Keimbildung –
so beginnt das Kristallwachstum.
Phasendiagrammbestimmung über DTA:
Beim Erstarrungsprozess “stört” häufig die Unterkühlung:
Aus den DTA-Signalen läßt sich häufig die (Gleichgewichts-) Erstarrungstemperatur nur schlecht entnehmen.
Der dargestellte Fall ist noch ein Glücksfall. Bei noch stärkerer Unterkühlung gibt es keinen
Signalbestandteil mehr, der Extrapolation auf die wahre Erstarrungstemperatur erlaubt.
Hier ist die Unterkühlung “was unangenehmes”
Anders dann bei der Einkristallzüchtung:
Hier lebt man davon, dass man Schmelzen
unterkühlen, bzw. Lösungen übersättigen kann, bevor etwas auskristallisiert.
Besonders “krass” ist´s bei der Lösungszüchtung:
Hier ist der in der Lösung heranwachsende
Kristall wegen der Kristallisationswärme sogar etwas wärmer als die ungebende Lösung.
Trotzdem kristallisiert der gelöste Stoff bei richtiger Versuchsführung nur an dem bereits vorhandenen Kristall aus:
Kristallisation findet statt an bereits gebildeten Keime.
Nahe des Phasengleichgewichts sind gibt es (meistens, leider nicht immer) nicht beliebig kleine und auch nicht beliebig viele
Kristallkeime.
Genauere Betrachtung:
Keimbildung und Kristallzüchtung
Keime als Voraussetzung für Kristallwachstum
Kritische Keimgrösse und Keimbildungsarbeit
Kontrolle der Keimbildung und Keimselektion
Homogene und heterogene Keimbildung
Flächenkeime und Gestalt der Kristalle
°
°
°
Keime als Voraussetzung für kontrolliertes Kristallwachstum
Ziel bei der Kristallzüchtung:
Herstellung eines Stoffs in Form einer festen, geordneten Phase.
(Hier außer acht: Flüssigkristalle und andere Verallgemeinerungen des
Kristallbegriffs)
Realisierungsweg:
Bildung der kristallinen Phase aus einer ungeordneten Ausgangsphase.
gasförmig, flüssig
(nahe dem Gleichgewicht, hier behandelt)
fest, z. B. glasartig oder sehr fein kristallin (fern vom Gleichgewicht, etwa abgeschreckt)
Anforderung an den Prozess:
Der Übergang in die feste „Kristallphase”
darf nicht im ganzen Flüssigkeitsvolumen spontan erfolgen, sondern nur an
bestimmten Stellen, i. A. den „Keimen“.
Anforderungen aus Sicht der Physik:
Metastabilität der Ausgangsphase
bei den vorgegebenen Werten der relevanten Zustandsgrössen
(z. B. Druck, Temperatur, Stoffzusammensetzung . . . )
⇒ Bei Kristallbildung über Phasenübergang (z.B. flüssig – fest):
Phasenumwandlung muss von 1. Ordnung sein.
Präzisierung:
Bevorzugte Anlagerung der Kristallbausteine
(Atome, Moleküle) an bereits vorliegende Keime – warum funktioniert das?
Prinzip:
Konkurrenz zwischen
Übergang in die thermodynamisch bevorzugte Phase
Energiegewinn
Volumen- proportional
(∼r3)
Entstehung von fest-flüssig- Grenzflächen
Grenzflächen- Bildungsarbeit
Oberflächen- proportional
(∼r2)
Der Weg zur Quantifizierung:
Denkmodell der Thermodynamik:
Dem Materialsystem wird eine „Potentialfunktion“
der Zustandsgrössen zugeordnet, die über ihr Minimum den realisierten Zustand bestimmt.
Kristallwachstum:
Meist sind Druck und Temperatur vorgegeben.
⇒ Ob fester oder flüssiger (gasf.) Zustand vorliegt, wird durch das Minimum der „freien Enthalpie“ G entschieden.
⇒ Ein Teilchen tritt dann von einer in eine andere Phase über, wenn dadurch die freie
Enthalpie G des gesamten
Teilchenensembles minimiert wird.
⇒ Kristallwachstum dann, wenn
< 0
→S L
Gesamt
dn dG
,
mit
nL→S : Zahl der von flüssig nach fest übergehenden Teilchen
Potentialfunktion + Grenzflächenenergie
Gibt
wahrscheinlichsten Zustand an unter der Voraussetzung, daß es nur eine Phase gibt.
Phasendiagramm Berücksichtigung nicht richtig eingebundener Teilchen an der
Grenzfläche
Favorisiert den einphasigen Zustand ohne Phasengrenze.
⇒ Kristallwachstum, d.h. Übertritt von Teilchen von der flüssigen in die feste Phase gibt es nur, wenn dadurch die freie Enthalpie des Gesamtsystems vermindert wird.
Mathematisch:
(
n ( N n ) (Grenzfl .))
Solid Solid
E G
dn G d dn
dG
Solid
Solid
+ +
=
−Änderung der fr. Enthalpie durch
Teilchen- Übertritt
fr. Enthalpie der festen Phase aus n Teilchen
fr. Enthalpie der fl. Phase, der n (von N) Teilchen entn. wurden
Arbeit zur Grenzfl.- Bildung
bzw.:
(
( L S ) (Grenzfl.))
Solid Solid
G n
G Const
dn d dn
dG = +
Δ
→ +Δ
Enthalpieveränderung durch Keimbildung
immer > 0,
„gegen“ Keime In unserem Fall <0,
„für“ Keime
Einfach zu übersehen für kugelförmigen Keim:
3 Solid Solid
Solid S
L
n V r
n
G (
→) ∝ ∝ ∝
Δ
„fürKeim“
überwiegt bei größeren Keimen
2 Solid Solid
Grenzfl
A r
G
.∝ ∝
Δ
„gegen Keim”überwiegt bei sehr kleinen Keimen
⇒ Je kleiner ein (zufällig gebildeter) Keimkristall ist, umso schwerer ist für ihn das Überleben
Situation:
dr 0 G d(Δ )>
Die Bildung von Kristallkeimen mit einem Radius
unterhalb r* kostet Energie, bei der Bildung grösserer Kristalle wird Energie frei.
Bereits bei Keimen mit einem Radius unterhalb r*,aber oberhalb rkrit.
„ist es für die Natur günstiger”, sie weiterwachsen zu lassen, anstatt sie aufzulösen.
ΔG
rSolid ΔGkrit.
rkrit.
dr 0 G d(Δ ) <
0 G >
Δ
r*
Keimbildungs- arbeit
Berechnung der kritischen Größe, die ein Keim haben muß, damit er sich nicht wieder auflöst, sondern weiterwächst:
Aus
2
3
b r
r a Const
r
G ( ) = . − ⋅ + ⋅
mit a, b > 0 ergibt sich die Bedingung für den krit. Keimradius:0 2
3 ⋅ ⋅
2+ ⋅ =
−
= a r b
dr G d
krit .
) ( Δ
. . . und daraus die Bedingung für Kristalle, die sich nicht wieder auflösen:
a r b
r
Kristall>
krit= ⋅ 3 2
.
Einfluss der
Keimoberfläche auf die Systemenergie
Einfluss der
Keimvolumens . . .
Konkretisierung durch Einsetzen physikalischer Grössen:
3
3
4 r V
G
L→S= Δ μ
L→S⋅ n ⋅ π ⋅ Δ
4 r
2G
Grenzfl= γ ⋅ π ⋅
Δ
.
Diff. der chem.
Potentiale,
„Überschreitung”
Teilchen- dichte
Kugelvolumen
a
b
Oberflächen- Spannung
. . .und damit für den kritischen Radius:
n V V
r
kritn = ⋅ ⋅
⋅
⋅
⋅ ⋅
= Δ μ
γ μ
Δ π
γ
π 2
3 4
4 3
2
.
und die Keimbildungsarbeit:
.
= G
kritΔ
. . . 3 2 23
16 ⎟
⎠
⎜ ⎞
⎝
⋅ ⎛
⋅ n
V )
( Δ μ π γ
Wichtig ist:
Die Keimbildungsarbeit muss durch statistische
thermische Energiefluktuationen aufgebracht werden.
Die „Keimbildungsrate“ J reflektiert die
Wahrscheinlichkeit, mit der diese Schwellenenergie bei einer thermischen Energieverteilung überschritten wird:
⎟ ⎠
⎜ ⎞
⎝
⎛
− ⋅
⋅
= k T
A G
J exp Δ
krit .
Keimbildung ist ein „thermisch aktivierter“ Prozess.
Folgerungen für die Kristallzüchtung:
Zur Keimentstehung:
Je niedriger die Prozesstemperatur, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit der Überwindung der
„Keimbildungsschwelle“.
Um dennoch eine Keimbildung zu initiieren, muss die Schwelle selbst abgesenkt werden
durch eine hinreichende „Überschreitung“, d. h.
„Übersättigung“, Unterkühlung, . . .
Wegen der exponentiellen Abhängigkeit der
„Keimbildungswahrscheinlichkeit“ von der Unterkühlung (hier als Beispiel) entstehen bei Einsatz der Keimbildung meist unkontrollierbar viele Kristallkeime.
⇒Notwendigkeit der Keimselektion!
Möglichkeiten zur Keimselektion:
1. Nach erfolgter „spontaner Keimbildung“
Temperaturerhöhung, damit Auflösung sehr kleiner Keime.
2. Wiederholung (Temperaturoszillationen) führt zu
Reduktion der Keimanzahl und zur Homogenisierung der Grössenverteilung.
3. Zugabe von „Impfkristallen“, die auch bei geringer
Unterkühlung (Übersättigung...) die kritische Keimgrösse überschreiten (klassischer Weg bei der
Einkristallzüchtung, aber auch bei der Kristallisation).
4. Bei Verfahren zur gerichteten Erstarrung Ausnutzung unterschiedlicher Wachtumsgeschwindigkeiten für verschieden orientierte Kristallite.
°
°
°
Eine Absenkung der Oberflächenenergie führt zur Reduktion der Keimbildungsarbeit und damit zur Auslösung der Keimbildung:
⇒ “heterogene Keimbildung“ an Gefäss-wänden, Eintauchkörpern aus benetzbaren Materialien...
Benetzungsverhalten von Kristallisations- behältern sollte bekannt sein!
Räumliche Inhomogenitäten der „Überschreitung“
(Inhomogenitäten von Temperatur-, Druck, Konzentration, . . .) können über lokale Absenkung der
Keimbildungsschwelle unerwünschte (oder erwünschte) Keimbildung auslösen.
⇒“vorsichtiges“, aber effektives Rühren . . .
Wichtig für das Verständnis der Gestaltbildung, Wachstumshemmungen . . . bei der
Kristallzüchtung:
Wachstumsvorgänge auch nach erfolgter Keimbildung, die mit Oberflächenvergrösserung verbunden sind, haben zur Keimbildung analoge Aktivierungsschwellen.
⇒Besonders bei niedrigeren Prozesstemperaturen führt die Schwelle für die Oberflächenkeimbildung bevorzugt zu atomar glatten Kristalloberflächen.