sechs-Stufen-Plan zur Qua- litätssicherung der Transplantation von Stammzellen hat die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und On- kologie in Zusammenarbeit mit an- deren Fachgesellschaften entwickelt.
Bei der Berichterstattung über diese
„Konzertierte Aktion“ (DÄ 36) hat die Redaktion es versehentlich unter- lassen, die Gesellschaft für Pädiatri- sche Onkologie und Hämatologie (GPOH) zu erwähnen. Wir bitten dies
zu entschuldigen. DÄ
D
er seit Wochen medienpräsen- te Fälschungsskandal um ein ehemaliges Forscherteam am Max-Delbrück-Centrum in Berlin-Buch ist nicht nur eine ver- wickelte wisenschaftlich-private Be- ziehungstragödie. Am Verhalten der aktiv Beteiligten kann fast exempla- risch gesehen werden, wie unterschied- lich Eingestehen von Schuld, das Ak- zeptieren von Verantwortung und der Mut zu Konsequenzen dissoziieren können; am Verhalten der Aufklärer wurde klar, wiewenig Wissen- schaft auf ihren Mißbrauch vorbe- reitet ist.
In den Kom- mentaren war schnell die Rede vom „gnadenlo- sen“ Konkurrenz- druck im Wissen- schaftsbusiness.
Was aber eigentlich nur eine weit- gehend richtige Feststellung sein kann, wird bei allgegenwärtiger Wiederho- lung mindestens unterbewußt zur Ent- schuldigung und bietet einem (poten- tiellen) Täter zu salopp die Rolle des Opfers an.
Besonders die smarten Jungprofis mit Ambition, eben nur zur Hälfte Göt- ter, haben mit dieser Rechtfertigungs- grundlage ihr Verhältnis zum „System“
längst pragmatisch geklärt. Die Publi- kationszahl pro Zeiteinheit – der Out- put – ist das Maß der Dinge, Quantität und Qualität stehen in problemati- schem Verhältnis, Detailarbeit wird an ein Heer von Doktoranden delegiert, das mit einer nicht immer gesicherten Zukunftsaussicht am Laufen gehalten wird.
Statistik und Graphik sind kreativ und dienen der gewünschten Aussage, Studienzyklen orientieren sich an den Terminen von Kongressen, auf denen man präsent sein muß, Autorenschaf- ten auf Publikationen und der Stellen- plan sind Herrschaftsinstrumente, und für Kritik ist wenig Platz und Zeit. Da- mit ist noch gar nicht das zielgerichtete Retortendesign eines wissenschaftli- chen Ergebnisses gemeint, das, wenn einmal gelungen, zur Methode werden kann.
Die Sicherheitszone zur größeren oder kleineren Mauschelei schrumpft
mit dem Druck, den das real existieren- de „Publish or Perish“-Business aus- übt. Solch strukturimmanenter Druck von allen auf alle kann nur in Schach gehalten werden, wenn er soweit wie ir- gend möglich neutralisiert wird durch Gegendruck mit dem gleichen Risiko, dem Karrierebruch nämlich. Derzeit haben das Aufdeckungsrisiko sowie das Sanktionsarsenal der akademi- schen Selbstverwaltung und des Dienstrechts unvergleichlich weniger Schrecken als die hochgezogene Augenbraue des Chefs und die Angst, im Wettbe- werb den falschen Impact-Faktor zu haben.
Die Wissen- schaft und ihre Administration im weitesten Sin- ne – Staat, För- derer, Verlage, Schriftleitungen und Hochschulgre- mien – müssen Verdachtsmomente und Hinweise schnell aufklären und reagieren (können). Keine Kontrollin- stanz darf sich zurückhalten und in Si- cherheit wiegen. Im aktuellen Fall bei- spielsweise gab es die Sehnsucht der Täter nach der Polizei, die ein Stück verlorene Ordnung wieder herstellt.
So hoffte ein Teil der Betroffenen ver- geblich, das „peer review“-Verfahren würde die simple Fälschung erkennen, das paper zurückweisen und damit den fehlenden eigenen Mut ersetzen.
Ist nach fairem Verfahren und Prü- fung ein Vergehen gesichert, dann muß der schnelle chirurgische Schnitt juri- stisch möglich sein und auch erfolgen.
Von den Organen wissenschaftlicher Selbstkontrolle ist mehr Führung und Konsequenz im Denken gefordert. Ins- gesamt ist mehr Transparenz erforder- lich. Freiheit der Wissenschaft ist vor allem die Freiheit der Ziele und darf nicht sogar die interne Prüfung ernster Verdachtsmomente verhindern.
Im aktuellen Fälschungsfall wird einer der Beteiligten von der „Zeit“
mit dem Satz zitiert, Verantwortlichkeit mit Rücktrittskonsequenz gäbe es nur in der Politik, nicht in der Wissenschaft.
Wenn die Politik in diesem Umfeld zum Maßstab wird, ist etwas drama- tisch schiefgelaufen.
Dr. med. Wolfgang Rühle