Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 110|
Heft 5|
1. Februar 2013 A 183 Anstatt die geschädigten Patientenbei einer bestmöglichen Schadens- regulierung aktiv zu unterstützen, gibt es zu viele Ärzte, die in Eitel- keit oder Selbstmitleid über ihre ei- genen Behandlungsfehler versin- ken. Es gibt eine Hierarchie der Verantwortung, aber leider auch ei- ne Hierarchie der Vertuschung. Eine vorbildliche Kultur der Verantwor- tung verlangt von einem Chefarzt nicht, dass er sich hinter seinen As- sistenzarzt stellt, um eine Mauer des Abstreitens zu etablieren . . . Für die geschädigten Patienten, aber auch für die beteiligten Ärzte, sind Verfahren, die sich über mehr als ein Jahr hinziehen, eine große Belastung. Absolut inakzeptabel ist die Tatsache, dass es auch zehn bis 20 Jahre dauern kann, ehe eine Re- gulierung beginnt . . .
Für den Erhalt einer vertrauensvol- len Arzt-Patienten-Beziehung ist
der professionell offene Umgang mit den geschädigten Patienten un- abdingbar.
Nicht die moralisierende Schuldfra- ge, sondern die fachkompetente Verantwortung steht im Vorder- grund. Selbst wenn juristisch die Klärung der Schuldfrage Vorausset- zung für eine Regulierung ist, sollte angesichts des enormen Machtge- fälles in der Arzt-Patienten-Bezie- hung die aktive Mitwirkung des Arztes bei der Klärung des Sachver- halts verlangt und gegebenenfalls auch sanktioniert werden.
Eine grundsätzliche Beweislastum- kehr ist schon deshalb zu fordern, weil der Arzt im Gegensatz zum Pa- tienten über Kompetenzen verfügt, die eine Beurteilung erst erlauben.
. . . Wünschenswert wäre im Scha- densfall eine lückenlose Kommuni- kation aller Beteiligten zu doku- mentieren (vom Assistenzarzt über
den Abteilungs-, Klinik- oder Pra- xisleiter bis zum betroffenen Pa- tienten oder dessen Angehörigen), und zwar möglichst bevor der Ge- schädigte den „Unfallort“, die Kli- nik oder Praxis verlässt.
Der Arzt sollte darlegen können, dass er bemüht war, einen eingetre- tenen Schaden zu bemerken und dass er diesen dem Opfer zur Kenntnis gebracht hat oder dass er einen Schaden nicht als Behand- lungsfehler erkennen konnte!
Drei Schritte entlasten sowohl den geschädigten Patienten als auch den verantwortlichen Arzt:
• Fehlerdetektion
• Ausdruck des aufrichtigen Bedau- erns und
• Übernahme der Verantwortung mit regulativer Schadensbegren- zung . . .
Literatur beim Verfasser
Dr. med. Wolfgang Sichert, 87471 Durach
DIE HOHENZOLLERN
Über Generationen waren Preußens Herrscher von Gicht und Wassersucht geplagt (DÄ 44/
2012: „Gicht und Wassersucht: Die Krankheiten der Hohenzollern“ von Jo- chen Kuhl).
Erbkrankheit durch Eheschließung
Die von Friedrich dem Großen selbst so beklagte „Podraga“ hat dem damaligen begrenzten Kennt- nisstand entsprechend eine im Hau- se Hohenzollern wohl wiederkeh- rende Symptomkonstellation be- zeichnet, deren pathogenetische Grundlagen nach heutigem Wissen über das Krankheitsbild der Gicht hinausgegangen sind.
Es war wohl nicht nur die Gicht, die mehreren Generationen der Ho- henzollern auch infolge des überlie- ferten Hanges zu exzessiven Tafel- freuden zugesetzt hat. Neuere Er- kenntnisse lassen vielmehr als wahrscheinlich erscheinen, dass durch die Eheschließung des ersten Preußenkönigs Friedrich I. mit der
aus dem kurfürstlichen Hause Han- nover und damit aus dem engli- schen Königshaus gebürtigen So- phie Charlotte eine Erbkrankheit auf die Hohenzollern gekommen war, die als Porphyria variegata klassifiziert bereits den schottischen König Jakob VI. betroffen hatte und mit ihm seine Mutter Maria Stuart.
Schnelle Reizbarkeit, depressive psychische Auffälligkeiten, als Schlaganfall gedeutete neurologi- sche Ausfälle, Anfälle von Herzra- sen und Atemnot, Fieberschübe, Hautabszesse, Abdominalkoliken und chronische Obstipation waren Symptome, die nicht nur von Georg III. von England bekannt - geworden sind, sondern auch Friedrich den Großen, seinen Vater, den Soldatenkönig, und seinen jüngsten Bruder, Prinz Ferdinand von Preußen, betroffen haben. Aus den Krankengeschichten der beiden letzteren wird auch eine pathogno- mische periodische Rotfärbung des Urins berichtet. Historische Folgen dieser Erkrankung sind aus dem politischen Denken und Handeln beider Monarchen wohl eher nicht zu erkennen, persönlichkeitsprä- gende Züge Friedrich II., die sich in der Konfrontation mit einem
psychopathologisch reizbar-aggres- siven und brutalen Vater entwickelt haben, vielleicht schon . . .
Dr. med. Jürgen Bock, 16278 Angermünde
Briefwechsel mit Voltaire
In Ihren interessanten Ausführun- gen erwähnen Sie als Quelle für die bei Friedrich II. vorliegenden Krankheitssymptome unter ande- rem den Brief des Königs an seine geliebte Schwester Wilhelmine, den ausführlichen und sehr aufschluss- reichen Briefwechsel mit Voltaire dagegen nicht. Dabei stellt letzterer nach Meinung von Prof. Dr. Doss, verdienstvoller Wissenschaftler in der Porphyrin-Stoffwechselfor- schung, eine wahre Fundgrube für diagnostische Hinweise dar. Doss hat schon Anfang der 80er Jahre in einem Vortrag kaum einen Zweifel daran gelassen, dass Friedrich der Große an einer akut intermittieren- den Porphyrie litt. Die exzellente Beschreibung des Krankheitsbildes durch den König und die Mitteilung zahlreicher Details an Voltaire lie- ßen diesen Schluss zu.
Literatur beim Verfasser
Priv.-Doz. Dr. med. Joachim Hadlich, 78315 Radolfzell
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