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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
FEUILLETON
Günter von Mach: „Madras im Monsun", Öl auf Leinwand, 75x60 getragene Schirme bringen eine un- terschwellige Komik in die bedroh- liche Atmosphäre ein.
Schlaglichter auf eine Ausstellung
Frohwein, von Mach und Quante in München
Nachdem dieses Benn-Jahr den Schreibern der Haute Culture schon zur Menge Anlaß gab, sich über das Wirken doppelbegabter Wesen, ge- nannt Künstlerärzte, auszulassen, stellt sich einmal mehr Gelegenheit dazu ein: eine Gemeinschaftsaus- stellung der Doktoren K. R. Froh- wein, Günter von Mach und Wolf- gang A. Quante in der Münchner Bank, Brienner Straße 53. Das vor- weggenommene Resümee der Aus- stellung erbringt das Ausmachen ei- nes weiten Feldes zwischen „nur"
freizeitlicher Kompensation eines gemeinhin fordernden Berufes und dessen Verarbeitung und Umset- zung. Alter und Alphabet lassen uns unsere Augen zunächst auf die Skulpturen des Münchner Gynäko- logen Dr. K. R. Frohwein richten: Als 1918er Jahrgang hat er seine ärzt- liche Tätigkeit 1979 aufgegeben, um sich der Herstellung von Bronze- und Keramik-Miniaturen zu widmen.
Mögen ihm seine Tierdarstellungen (z. B. eines Stieres mit zum Angriff gesenktem Haupt) vor allem zum Er- lernen kunsthandwerklicher Tech- nik gedient haben, so gibt sein Men- schenbild Grund zur Erwähnung.
Als Beispiel diene hier ein weitvari- iertes Paarmotiv: Ausgehend von ei- nem etwa 30 cm hohen „Tanzpaar", das sich achsensymmetrisch durch- dringt und dessen länglich abstra- hierte Gliedmaßen symbolische Herzformen und vielfältige Raumbe- züge bewirken, gelangt man über Zwischenstufen größerer Abstrak- tion (des ästhetischen Formselbst- zwecks wegen) und stärkerer Ge- schlechtsdifferenzierung zur Rodin- lichen Akt-Bronze eines „Liebespaa- res", das sowohl in der Form als auch durch die personen-ungebun- denen Farben (lila-metallic/braun- schwarz-marmoriert) zur harmoni- schen Verschmelzung gelangt. Auch sonst tragen blaß-hautfarben-brü- chige und schwarz-golden-schim- mernde Glasuren sehr zur Augenfäl- ligkeit seiner Werke bei.
Dr. Dr. med. Günter von Mach (si- gnierend „Jungnickel"), 1937 in Ber- lin geboren, leitet seit 1976 die Ab-
Ausschnitt eines Ölbildes des in Düsseldorf praktizierenden Ortho- päden Dr. Wolfgang A. Quante
teilung für ästhetisch-plastische Chirurgie der Kurklinik Wiedemann in Meersburg. Das heterogene Bild- werk dieser impulsiven Persönlich- keit ist durch ausdrucksstarke Farb- igkeit geprägt. In den späten Sechzi- gern auf Reisen entstandene Ölkrei- dezeichnungen (zumeist Halbmeter- Formate und mit Tempera akzen- tuiert) bieten — ganz sonntagsmale- risch — rasch hingeworfene Moment- aufnahmen und südfranzösische Naturimpressionen, überraschend durch grelle Kontraste und fröhliche Spontanität, verlangend nach natür- lichem Sonnenlicht. Den besinn- lichen Gegenakzent in seinem CEu- vre setzt Mach hier vor allem durch das expressionistisch-dunkle „Ma- dras im Monsun": Diese Straßen- szene zeigt vor einem violett-brau- nen Hintergrund mit weißen Hem- den bekleidete Gestalten; stereotyp
In enge Beziehung treten die beiden Seelen des Künstlerarztes in den surrealistischen Bildern von Dr.
Wolfgang A. Quante: Der 1953 gebo- rene Orthopäde verarbeitet seine in der Chirurgie gewonnenen Erfah- rungen, wie auch seine eigenen Ge- dichte. Handwerklich sehr begabt, bezieht er sich technisch auf den Münchner Maler Bak. Ähnlich Dali konstruiert er symbolgefüllte Wü- stenlandschaften, die sich allerdings nicht ins Unendliche verlieren, son- dern die traumhaften Assoziationen in den Bildvordergrund rücken, zum Relief werden lassen, wobei ihm Schrift genauso als Requisit dienen kann wie Tarok-Kelche oder stilisier- te Mitosen. So wie seine Naturele- mente ornamental werden, wird auch der Mensch zur zumindest schlafenden Statue, zum versteiner- ten Abbild eines Künders prä- und posthistorischer Welten. Inhaltlich- keit drängt sich auf: Auf „Zeit" (180 x 100, Öl auf Leinwand) finden sich die Brustportraits zweier sich gleich- ender Männer, der linke aber jünger, mit nacktem, kraftvollem Oberkör- per, der rechte älter, in ein Gewand verhüllt, seine architektonisch an- mutende Physiognomie mühsam ei- nen Totenschädel verdeckend. Man spürt, das ist die Arbeit eines Künst-
lers. Manuel Bonik
Dr. Dr.
Ausgabe A 83. Jahrgang Heft 34/35 vom 22. August 1986 (63) 2313