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Archiv "Ausgebrannt: Im Leben leben lernen" (25.01.2008)

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Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 425. Januar 2008 A179

S T A T U S

D

ie Debatte um die Berufszu- friedenheitswerte junger Ärz- tinnen und Ärzte hat die Qualität ei- nes Zeitzeichens. Die Wucht der De- battenbeiträge zeigt, dass es um et- was anderes geht als um die individu- elle Einordnung einzelner Berufsin- haber in eine Zufriedenheitsskala. Es stehen vielmehr Qualitäten auf dem Spiel. Entscheidend ist die Lebens- qualität als Arzt oder Ärztin. Wo der Beruf so eng mit der persönlichen Identität verbunden ist, wie es im Selbstverständnis vieler Ärzte gege- ben ist, sind die Anforderungen an die Biografiegestaltung hoch.

Bei großem Anspruch an das ei- gene Berufsethos, verbunden mit hoher Leistungsbereitschaft, sind Ärzte hinsichtlich der Identifikation mit ihrer beruflichen Rolle beson- ders anfällig für eine ausschließli- che patienten- und leistungsbezoge- ne Zentrierung. Persönliche Bedürf- nisse werden dabei oft vernachläs- sigt. Die Betroffenen laufen Gefahr, in ihrer beruflichen Rolle völlig auf- zugehen und bei Enttäuschungen in ein Burn-out-Syndrom zu geraten.

Wer hier ins Nachdenken gerät und nach persönlicher Orientierung Ausschau hält, findet im Stichwort der Work-Life-Balance einen Orien- tierungspunkt. Zumindest erlaubt dieser Begriff, etwas in den Blick zu nehmen, was für viele Ärzte an Selbstverständlichkeit verloren hat:

die Wahrnehmung der eigenen Bio- grafie unter der Spannung von Work und Life. Lange vor einer potenziel- len Veränderung in der quantitativen Verhältnisbestimmung von Arbeit und Leben kann eine Veränderung der Wahrnehmung heilende Wirkun- gen zeigen. Ziel ist es, den einen der beiden Pole der Work-Life-Balance aufmerksamer in den Blick zu neh- men: den des Innenraums der eige- nen Welt. Eine gelegentliche Um- kehr der Wahrnehmungsrichtung von außen nach innen ist lehr- und lernbar. Interessanterweise gibt es für andere in die Patientenversorgung involvierte Berufsgruppen wie Pfle- gekräfte oder Physiotherapeuten ein Spektrum an Angeboten, die der Re- flexion der eigenen Lebenssituation sowie der persönlichen Orientierung dienen und die die Verarbeitung be-

wahrzunehmen, einen Gegenstand zu betrachten oder den umgebenden Lauten zuzuhören. In diesem offenen Raum wirken die Ereignisse nach.

Wer will, ruft ein Bild erlebter Be- gegnungen wach und nimmt sich selbst darin wahr. Wahrnehmen mit den Sinnen, den äußeren wie den in- neren, ist die Grundübung der Stille.

Zwei Bemerkungen zur besseren Einordnung: die eine betrifft die Praktikabilität, die andere bezieht sich auf die Logik einer inneren Hal- tung der Stille. Der stark von Erwartungshaltungen und äußeren Anforderungen geprägte medizini- sche Alltag von Ärzten erschwert die äußere Praktikabilität der Stille er- heblich. Letztlich ist es oft auch der leichtere Weg, sich für das erlernte, auf den Patienten und dessen Bedürf- nisse fokussierte Verhalten zu ent- scheiden. Was rational begründbar und häufig gut begründet erscheint, kann zur Falle werden. Es bedeutet nämlich auch, sich so der Herausfor- derung zu entziehen, sich selbst der Stille auszusetzen und damit der Ent- wicklung eines Burn-out-Syndroms Vorschub zu leisten. Sich zur Stille zu motivieren, folgt dem Wunsch und Willen, das eigene Leben aus ei- ner geistigen Mitte heraus zu leben.

Das ist eine sehr weite, nicht festle- gende Beschreibung für Spiritualität;

sie bewegt sich im Rahmen des natürlichen menschlichen Empfin- dens für Orientierung. Stille und die lastender beruflicher Tätigkeiten er-

leichtern. Ein spezifisches Angebot für Ärzte ist nicht verfügbar.

Vielleicht reicht für erste behutsa- me Schritte auch schon eine Unter- brechung der Beanspruchungskette im Alltagsfluss: eine kurze Zeit, viel- leicht eine Viertelstunde echter Stille – eine Viertelstunde, die frei ist von Verfügungsgewalt und Anspruchslo- gik und nicht einmal zur Steigerung der Verfügbarkeit für die Patienten- versorgung verrechnet wird, sondern allein der Wahrnehmung dient, wie

„ich bin jetzt da“. Stille wird dann bald zum kostbaren Gut.

Stille festzuhalten, bedeutet einen inneren Raum zu öffnen und zu be- treten. Die Architektur dieses Raums wird gehalten von der Disposition, den Lebens- und Anforderungsfluss zu unterbrechen und die eigene Prä- senz wahrzunehmen. Eine Hilfe kann es sein, den Atemrhythmus

AUSGEBRANNT

Im Leben

leben lernen

Ärztinnen und Ärzte sind besonders anfällig für das

Burn-out-Syndrom.

Die Autoren plädieren für eine stille Zeit am Tag.

Foto:Jens Flintrop

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A180 Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 425. Januar 2008

S T A T U S

ihr folgende Aufmerksamkeit für die Gezeiten des Lebens sind das natürli- che Gebet der Seele – wie es der Auf- klärungsphilosoph Malebranche for- mulierte. Zur Stille führt deshalb vor allem die Entscheidung, ihr den täg- lichen Raum zu gewähren, was für Ärzte mit ihren vielfältigen, keinen Aufschub duldenden Aufgaben eine besondere Herausforderung dar- stellt. Eine bestimmte Weltanschau- ung braucht es dazu nicht, wohl aber die Entschiedenheit, dabeizubleiben und die Stille nicht allein nach Er- folgskriterien zu beurteilen – wie eintretende Ruhe, Steigerung der Konzentration oder Gewinn intellek- tueller Erkenntnisse. Stille ist in sich wertvoll, weil sie für den Eigenwert des Lebens sensibel macht und da- durch zur inneren Balance beiträgt.

Und damit ist auch ihre innere Logik angesprochen: Sie ist der Raum der Selbstbegegnung in allen Schattie- rungen, von innerer Zufriedenheit bis zum Gefühl der Trockenheit. Ihre Logik ist die des Wahrnehmens in ei- nem sehr wörtlichen Verständnis: des unverstellten Sein- und Geltenlas- sens von Lebenswirklichkeit. Ziel der Logik ist die innere Freiheit und

ein wachsendes Vertrauen auf so et- was wie die Echtheit des eigenen Da- seins – wie das der anderen. Wer dar- über mit anderen kommunizieren möchte, wird eine zwischen- menschliche Ebene entdecken, die im Austausch über Informationen nicht wahrgenommen wird. Auch wenn die Erfahrung der Stille zum Austausch anregen mag, bleibt dies nur ein sekundärer Effekt und birgt mit der Gefahr der Intellektualisie- rung auch den Verlust des Wesentli- chen. Trotzdem zeigt die Erfahrung, dass viele, die sich auf solche Übungen der Stille einlassen, früher oder später den Wunsch spüren, sich über die Erfahrung auszutau- schen. Sowohl der Austausch mit ei- ner Person als auch der Austausch in Gruppen haben sich durchaus als hilfreich erwiesen.

Die Stille entfaltet eine eigene Dy- namik, wenn ich mich ihr aussetze;

sie wird mich mitunter überraschen, mir oft aber auch nur meine innere Hetze oder Trockenheit zeigen. Ge- rade dann ist es wichtig, nicht auszu- weichen, sondern den inneren Raum offenzuhalten. „Die Mysterien fin- den im Hauptbahnhof statt“ (Josef

Beuys, 1979) – tatsächlich mitten im Leben. Die Stille schafft nicht das Mysteriöse, sie nährt mich allerdings mit den allzu schnell übersehenen Mysterien des Hauptbahnhofs, der Krankenstation, dem lebensentschei- denden Gespräch.

Das Plädoyer für eine stille Zeit am Tag kann nicht enden ohne den Hinweis auf ihre einzige Gelingens- bedingung: die regelmäßige Übung.

Diese Zeit könnte auch ein innovati- ver Weg der ärztlichen Weiterbil- dung werden, der bislang weitge- hend verschüttete Potenziale nutzt und letztlich auch einen positiven Beitrag zu einer besseren Patienten- versorgung durch bleibend positiv motivierte Ärzte leistet.

Hinweise für praktische Ein- führungen in die Stille individuell und in kleinen Gruppen können in- teressierte Leser gern bei den Ver-

fassern erhalten. n

Prof. Dr. med. Martina Deckert Abteilung für Neuropathologie, Uniklinik Köln E-Mail: martina.deckert@uni-koeln.de Wilfried Röttgen Referat Spiritualität im Erzbistum Köln Dr. Markus Wasserfuhr Katholische Hochschulgemeinde Köln

GOÄ-RATGEBER

Wegegeld – bisher nur für den Arzt

Die Amtliche Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) listet in § 7 GOÄ die Entschädigungen auf, die dem Arzt zusätzlich zu der ärztlichen Leistung vergütet werden. Diese Entschädigungen sol- len sowohl die Fahrtkosten (gleich ob mit eige- nem Pkw, Taxi oder öffentlichem Verkehrsmit- tel) als auch den Zeitaufwand abgelten.

In § 8 GOÄ wird das Wegegeld geregelt: „(1) Der Arzt kann für jeden Besuch ein Wegegeld berechnen. Das Wegegeld beträgt für einen Be- such innerhalb eines Radius um die [Zweit-]Pra- xis bis zu zwei Kilometern 7 Deutsche Mark [seit dem 1. 1. 2002 3,85 Euro], bei Nacht 14 Deut- sche Mark [7,16 ]….“ Für vier verschiedene Entfernungen (bis zwei, mehr als zwei bis zu fünf, mehr als fünf bis zu zehn, mehr als zehn bis zu 25 Kilometer) werden jeweils zwei Pau- schalen aufgelistet, eine für den Tag und eine für die Nacht. Wann die Nacht beginnt, ist hier nicht geregelt, es kann jedoch davon ausgegan- gen werden, dass analog zu den Zuschlägen im Abschnitt B GOÄ die Nacht um 20 Uhr beginnt

und um 8 Uhr endet. Besuche, neben denen Wegegeld berechnet werden kann, sind die Nrn.

48, 50 und 51 GOÄ. Für die Nr. 51 GOÄ gelten bestimmte Einschränkungen (siehe unten). Für den Besuch durch nicht ärztliches Personal beim Patienten (Nr. 52 GOÄ) kann in der gelten- den GOÄ kein Wegegeld berechnet werden.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass es sich nicht um einen Besuch handelt, wenn der Arzt seine berufliche Arbeitsstätte aufsucht (wie [Zweit-]Praxis oder Krankenhaus), um den Pati- enten zu sehen (vergleiche auch OLG Münster vom 18. 12. 1990, Az.: 12 A 78/89 4K 733/87).

Der zweite Absatz des § 8 GOÄ präzisiert die Berechnung des Radius dahingehend, dass der Radius statt ab der Praxis ab der Wohnung des Arztes zu rechnen ist, wenn der Arzt den Besuch von seiner Wohnung aus antritt. Vor 1996 muss- ten die tatsächlich gefahrenen Kilometer nach- gewiesen werden, sodass die Radiusregelung, die auf den ersten Blick kompliziert erscheint, die Abrechnung insgesamt vereinfacht hat.

Der dritte Absatz regelt die Berechnung des Wegegelds, wenn der Arzt mehrere Besuche

(Nr. 51 GOÄ) bei Patienten in derselben häusli- chen Gemeinschaft (vereinfacht: „hinter einer Klingel“) oder einem (Pflege-, Alten- oder an- derem) Heim durchführt. Hier kann, unabhän- gig von der Anzahl der Patienten und deren Versicherungsstatus (1996 neu hinzugefügt), das Wegegeld insgesamt nur einmal und nur anteilig berechnet werden. Beispiel: Werden in einer Wohnung ein privater Patient und drei gesetzlich versicherte Patienten besucht, so kann der Arzt dem privat versicherten Patien- ten nur ein Viertel des Wegegelds in Rechnung stellen. Theoretisch müsste der Arzt diesen Be- trag dann aufstocken dürfen, wenn er für die drei anderen Patienten von der Kassenärztli- chen Vereinigung insgesamt weniger als drei Viertel des Wegegelds erhält, dies lässt sich im Einzelfall aber sicher nur sehr schwer nachhalten.

Ist für den Besuch des Patienten eine An- fahrt von mehr als 25 Kilometern notwendig, so wird die Entschädigung hierfür in § 9 GOÄ geregelt (siehe nächste GOÄ-Ratgeber).

Dr. med. Anja Pieritz

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