• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Misshandlung und Missbrauch: Beim Kinderschutz ist viel passiert" (29.11.2013)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Misshandlung und Missbrauch: Beim Kinderschutz ist viel passiert" (29.11.2013)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

A 2308 Deutsches Ärzteblatt

|

Jg. 110

|

Heft 48

|

29. November 2013 Als erstes Bundesland hat Baden-

Württemberg am Universitätsklinikum Ulm Mitte November ein fächerüber- greifendes überregionales „Kompe- tenzzentrum Kinderschutz in der Me- dizin“ gegründet. „Durch die Arbeit des Kompetenzzentrums können wir dafür sorgen, dass Ärzte, Psychothe- rapeuten und Mitarbeiter medizini- scher Einrichtungen ihre Möglichkei- ten und Aufgaben im Kinderschutz besser kennen und umsetzen“, sagt dessen Sprecher, Prof. Dr. med. Jörg M. Fegert, zugleich Ärztlicher Direk-

tor der Ulmer Universitätsklinik für Kinder und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie. Man wolle das Thema Kinderschutz fest in der Aus-, Weiter- und Fortbildung und im gesamten medizinischen Bereich verankern. Das Kompetenzzentrum vernetzt das Wissen verschiedener medizinischer Fachgebiete aus Ein- richtungen in Baden-Württemberg.

Eine besondere Rolle spielt dabei die Rechtsmedizin, da hier Missbrauch oder Misshandlungen gerichtsfest dokumentiert werden können. pb

KOMPETENZZENTRUM KINDERSCHUTZ

S

eit den verhängnisvollen Er- eignissen in Bremen 2006 – dem Tod des zweijährigen Kevin – und den Erkenntnissen über den Missbrauch von Kindern und Ju- gendlichen in Institutionen ist das Thema Kindesmisshandlung in allen Facetten auch in Medizi- nerkreisen ausführlich disku- tiert worden. In den Jahren 2006 bis 2013 haben sich an Kinderkliniken in Deutschland unabhängig voneinander so - genannte Kinderschutzgruppen gegründet, die mit einer multi- professionellen Aufstellung Kinder und Jugendliche, die unter dem Ver- dacht einer Misshandlung, eines Missbrauchs oder Vernachlässigung vorgestellt werden, behandeln.

Im Jahre 2008 wurde die Arbeits- gemeinschaft Kinderschutz in der Medizin gegründet. Dieses aner- kannte Gremium der Deutschen Ge- sellschaft für Kinder- und Jugend- medizin entwickelte für alle Gesell- schaften der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendmedizin den ersten Leitfaden für medizinischen Kinderschutz in Kliniken, der in die-

sem Jahr bereits zum vierten Mal überarbeitet herausgegeben wurde.

Aktuell gibt es bundesweit mehr als 50 Kliniken, in denen medizinischer Kinderschutz strukturiert nach Be- handlungspfad durchgeführt wird.

An mehreren universitären und an- deren Kinderkliniken wurden Kin- derschutzambulanzen eingerichtet, dies wurde im Abschlussbericht des Runden Tisches Sexueller Kindes- missbrauch empfohlen.

In enger Kooperation mit weite- ren Akteuren aus dem Gesundheits- wesen, zum Beispiel der Gesell- schaft für Kinderkliniken in Deutschland und Teilnehmern des Runden Tisches, dem Unabhängi-

gen Beauftragten der Bundes - regierung für Fragen des sexu-

ellen Kindesmissbrauchs und den zuständigen Bundesmi- nisterien konnte Anfang 2013 die „Kinderschutz- OPS“ 1–945 in den OPS-Proze- durenkatalog aufgenommen wer- den. Fast zeitgleich erfolgte die Änderung der deutschen Kodier- richtlinie DKR 1915, die es nun ermöglicht, die ICD-Diagnosen T74 (körperliche Misshandlung, se- xueller Missbrauch und andere) zu kodieren und somit erstmals eine medizinische Erfassung der Kindes- misshandlung erlaubt.

Im August dieses Jahres wurde der § 294 a SGB V insofern geän- dert, dass die Pflicht der „Mittei- lung von Krankheitsursachen und drittverursachten Gesundheitsschä- den“, die Folge einer Misshandlung, Missbrauch oder Vernachlässigung von Kindern und Jugendlichen sind, an die Krankenkassen aufgehoben wurde. Hierdurch erleichtert sich die „Fallarbeit“ enorm, dem Kind und seiner Familie wird unmittelbar geholfen, und es wird auch dem

„Gesetz zur Stärkung des aktiven Schutzes von Kindern und Jugend- lichen“, dem sogenannten Bundes- kinderschutzgesetz (BKiSchG) vom Januar 2012, Rechnung getragen, das insbesondere im Artikel 1 die enge Verzahnung von Gesundheits- hilfe und Jugendhilfe ermöglicht.

Für das Jahr 2014 plant die Ar- beitsgemeinschaft Wissenschaftlich Medizinischer Fachgesellschaften eine Neufassung der S2-Leitlinie Kindesmisshandlung, falls möglich MISSHANDLUNG UND MISSBRAUCH

Beim Kinderschutz ist viel passiert

Das Jahr 2013 war für den medizinischen Kinderschutz ein herausragendes:

Die Basis eines strukturierten und dokumentierten Kinderschutzes ist gelegt.

Es liegt nun an den Ärzten, die Instrumente auch anzuwenden

Misshandlungen in der Kindheit beeinträchtigen nachhaltig die Entwicklung.

Foto: Fotolia/pegbes

P O L I T I K

(2)

Deutsches Ärzteblatt

|

Jg. 110

|

Heft 48

|

29. November 2013 A 2309 gemeinsam mit der Deutschen Ge-

sellschaft für Kinder- und Jugend- psychiatrie. Auch dies erfolgt auf Anraten des Runden Tisches Se - xueller Kindesmissbrauch, der eine Anhebung der Leitlinie auf S3-Ni- veau empfiehlt. Der Umsetzung steht nichts im Wege, so denn der notwendige Wille der Politik auch die entsprechenden Mittel aus den Ministerien freigibt. Ob eine natio- nale Versorgungsleitlinie unter Ein- beziehung der Jugendhilfe zustande kommt, hängt von vielen Faktoren ab, da sowohl auf Bundes- als auf Landesebene Ministerien, Ämter und Behörden involviert sind; die medizinische Fachgesellschaft ist dazu bereit.

In der Praxis sollten folgende Maßnahmen beachtet werden:

Verwendung des Leitfadens:

Empfehlungen für Kinderschutz an Kliniken (www.ag-kim.de)

Kinderschutzgruppe in der Nähe kontaktieren

beim Jugendamt die „insofern er- fahrene Fachkraft“, auch pseu- doanonymisiert, kontaktieren

auch den Verdacht auf Misshand- lung kodieren (im ambulanten Bereich)

OPS 1–945 in Kliniken kodieren.

Zusammengefasst ist das Jahr 2013 für den medizinischen Kin- derschutz ein herausragendes: Viele Wünsche und Anregungen, die be- reits im Jahr 2009 auf der 1. Jahres- tagung der Arbeitsgemeinschaft Kinderschutz in der Medizin in Bonn formuliert wurden, konnten umgesetzt werden. Bei weitem nicht alles ist geregelt, gar nicht fi- nanziert, insbesondere im ambulan- ten Bereich; doch zumindest die Basis eines strukturierten und doku- mentierten medizinischen Kinder- schutzes ist gelegt. Nun liegt es an den Ärzten, die entsprechen- den Instrumente (Leitfaden, OPS, ICD-10, BKiSchG) zu nutzen, um misshandelten, missbrauchten und vernachlässigten Kindern die ent- sprechende Diagnostik und Thera- pie anzubieten und notwendige Hil- fen zu initiieren.

Dr. med. Ingo Franke, Arbeitsgemeinschaft Kinderschutz in der Medizin,

Klinik und Poliklinik für Allgemeine Pädiatrie, Zentrum für Kinderheilkunde des Universitäts - klinikums Bonn, i.franke@ag-kim.de

CONTERGAN-SCHÄDEN

Mit dem Alter steigt die Belastung

Die medizinische Versorgung vermag viel, stößt aber an ihre Grenzen. Das Conterganstiftungsgesetz wurde dem Bedarf angepasst. Eine Tagung von Ärztekammer und KV Nordrhein

M

itte November trafen sich in Düsseldorf etwa 250 conter- gangeschädigte Menschen und eine Reihe von Ärzten, um sich über den Stand der medizinischen Versor- gung und des Leistungsrechts zu in- formieren. Eingeladen hatten die Ärztekammer und die Kassenärztli- che Vereinigung Nordrhein. Initiiert hatte das Symposium der nord- rhein-westfälische Interessenver- band Contergangeschädigter und dessen Vorsitzender, Udo Herterich.

Im Mittelpunkt der Tagung standen die vorgeburtlichen Schädigungen durch Thalidomid/Contergan.

Die „Contergan-Kinder“ von einst sind heute zwischen 51 und 56 Jahre alt. Die Altersgruppe lässt sich deshalb so gut bestimmen, weil Grünenthals Schlafmittel Conter- gan mit dem Wirkstoff Thalidomid von Oktober 1957 bis November 1961 im Handel war. Jedenfalls in Deutschland. Mehr als 5 000 vorge- burtlich geschädigte Kinder wurden hier geboren, überlebt haben bis heute 2 400, nach anderen Angaben 2 600. Weltweit soll es 10 000 ge-

schädigte Kinder gegeben haben.

Anlässlich des Contergan-Urteils eines spanischen Gerichts am 19.

November wurden bis zu 20 000 Opfer genannt.

Zu den normalen Beschwernis- sen des Alters kommen bei Conter- gangeschädigten solche, die aus den vorgeburtlichen Fehlbildungen herrühren. Mancher, der über Jahr- zehnte ein halbwegs selbstständiges Leben hat führen können, muss zu- sätzliche Hilfe in Anspruch neh- men, bis hin zur ständigen Pflege.

Vor allem Schmerzen

Hinzu kommen die Schmerzen. 80 Prozent leiden darunter, vermerkte der Orthopäde Prof. Dr. med. Klaus M. Peters, Nümbrecht, meist von Geburt an. Schmerztherapeut Dr.

med. Kilian Kalmbach, Köln-Kalk, sprach von chronischem Schmerz als eigenständigem Krankheitswert.

Kalmbach verhieß Linderung der Schmerzen durch multimodale The- rapie. Völlige Schmerzfreiheit hin- gegen sei „oft kein realistisches Ziel“. Orthopäde Peters, dessen Die Podiumsdis-

kussion über die aktuelle Geset-

zesänderung wurde von Gisbert Knichwitz, Vorsit- zender des Landes- verbandes Nord- rhein-Westfalen des

Marburger Bundes, moderiert. Hier ist er im Gespräch mit Diplom-Psychologin Claudia Schmidt-

Herterich. Foto: Jochen Rolfes.de

P O L I T I K

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Die AG Transition der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugend- medizin (DGKJ), der Deutschen Ge - sellschaft für Innere Medizin (DGIM) und der Deutschen Gesellschaft für

Eine solcherart entstandene körperliche Verletzung muss dann als Misshandlung angesehen werden, wenn sie nicht unfallbedingt ist, die Art der Verletzung mit der Be- schreibung

Einerseits stellen uns Kinder mit chronischen, komplexen, seltenen Erkrankungen vor große Herausforderungen, andererseits muss die Medizin darauf reagie- ren, dass immer mehr

verstehen „als eine nicht zufällige, bewusste oder unbewusste, gewaltsame, psychische oder physische Schädigung, die in Familien oder In- stitutionen (beispielsweise

Diagnostik und Therapie häufiger neuropädiatrischer Erkrankungen einschließlich der Indikationsstellung zur weiterführenden

allerdings wird der Einfluss der Wichtigkeit der Religion, die mit allen drei Variablen zur Einbindung in die Familie schwach positiv (zwischen r=.10 und r=.18) zusammenhängt, et-

Die SPD setzt sich für ein Miteinander der jungen Menschen und Familien unabhängig von 20.. ihrer

Flankiert werden die neuen Regelungen zur Prävention von Kin- dern durch das Gesetz zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder, welches parallel zum Kinder-