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Archiv "Vorwurf des Behandlungsfehlers - Was tun?" (10.12.1987)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

RECHT FUR DEN

Im strafrechtlichen Bereich ha- ben die bisherigen Zahlen über den Ausgang der eingeleiteten Ermitt- lungsverfahren wegen des Verdachts eines Behandlungsfehlers gezeigt, daß es nur in einem verschwindend klei- nen Prozentsatz zu einer strafrecht- lichen Verurteilung kommt Die Zahl wird von Schreiber auf etwa 2 Prozent geschätzt. Die Analyse von Althoff und Solbach aus dem Aachener Be- reich bei dem die Ermittlung gegen Ärzte in Hand eines besonderen Sachbearbeiters der Staatsanwalt- schaft liegt, zeigt, daß von 90 Ermitt- lungsverfahren wegen eines Verdach- tes der fahrlässigen Körperverletzung und fahrlässigen Tötung 78 gemäß

§ 170, 2 StPO eingestellt wurden.

Vier Verfahren wurden gemäß

§ 153 a StPO vor Erhebung der An- klage und Einstellung gemäß § 154 StPO eingestellt. Mit Strafbefehl we- gen fahrlässiger Körperverletzung wurde eine Sache erledigt, eingestellt nach 153 und 153 a nach Anklageer- hebung wurden drei, angeklagt und beendet durch Freispruch waren zwei.

• Und nur in zwei (!) Fällen von 90 erfolgte eine Verurteilung. Unter den 246 Fällen Mallachs endeten 27 (11 Prozent) mit Verurteilung, Ver- gleich oder Einstellung des Verfah- rens gemäß § 153 a StPO. In der eige- nen neueren Studie mit Neugebauer wurden 121 nach § 170 StPO, vier nach § 153, eingestellt. Neben vier Freisprüchen erfolgten lediglich zwei Verurteilungen. In fünf Fällen konn- ten wir den Ausgang des Verfahrens nachträglich nicht mehr ermitteln.

Bei den Staatsanwaltschaften Kiel und Flensburg wurden von 1980 bis 1984 in 102 Fällen strafrechtlich gegen Ärzte ermittelt, aber nur zwei- mal Anklage erhoben. In keinem Fall wurde jedoch ein Behandlungsfehler gerichtlich festgestellt. In einer Ver- handlung erging ein rechtskräftiger Freispruch, ein anderer Fall wurde gegen Zahlung einer Geldbuße einge- stellt. Althoff und Solbach haben si- cherlich zu Recht die Frage, die Ul- senheimer einmal angeschnitten hat,

erneut gestellt, ob bei dieser Situation die Effizienz derartiger strafrecht- licher Ermittlungsverfahren gegen Ärzte doch nicht sehr zweifelhaft sei.

Ulsenheimer hat u. a. bemerkt, daß auch die Einstellung nach § 153 a StPO häufig auch dann angeboten wird, wenn aufgrund objektiver Umstände eigentlich kein hinreichender Tatbe- stand bestehe. Somit erscheine dieses Verfahren im Regelfall sicherlich sinn- voll, im arzt-strafrechtlichen Verfah- ren aber möglicherweise im Sinne eines

„Nötigungseffektes" wirksam.

Jedem von uns sind Fälle be- kannt, bei denen ein einfacher Brief eines Patientenangehörigen an die Er- mittlungsbehörden genügt, daß selbst ohne Nennung eines konkret beschul- digten Arztes im Krankenhaus die Krankenpapiere beschlagnahmt wer- den. Diese werden häufig dem Sach- verständigen zugestellt mit der Frage, ob hier Anhaltspunkte für einen Be- handlungsfehler vorliegen oder nicht.

Dies auch, bevor ein etwa benannter Arzt oder Ärzte zu dem Vorwurf ge- hört wurden. Das ist meines Erach- tens abzulehnen. Lilie hat ebenfalls darauf hingewiesen, daß die Beschlag- nahmeanordnung als Ultima ratio an- gesehen werden sollte. Im Regelfall wäre es ausreichend, wenn zunächst ein ziviler Beamter nach § 95 StGB verfährt, die schlichte Herausgabe be- gehrt und dabei dem Arzt die Zusam- menhänge seines Vorgehens erläu- tert. Grundsätzlich unterliegt die Be- schlagnahme der Krankenpapiere des eines Behandlungsfehlers beschuldig- ten Arztes keiner Beschränkung. Dies gilt aber nicht —wie wir das in mehreren Fällen erlebt haben — bei Beschlag- nahme der Unterlagen vor- oder nachbehandelnder Ärzte, die selbst gar nicht Beschuldigte sind, sondern als Zeugen in Betracht kommen

Zur Frage der Rechtsfolgen einer leichtfertigen Strafanzeige gegen den Arzt und der eventuellen Ersatz- pflichten des Anwaltes oder des Pa- tienten betont Deutsch, daß auch al- len Anwälten heute bekannt sei und auch den Klienten mitgeteilt werden

müsse, daß ohne Ausnutzung des Ein- sichtsrechts und der Anrufung von Schlichtungsstellen und der damit möglichen kostenlosen Gutachtener- stattung, Strafanzeigen auf das not- wendige Minimum bei offensichtlich kriminellem Verhalten des Arztes zu beschränken seien. Eine leichtfertige Aufstellung von Behauptungen und die ungeprüfte Übernahme von Lai- en-Meinungen, die dann zu dem schweren Eingriff der Erstattung ei- ner Strafanzeige führten, verletzten die Berufspflicht des Anwaltes.

Verhaltensregeln für den Arzt

Ist es zu einem Behandlungsfeh- ler gekommen, oder wird ein entspre- chender Vorwurf erhoben, ist

• die Sicherung aller Beweis- mittel dringend. Dazu gehören lük- kenlose Krankengeschichten, Aufklä- rungs- und Einwilligungsunterlagen, Behandlungsplan, Operationsberich- te, Sicherstellung verwendeter Sprit- zen, Geräte, Medikamente etc.,

• im Todesfall sollte unter allen Umständen auf Durchführung einer gerichtlichen Sektion gedrungen wer- den. Hier besteht seit Jahrzehnten das dringende Petitum, entsprechende Vorschriften zu erlassen, nach denen jeder Todesfall im Rahmen der ärzt- lichen Tätigkeit gerichtlich obduziert werden kann. Der derzeitige Zustand ist im Interesse der Patienten aber auch des Arztes unbefriedigend.

• Das Gespräch mit dem Pa- tienten oder Angehörigen sollte stets vom beteiligten Arzt selbst, nach Möglichkeit in Zeugengegenwart, ge- führt und schriftlich fixiert werden.

Ein Großteil unberechtigter Anzeigen sind nach unseren Erfahrungen durch abgelehnte, unzureichende, unsachge- mäße, teilweise auch ungeschickte Auskünfte von Ärzten oder ihren Mit- arbeitern in Gang gebracht worden.

• Im Interesse aller Beteiligten keinerlei mündliche oder schriftliche Schuldeingeständnisse. Dies ist auch eine Forderung der Versicherer. Die- sen muß ein ausführlicher, rückhalts- loser Bericht bei möglichst frühzeiti- ger Meldung mit allen Einzelheiten erstattet werden, damit sie ihrer Prü- fungspflicht, ob die Haftpflichtan-

Vorwurf des Behandlungsfehlers

Otto Pribilla Was tun?

Dt. Ärztebl. 84, Heft 50, 10. Dezember 1987 (13) A-3433

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

sprüche anerkannt werden, und eine außergerichtliche Klärung versucht werden soll, nachkommen kann Hierauf hat insbesondere Reichen- bach hingewiesen. Bei Tätigwerden der Ermittlungsbehörden sollte schon bei der informatorischen Befragung durch Polizei oder Staatsanwaltschaft im Vorfeld der Ermittlungen beachtet werden, daß der befragte Arzt als Zeuge, gemäß § 55 StPO, geschützt ist. Ulsenheimer hat darauf hingewie- sen, daß schon in diesem Stadium weitgehend von dem Recht, keine Aussage zu machen, Gebrauch ge- macht werden sollte, wenn sich die Ermittlungen gegen den informell an- gehörten Arzt selbst richten könnten.

Im Gespräch mit anderen betei- ligten Ärzten oder Hilfskräften emp- fiehlt Ulsenheimer größte Zurückhal- tung. Andererseits sollten sofort mög- lichst lückenlose persönliche Auf- zeichnungen angelegt und Fotokopien aller später eventuell der Beschlag- nahme unterliegenden Krankenunter- lagen gemacht werden. Im Status des Beschuldigten sollte der Arzt sich grundsätzlich nur schriftlich nach vor- heriger Rechtsberatung durch einen Anwalt oder die Versicherung äu- ßern. Ulsenheimer gibt uneinge- schränkt den Rat, bei der Polizei oder Staatsanwaltschaft keine Erklärungen zur Sache, insbesondere keine Schuld- eingeständnisse etc. abzugeben. Ge- genüber der Krankenhausverwaltung sowie der Haftpflicht- und Strafrecht- schutzversicherung soll ebenfalls eine nackte Tatbestandsschilderung, d. h.

ohne Wertung, Erklärungen, Inter- pretationsversuche oder dergleichen abgegeben werden. Hier sei aber, we- gen des OLG-Urteils Celle vom 19.

September 1984, betreffend die Zeu- genrolle des Sachbearbeiters der Haftpflichtversicherung aus straf- rechtlicher Sicht, zu empfehlen, bei der Abfassung des Schreibens an die Versicherung Rechtsrat einzuholen.

Literatur beim Verfasser

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. med. Dipl.-Chem.

Otto Pribilla

Direktor des Instituts für Rechtsmedizin

der Medizinischen Hochschule Kahlhorststraße 31-35

2400 Lübeck 1

Pharma-Industrie:

Furcht vor

dem Festzuschuß

Verluste bis zu 250 Millionen DM befürchten die in der Medizi- nisch Pharmazeutischen Studienge- sellschaft (MPS), Sitz: Mainz, zu- sammengeschlossenen sieben for- schenden Arzneimittelkonzerne, falls die bekanntgewordenen drako- nischen Maßnahmen auf dem GKV- Arzneimittelmarkt im Zuge des Strukturreformgesetzes verwirklicht würden. Danach soll als zentrale strukturverändernde Maßnahme künftig eine Festzuschußverrech- nung im gesamten Arzneimittelbe- reich eingeführt werden, in der Startphase offenbar nur für die mit- einander konkurrierenden „wirk- stoffgleichen" Medikamente.

Bereits 1986 habe nach Anga- ben der MPS der Einsatz von Nach- ahmer-Präparaten („Generika``) bei den Mitgliedsfirmen zu Umsatz- einbußen von 700 Millionen DM ge- führt, so daß der Reingewinn der MPS-Mitgliedsfirmen im Vergleich zu 1985 um 45 Prozent sank. Die durchschnittliche Umsatzrendite ha- be sich mithin von 3,0 auf 1,68 Pro- zent innerhalb nur eines Jahres na- hezu halbiert; sie liege damit deut- lich unter dem Durchschnitt der ge- samten Pharma-Industrie.

Allein die vom Bundesarbeits- ministerium ventilierte Festzuschuß- regelung bei wirkstoffgleichen Arz- neimitteln würde nach Berechnun- gen der MPS zu einer unmittelbaren Rohertragsminderung von 400 Mil- lionen DM (Basisjahr: 1986) führen.

Nach dem Plan des Bundesarbeits- ministeriums würden die Kranken- kassen — bei Aufrechterhaltung der vollen Verordnungsfähigkeit für alle Medikamente — künftig nur noch ei- nen Festzuschuß in Höhe des nied- rigsten Preises, plus/minus einer be- stimmten Spanne, vergüten. Der so- zialversicherte Patient müßte dann die Differenz zum Listenpreis selbst tragen. Bei Verwirklichung dieses

„Schlachtplanes” würde die Arznei- mittelverordnung unvermittelt von

einer Sachleistung zu einer reinen Ko- stenerstattungsleistung der Kranken- kassen deklariert — MPS-Hauptge- schäftsführer Prof. Dr. F. E. Münnich dazu: Die Zuzahlungsregelung auf dem GKV-Arzneimittelmarkt hat prinzipiell nichts mit einer im Zusatz- leistungsbereich der Krankenkassen durchaus wünschenswerten „Indem- nitätslösung" zu tun. Bei Zusatz- oder individuell gestaltbaren Korn- fortleistungen (etwa bei kosmetischen Operationen, Zahnersatzleistungen) sind die Leistungen individuell wähl- bar und weitgehend der „Konsum- sphäre" des Versicherten zuzurech- nen. Der Versicherte, der eine Zu- satzleistung wählt, erhält gegen einen Direktbeteiligungsbetrag (Zuschlag, Zuzahlung) eine individuell zurechen- bare Gegenleistung. Umgekehrt ver- hält es sich bei der Entwicklung von patentgeschützten Originalpräpara- ten: Die durch Generikaeinsatz er- zielten Preisvorteile kommen in der Regel eher anderen Patienten zugute als denjenigen, die davor von der Ent- wicklung und dem Einsatz neuer Prä- parate und Wirkstoffe profitiert haben.

Zusammen mit der ebenfalls be- absichtigten 20prozentigen Direktbe- teiligung des Patienten an den Aus- gaben für die nicht von der Nach- ahmung betroffenen Präparate er- gibt sich nach MPS-Berechnungen ein zusätzlicher Ausfall am Rohertrag von 460 Millionen DM. Die Ertrags- einbußen würden sich bei einer erwei- terten Negativliste erhöhen (je nach Ausgestaltung bis zu 200 Millionen DM). Der gleichfalls diskutierte Preisstopp mit fünfprozentiger line- arer Preissenkung auf GKV-Arznei- mittel ( „Solidarbeitrag der Pharmain- dustrie") würde zu einer weiteren Er- gebniseinbuße von 140 Millionen DM führen.

Der „Solidarbeitrag" für die ge- samte Pharmaindustrie würde sich nach Angaben von MPS auf die stolze Summe von 1,7 Milliarden DM belau- fen. Zusammen mit der infolge der Festbetragsregelung erwirkten Um- satzeinbuße, zuzüglich der Auswir- kungen anderer „flankierender"

Maßnahmen, würden aus dem Seg- ment des GKV-Arzneimittelmarktes jährlich rund 3,5 Milliarden DM (!) herausgenommen werden. HC A-3434 (14) Dt. Ärztebl. 84, Heft 50, 10. Dezember 1987

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