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der Küste des Indik (Insel Sansibar), über die großen Seen zum westlichsten ara- bischen Stützpunkt, Nyangwe, im Ostkongo sowie von Süden und Ruanda-Urundi (im Nordwesten) zum nördlich ge- legenen Victoriasee (Muansa).

Neben den in und um Tabora residierenden einheimischen Herrschern des inneren ost- afrikanischen Hochlands do- minierten im 19. Jh. die arabi- schen Sklavenhändler ( Abb.

5) und im Küstenbereich bis zum politisch-militärischen Eingreifen der europäischen Kolonialmächte die arabi- schen Sultane von Maskat, ab 1856 die Sultane von Sansibar (Abb. 6).

Die Sklavenhändler, darunter Tippu-Tipp (Hamed bin Mu- hammed)71 als bekanntester und geschicktester Vertreter (Abb. 7), waren durch ihre Ausrüstung mit Gewehren den örtlichen Herrschern Zen- tralafrikas überlegen. Sie kannten die tributpflichtigen Kara- wanenwege über Tabora, durch das die großen Karawanen mit Sklaven und Elfenbein vom Ostkongo und den Seen des We- stens zur Küste des Indik zogen (Abb. 8,Abb. 9), wo die kost-

D

er Beitrag gibt einen orientierenden Einblick in die Notprägung von 5- und 20-Heller-Münzen (Messing bzw. Kupfer) im Jahr 1916 in der Eisenbahnwerkstätte zu Tabora (DOA). Ausgehend von geografisch-topografischen Besonderheiten Taboras werden im Rahmen des historischen Hintergrunds die technisch/metallurgischen Bedingungen so- wie zeitnahen militärischen Abläufe, darunter die Rolle des Kreuzers „Königsberg“, die die Prägung beeinflusst haben, be- sprochen.

Tabora, Ort der Notprägung im Jahr 1916 Um dem Leser sowohl einen Einblick in den aus euro- päischer Sicht scheinbar abgelegenen, aber für die ostafrikani- sche Geschichte bedeutenden Ort als auch die mit der Notprä- gung zusammenhängenden Ereignisse zu ermöglichen, wird zunächst in die Geografie , den praekolonialen Zeitraum und die deutsche Kolonialstruktur eingeführt.

Ort des Geschehens war die im Zentrum der K olonie Deutsch-Ostafrika (DOA) gelegene Stadt Tabora34 (Abb. 1).

Gelegen auf 5° 1’ südlicher Breite und 32° 53’ östl. Länge15 (Abb. 2, 3), und von arabischen Sklavenhändlern im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts (um 182071) gegründet, wurde der Ort zur bedeutendsten Handelsstation des Inlandes. Hier kreuz- ten sich im Zentrum des inländischen Sklaven- und Elfenbein- handels71(Abb. 4) die großen Karawanenstraßen von und nach

Deutsche Kolonien

Teil 9: Die Buntmetall-Notprägung zu Tabora in der Kolonie Deutsch-Ostafrika im Jahr 1916

Abb. 1: Die Kolonie Deutsch-Ostafrika mit der im Zentrum der K olonie gelegenen Stadt Tabora (Pfeil), Prägeort von Notmünzen des Gouverne- ments im Jahr 191656,62

Abb. 2: Tabora (1), wichtigste Handelsstation der V orkolonialzeit zwi- schen Nyangwe im Ostkongo (2) und der Insel Sansibar (3)12,62

Abb. 4: Sklaven-Elfenbeinkar awa- ne auf dem Marsch39

Abb. 5: Arabische Sklavenhändler, die wahren Herrscher über den Handel des Inlands von Ostafrika62

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bare Fracht vorwiegend nach Sansibar verschifft wurde (Abb. 9a).

Südlich und westlich von Ta- bora sowie im Kongogebiet bestanden im 19.Jh.im Gegen- satz zu den mehr kleineren Sultanaten des späteren DOA bereits große negride König- reiche56(Abb. 9b).

Als erste Europäer begannen im Juni 1857 vom Küstenort Bagamojo aus die englisch- indischen Kolonialoffiziere J.H. Speke und Sir R.F. Burton den gefährlichen Marsch ins

Abb. 6: Die an der ostafrikanische Küste herrschenden arabischen Sulta- ne: Sultan Sayyid Said (li.) verlegte das Sultanat von Maskat nach Sansi- bar, Sultan Sayyid Madjid, Regent von 1856-70 (m.), Sultan Sayyid Bar- gasch, Regent von 1870-88 (re.), Profiteure des von Tabora nach Sansibar führenden Sklavenhandels54 g, 62

Abb. 8: Sklaven als Träger von Elfenbein, beides wurde in Sansibar gewinnbrin- gend verkauft62

Abb. 9: Riesenstoßzahn eines Elefanten, Gewicht 102,2 Pfund, 3,50 m Länge54 d

Abb. 9a: Der letzte Weg der Sklaven der Taboraroute: Überfahrt zum Verkauf nach Sansibar, nur gelegentlich gelang eine Be- freiung durch europäische Kriegsschiffe62

Abb. 7: T ippu-Tipp, berühmtester Sklavenhändler i.d. 2. Hälfte des 19. Jh. in Ostafrika, nutzte Tabora als Zwischenstation62

Abb. 3: Richtungen der großen Sklaven- und Elfenbeinkarawanen über Tabora: Von Ruanda-Urundi (1,2), vom Ostkongo (3), vom südwestlichen Zwischenseengebiet (4), nach Muansa am V ictoriasee (5) und die Hauptkarawanenroute von und nach Sansibar (6)32,62

Abb. 9b: Negride K önigreiche bestanden im Inner en Ostafrikas in der Mitte des 19. Jh. (Gelbmarkierung), als Gebiete des Sklavenfangs auch um Tabora (Pfeil)56

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Inland. Wegen der feindlich gesinnten Massais weit nach Süden ausweichend sowie mit ausreichendem Ersatzgeld versorgt (Abb. 10) erreichten sie nach 134 Tagen den arabi- schen Handelsposten Kaze , die spätere Stadt Tabora. Von hier aus entdeckten sie den Tanganjikasee, Speke allein den Victoriasee bzw. mit Kpt.

Grant 1862 den Ausfluss des Nils aus dem Lake Victoria69 (Abb. 11).

Auch die berühmten For- schungsreisenden David Li- vingstone und H. M. Stanley berührten auf ihren Reisen Ta- bora, 1872 übernachtete Li-

vingstone in einer Tembe (ein- faches afrik. Wohngebäude, d.A.) nahe Tabora, Stanley (Abb. 12) versorgte ihn neben neuen Trägern für seine letzte Reise von Tabora in Richtung Westen21 (Abb. 13) mit dem erforderlichen Ersatzgeld:

„Vierzig Lasten Kattun, Glas- perlen und Metalldraht“21.

1871 gelang es dem einhei- mischen Häuptling Mirambo , Tabora gegen die Araber für kurze Zeit zu erobern21,60. 1882 traf der spätere Gouverneur von DOA, H.v. Wissmann (Abb. 14), in Tabora auf den o.g. Tippu-Tipp, der ihm die Weiterführung seiner Expe-

dition mit der Lieferung not- wendiger Waren durch eine spätere Bezahlung in Sansibar ermöglichte6.

Erst 1890 wurde Tabora in einem riskanten Unterneh- men, geführt von Emin Pascha16 und Franz Stuhl- mann, besetzt. „Im Namen Seiner Majestät, des deut- schen Kaisers, ergreife ich Be- sitz von diesem Lande und his- se als äußeres Zeichen die deutsche Flagge“71 (Abb. 15).

Weder der einheimische mächtigste Unyamwesi- Häuptling Ssike (er musste tri- butpflichtig 73 Ochsen, Ele- fantenzähne und Waffen abliefern)71 noch die Araber wagten, gegen die kleine, aber

gut bewaffnete Truppe offe- nen Widerstand zu zeigen. Ein geschickter Schachzug. Die Deutschen ließen unter den Arabern einen „Liwali“ (örtl.

„Gouverneur“, d.A.) wählen, um Ruhe in der Stadt zu ge- währleisten, wobei sich kleine- re örtliche Scharmützel bis 1893 hinzogen60,71(Abb. 16).

Zur deutschen Kolonialzeit war Tabora mit rd. 30.000 Einwoh- nern60der Hauptort des zentralen Hochlands55(Abb. 17) im gleich- namigen Bezirk (104.000 km 2, 437.000 Einheimische, nur 336 Europäer !) mit Sitz des Bezirksamtes . Es gab nur wenige Stein-

Abb. 10: Ostafrikanerin, Perlen und Drahtringe (Ohren, Hals, Arme) dienten sowohl als Schmuck als auch gängiges Ersatzgeld bei Ex- peditionen62

Abb. 12: Henry Morton Stanley ,

*1841 †1904, Kriegsberichterstatter des „New York Herald“, kartierte den Kongo, fand 1871 den totgeglaubten Livingstone und rüstete ihn in Tabora für seine letzte Reise aus21,60

Abb. 14: Hermann v. Wissmann, Dr. phil., 1895/96 Gouverneur in DOA, erreichte 1882 als Ltn. von Angola aus T abora (erste W est- Ost-Durchquerung Afrikas), *1853

†19056,60

Abb. 15: Emin Pascha *1840 †1892, ab 1890 im Reichsdienst, besetzte am 1. August in einem Handstreich mit Ltn. F. Stuhlmann, Ltn. Lang- held und Freiherrn von Bülow das strategisch wichtige Tabora60,71

Abb. 16: Die allmähliche Beset- zung des Inneren von Deutsch-Ost gelang nur unter schwierigsten Be- dingungen und zog sich nach 1890 noch über 10 Jahre hin (zeitgen.

Kolonialgemälde)62 Abb. 11: Sir R. F . Burton (li.),*1821 †1890, und J. H. Speke (r e.),*1827

†1864, beide Offiziere der Brit.-Ind. Armee, erreichten als erste Kaze, das damalige Tabora (1), danach den Tanganjikasee (2). Speke allein ent- deckte den Victoriassee (3) und (mit Gr ant) den Ausfluss des Nils aus dem See (4). F eindliche Massaistämme (rote Markierung der Expediti- onswege) wurden weit im Süden umgangen (5)60,69,54 g

Abb. 13: David Livingstone, *1813, auf seiner letzten Reise von T abora nach Westen, noch immer auf der (vergeblichen) Suche nach den Nilquel- len,† am 1.5.1873 in Tschitambo im Ostkongo, seine Leiche wur de nach Sansibar überführt, bestattet in der Westminsterabbey zu London21,60

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häuser, die hauptsächliche Bebauung des Stadtareals bestand aus in traditioneller Bauweise errichteten Eingeborenen-Hütten.

Mittelpunkt und äußeres Zeichen der deutschen Kolonial- macht im Zentrum der K olonie war in der von den einheimi-

schen Wanjanjembe bewohn- ten Stadt eine 90 x 90 m große und auf 1.136 m Höhe gelege- ne gewaltige Boma (Feste mit hohen Mauern, stationierte Schutztruppe,Verwaltungsein- heiten u.a., Abb. 18). Sie lag etwa 2 km südlich des arabisch geprägten Zentrums Taboras auf einem 30 m höheren Ter- rain, der Platz davor war (wie bei allen deutschen Festungen in DOA) unbebaut, um An- greifern keine Deckung zu bieten (Abb. 19). Auf den Dienstgebäuden des Gouver- nements wehte die Flagge der deutschen Kolonialverwaltung (schwarz-weiß-rot mit schwarzem Adler,Abb. 20)39. Die Wanjanjembe waren für die Produktion von Zehntau- senden von Eisenhacken be- kannt, die im gesamten Inland bis weit in die Kolonialzeit als Ersatzgeld fungierten ( Abb.

21)71. Weiteres Ersatzgeld zu Beginn der K olonisation wa- ren englische Baumwollstoffe (30 yards „Sattini“ à 5-6 Dollar), wobei der Begriff des

„Dollars“ sich u.a.auf den Ma- ria-Theresien-Taler (MTT, Abb. 22) bezog9,24, den univer- salen Handelstaler ganz Ost- afrikas (z.T. auch mit portugie- sischer Kontermarkierung versehen)14,65. Um 1890 wurde ein Sklave in Tabora ab 15 Dollars verhandelt71.

Der Boden um Tabora war fruchtbar, neben dem Anbau vieler Früchte und Gewächse war die Umgebung der Stadt für ihre Mangoplantagen be- kannt60,71.

Tabora war Standort der 8.

Compagnie der Schutztruppe (Abb. 23, 24, 25) und Sitz einer 110 Mann starken einheimi- schen Polizeitruppe (Abb. 26).

Die Stadt verfügte u.a. über

Abb. 20: Die deutsch-koloniale Dienstflagge, ab 1893 äußeres Zei- chen deutscher Herrschaft in DOA39,62

Abb. 21: In Tabora und dessen Um- gebung bis weit in die Kolonialzeit gefertigte Eisenhacken, hochwer- tiges und begehrtes Ersatzgeld für Karawanen und Händler71

Abb. 23: Unter offizier der dt.

Schutztruppe in Ostafrika10

Abb. 24: Askari der Deutschen Schutztruppe in DOA (die Bezeich- nung wurde auch für Angehörige des Polizeidienstes verwendet)10 Abb. 17: Das Hochland von Unjamwesi an der Straße nach Tabora, der für

Ostafrika typ. Baobab (Affen-Brotbaum) im Vordergrund60

Abb. 18: Die 90 x 90 m große Boma, die Militärfeste von Tabora, im Vor- dergrund zum „Schauri“ (Rechtsprechung) wartende Eingeborene60

Abb. 19: Orientierender Stadtplan von Tabora: Der Bahnhof, in dessen dazugehörigen Werkstätten 1916 die Notmünzprägung stattfand (1), die Feste von Tabora (2), Verbindungsstraße (3) zum alten arabischen Teil der Stadt (4), Entfernung Boma-Bahnhof r d. 1 km. Neben den K upfer- Messingmünzen wurde 1916 in Tabora à 15 Rupien (5) die einzige deut- sche Notmünze in Gold geprägt (s.u.)

Abb. 22: Maria- Theresien-Taler, (MTT, auch als „Dollar“ oder

„schwarzer Taler“ bezeichnet), als silbernes Großstück à 28,0668 g und Ag 800 fein in Deutsch-Ost als universaler Handelstaler Afrikas bis 1896 erlaubt24,33,62

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Postamt, Apotheke, Hospital, Bezirksgericht, Lazarett (Abb.

27, 28) und Telegrafenstation.

Die „Tabora-Post“ fungierte als örtliches Nachrichtenblatt.

Die Jahresmittel-Tempera- tur beträgt 22,6°60, war also für Europäer nicht ungesund.

Auch in der K olonialzeit blieb Tabora der bedeutendste Zwischenhandelsplatz zwi- schen der Küste und den

großen Seen, angesiedelt hat- ten sich u. a. Inder, Syrer und Goanesen, zeitweilig (1910 / 11) hatte das Gouvernement sogar diskutiert, Tabora zur Hauptstadt von DO A vorzu- sehen39.

Noch für 1911 wird festge- stellt, dass die Stadt „ein freu- dig begrüßtes Paradies jeder

Trägerkarawane“ war, in der es „ein zügelloses Leben bei Palmbier und käuflicher Liebe gab“50,71(Abb. 29).

Wichtigster kommerzieller Faktor war die Bahnstation mit ihrer nachgeordneten Hauptwerkstätte, der einzigen im zentra- len Hochland5, sie spielte bei der Notprägung im Jahr 1916 eine bedeutende Rolle(s.u.).

Zunächst dachte man an eine von der Küste in Richtung Ta- bora führende „elektrische Schwebebahn“ (sie wurde aus finanziellen Gründen wieder verworfen). Bereits ab 1891 und nachfolgend auf Grund der Untersuchungen „an Ort und Stel- le“ von Leutnant Gaston Schlobach ( Abb. 29a) und Re- gierungsrat Bormann wurde dann 1894/95 eine „Centralbahn“

geplant5,55,79. Sie wurde durch die Frankfurter Fa. Philipp Holz- mann & Co . auf einer alten arabischen Karawanenstraße ab 1905 in Meterspur gebaut, erreichte nach 848 km kompli- zierter Bauarbeiten am 26.2.1912 als später „Mittel- land- oder Tanganjikabahn“

genannte Strecke (Abb. 30) mit ihrer Gleisspitze Tabora (Abb. 31) und wurde bis zum 1.2.1914 nach Kigoma am Tan-

ganjikasee weitergeführt (Abb. 31a), eine logistische Spitzen- leistung deutscher Ingenieure5,55,60. Die ab Tabora geplante Nordroute (sog. „Ruandabahn“) bis zum „Kageraknie“ (einem Fluss im Nordwesten der K olonie) konnte durch den Krieg nicht mehr realisiert werden (geplant ab 1912 55, Beginn der Trassenarbeiten durch die Deutschen ab 191339).

Nach der Kapitulation wurden die Ingenieure der Fa. Holz- mann von den Engländern aufgefordert, einen Teil der Kunst- bauten der Bahn zu sprengen55.

Der Lohn für einen Arbeiter an der Taborastrecke betrug im Mittel 9 Rupien (Abb. 32) für 30 Arbeitstage, dazu kam (für Sonntags- und Krankenverpflegung) der sog. Geldposcho von 171/3Heller/Tag (Abb. 33). Ein Aufseher für 60 Mann (Abb. 34) wurde mit 10 Rupien pro Arbeitstag entlohnt5, der Fahrpreis betrug nur bis 11/2Heller pro km5.

Abb. 25: Epauletten eines Majors der Schutztruppe60

Abb. 27: Das Lazar ett zu T abora (zeitgen. Postkarte)62

Abb. 30: Die vorwiegend in „Hand- arbeit“ erschlossene T rasse der Tanganjikabahn39

Abb. 26: Hauptwache der Askari-Polizeitruppe zu Tabora62

Abb. 29a: Gaston Schlobach da Costa, Pionieroffizier, Forschungsreisen- der und Vermessungsingenieur, plante als Eisenbahnr eferent des Gou- verneurs von DOA mit Regierungsrat Bormann die Zentralbahn in Rich- tung Tabora16,62,79

Abb. 31: Der Bahnhof von T abora, in dessen Eisenbahnwerkstatt 1916 die Messing/Kupfer- und Goldmünzen-Notprägung stattfand39 Abb. 28: Die „Gerichtshalle“ von T abora, ein einfacher einheimischer

Rundbau62

Abb. 29: Die „Markthalle“ von Tabora, im Vordergrund zum Verkauf lie- gende Holzlasten62

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gültig) zu diesem Zeitpunkt für den praktischen Geldverkehr keine Rol- le mehr (Abb. 36, 37). Die deutsche Kupferpesa war bereits 1910 außer Kurs gesetzt worden (vgl. Abb. 39).

Für das große, bei den Eingeborenen sehr beliebte 2-Rupien-Stück, das u.a. Ende des 19. Jh. den Maria-The- resien-Taler aus dem ostafrikani- schen Geldverkehr verdrängt hatte , muss angenommen werden, dass es als Großstück im Hinblick auf sei- nen hohen Silbergehalt ebenfalls aus dem öffentlichen Umlauf ver- schwunden war, es befand sich allen- falls in Kassen des Gouvernements bzw. in Geldhorten (Abb. 38).

Bis zur beim Beginn des I.

Weltkriegs erfolgenden Hor- tung insbes. des Nickel- und Silbergelds liefen in Tabora von den deutschen Münzen Rupien und Heller um. Neben Rupienstücken der Deutsch- Ostafrikanischen Gesellschaft, einschließlich ihrer Halb- und Viertel-Rupien-Nominale kursierten mit gleichen Wert- stufen die „Reichsrupien“ der zweiten Prägung (Prägungen für das Auswärtige Amt ab 1904) sowie die gelochten

5- und 10-Heller-Stücke (Cu/Ni) und die 1-Heller- Münze (Abb. 35).

Das unhandliche 5- Heller-Stück von 1908/09 (zu groß, zu schwer) und das 1/2-Heller-Stück (zu klein) spielten (obwohl offiziell bis 1925 kurs-

Abb. 32: Deutsch-Ostafrika, 1 Ru- pie, 1911, Ag 916, 11 ,6637 g, ge- prägt in Hamburg (J)30

Abb. 33: Deutsch-Ostafrika, 1 Heller , 1912, Cu/Sn/Zn, gepr ägt in Berlin und Hamburg von 1904-1330,62

Abb. 34: Aufseher mit eingeborenen Arbeitern beim Bau der Mittelland- bahn62

Abb. 31a: Die Tanganjika-Bahn, ausgehend von Daressalam über Tabora nach Kigoma am Tanganjikasee, eine ing.-technische Spitzenleistung der Deutschen, die von T abora ausgehende Stecke zum Kager afluß (Pfeil) wurde durch den Beginn des I. Weltkriegs verhindert62.

Abb. 35: In Tabora bis zur Münz-Hortung umlaufende deutsche Münzen:

Die Silbermünzen der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft à 1/4-Ru- pie, 1/2-Rupie und 1 Rupie, Revers (obere Reihe), Prägungen für das Aus- wärtige Amt (Reichsrupien) à 1/4-Rupie, 1/2-Rupie und 1 Rupie, Revers (mittlere Reihe) und die gelochten Cu/Ni-Münzen zu 5 und 10 Heller, Re- vers, (untere Reihe). Der Avers war bei allen Silbermünzen gleich: Guilel- mus II Imperator, Kaiser Wilhelm II. in der Uniform der Garde du Corps30,62

Abb. 36: Deutsch-Ostafrika, 5 Heller, Cu/Sn/Zn, 37 mm Ø, 20 g, geprägt 1908/09, wegen Unhandlichkeit ab 1912 eingezogen30,62

Abb. 37: Deutsch-Ostafrika, 1/2Heller, 1904, Cu/Sn/Zn, Ø 17,5 mm, ge- prägt nur von 1904-06, ab 1912 wegen zu geringer Größe eingezogen30,62

Abb. 38: Deutsch-Ostafrika, 2 Rupien, DOAG, geprägt nur 1893/94 in Berlin, silbernes Großstück mit einem Ø von 35 mm und 23,3274 g, sollte das monetäre Gegengewicht zum MTT sein24,30,62

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Eine zeitgenössische Weltpostkarte der Vorkriegszeit zeigt einen Teil der K ursmünzen, wobei die damaligen Umrech- nungen in andere Währungen nicht uninteressant sind. U.a. 1 deutsche Rupie = 29 US-Cents bzw . 56 russische K opeken (Abb. 39). Deutsche Reichsgoldmünzen waren in der K olonie nicht erwünscht, kleinere deutsche Reichs-Nominale waren so- wohl in Tabora als auch im Rest der Kolonie nicht im Umlauf.

Auch bei Briefmarken galt ab 1905 in Tabora die Heller/Rupienwährung, vorher zwischenzeit- lich die Pesa-Rupien-Freimachung51(Abb. 40).

Tabora ist heute in der Republik Tansania mit rd. 120.000 Einwohnern Hauptstadt der gleichnamigen Region (rd. 1,7 Millionen Ein- wohner, etwa der territorialen Größe Bayerns vergleichbar). Julius K. Nyerere, der 1961 als er- ster Präsident die englische Kolonie (das frühere DOA) in die Unabhängigkeit führte , besuchte in Tabora die Missionsschule (Abb. 41).

Die militärischen Abläufe in Deutsch-Ostafrika und ihre Einflüsse auf die Tabora-Notprägung

Die sich ab 1914 im K olonialkrieg zwischen Alliierten und Deutscher Schutztruppe ständig verändernde militärische La- ge war eine wesentliche Mitursache , dass es zur Prägung von Notmünzen in Tabora kam.

Bei Ausbruch des I. Weltkriegs war Deutsch-Ost 1914 von feindlichen Mächten umgegeben. Im Norden Britisch-Ostafrika,

im Westen Belgisch-Kongo, im Südosten Britisch-Rhodesien und im Süden Portugiesisch-Moçambique. Dazu kam die engli- sche Schiffsblockade der gesamten Indik-Küste der K olonie (Abb. 42).

Am 5. August 1914 hatte Gouverneur H. Schnee (Abb.

43) eine Deklaration „Für unse- res Volkes Ehre“ veröffentlicht (Abb. 44)59. Auch ein Schiff na- mens „Tabora“ (Dampfer der DOA-Linie)39 hat es gegeben, es wurde zunächst als Lazarett- schiff deklariert, 1915 aber von den Engländern versenkt (Abb.

45)59,61.

Abb. 39: Kursmünzen von Deutsch-Ost auf einer zeitgen. Postkarte, die Pesa der DOAG (li. unten) war bereits 1910 außer Kurs gesetzt62

Abb. 42: Deutsch-Ostafrika, umgeben von feindlichen Mächten zu Be- ginn des I. W eltkriegs im August 1914: Britisch-Ostafrika (1), K üsten- Blockade der Engländer (2), Britisch-Rhodesien (3), Belgisch-K ongo (4) Portugiesisch-Moçambique (5)10,62

Abb. 40: Heller-(Rupien)-Währung auf Briefmarken (komb. mit Postkar- te der davor bestehenden Pesa-Rupienwährung)51,62

Abb. 41: J.K. Nyer ere, *1922 †1999, Pr äsident Tansa- nias von 1961-85, besuchte u.a. in Tabora die Mis- sions-Schule54 d,62

Abb. 43: Dr. Heinrich Schnee, Gouv- erneur von Deutsch-Ost 1912/18,

*1871 †1949, initiierte Ende 1915 wegen Hartgeldmangels die Tabora- notprägungen, 1931-36 Präs. der dt.

Kolonialgesellschaft46,59,61

Abb. 44: Aufruf des Gouverneurs vom 5.8.1914 an die Deutschen Ostafrikas59

Abb. 45: Nach der Stadt Tabora be- nannter „Reichspost- und P assa- gier-Dampfer“, zunächst als Laza- rettschiff geduldet, 1915 von den Engländern versenkt39

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Auf Grund der militärischen Niederlagen musste sich das Gou- vernement von der Küste absetzen und ab April 1915 nach Tabora zurückziehen, der Ort schien zu die- ser Zeit am wenigsten gefährdet 59. Ein Jahr später (April 1916) musste der Gouverneur erneut ausweichen und zog sich in Richtung Osten nach Morogoro zurück. In Tabora verblieben jetzt neben dem Re- gierungs- und Baurat Brandes, dem vom Gouverneur in der Stadt „die Geschäfte übergeben wurden“, die

„nicht truppendienstfähigen Beam- ten“. Der letzte Besuch des Gouv- erneurs in Tabora datiert von 22.- 25.7. 191659,61.

Bereits im Oktober 1915 waren fast alle Truppen im Nordwesten, spä- ter der gesamte Westen und Südwe- sten der Kolonie unter den Befehl des Generals Wahle gestellt worden16,61.

Nur während dieses zur Verfü- gung stehenden Zeitfensters von En- de 1915 bis zum September 1916 konnten in Tabora die Vorbereitun- gen und Emission der Notmünz en durchgeführt werden!

Ab März 1916 begann im Nor- den der Kolonie die englisch-süd- afrikanisch-indische Offensive un- ter General Smuts ( Abb. 46, 47, 48), im Mai 1916 folgte der Ein- marsch alliierter Truppen von Süd- westen unter General Northey61.

Im April/Mai 1916 setzte die belgische Offensive (15.000 Mann)1

mit 2 Brigaden nördlich und südlich des Kiwusees 57unter Ge- neralmajor Tombeur ein (Abb. 48a)58,6172. Hauptmann Wintgens war, nachdem eine deutsche Riegelstellung keinen Erfolg hatte, gezwungen, sich vor den überlegenen Streitkräften auf Tabora zurückzuziehen.

Am 23.7.1916 ging mit Kigoma die Endstation der Mittelland- bahn verloren61,auch von Süden gingen die Belgier auf Tabora vor.

Gleichzeitig rückten vom Seengebiet des Südwestens die Alliierten mit südafrikanisch-engl. Truppen13,78 ebenfalls mit dem Ziel Tabora vor (Abb. 49).

Abb. 49: Der Angriff der Alliierten im Jahr 1916 auf T abora: Belgische Kolonialtruppen von Nordwesten (1,2), südafrikanisch-englisch-indische Verbände von Norden (2a,3,4,), Unterbrechung der Zentralbahn am 1.8.1916 (5), englisch-südafrikan. T ruppen aus Richtung Süd und Südwest (6, 7), Rückzug der Einheit Wahle von Tabora in Richtung Mahenge zu Gen. v . Lettow-Vorbeck (8), Stellung der Deutschen Schutz- truppe am Rufidji Ende 1916 und Rückzug in Richtung Moçambique (gelb, 9). V ersenkung von SMS „Kö- nigsberg“ im Rufidji-Delta im Juli 1915 (10), Transport von Buntmetallreserven des Kreuzers über Daressa- lam zur Münzprägung nach Tabora (11)13,10,40,42,43,62

Abb. 48a: Belgisch-K ongolesische Kolonialsoldaten, erlitten zunächst bei Kissenji im Nor dwesten von DO A eine Niederlage, besetzten im Sept. 1916 Tabora mit der Münzstätte und plünderten die Stadt39

Abb. 46: Jan Christian Smuts, südafrikanischer General,

*1870 †1950, militärischer Gegenspieler von General v.

Lettow-Vorbeck, 1919-24 Minister-Präsident der Süd- afrikanischen Union, setzte 1916 die deutsche T abora- notprägung außer Kraft7a,62

Abb. 47: Englisch-indische Patrouille im Norden von DOA1

Abb. 48: Englisch-indische K olonialsol- daten: Gebirgs-Artillerist (li.), Punjab- Kavallerist (Mitte), Bengal. Infanterist (re.)39

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Am 23. Juni 1916 besetzen engli- sche Marinetruppen Teile der Indik- Küste, am 26.8 fällt Morogoro78, nach- dem bereits am 1.8.1916 43 die englisch-südafrikanisch-indischen13 Einheiten von Norden die Zentral- bahn erreicht hatten.Damit ist der Zu- gang von und nach Tabora (einschließ- lich aller monetärer Bewegungen) in Richtung Nordwesten der Kolonie un- terbrochen43,61.

Vor Tabora hat der Königlich- Sächsische Generalmajor Wahle im Umkreis von 30 km feste Stellungen eingerichtet22 (Abb. 49a), kann je- doch die überlegene Streitmacht der Kolonialtruppen Belgiens nur vorü- bergehend aufhalten und muss sich nach 10tägigen Kämpfen 57 am 17./18.9. 1916 zum Rückzug in Rich- tung Südosten entschließen (ihm droht eine klassische militärische Einkesselung, d.A.), um sich mit den im Osten der K olonie nach Süden ausweichenden Truppen v. Lettow- Vorbecks mit dem Ziel Mahenge zu vereinigen28,40,61 (Abb. 50). Vorher hatte General Wahle an den Gouver- neur das Versprechen abgegeben, in der Stadt Tabora wegen der vielen Frauen, Kinder, Gefangenen und ver- letzten Angehörigen der Schutztrup- pe nicht zu kämpfen59. Regierungsrat Brandes, der wichtige Akten zuvor verbrennen und vergraben ließ57, wurde mit seinen Mitarbeitern von den Belgiern gefangen genommen59.

Nach der am 19.9.1916 durch Co- lonel Molitor erfolgten belgischen Besetzung Taboras58, in dem sich noch rd. 500 Zivilisten aufhielten59, wird übereinstimmend berichtet, dass es durch belgischen Kolonialsoldaten (belg. Befehlsstruktur: Nur vier Eu-

ropäer auf 200 Mann Compa- gniestärke) zu Plünderungen, Misshandlungen und Verge- waltigungen kommt, auch die Araber mit ihrem Schmuck werden nicht verschont39,59,61,78.

Nur die ansässigen Griechen und Inder hatten ihre Häuser mit englischen und belgischen Fahnen „geschmückt“57. Nachdem noch die „Kranken- hauskasse“ mit 8.000 Rupien (Abb. 51) erbeutet wurde 59, wird die Stadt von den Bel- giern an die nachfolgenden Engländer übergeben.

Die Verpflegung der in Tabora

Abb. 49a: Maschinengewehr-Abwehrstellung der Deutschen K olonial- Truppe im Dornbusch Ostafrikas13

Abb. 50: Der königlich-sächsische Gene ral- major Wahle, Befehlshaber der T ruppen um Tabora, Rückzug der Schutztruppe 14 T age nach Schließung der Münze zu T abora nach Südosten, Richtung der deutschen Rückzugs- linien (rot – schwarze Markierung)40,42,43,61,62

Abb. 51: Deutsch-Ostafrika, DO- AG, 2 Rupien, Rev., silbernes Groß- stück, nach Davenport auch unter

„afrikan. Dollar“ eingeordnet9,30

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Zurückgebliebenen war schwierig, der Preis für eine einzelne Banane stieg auf 10 Heller57.

Die Frau des Gouverneurs , Ada Schnee (irisch-englischer Abstammung,Abb. 52), wurde in Tabora weiterhin gefangen gehalten und durfte erst nach vier Monaten am 12.1.1917 über den K ongo in Richtung

Westen ausreisen59. Der Gouv- erneur (Abb. 53) musste sich zwangsläufig dem Kdr . der Schutztruppe v. Lettow-Vor- beck anschließen, um nicht in Gefangenschaft zu geraten.

Von der Besetzung Taboras will v. Lettow-Vorbeck42(Abb.

54) nach seinen eigenen Auf- zeichnungen „erst viel später“

(im Oktober 1916) erfahren

haben, als die o.g. von Tabora zurückgehende Einheit Wahle im Südosten der K olonie auf die ersten Patrouillen der dort stehenden Hauptmacht der Schutztruppe traf (vgl. Abb.

50).Daressalam war bereits am 4.9.1916 von den Engländern eingenommen worden78. Die Rolle des Kreuzers „Königsberg“ und seiner Ressourcen für die Taboranotprägung

Der Auslands-49 und Kleine Kreuzer SMS „Königberg“

(Abb. 55) spielte in Deutsch-Ost als einzige , größere deutsche militärische Schiffseinheit eine besondere Rolle45. Nachdem er am 20.9.1914 vor Sansibar den

englischen 2.200-t-Kreuzer HMS „Pegasus“ ( Abb. 56) versenken konnte13,61, musste sich das deutsche Schiff be- schädigt in die Rufidjimündung zurückziehen (vgl. Abb. 49).

Die Historie berichtet: HMS

„Pegasus“ hatte bereits die Kriegsflagge gestrichen und

die weiße Flagge gehisst, was aber von den Deutschen durch den Rauch nicht gesehen wur- de45. Durch Verhöre eines ge- fangenen deutschen Offiziers konnten die Engländer zwar den Lageplatz des deutschen Kreuzers bestimmen, doch SMS „Königsberg“ weicht aus und zieht sich weiter ins Delta zurück, da ein Entkommen aus der durch insgesamt 16 englische Einheiten (Kreuzer und armierte Hilfsschiffe) so- wie des Einsatzes von F essel- ballons und Flugzeugen 7 blockierten Rufidjimündung nicht mehr möglich ist. Bei Ebbe trockenliegend ( Abb.

57) wird sie letztlich nach mehreren Gefechten durch

zwei Monitore (flachgehende, mit 15-cm-Geschützen armierte Schiffseinheiten,Abb. 58, 59, 60) schwer getroffen. Fregatten- Kpt. Max Looff (Abb. 61), selbst durch einen Bauchschuss ver- wundet, überlebt, und lässt am 11.7.1915 das Schiff spren-

gen13,28,44,61. Die Mannschaft wird in die K olonialtruppe

eingegliedert, er selbst wird, nun als Kpt. z. S., im Oktober 1916 durch v. Lettow-Vorbeck zum „Südbefehlshaber“ ernannt und General Wahle unterstellt13.

Abb. 56: HMS „P egasus“ sinkt vor Sansibar dur ch Beschuss von SMS

„Königsberg“62

Abb. 59: Blick auf das Rufidji-Delta, vorn HMS „Severn“ (Pfeil), dahinter HMS „Königsberg“13

Abb. 52: Ada Schnee, die F rau des Gouverneurs Dr. Schnee, hier auf Leopardenjagd, wurde in T abora von den Alliierten vier Monate ge- fangengesetzt59

Abb. 54: Gener al v. Lettow-Vor- beck, *1870 †1964, Gegenspieler des Gouverneurs, diente in China und Deutsch-Südwest, Kdr. der Schutztruppe in DO A bis 1918, 1916 „Pour le mérite“62

Abb. 55: SMS Kleiner Kreuzer „Kö- nigsberg“, 3.400 t, 295 Mann, u.a.

10 10,5-cm-Geschütze44,54 d

Abb. 57: SMS „Königsberg“ manö- vrierunfähig bei Ebbe im Rufidji, auf Sandbank aufgelaufen13

Abb. 58: HMS „Severn“, flachge- hender engl. Monitor , der in die Flussmündung eindringen konnte13 Abb. 53: Gouverneur H. Schnee in

„feldmäßiger“ Gouverneursuni- form (keine milit. Laufbahn), im November 1918 von den Englän- dern in Rhodesien gefangen ge- nommen, Rat I. Klasse, Excellenz, Disziplinargewalt eines Div .-Kdr., Stellv. des Kaisers betr. der Militär- hoheit60,61

(11)

Dennoch gelingt es , durch Taucher 1.500 Granaten und zehn schwere 10,5-cm Ge- schütze zu bergen. Sie werden von je 400 Einheimischen durch den Sumpf geschleppt und in die F ronten eingeglie- dert13 (Abb. 62). Weiterhin werden Messingkartuschen ge- borgen sowie jeder „bis auf den letzten erreichbaren Rest von Bronze“ durch Taucher gesi- chert. Diese Metallreserven erreichten „neben anderen wertvollen Materialien“ auf komplizierten Wegen die Stadt Tabora, wo sie zur Ver- münzung Verwendung fanden (s.u.). Dazu der spätere K on- ter- bzw. Vizeadmiral Max Looff: „Vom Wrack der Kö- nigsberg wurde noch alles ir- gendwie Verwendbare heraus-

getaucht und an Land geborgen, so wurden z.B. Messing und Bronzeteile nach Tabora geschickt und dort zur Hartgeldprä- gung verwendet“. Auch ein einzelnes 10,5-cm-Geschütz wurde immerhin rd. 800 km bis Tabora transportiert und deckte in der Nachhut kurzfristig den Rückzug der Deutschen unter Generalmajor Wahle gegen die Belgier (s.o.)13.

Obwohl Gouverneur Dr. Schnee theoretisch „Oberster Be- fehlshaber“ war16, konnte sich v . Lettow-Vorbeck zumeist durchsetzen40(dazu der Wachoffizier von SMS „Königsberg“:

„Schnee ist prächtig, aber er ist Zivilist“)13. Eine Kontroverse, die sich auf dem ganzen Marsch der Schutztruppe bis zum Waf- fenstillstand 1918 nachweisen lässt.

Die ökonomisch-monetären Ursachen der Notgeldprägung

Wie war in Deutsch-Ost um die J ahreswende 1915/16 die Lage: Die Kolonie war militärisch, politisch-administrativ und kommerziell völlig isoliert. Umstellt von feindlichen Armeen und durch die Engländer an der Küste völlig blockiert gab es zum Reich keinerlei Verbindung mehr.

Alles, was lebensnotwendig war, musste innerhalb der Kolo- nie selbst produziert werden (u.a. vom Essig über Beleuch- tungsöl, Kerzen, Bier, Seife und Chinin bis zur Zahnbürste aus Maultierhaaren)38,59,61, wobei sich das Gebiet, das von den Deutschen beherrscht wurde, durch den Vormarsch der alliier- ten Truppen ständig verkleinerte.

Das im Zentrum der Kolonie gelegene Tabora61wurde zum Prägeort gewählt, weil es Ende 1915 / Anfang 1916 noch weitab von den örtlichen Kriegsschauplätzen lag und hier die Mög- lichkeit bestand, mit dem in der städtischen Eisenbahnwerk- statt vorhandenen Technik eine Ausprägung zu realisieren67.

Zusätzlich zu der o.g. Notsituation stellte sich (wie immer in Kriegszeiten) in Deutsch-Ost ein zunehmender Mangel „an Silber-, Kupfer und Nickelgeld ein“2,4,54a,61: Das Münzgeld wur- de durch indische Kaufleute , aber auch eingeborene Händler gehortet, damit dem Geldkreislauf entzogen2,61, und zusätzlich in „wenig bekannte Gegenden“ verbracht, um es behördlichen Nachforschungen zu entziehen35,36.

Die Folge waren allgemeine Geldknappheit67,74sowohl für die Löhnung der Schutztruppe als auch Bargeldmangel auf den Märkten2,67,74. Eine Verordnung des Gouverneurs vom 14.1.1916 mit dem Ziel, das gehortete Hartgeld abzuliefern, wurde nicht befolgt4,54 a,74.Für eine mögliche Prägung in Silber war dieses Münzmetall in keinem nennenswertem Umfang vorhanden (die Goldgewinnung in Deutsch-Ost warf nicht genügend dieses Edelmetalls ab, zudem war eine Trennung der beiden Edelmetalle in der Kolonie schwierig, d.A.).

Die Situation wurde weiter erschwert, dass alle deutschen Silberrupien einschließlich ihrer Nominale bisher nur im Reich hergestellt worden waren (Abb. 63)74, bis zum Kriegsbeginn die

Abb. 60: Das Wrack von SMS „K önigsberg, versenkt im Rufijidelta, ihr Buntmetallschrott wurde zur Notmünzprägung nach Tabora verbracht13,77

Abb. 63: Deutsch-Ostafrika, 1 Rupie, Revers mit Mzz. A (Berlin) bzw . J (Hamburg)30,62

Abb. 64: Anlegeplatz der Dampfer der Woermannlinie in der Hauptstadt von DOA, Daressalam62

Abb. 62: Eingebor ene beim T ransport eines 10,5-cm-Geschützes von SMS „Königsberg“ über Knüppeldämme zur Front77

Abb. 61: Max Looff , *1874† 1954, Kommandant SMS „K önigsberg“, Fregattenkapitän, kämpfte als Kpt.z.S. unter Gen. W ahle an der südl. Landfront gegen die Alliier- ten, erreichte später den Rang ei- nes Konter- bzw. Vizeadmirals13,45

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Kolonie nur per Schiff erreichten (Abb. 64) und somit ab Au- gust 1914 durch die englische Blockade der Indik-Küste prak- tisch kein Zufluss von Hartgeld mehr in die K olonie erfolgen konnte38,57.

Durch den permanenten Verbrauch von Münz-Silber durch einheimische Silberschmiede komplizierte sich die Lage weiter61.

Mit Papiergeld wussten die Eingeborenen ohnehin „wenig anzufangen“, „warfen es zum Teil in den See“ und nur die ge- schäftstüchtigen Inder kauften ihnen für 2-3 Silberrupien 15 1-Rupien-Noten ab54a. Zudem wurde Papiergeld aller Art in der Regenzeit und beim ständigen Durchwaten von Flüssen völlig unbrauchbar, selbst zum Ende der K olonialzeit hatte es sich in den abgelegenen Regionen der K olonie bei einem Teil der Eingeborenen noch immer nicht durchgesetzt61.

Selbst als nach Kriegsbeginn noch keinerlei militärische Handlungen abliefen, kam es in den ersten Tagen des Augusts 1914 in der Hauptstadt Daressalam zur Panik: Jeder war be- strebt, das nunmehr als wertlos eingeschätzte Papiergeld „in Bargeld“ umzutauschen61.

Die logistische Vorbereitung der Münzprägung in der Eisenbahnwerkstätte zu Tabora

Durch die o.g. völlige Isolation der Kolonie war es nicht ver- wunderlich, dass in Berlin erst etwa ein Jahr später verwertba- re Nachrichten über eine Notmünzprägung zu Tabora eintra- fen. Am 6.8.1917 „beehrt“ sich der Staatssekretär des Reichskolonialamtes, dem Herrn Staatssekretär des Reichs- schatzamtes einen Bericht „zur geneigten Kenntnisnahme“ zu übersenden54a (Abb. 65).

Es handelte sich um einen sehr ausführlichen Bericht des inzwischen in der Schweiz internierten Privatdozenten der Universität Leipzig, Dr. Erich Krenkel54 a (*1880 †1964, später

a.o. Prof. für Geologie und Paläontologie)54 l,der zunächst die Prägung der Tabora-Hel- lerstücke leitete (Abb. 65a).

Die Schilderung und der Be- ginn dieses Vorgangs der Kup- fer-Messingprägungen ist nicht mit der am gleic hen Ort und ebenfalls 1916 auf Wunsch des Gouverneurs, Dr. Heinrich Schnee, jedoch später angeord- neten Prägung von goldenen 15-Rupien-Stücken („Tabora- pfunde“, „Elefantengoldstücke“,

„Tabora-Souvereigns“), der ein- zigen deutschen Notmünze in Gold (Abb. 66) zu verwec h- seln, für dessen praktisc he Durchführung mit den Gold-

Abb. 65: Erster Bericht über eine Notmünzprägung zu Tabora im August 1917 durch das Reichskolonialamt an das Reichsschatzamt54 a

Abb. 65a: Erich Kr enkel, *1880

†1964, 1903 Dr. jur., 1909 Dr. phil., 1912 PD für Geologie und P aläon- tologie zu Leipzig, ab 1914 in Deutsch-Ost, Vizewachtmeister, 1917 Gefangenschaft, 1926 ao.

planmäßiger Prof. für angewandte Geologie in Leipzig, leitete zunächst 1916 die Pr ägung der Kupfer-Messing-Münzen zu Tabo- ra, übermittelte im August 1917 den ersten Detailbericht über die Notprägung nach Berlin. Autor herausragender Publikationen über die Geologie Afrikas (seine Ta- bora-Berichte in den „Berliner Münzblättern“ 1918 und 1925 un- ter „ Dr. A. Krenkel“ sind einer Ver- wechslung des V ornamens ge- schuldet, vgl. money trend 1/2003, S. 145, d.A.)54a,54 I, 63

Abb. 66: Deutsch-Ostafrika, 15 Rupien, Au 750 (Rest Ag/Cu in wechselnder Zusammensetzung), 7,168 g, F eingewicht 5,376 g, 1%

Gewichtstoleranz62,67

Abb. 66b: Goldmine von Sekenke, Steinbrecheranlage, Hauptlieferant für die Gold-Münzprägung39

Abb. 66a: Goldgewinnung im T agebau in Kassama im Nor den von Deutsch-Ost39

Abb. 66c: Gold der 1906 von Göt- ze entdeckten Sekenke-Goldmine von DOA, in der der Bergingenieur J. Kuntz 1909 einen Goldgehalt bis 60g/t(!) veröffentlichte, rei- ches sekundäres Freigold auf zelli- gem Quarz39a,54j,62

(13)

barren aus Muansa54 a (von den nördlichen Minen der K olonie stammend, Abb. 66a) und Sekenke67allein der vom Gouv- erneur herbeizitierte Stellvertre- tende Bergwerksdirektor der Sekenke-Goldmine (Abb. 66b, 66c), Dr. Ing. Friedrich Schu- macher (Abb. 67) verantwort- lich war.

Goldfunde, die bei der folgen- den Goldmünzprägung zu Ta- bora eine Rolle spielten, wa- ren besonders aus dem Norden der Kolonie bekannt (Abb. 67a), jedoch nicht alle abbauwürdig. Der Berginge- nieur Julius Kuntz (Abb. 67b) untersuchte i. d. Jahren 1907/

08 und 1912/13 diese Lager- stätten und stellte bei einer Probeverarbeitung von 100 Tonnen Gestein der Mine von Se- kenke einen Goldgehalt von 60g/t fest39a,80.

Das „Münzbild wurde nach einem Entwurf von R. Vogt durch einen geschickten singhalesischen Goldarbeiter … in Stahl geschnitten“67(singhalesische Handwerker, aus dem Süd- westen Ceylons stammend,waren zu dieser Zeit für ihre Kunst- fertigkeit berühmt). Die ausführliche Beschreibung dieser Goldmünzprägung wurde in money trend 1/2003 behandelt63.

Dr. Schumacher, der erst nach der Abkommandierung von Dr. Krenkel nach Kigoma (Tanganjikasee) nunmehr zusätzlich für die Messing/Kupferprägungen verantwortlich wurde, konn- te noch vor Beendigung der Kampfhandlungen in Deutsch-Ost nach Deutschland zurückkehren und veröffentlichte im April 1918 einen zweiten, sehr ausführlichen Bericht über die K up- fer/Messing- bzw. Goldprägung67.Dr. Krenkel, obwohl bisher für die Kupfer/Messingprägung verantwortlich, wird in dem de- tailreichen Schumacher’schen Bericht nicht wieder erwähnt.

Doch zurück zum Erstbericht von Dr . Erich Krenkel: Er teilt zunächst mit, dass alle weiteren „schriftlichen Aufzeich- nungen vernichtet werden mussten und aktenmäßige Belege nicht zur Verfügung stehen“. Das erscheint (obwohl er im Sep- tember 1916 nicht mehr in Tabora war) glaubhaft, da den Bel- giern beim Einmarsch in Tabora generell keine Akten in die Hände fallen sollten.

Dr. Krenkel, zunächst in Kigoma am Tanganjikasee statio- niert, und im Dezember 1915 zu Dr . Schnee berufen, glaubte, dem Gouverneur „zu einer Münzprägung raten zu dürfen“36,54a.

So wurde unter Leitung des Gouverneurs Dr. H. Schnee, der zu diesem Zeitpunkt noch fest im Sattel saß, in Gegenwart eines Regierungsrats, eines Bank- sowie eines F inanzdirektors, des Ing. Wendler als Vertreter der Eisenbahnwerkstätte zu Tabora und des Oberwerkmeister Bergé (technische Leitung) „im Prinzip“ zunächst die „ Ausprägung von Münzen im Werte von 20- und 5-Heller-Stücken“, „später vielleicht von Gold“, be- schlossen. Der vielzitierte Geologe Dr . Friedrich Schumacher war 1915 an diesen Vorbereitungen nicht beteiligt.

Lt. Mitteilung Dr. Krenkel, der sich noch bis März 1916 in Tabora aufhielt und dann zur Schutztruppe zurückbefohlen

wurde, ist im Februar 1916 im Amt- lichen Anzeiger von Deutsch-Ostafrika die „Verordnung über die Ausprägung von Messingmünzen“ veröffentlicht worden54a.

Zweck der Prägung war die Stabili- sierung des Hartgeldumlaufs , was un- zweifelhaft für einige Monate bis An- fang September 1916 gelungen ist.

Allerdings konnten bereits ab 1.8.1916, als die alliierten Truppen von Norden die Zentralbahn unterbrachen, die im Osten abgeschnittenen Teile der Schutztruppe nicht mehr mit Hartgeld versorgt werden (vgl. Abb. 49), sodass die Neu-Prägungen der Not-Münzen ab diesem Zeitpunkt nur noch im unmit- telbaren Bereich in und um Tabora kur- sierten.

Doch lassen wir noch einmal die F rau des Gouverneurs, Ada Schnee (Abb.

68), die sich während der gesamten Zeit der Münzprägung in Tabora aufhielt, zu Wort kommen: „Eine der allergrößten Schwierigkeiten bereitete das F ehlen von Hartgeld. Papiergeld …wurde von den Schwarzen nur.. mit Unwillen ange- nommen,… sobald es regnet, wird es zur wertlosen Masse. Alles, was wir an Metallgerümpel hatten, alte Patronen- hülsen, wurde…zu Hartgeld verarbei- tet. In der Eisenbahnwerkstatt in Tabo- ra haben wir 1 Million Stück geprägt,

Abb. 67: Dr. Ing. Friedrich Schuma- cher, *1884 †1975, 1920 Pr of. für Geologie, 1933 Rektor der Ber g- akademie Freiberg, leitete nach Dr.

Krenkel die Notmünzpr ägung zu Tabora54 e,67

Abb. 67b: J.K.G. Kuntz, *1865

†1940, bedeutender F reiberger Bergingenieur und Montangeolo- ge, Begutachter ostafrikanischer Goldfunde zur Kolonialzeit80,54j

Abb. 67a: Deutsch-Ostafrika, südöstlich des Victoriasees (1), nördlich von Tabora (2): Zur Kolonialzeit bekannte Fundorte: Sekenkemine (3), Ussongo (4), Ssamuye (5), Mssalala-Berge mit St. Michael (6), Nssraguru-Berge mit Bismarck-Reef (7), Ngasamo und Kassama (8). Soweit abbauwürdig wurde das Gold südlich des Vict.-Sees über die Feste Muansa (9) bzw. von Sekenke direkt (3) nach Tabora (2) zur Vermünzung transportiert54a,39a

(14)

die mit Begeisterung von den Eingeborenen angenommen wurden“1,59 (die genaue Zahl der Münzen war F rau Schnee sicherlich nicht bekannt,d.A.).

Vorausgegangen waren Versuche, in der Küstenstadt Tanga Münzen zu prägen, die wieder eingestellt wurden, als Tabora für die Prägung favori- siert wurde. Aus Muansa (am Vict.-See) wurden dem Gouv- erneur Proben einer „Münze aus vulkanisiertem Kau- tschuk“ vorgelegt75.

Messing war in Deutsch- Ostafrika ausreichend vorhan- den. Es handelte sich u.a.

hauptsächlich um Rohre , Be- schläge und Bleche der in den Häfen der K olonie von den Engländern blockierten Schif- fe, darunter des o.g. Kreuzers

„Königsberg“ sowie Draht und Platten4,67. Insgesamt konnten 50.000 kg Messing und 30.000 kg Kupfer nach Ta- bora geliefert werden. Der Vorrat wurde durch 18.000 kg Messing aus deutschen und englischen Granat- bzw. Patro- nenhülsen ergänzt2.

Dazu der eindrucksvolle Kommentar von Dr. H. Schnee:

Es kann sich „kaum jemand vorstellen, mit welchen unge- heuren Schwierigkeiten, Erfin- dungsgeist, …...unzureichen- den Werkzeugen und Materialien“ man arbeiten musste, um „diese einfachen Münzen“ herstellen zu kön- nen59.

Der Entwurf der Probe- stempel stammt von Waffen- meister Alfred W olf (*1884,

Abb. 69), dessen Aktivitäten sich während der deutschen Kolo- nialzeit neben Tabora (Abb. 70) auch in Tanga, Daressalam so- wie im äußersten Nordwesten (Kissenji am Kiwusee 34) nach- weisen lassen54 b, 62. Nach dem o.g. Entwurf Alfred Wolfs, der

hochbetagt erst 1971 in Riesa/Sachsen verstarb 54 b und auch vom Gouverneur H. Schnee und Ada Schnee in deren Doku- menten erwähnt wird59,61, fertigten indische Goldschmiede die Prägestempel30. In der Gestaltung wurde dabei das geschwun- gene LL (für HELLER) von den bereits ab 1908 (10 Heller) bzw. ab 1913 (5 Heller) kursierenden K upfernickelmünzen übernommen (vgl. Abb. 72).

Monetäres Ziel des Gouvernements: Durch ein 20-Heller- Stück sollten die gehorteten Silbermünzen, das „25-Heller- Stück“67(= die deutsche silberne 1/4-Rupie,Abb. 71) sowie die Münzen zu einer halben und ganzen Rupie ersetzt werden67. Unter den Eingeborenen hatte die deutsche Viertelrupie zu dieser Zeit noch immer den Namen „Sumni“2(= ein Achtel des ehemaligen Maria-Theresien-Talers, der seit 1896 für den kolo- nialen Geldumlauf nicht mehr gestattet war)24.

Das geplante 5-Heller-Stück aus Messing war als Ersatz für die aus dem Geldverkehr verschwundenen 5- und 10-Heller - Stücke aus Kupfer-Nickel vorgesehen (Abb. 72)38.

Die technischen Möglichkeiten der Ausprägung Die technischen Möglichkeiten dieser ohne moderne Hilfs- mittel im abgelegenen Zentrum der K olonie durchgeführten Prägung waren außerordentlich schwierig . Verantwortlich für diesen Bereich war der Werkmeister der Eisenbahnwerkstätte zu Tabora, Bergé, später unterstand die Prägestätte der Leitung des bereits genannten Dr. F. Schumacher61,67.

Zum weiteren Ablauf berichtet Dr. Krenkel: Zunächst mus- ste die Frage des prägbaren Materials geklärt werden. Eigene, im Zugriff der K olonialverwaltung „liegende Erze“ waren nicht vorhanden. Es konnte aber nach einer Umfrage bei allen Zivil- und Militärbehörden festge-

stellt werden, dass, wie bereits ange- deutet, „in großen Mengen Messing (alte Patronenhülsen 71, Munition, Messingrohre, Messingplatten, Mes- singdraht der Eingeborenen und Platten und Rohre aus K upfer“36,54a zur Verfügung standen. Zudem wa- ren geringe Mengen Zinn, Zink, Blei und Aluminium vorhanden.

Nach komplizierten Versuchs- reihen wurde eine „Messingle- gierung“ unter Zusatz von K upfer,

Abb. 68: Ada Schnee, beschreibt in ihren Dokumenten die T aboraprä- gung, erreichte nach 3monatiger Reise durch den K ongo im Sept.

1917 die neutrale Schweiz59

Abb. 73: P oliertes 20-Hel- ler-Stück, goldähnliches Aussehen, Messing62 Abb. 69: Alfred Wolf, *1884 †1971,

Waffenmeister, entwarf die Probe- stempel f. d. Kupfer/Messingmün- zen der Taboraprägung54 b, 59,61

Abb. 70: Postkarte von Alfred Wolf aus Tabora an seine Eltern (komb. mit Teil eines Briefumschlags aus Daressalam)54b,62

Abb. 71: Deutsch-Ostafrikanische Viertelrupie, Ag 916, 2,92 g, gepr ägt für die DOAG zwischen 1891 und 1901, als Reichsrupie ab 1904 bis 1914, in Tabora auch „25-Heller-Stück“ und „Sumni“ genannt2,67

Abb. 72: Deutsch-Ostafrika, 5 Heller, geprägt 1913/14, Cu/Ni, 10 Heller, geprägt 1908 bis 1914, Cu/Ni30,62

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Aluminium und Blei, die u.a. „einen metallischen Klang“ und eine „messinggelbe Farbe“ hatte, gefunden, die den An- sprüchen genügen konnte54a. Dass die hieraus frisch ausgepräg- ten, nicht oxidierten Münzen ein repräsentatives, goldähnliches Aussehen (Abb. 73) hatten, kam den Interessen der Eingebo- renen durchaus entgegen.

Das Schmelzen der Metalle erfolgte in einem eigens dazu konstruierten Ofen in Graphittiegeln, die aus der Goldmine von Sekenke stammten54a, 67.

Über den Produktionsablauf: Gießen der Legierung in eiserne Formen zu Münzstäben (Abb. 74) mehrfacher Bear- beitung mit polierten Walzen36(mittels eines von einer K olo-

nialausstellung in Daressalam herbeigeschafften Kautschuk- walzpresse der Fa. Krupp, Abb. 75) Ausstanzen von Münzplättchen mittels Dampfstanze mehrstündiges Reini- gen,Entgraten und Polieren derselben in einer mit Leder- stücken, Feinsand und K ohlenasche gefüllten Eisentrommel und erneutem Ausglühen wurden die Münzplatten visuell gesichtet und unbrauchbare Stücke aussortiert54a.

Zur Prägung wurden die in einer zur Prägemaschine umge- bauten Dampfstanze befestigten und vom o .g. Gouverne- ments-Angestellten Alfred W olf

entworfenen gehärteten Stahlstem- pel verwendet. Es folgten Gütekon- trolle Abwägen Zählen und Übergabe „an den Beamten der Gouvernementskasse“54a.

Dieser primäre Bericht des Dr.

Krenkel von 1917 wird im April 1918 von Dr.-Ing. Friedrich Schuma- cher weitgehend bestätigt und mit weiteren Ergänzungen präzisiert:

Täglich wurden 200-300 kg Schmelzgut produziert, nach dem

Gießen der Stäbe kam ein „Kautschukwaschwalzwerk“ zur Anwendung, das von einer Dampflokomobile angetrieben wurde. Parallel dazu wurden fertige Messingplatten auf die notwendige Stärke ausgewalzt67.

Immerhin betrug die Leistung der Prägemaschine bei Handarbeit bis 600 Stück/h, nach ca. 10.000 Prägungen musste die Matrize gewechselt werden. Für die Prägung der 5-Heller- Münze wurde z.T. eine hydraulische Handpresse benutzt, „die 5 in einen zylindrischen Stahlkörper eingesetzte Matrizen“

(Abb. 76) enthielt, womit die Produktion vervielfacht werden konnte67.

E. Balke und F. Schumacher verweisen auf weitere techni- sche Details des Stanzens und Prägens4,67.

Münztechnische und qualitative Parameter der Tabora-Emission

Geprägt wurden: 5-Heller-Stücke in Messing sowie 20-Hel- ler-Stücke in Messing bzw . Kupfer36,54a,64,67.Eine in letzter Zeit angedeutete Fragestellung „Messing/Bronze“ wird im entspre- chenden Kapitel andiskutiert (s.u.).

Für einen Schmelztiegelinhalt von rd. 30 kg wird von Dr . Schumacher für die Messingstücke eine Münzlegierung mit vier Komponenten angegeben (Abb. 77).

Da die in dieser Tabelle genannte Position „Altmessing“ aus ganz verschiedenen ursächlichen Chargen bestand, können die Messingmünzen bezüglich der Legierung eine sehr unterschied- liche Zusammensetzung aufweisen (s.u.).

Des weiteren wurden 1916 folgende Parameter vorgegeben (wobei durch die technischen Unzulänglichkeiten deutliche quantitative Schwankungenauftreten) :

5-Heller-Stück: Ø 22 mm, Gewicht ca. 5,0 g, durchschnitt- liche Stärke 1,5 mm38,67.

20-Heller-Stück: Ø 28 mm, Gewicht ca. 11,0 g38, durch- schnittliche Stärke 2 mm38,67.

Bei einer Überprüfung von 352 20-Heller-Stücken schwank- te das Gewicht zwischen 8,4 und 14,2 g (Durchschnittsgewicht 11,4 g), der Durchmesser zwischen 28,3 und 29,7 mm,die Stärke lag zwischen 1,6 und 2,5 mm54 c.Eigene Messungen ergaben ein Durchschnittsgewicht von 11, 38 g62.

Alle Münzen wurden im glatten Ring geprägt67.

Als sich die Messingvorräte erschöpften, ging man in einer zweiten Zeitschiene zur Prägung von 20-Heller -Münzen aus Kupfer (Kupferrohre und -bleche) über38.

Zusammenfassend konnten somit ab Februar 1916 bis zum 5. September 1916 (die Münze wurde an diesem Tag durch Dr.

Schumacher geschlossen, die Belgier standen nur noch 25 km vor Tabora)671.634.700 20-Heller-Stücke, davon 80% in Mes- sing und 20% in Kupfer, sowie 302.000 5-Heller-Stücke geprägt werden (Abb. 78)4,67,76, deren damaliger Gesamtwert 342.040 deutsch-ostafrikanischen Rupien entsprach.

Abb. 76: Anor dnung der Stempel in der „Präge-Appa- ratur“ f.d. 5-Heller-Münzen67

Abb. 77: Orientier ende Übersicht der Münzlegierung für Messing – 20-Heller-Münzen67

Abb. 74: Maße der eisernen dur ch zwei Klammern fixierte Gussformen für Messingstäbe67

Abb. 75: Zeitgenössische Reklame der Fa. Krupp-Gruson in Z.-Schr. „Ko- loniale Rundschau“ für Walzwerke „ jeder Größe “38

(16)

Das Gesamtgewicht „aller ausgeprägten Scheidemünzen“

wird auf 20.000 kg beziffert.

Dass bei diesem hier nur punktuell gesc hilderten Ablauf mit seinen durch die örtlichen technischen Unzulänglichkeiten, die mit der Münzprägung im Reich bzw. heutigen technischen Standards nicht vergleichbar sind, alle möglichen variablen monetären Pro- dukte der 5- und 20-Heller -Stücke entstanden sind, ist selbstver- ständlich. Sie sollten, bei aller Beliebigkeit, auf ein vernünftiges und überschaubares Maß reduziert bleiben. Dazugehörige De- tails werden in den folgenden Kapiteln angesprochen.

Bereits 1959 und 1968 schreibt Kurt Jaeger: „Aus Altmetall- beständen sind in letzter Zeit Tabora-Münzen in Mengen auf-

getaucht, doch sind die seltenen Stücke dadurch nicht häufiger geworden“ und 1979 wird ergänzt:„… Jahrzehntelang gehorte- te beträchtliche Bestände“ sind in Durban (Südafrika) und in Tansania aufgetaucht. 1997 wird berichtet: „Es wurden in einem Großbestand von 16.000 Stück nur 5 Exemplare von 725a und sieben Exemplare von 726a gefunden“30(beide Kup- fer !). Über die Prägezahlen der einzelnen Taboramünzen wird auf den akt. Jaeger-Katalog 20. Auflage (2007) verwiesen.

Die 20-Heller-Stücke kommen auch mit den Kontermarken M30und PM54f vor (Mozambique bzw. Provincia de Mozambi- que,Abb. 79). Eine Verwendung als Kantinenmarken u.ä. wird beschrieben30. Die Kontermarken mit „großem M“ (Mozambi- que) sollte nicht mit dem M-Konterstempel (80 Reis, 1835) des brasilianischen Staates Maranhão verwechselt werden (Abb.

79a)33.

Zur Preisgestaltung: 1968 wurden von Kurt Jaeger die Kup- ferstücke 725a und 726a mit 150 bzw. 120 DM bewertet29, in der DDR kosteten zur gleichen Zeit J 725 150 und J 726 (mit unv . LL) 40 DDR-Mark26. Für seltene Einzelstücke werden heute Liebhaberpreise genannt (vgl. Jaeger-Katalog, 2007, S. 792)30. Initial optisch-orientierende Differenzierung der Taboramünzen

Bezüglich der visuellen Differenzierung der Münzdesigns wird z.T. den von Kurt Jaeger (* 1909 † 1975) bereits 1942 in der ersten Auflage seines Katalogs über die Deutschen Reichs- münzen eingeführten Termini gefolgt, die zunächst eine über- sichtliche Unterteilung der 5- und 20-Heller-Stücke erlauben.

Primär sollte eine Einteilung nach dem Münzmetall vorge- nommen werden, die zur weiteren Differenzierung führt (ist das nicht möglich, muss mit physikalische Analysen eine Klärung erfolgen, s.u.): a) Prägung in Messing b) Prägung in Kupfer (Abb. 80)

5-Heller-Münzen: Diese wurden nur in Messing geprägt (Abb. 81). Dickabschläge können zu erheblichen Gewichtsun- terschieden von mehr als 50% führen (Abb. 82). Es existieren 2 Stempelvarianten (Abb. 82a).

20-Heller-Münzen: Um diese Münzen besser katalogisieren zu können, wurden neben der o .g. metallurgischen Definition (Kupfer oder Messing) vier weitere Kriterien eingeführt:

Abb. 78: Übersicht der in T abora geprägten 5- und 20-Heller -Münzen (Februar bis September 1916)67

Abb. 79: Tabora, 20 Heller, 1916, mit portugiesischer K ontermarke M bzw. PM in unterschiedlichen Ausführungen 54 f, 54 k,62

Abb. 79a: Brasilien, 80 Reis, 1835, Kupfer, Staat Maranhão im Nordosten Brasiliens (Pfeil) mit Kontermarke M12,33,54f,62

Abb. 80: Tabora, 20 Heller, 1916, primär e Unterscheidung nach dem Münzmetall

a) Messing (breite Krone, Zweige, LL vollständig, li.) b) Kupfer (schmale Krone, Zweige, LL unvollständig re.)62

a b

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