DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Künstliche Intelligenz
sein. Ich sehe hier eine fast identi- sche Aussage. Auch den bei der Detaillierung der allgemeinen De- finition genannten konkreten Ei- genschaften eines intelligenten Systems stimme ich zu.
Auch wenn man die Aussage von Frau Dr. Straeter, der Computer sei der Inbegriff des Nichtbewußt- seins, als richtig voraussetzt—was aber diskutiert werden kann — und damit in Verbindung mit der Aus- sage „Intelligenz bezieht sich auf das bewußte Denken" der logi- sche Schluß zutreffend ist, daß ein Computer nicht intelligent sein kann, ist hier zu beachten, daß die Eigenschaft des Computers nicht als intelligent schlechthin, son- dern als künstlich intelligent be- zeichnet wird. Das Mißverständnis
Stellungnahme
Herr Dr. Puppe schreibt in seinem Artikel, daß immer noch kein Ex- pertensystem routinemäßig in der Medizinischen Praxis eingesetzt wird und daß diese wegen vielfälti- ger Beschränkungen keine rele- vanten Ergebnisse gebracht ha- ben.
In der Neurochirurgischen Abtei- lung des Rudolf-Virchow-Kran- kenhauses und im Klinikum Char- lottenburg der FU (Prof. Dr. E. Kaz- ner) und in Zusammenarbeit mit dem Institut für Neuropathologie Klinikum Steglitz (Prof. J. Cervos- Navarro) läuft seit 1983 routinemä- ßig ein Expertensystem „Tumor", mit dem die histologische Tumor- diagnostik möglich ist. Die Treffsi- cherheit richtiger Diagnose liegt bei 98,20 Prozent, und es hat sich als sehr hilfreich erwiesen. Bis
rührt also daher und tritt dann ein, wenn man Künstliche Intelligenz und Intelligenz gleichsetzt. Künst- liche Intelligenz bezieht sich per definitionem auf den Computer, Intelligenz zunächst auf den Men- schen. Trotzdem ist ein Vergleich der Systemleistungen hinsichtlich dieser Eigenschaften erlaubt, auch in quantitativer Hinsicht. Er- laubt ist aber nicht, daraus den Schluß zu ziehen, beide Systeme seien gleich. Und dies steht ex- pressis verbis am Ende des Edito- rials.
Professor Dr. rer. nat.
Adolf Habermehl Radiologie-Zentrum der Philipps-Universität Bahnhofstraße 7 3550 Marburg/Lahn
heute sind mehr als 2200 Tumore mit diesem Expertensystem unter- sucht worden. Dieses System ist in der Lage, nicht nur Diagnosen festzustellen, sondern auch Diffe- rentialdiagnosen, Malignitätsgra- de, automatische Befundung und Ratschläge über die Begründung der Diagnosen und Differentialdia- gnosen zu geben.
Die Objektivierung der morpholo- gischen Parameter ist eine große Hilfe für eine einheitliche Nomen- klatur und für die Kontrolle der Computertomogramme und der therapeutischen Maßnahmen. Au- ßerdem laufen auch in unserer Gruppe Expertensysteme für die Diagnostik des Computertomo- gramms, Muskeldiagnose u. a.
Nach meinen Informationen lau- fen auch routinemäßig Experten- systeme im Institut für Pathologie
des Klinikums Charlottenburg der FU (Prof. Dr. Sigurd Blümcke).
Dr. med. J. R. Iglesias-Rozas Abteilung für Neurochirurgie des Rudolf-Virchow-Krankenhauses und des Universitätsklinikums Charlottenburg
Augustenburger Platz 1 1000 Berlin 65
Schlußwort
Wie mir Herr Dr. Iglesias-Rozas te- lefonisch mitteilte, sind die von ihm in seinem Leserbrief erwähn- ten „Expertensysteme" sogenann- te Bayes-Programme, von denen nicht nur in Berlin in der Vergan- genheit zahlreiche entwickelt wur- den. Beides sind CT-Programme, die medizinisches Problemlösen unterstützen können. Hinsicht- lich Programmaufbau und Metho- dik bestehen jedoch fundamen- tale Unterschiede: Wohingegen Bayes-Programme aus Inzidenz (A-priori-Wahrscheinlichkeit) und Symptom-Diagnose-Korrelations- koeffizienten (bedingte Wahr- scheinlichkeit) Diagnosewahr- scheinlichkeiten berechnen, ver- suchen Expertensysteme die Art und Weise des ärztlichen Diagno- stizierens zu simulieren (z. B. in:
Kassirer, J. P., et al.: „Clinical Pro- blem Soving: A Behavioral Analy- sis." Ann. Intern. Med. 89 [1978]
245-25). Eines dürfte jedem Arzt unmittelbar klar sein: Sein diagno- stisches Vorgehen unterscheidet sich grundsätzlich von der oben beschriebenen Bayes-Methodik.
Damit ist nichts gegen die Nütz- lichkeit von Bayes-Programmen für engumgrenzte Anwendungs- gebiete (insbesondere Differen- tialdiagnostik) gesagt. Demge- genüber sind Expertensysteme (im engeren Sinne) komplexere Programme mit einem weitaus größeren Anwendungspotential, das jedoch noch nicht zum routi- nemäßigen Einsatz bereitsteht.
Dr. med. Bernhard Puppe Fachbereich Informatik Universität Kaiserslautern Postf. 30 49, 6750 Kaiserslautern
Mit künstlicher Intelligenz gegen das Wissensdilemma
Zu dem Beitrag von Dr. med. Bernhard Puppe in Heft 19/1986, Seiten 1367 bis 1376
3122 (64) Heft 45 vom 5. November 1986 83. Jahrgang Ausgabe A