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ieben Uhr morgens am Zeitungskiosk. Der Kun- de nimmt sich die Tages- zeitung aus dem Ständer und drückt dem Verkäufer seine eurocheque-Karte in die Hand. Dieser schiebt sie in ein Lesegerät, drückt ein paar Tasten, und schon ist alles er- ledigt: der Betrag ist bezahlt, die lästige Suche nach Klein- geld entfällt.Diese Szene ist längst kei- ne Utopie mehr. In den ersten Großstädten wurde die elek- tronischen Geldbörse bereits zur Realität. Damit schließt jetzt auch Deutschland an die internationalen Standards an.
In Ländern wie Großbritan- nien, den Niederlanden, Sin- gapur oder Dänemark ist die Geldkarte längst zum selbst- verständlichen Zahlungsmit- tel geworden.
Drei Varianten zur Wahl
Allerdings konnten sich deutsche Anbieter nicht auf einheitliche Standards eini- gen. So stehen mindestens drei Varianten zur Auswahl:
1 Kreditinstitute bieten die sogenannte GeldKarte an, die nichts anderes ist als die um einen Microchip auf- gerüstete eurocheque-Karte.
Sie dient in erster Linie als Bargeldersatz für Einkäufe.
Geplant sind aber auch Mög- lichkeiten zum Telefonieren, zum Bezahlen von Parkge- bühren sowie Fahrscheinen.
Die Karte kann an Ladegerä- ten, künftig aber auch an Geldausgabeautomaten mit bis zu 400 DM vom Girokon- to des Kunden „aufgeladen“
werden. Angeboten wird da- neben auch eine GeldKarte ohne Kontoanbindung.
1Ein Verbund aus Deut- scher Bahn AG, Telekom AG und dem Verband Deut- scher Verkehrsunternehmen (VDV) editiert die sogenann- te PayCard. Dabei handelt es sich um eine weiterentwickel- te Telefonkarte, die an jedem Kartentelefon sowie in den Reisezentren der Bahn mit maximal 200 DM aufgeladen
werden kann. Die Abwick- lung erfolgt über ein speziell eingerichtetes Servicezen- trum, das die Beträge vom Bankkonto des Kunden ein- zieht. Daneben wird mit der Kartenvariante B eine kon- tenunabhängige Version offe- riert, die an verschiedenen Fahrkartenschaltern durch Bareinzahlung aufgeladen werden kann. Einsetzbar soll die PayCard vorerst außer zum Telefonieren insbeson- dere zum Bezahlen von Fahr- scheinen öffentlicher Ver- kehrsmittel sowie von Park- gebühren sein.
1 Ein Konsortium aus der Orga GmbH, der Krone GmbH und dem Rechenzen- trum GDS Göppinger Daten-
service GmbH bringt die so- genannte P-Card heraus. Sie soll dem Einzelhandel in er- ster Linie durch günstige Konditionen schmackhaft ge- macht werden. Auch das bar- geldlose Telefonieren soll zum Leistungsumfang ge- hören. Karteninhaber kön- nen die P-Card insbesondere an Terminals bei den akzep- tierenden Stellen gegen 0,80 DM Gebühr mit maximal 400 DM aufladen, aber auch an Kartentelefonen soll eine entsprechende Aufladung möglich werden. Der Kauf- preis beträgt 15 DM.
Als einzige Karte sieht die P-Card auch eine Guthaben- verzinsung für den gespei- cherten Betrag von maximal
2,5 Prozent vor sowie die Möglichkeit der Kreditge- währ. Geplant sind weitere Funktionen, beispielsweise das automatische Sammeln von Bonuspunkten oder die indirekte Rabattgewähr.
Erhebliche Differenzen gibt es noch zwischen den Anbietern der elektronischen Geldbörsen und den Akzep- tanzstellen. Und die Verbrau- cherseite? Hier sind insbe- sondere Sicherheitsbedenken relevant. Nach derzeitigen Plänen soll im Fall des Verlu- stes der Karte allein der Kar- teninhaber den Schaden zu tragen haben – im Vergleich mit Bargeld eine noch akzep- table Lösung. Unsicher ist al- lerdings, wie in Fällen nicht mehr lesbarer Kartendaten entschieden wird. Die Ver- braucherschutzverbände for- dern daher ähnlich wie bei der ec-Karte eine Absiche- rung, beispielsweise in Form einer automatisch abge- schlossenen Versicherung.
Keine Einigkeit besteht daneben auch in Hinblick auf die Sicherheit der Zahlungs- daten. Grundsätzlich kön- nen geeignete Computerpro- gramme mit jeder elektroni- schen Zahlung ein sogenann- tes Kundenprofil zeichnen – wie dies heute schon bei eini- gen Kreditkartenanbietern geschieht. Aus diesem Grund fordern die Verbraucher- schutzverbände, dem „gläser- nen Menschen“ zumindest durch freiwillige Selbst- beschränkung Einhalt zu ge- bieten.
Ein weiteres Problem ist, daß die Geldkarte vorerst nur in einer Währung abgerech- net wird. Umstellungen auf den Euro sind bisher ebenso- wenig vorgesehen wie die beispielsweise im Ausland gebräuchliche Praxis einer quasi automatischen Um- rechnung in eine andere Währung. Schon jetzt kün- digte aber Europay, das
„Mutterinstitut“ der euro- cheque-Karten und Euro- cards, an, mit dem Clip-Chip eine Multiwährungs-Geld- börse zu offerieren, die pro- blemlos international einsetz- bar sei. Peter Jobst A-1074 (58) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 16, 18. April 1997
V A R I A WIRTSCHAFT
Gab es Ende der acht- ziger Jahre erst gut drei Millionen Karten- inhaber, so sind es An- fang 1997 rund 13,5 Millionen. Marktfüh- rer ist Eurocard mit 7,9 Millionen Karten- inhabern in Deutsch- land, gefolgt von Visa mit 4,1 Millionen. Ins- gesamt sind in Deutschland über 70 Millionen Karten im Umlauf: neben den genannten Kreditkar- ten noch fast 40 Mil- lionen eurocheque- Karten und eine Viel- zahl von Kundenkar- ten von Unternehmen oder Organisationen.
Zahlungsmittel
Geldkarten sind im Kommen
Die Tage des Bargelds scheinen gezählt. Die eurocheque-Karten der neuesten Generation, aber auch schon die ersten Kreditkarten sind mit einem zusätzlichen Microchip ausgestattet, der sie zur „Geld- karte“ macht. Auch andere Anbieter als die Banken, etwa das Kon- sortium Deutsche Bahn AG/Telekom AG, drängen auf den Markt des elektronischen Kleingeldersatzes. Verbraucherschützer sind je- doch nicht mit allen Ideen der Kartenemittenten einverstanden.
Statistische Angaben: Kartenorganisationen