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A2636 Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 97½½Heft 40½½6. Oktober 2000
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eue, großformatige Werke aus den 90er- Jahren und solche mit der fast noch frischen Signatur 00 gestatten zurzeit in Dort- mund einen Einblick in das aktuelle Schaffen von Jörg Immendorff. Die Ausstellung konfrontiert die neuen Bil- der und Plastiken mit einer exemplarischen Auswahl von Gemälden der 60er- bis 80er- Jahre. Das schafft Spannungs- räume und zeigt Entwick- lungen eines Künstlers, der bewusst in seiner Zeit steht.Der Mann mit dem berühmten Hut
Die Exposition versammelt auch die personellen Bezüge.
Der Mann mit dem berühmten Hut taucht allenthalben auf, ein Bild des damals 20-Jährigen heißt denn auch: „Beuysland“.
Bei „Rennendes Pferd – Wiese – hauender Adler“ (1966) wird der geschriebene Titel zum Bild selbst. Eine ganze Abteilung mit freundlichen, kleinen Iko- nen der Alltäglichkeit. Von der
plusternden Backenniedlich- keit des „Hapmi lieb“ (1966) bis zur leuchtenden Sonne in- mitten von Blumen des „Für dunkle Tage unterwegs“ (1967)
und dem Schwarm von „Bie- nen“ (1968). Da wirkt das „Ho Chi Min“-Bild von 1974 dann wie ein Paukenschlag. Auf ei- nem der zentralen Werke lie-
fert Immendorff auf 3,5 mal 7 Meter Querformat die Porträt- vorlagen eines ausgebreiteten Who-is-who?-Spiels deutscher Geistesbefindlichkeit. Kultu- relle Störgeister aus Ost und West sind darauf versammelt, von der künstlerischen Vaterfi- gur Beuys bis zu Heiner Müller.
Die jüngsten Gemälde ver- blüffen hingegen durch eine sich farblich eher zurückneh- mende Rätselhaftigkeit. Da scheint dem Künstler im Reich seiner Fantasie der reale Bo- den unter den Füßen zu wan- ken – kein auftretend kämpfe- rischer Schritt, mehr ein Ba- lancieren. Das Verschwimmen der Konturen prägt jetzt zu- nehmend den Strich.
Zwischenstadien
Die aktuellen Bilder sind Zwi- schenstadien einer Reise, deren Ziel sich wohl nicht definieren lässt. Viele Variationen heißen denn auch „Ohne Titel“. In den zuletzt entstandenen Gemäl- den herrscht fast Leere. Was Jörg Immendorff selbst als Be- freiungsschlag für sich sieht, als eine Entfernung von „er- zählendem Lametta“, das ist in der Ausstellung eindrucksvoll belegt. Dr. Joachim Lange
Der Katalog zur Ausstellung, die noch bis zum 22. Oktober im Museum am Ostwall, Dortmund, zu sehen ist, ist in der Edition Braus erschienen und kostet 40 DM; Telefon:
02 31/50-2 32 47, Internet:
www.museendortmund. de/
museumamostwall
In Rimini sind zwischen 1989 und 1997 bei Ausgrabungen an der Pia- zza Ferrari die Reste eines Hauses gefunden worden, das – so heißt es – die größte antike Arztpraxis enthält, die zumindest in der ro- manischen Welt bekannt gewor- den ist. Das Haus ist kurz nach der Mitte des dritten Jahrhunderts nach Christi Geburt abgebrannt, und zwar in einer Weise, dass die Aschen des oberen Stockwerks die Böden des unteren sowie die dort vorhandenen Gegenstände be- deckt und weitgehend konserviert haben. In einem Raum, der mit ei-
nem Fußbodenmosaik ausge- schmückt ist, das den gitarrespie- lenden Orpheus zeigt, fand man in zwar zusammengebackenem, aber durchaus erkennbarem Zustand
um die hundert chirurgische In- strumente aus Bronze und Eisen – Skalpelle, Zahnarztzangen, or- thopädische Hilfsmittel, Geburts- zangen, Pinzetten, Steinschneider, Kataraktmesser, Bohrer, Spatel,
Sonden und noch anderes. Im be- nachbarten Raum scheint sich eine Art Apotheke befunden zu haben:
Der größte Teil von deren Inventar hatte die Brandkatastrophen nicht
in einem verwertbaren Zustand überstanden. Erhalten blieben Apothekengegenstände wie eine Waage, Gewichte, Mörser. Ein be- sonders eigenartiges Fundstück ist ein Gefäß in Form eines menschli-
chen Fußes, das offenbar zu Wär- mebehandlungen bei rheumati- schen Beschwerden diente.
Über diese Fundstücke wurde in ei- ner Ausstellung in Bologna berich- tet, die der Geschichte der Via Emi- lia gewidmet war. Ein Katalog über diese Ausstellung ist im Ver- lag Marsillo erschienen. Informa- tionen über die Domus del Chirur- go: Agenzia AICER, Telefon: 00 39- 0 51 26 45 50, Fax 00 39-
0 51 26 43 70. bt
Die „Domus del Chirurgo“
in Rimini
Jörg-Immendorff-Ausstellung
Auf dem Weg zu sich selbst
Rund hundert Werke des Beuys-Schülers dokumentieren die Entwicklung eines zeitgenössischen Künstlers.
Jörg Immendorff: Ohne Titel, 2000 Feuilleton
Foto: Museum am Ostwall