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https://doi.org/10.20378/irbo-52018

Prien, Hans-Jürgen: Luthers Wirtschaftsethik.

Göttingen. Vandenhoeck und Ruprecht 1992, 266 S., 38,- DM.

Martin Luthers Wirtschaftsethik ist bisher weithin ein Stiefkind der Forschung geblieben. Luthers leidenschaftliche Stellungnahmen zu aktuellen wirtschaftsethischen Fragestellungen seiner Zeit sind in der breiteren kirchlichen Öffentlichkeit nur wenig bekannt. Umso begrüßenswerter ist es, daß nun mit dem Buch des Marburger Kirchenge- schichtlers Hans-Jürgen Prien zum erstenmal seit dem 1951 veröffentlichten Buch Hermann Barges eine Monographie zu diesem Thema vorliegt. Das erklärte Ziel der Untersuchung ist es, die wichtig- sten wirtschaftsethischen Schriften des Reforma- tors in ihrem kirchengeschichtlichen Kontext und unter Verzicht auf vorschnelle Systematisierungs- und Aktualisierungsversuche gründlich zu analy- sieren und dabei besonders Luthers ethischen Ansatz herauszuarbeiten (25). In fünf Schritten wird dieses Vorhaben verfolgt: Nach den einleiten- den Überlegungen ( l ), unter denen der instruktive Forschungsüberblick besonders hervorzuheben ist, erläutert der Autor zunächst die sozioökono- mischen Rahmenbedingungen in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts und ihre spezifische Wahr- nehmung durch Luther (2). Den Kern der Arbeit bilden die Analyse der wirtschaftsethischen Haupt- schriften Luthers (3) und eine Erläuterung von

deren theologischem Bezugsrahmen, die sich mit Luthers Rechtfertigungslehre und seiner Zuord- nung von Gesetz und Evangelium ebenso befaßt wie mit seiner Zwei-Reiche- und Regimenten- Lehre, seiner Drei-Stände-Lehre und seinem Ver- ständnis der Bergpredigt (4). Im Schlußabschnitt wird das Ergebnis der Untersuchung festgehalten und seine Relevanz für aktuelle wirtschaftsethische Fragestellungen erläutert.

In allen diesen Schritten bezieht sich der Verfas- ser auf eine Fülle von Sekundärliteratur, häufig in wörtlichen Zitaten, die zuweilen allzu lang geraten sind (vgl. etwa S. 146, 149f„ 173f.). Gleichwohl zeigt sich darin, daß die Arbeit auf eine gründliche und umfassende Kenntnis der bisherigen For- schungsergebnisse zu Luthers Sozial- und Wirt- schaftsethik, nicht nur aus theologisch-ethischer, sondern auch aus wirtschaftsgeschichtlicher und wirtschaftswissenschaftlicher Sicht, zurückgreifen kann.

Diejenige Deutung von Luthers Ethik, die dem politischen und wirtschaftlichen Bereich eine Eigengesetzlichkeit einräumt, kann sich - das zeigt Prien in aller Deutlichkeit - nicht auf Luthers wirtschaftsethische Schriften berufen. Vielmehr fordert Luther gerade im Bereich der Wirtschaft ein »strukturveränderndes Handeln der Obrigkeit«

( 134). Leitmaxime für dieses Handeln ist - das wird an zahlreichen Stellen in Priens Untersuchung deutlich - der Schutz der Schwachen (so explizit unter anderem aufS. 229). Gerade die wirtschafts- ethischen Schriften Luthers zeigen, daß sich die Vertreter des Konzepts der »vorrangigen Option für die Armen« durchaus auf den Reformator berufen können - eine Überlegung, die es verdient gehabt hätte, in der Schlußauswertung des Buches vorangetrieben zu werden.

Prien zeigt, daß die Bergpredigt in Luthers Denken zwar einerseits nicht mit staatlicher Zwangsgewalt durchgesetzt werden darf, daß ihre Gültigkeit aber andererseits auch nicht auf die Privatsphäre der Christen begrenzt werden darf.

Vielmehr folgen die Forderungen der Bergpredigt in Gestalt der neu verstandenen Goldenen Regel dem natürlichen Recht, indem sie es verschärfen, und sind insofern auch richtungsweisend für die Obrigkeit (223 f.). Bei dieser die Bergpredigt und die Goldene Regel in eine konstruktive Beziehung setzenden Interpretation kann sich der Marburger Kirchengeschichtler auf zahlreiche Aussagen Lut-

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hers, insbesondere in seinen wirtschaftsethischen Äußerungen berufen.

Zu den stärksten Abschnitten des Buches zählen Priens Schlußüberlegungen zur aktuellen Relevanz der sozialethischen Forderungen Luthers (231-241 ). Eine vorschnelle Einebnung der histo- rischen Distanz zu heute wird ebenso vermieden wie eine moralistische Mißachtung wirtschaftlicher Sachgesichtspunkte. Dennoch wird das kritische Potential von Luthers wirtschaftsethischen Schrif- ten für heutige Probleme, vor allem der Weltwirt- schaft, klar aufgewiesen. Prien weist mit Recht darauf hin, daß viele der von Luther kritisierten Praktiken des Kapitalismus in den Entwicklungs- ländern nach wie vor zu den Alltagserscheinungen gehören (236). Auch Luthers Kampf gegen die Monopole wird angesichts der gegenwärtigen Konzentrationsbewegungen in der Wirtschaft wie- der neu aktuell (235). Das Gleiche gilt für seine Forderung nach gerechten Preisen. Diese Forde- rung ist angesichts der Verzerrung der Terms of Trade im Warenverkehr zwischen Industrie- und Entwicklungsländern, die zu einer immer größeren Ausbeutung der in der Dritten Welt arbeitenden Bevölkerung führt, erstaunlich aktuell (238). Ähn- liches ließe sich im Blick auf die weltweite Schul- denkrise auch über Luthers Kampf gegen den Wucher sagen (239).

Anhand solcher Beispiele wird deutlich, welch reicher Schatz in Luthers wirtschaftsethischen Schriften auch für heutige Problemstellungen liegt.

Diesen Schatz ein großes Stück mehr ans Licht gebracht zu haben, ist das Verdienst von Priens Arbeit. Insofern ist sie nicht nur Pflichtlektüre für alle, die sich wissenschaftlich mit Luther beschäf- tigen, sondern es ist ihr auch eine breite Beachtung in der größeren kirchlichen und nicht-kirchlichen Öffentlichkeit zu wünschen.

Dr. Heinrich Bedford-Strohm 6900 Heidelberg

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