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Archiv "Greenpeace und der Patentantrag: Schlecht recherchiert" (13.10.2000)

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P O L I T I K

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A2678 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 97½½½½Heft 41½½½½13. Oktober 2000

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er erste Tag gehörte Greenpeace.

Als die Umweltschützer am 5.

Oktober die Pressemitteilung herausgaben, sie hätten einen weite- ren Patentantrag auf menschliche Em- bryonen entdeckt, reagierte die Presse fast einmütig und transportierte den Schrecken, den Greenpeace auslösen wollte: „Gentechniker schaffen Misch- wesen aus Mensch und Schwein“ und ähnlich lauteten die Schlagzeilen. Ei- nen Tag später blieb von dieser Inter- pretation nicht viel übrig.

Während Greenpeace behauptet hatte, Patente auf menschliche Embryo- nen könnten in Europa erteilt werden, sei der Antrag in Wahrheit bereits vor acht Monaten abgelehnt wor- den, schildert Rainer Oberwal- der, der Sprecher des Europäi- schen Patentamtes: Patente auf menschliche Embryonen seien nach EU-Patentrecht „contrary to morality“ – sie verstoßen ge- gen ethische Prinzipien. Die Fra- ge ist nun, ob Greenpeace von dieser Ablehnung nicht sogar wusste. Als die Umweltaktivi- sten Pressemitteilungen herausgaben, hatte der Patentantrag Wo 99/21415 der australischen Biotechnologie-Fir- ma Stem Cell Sciences und ihrer US- Partnerin Biotransplant bereits einen Monat in der Schublade von Christoph Then gelegen, dem Campaigner der Umweltorganisation; Zeit genug also, sich nach dem aktuellen Stand zu er- kundigen. „Das haben wir nicht als unsere Aufgabe gesehen“, sagt Then.

Das Desinteresse überzeugt nicht.

Man kann sich zu leicht vorstellen, wie gerne Greenpeace die Nachricht präsentierte hätte, dass ein weiteres Patent auf menschliche Embryonen erteilt wäre. Im Februar hatte Then bereits entdeckt, dass das Europäi- sche Patentamt tatsächlich ein Patent auf eine Technik zur Klonierung menschlicher Embryonen erteilt hat- te. Die Behörde musste damals ihren Fehler einräumen. Da das Patentamt diesmal nicht geschlafen hatte, passte die Suggestion, der Antrag sei noch in

der Schwebe, sicher besser in die

„Kein Patent auf Leben“-Kampagne der Greenpeacer. Then gibt zu, dass man den Zeitpunkt der Bekanntgabe gewählt habe, um eine für die folgen- de Woche geplante Kabinettsitzung der Bundesregierung zu beein- drucken: Dort soll der Gesetzentwurf beraten werden, mit dem die 1998 verabschiedete EU-Patentrichtlinie in deutsches Recht umgesetzt werden soll. Und der geht Greenpeace nicht weit genug.

Dass die Umweltaktivisten entwe- der absichtlich schlecht recherchiert oder sich ahnungslos gestellt haben, kostet sie jedoch Glaubwürdigkeit.

Dabei war diese Taktik völlig unnötig, denn mit der Entdeckung des Patent- antrages hat Greenpeace tatsächlich ein wichtiges Argument geliefert – wenn auch nicht eines im Streit um das Patentrecht. Schlüssel ist das im Antrag geschilderte Experiment, das zu den Mischwesen-Schlagzeilen führte: Mit 15 Worten und einer kur- zen Tabelle beschreiben die Firmen, dass sie Kerne aus einer menschlichen fötalen Zelllinie mit „entkernten“

Schweine-Eizellen verschmolzen ha- ben. Von sieben solcher Mensch- Schwein-Eizellen haben sich zwei bis ins 16- bzw. 32-Zell-Stadium geteilt.

Wie sind solche Wesen einzuordnen?

Greenpeace benutzte die Suggesti- on an Mythen wie Minotaurus und Sa- tyr, auch wenn die Analogie biolo- gisch falsch ist: Mischwesen entste- hen, wenn Erbgut zweier Arten kom- biniert wird. In den Experimenten war das Schweine-Erbgut aber ent- fernt worden. Und die Firmen be-

streiten, dass die verwendete Zelllinie das Potenzial hatte, einen Menschen hervorzubringen. Greenpeace ver- sucht auch, das „Mischwesen“-Expe- riment gegen das Europäische Patent- recht zu wenden. Für diesen Versuch gebe es keinerlei medizinische Be- gründung, so Then, er sei nur gemacht worden, um vorsorglich das Patent beantragen zu können. Seine Schluss- folgerung: Ohne Aussicht auf Patente gäbe es solche Experimente nicht.

Doch hier liegt vermutlich die Fehleinschätzung. Es gibt durchaus ei- ne fatale Logik, warum es aus Fir- mensicht Sinn macht, menschliches Erbgut in Eizellen von Schweinen zu übertragen – oder in die von Rindern, wie es eine andere US- Firma 1998 erprobt hat. Die Lo- gik liefert das „therapeutische Klonen“: Denn das Verfahren, das sich die beiden Firmen in Europa patentieren lassen woll- ten, lässt sich dazu verwenden, aus Körperzellen eines Kranken durch Klonen einen Embryo zu erzeugen, dessen Stammzellen dann zur Behandlung seiner Krank- heit verwendet werden können.

Auch beim therapeutischen Klo- nen braucht man Eizellen; sollte die Technik einmal erfolgreich sein, dann braucht man sehr viele Eizellen. Da menschliche Eizellen dann mit Si- cherheit rar sein werden, ist die Idee, massenhaft verfügbare tierische Ei- zellen als Empfänger zu erproben, aus Firmensicht schlicht zwangsläufig.

Von biologisch begründeten Zwei- feln, ob solche Artengrenzen über- schreitenden Versuche erfolgreich sein könnten, lassen sich die Firmen jedoch nicht abschrecken.

Für das Aufspüren des Patentan- trages ist Greenpeace zu danken.

Aber fixiert auf die eigene Anti-Pa- tent-Kampagne, haben die Umwelt- aktivisten die eigentliche Bedeutung übersehen: In Wahrheit zeigt der Pa- tentantrag, wie schlüpfrig die Rutsch- bahn ist, auf die das therapeutische

Klonen führt. Klaus Koch

KOMMENTAR

Greenpeace und der Patentantrag

Schlecht

recherchiert

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