• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "104. Hauptversammlung des Marburger Bundes: Rote Karte für schlechte Bezahlung" (21.11.2003)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "104. Hauptversammlung des Marburger Bundes: Rote Karte für schlechte Bezahlung" (21.11.2003)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

B

eim Kampf und bei den rechtlichen Auseinandersetzungen um die volle Anerkennung des Bereitschafts- diensteinsatzes als Arbeitszeit rühmt sich der Marburger Bund (MB), an der Spitze der Bewegung marschiert zu sein (nicht etwa die Bundesregierung und das Bundesgesundheitsministerium, für die Staatssekretär Dr. Klaus Theo Schrö- der vor der Hauptversammlung des MB am 7./8. November in Berlin die Meriten einheimsen wollte).

Der Verband hat das EuGH-Urteil (9. September 2003) nur kurz gefeiert.

Jetzt geht es an die Kärrnerarbeit einer möglichst praxisgerechten, flexiblen Umsetzung der Normen des EuGH- Urteils, der EU-Richtlinien von 1993 und des geänderten Arbeitszeitgeset- zes. Nach einem ersten Sondierungsge- spräch wollen die öffentlichen Arbeit- geber und die Gewerkschaft ver.di zu- sammen mit dem Marburger Bund An- fang Dezember die erste offizielle Ver- handlungsrunde über den Abschluss krankenhausspezifischer Regelungen aufnehmen.

Der MB räumt ein, dass das EuGH- Urteil und das Arbeitszeitgesetz mit der Regelung „Bereitschaftsdienst ist Ar- beitszeit“ zwar einen immateriellen Fort- schritt bewirken und den notwendigen Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz we- sentlich verbessern, aber dass damit auch spürbare Einkommenseinbußen verbun- den sind. Obwohl eine genaue Berech- nung eventueller Einbußen nur im Einzelfall unter Kenntnis aller Umstän- de möglich ist, so dürften je Arzt im Durchschnitt monatlich rund 300 Euro und mehr netto weniger auf dem Ge- haltszettel stehen. Dies ist aber für den MB nicht allein der Grund, in der näch- sten Gehaltsrunde eine völlige Neube- wertung der ärztlichen Arbeitskraft und ein „faires, der Leistung angemessenes Entgelt“ für alle Klinikärzte zu fordern.

Der Dauerarbeitsplatz Krankenhaus müsse vielmehr für alle Klinikfachärzte

wieder attraktiver werden. Es käme ei- ner Verschleuderung knapper volkswirt- schaftlicher Ressourcen gleich, ein Heer berufswilliger Ärzte zu produzieren und diese für einen Berufseinsatz beispiels- weise nach Großbritannien, Skandina- vien und in die Schweiz zu „exportie- ren“. Im europäischen Ausland sei die Einkommenssituation für junge Ärztin- nen und Ärzte vergleichsweise viel bes- ser. Montgomery gab Anhaltspunkte: In Großbritannien liegen die Grundgehäl- ter für Klinikärzte zwischen 34 000 und

100 000 Euro je Jahr, in Schweden zwi- schen 40 000 und 70 000 Euro je Jahr, und in der Schweiz werden Grundgehäl- ter zwischen 52 000 und 100 000 Euro Jahressalär gezahlt. Ein Zentrumsleiter in der Verwaltung einer Universitätskli- nik bezieht in einer deutschen Hochschu- le ein Jahressalär zwischen 50 000 und 70 000 Euro, untere Geschäftsführer von ausgelagerten Betriebsteilen eines Klini- kums Jahresgehälter zwischen 70 000 und 90 000 Euro, mittlere zwischen 90 000 und 120 000 Euro und höhere 120 000 bis 150 000 Euro. Der Verwal- tungsdirektor des Gesamtklinikums liegt weit über diesen Größenordnungen. Das Gehalt des Geschäftsführers einer Klinik- reinigungs-GmbH in der unteren Ge-

schäftsführergruppe ist mit 70 000 bis 90 000 Euro anzusetzen. Montgomery schloss daraus: „Der Chef der Putzko- lonne bekommt mehr als ein durch- schnittlicher Oberarzt in einer Univer- sitätsklinik. Ist das leistungsgerecht?“

Der MB bestreitet nicht, dass auch der Bundesangestellten-Tarifvertrag (BAT) Elemente einer Leistungsbezogenheit enthält, so etwa die Stufenerhöhung des BAT, um die zunehmende Berufs- erfahrung und/oder über den Bewäh- rungsaufstieg und Leistungszulagen be- sondere Qualifikationen und Verantwortung anzu- erkennen.

Die bisherigen Vergü- tungselemente des BAT müssten allerdings wei- terentwickelt und dem gewachsenen Verantwor- tungs- und Aufgabenspek- trum der Klinikärzte an- gepasst werden. Die Son- derregelungen 2 c zum BAT, die bereits vor mehr als 42 Jahren installiert wurden, seien heute nicht mehr zeitgemäß. Inzwi- schen sei die Leistungsver- dichtung im Krankenhaus enorm, der Stress am Klinikbett ge- wachsen und der gesetzlich veranlasste Dokumentations- und Verwaltungsauf- wand ins Unermessliche gestiegen. Dies und die Weiterbildungs- und Fortbil- dungspflichten seien aber im tariflichen Salär kaum abgebildet. Effektivitätsge- winn und Produktivitätsfortschritte, die durch leistungsbezogene Vergütungen eher als durch uniforme Grundvergü- tungen erzielt werden können, werden allerdings zumindest teilweise durch bürokratische, komplizierte und wenig transparente Handhabungen wieder aufgebraucht, wie Dr. med. Josef Unge- mach, Vorstandsmitglied des MB, Be- triebsratsmitglied im Universitätsklini- kum Mannheim gGmbH, kritisierte.

P O L I T I K

A

A3062 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 4721. November 2003

104. Hauptversammlung des Marburger Bundes

Rote Karte für schlechte Bezahlung

Klinikärztegewerkschaft verlangt spezifische Regelungen im Angestellten-Tarifvertrag.

Dr. med. Frank Ulrich Montgomery, MB-Vorsitzender: „Die grot- tenschlechte Bezahlung im Krankenhaus muss ein Ende haben.“

Foto:Jürgen Gebhardt

(2)

Der MB-Vorsitzende rief Arbeit- geber, Tarifpartner und Betroffene auf, dafür zu sorgen, die zusätzlichen Erschwernisse bei zuschlagpflichtiger Schicht- und Nachtarbeit und alle Über- stunden zu hundert Prozent zu vergü- ten, insbesondere die Dokumentations- zeit, die nach einer Studie des Deut- schen Krankenhausinstituts e.V. täglich 2,42 und bei Internisten sogar 3,15 Stun- den beträgt, als nicht originäre Aufga- ben in der Grundvergütung zu kalkulie- ren. Erforderlich sei auch eine lückenlo- se und exakte Dokumentation der gelei- steten Arbeitszeit (mit Zeiterfassungs- geräten). Künftig will der MB nur noch eine Zahleinheit anerkennen, nämlich die effektiv geleistete Arbeitsstunde.

Höheres Grundgehalt

Obwohl es der MB vermied, konkrete fi- nanzielle Forderungen ins Gespräch zu bringen (ein baden-württembergischer Delegierter setzte sich für eine Anhe- bung der Grundvergütung um 25 Pro- zent ein), so gab er doch die generelle Marschrichtung vor.In einem einstimmig angenommenen Beschluss heißt es: Das System der Bezahlung nach Lebensalters- stufen – wie sie im BAT verankert sind – ist nicht mehr zeitgemäß und muss über- arbeitet werden. Entsprechend der Aus- und Weiterbildung, der Kompetenz und Verantwortung müsse die Grund- und Stundenvergütung für alle Klinikärzte erhöht werden. Das Grundgehalt müsse sich wie bisher an der originären Ein- satzsituation orientieren. Diese umfas- se Diagnostik und Therapie von Krank- heiten einschließlich der patientenbezo- genen Dokumentation. Bedingt durch den Facharztstandard als eine Voraus- setzung für eine selbstständige ärztliche Berufstätigkeit auch im Krankenhaus, müsse die Facharztqualifikation (Fach- arztabschluss) zusätzlich zum Grundge- halt honoriert werden. Ärzte mit einer höheren Verantwortung im Team der Klinikärzte, Ärzte mit Leitungs- und be- sonderen Funktionsbereichen (Klinik- leiter, Stellvertreter) müssten gemäß der Dienstmerkmale ebenfalls zusätz- lich honoriert werden (Udo Wolter).

Bei der Neubewertung der Arbeits- kraft von Klinikärzten komme man nicht mehr mit „einfachen Kriterien“

aus. Auch die bisherige Differenzierung und die Eingruppierung in BAT II a über I b, I a und I bilden die Kranken- hauswirklichkeit nicht hinreichend ab.

Der MB schlägt daher eine weitere Auf- fächerung der Vergütungsgruppe BAT I oder aber eine separate Eingruppie- rung für Ärztinnen und Ärzte vor, Öff- nungsklauseln und Sonderkapitel also, um den Krankenhausfacharzt nicht schematisch zu „besolden“.

Bis zum Idealzustand einer leistungs- gerechten Arztvergütung, dies sieht der Marburger Bund realistisch, ist es noch ein weiter, dornenvoller Weg. Einstwei- len ist der Kampf um kürzere Arbeitszei- ten für die Gewerkschaft erfolgreich ent- schieden worden. Der Kampf um bessere Vergütungen und Anerkennung der ärzt- lichen Arbeit könne aber nur mit und von den Ärzten selbst gestaltet werden (Montgomery). Dr. rer. pol. Harald Clade P O L I T I K

Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 4721. November 2003 AA3063

D

ie bucklige Verwandtschaft ist zu Besuch. „Onkel Thomas, wann wirst du endlich richtiger Arzt?“ Ich bin völlig entrüstet ob dieser ehrab- schneidenden Verbalattacke; also muss sich der freche Neffe alles über meinen akademischen Werdegang, über die vielen Jahre auf der Uni, die unzähligen Nachtdienste sowie die Freuden einer 60-Stunden-Woche an- hören. „Aber das meine ich doch gar nicht, Onkel Thomas, ich meine, wie ist das mit dem Geld?“ Ich bin verdutzt. „Na ja, ich habe mehrere Regresse in fünfstelliger Höhe . . .“ „Ist das eine Krankheit oder besonders viel Geld?“

will der andere Neffe wissen. Ich überlege lange, mir der erzieherischen Ver- antwortung, die in diesem Moment auf mir lastet, voll bewusst. „Also, streng genommen . . . sowohl als auch!“ „Du redest immer so komisch, Onkel Tho- mas. Was ist das denn nun, ein Rekress?“ hakt der Neffe unerbittlich nach.

Ich überlege noch länger. „Also . . . du musst dir das so vorstellen . . . du bist

Fachmann für, sagen wir, Süßigkeiten und artverwandtes Naschwerk, und deine Kumpel vom Kindergarten wollen unbedingt von dir wissen, welche die besten Süßigkeiten sind, also solche, die richtig gut schmecken. Du sagst es ihnen, und natürlich wollen sie auch welche haben. Ein Jahr später kom- men die Eltern deiner Kumpel und wollen dein Taschengeld einkassieren, weil der Süßigkeitskonsum deiner Kumpel gemäß der ständigen Rechtspre- chung des Bundessozialgerichtes einen unzulässigen Mehrverbrauch darge- stellt hat, der im Vergleich mit dem Fachgruppendurchschnitt eine umfas- sende unwirtschaftliche Handlungsweise darstellte.“ Die Neffen blicken mich entsetzt an. Ich versuche es noch einmal. „Du darfst also die Empfehlung ei- ner Süßigkeit nicht bewirken, wenn deren Verzehr zur Erzielung eines Sätti- gungserfolges unwirtschaftlich ist.“ Das Interesse der Neffen schwindet sicht- lich, sie wenden sich angewidert ab. Ich sehe ein, dass ich auf diese Weise die künftigen Generationen nicht für den Arztberuf begei- stern kann, und wechsle das Thema. „Was wollt ihr denn werden, wenn ihr mal groß seid?“ frage ich sie in der hoffnungsvollen Erwartung, künftigen Jetpiloten oder gar Gehirnchirurgen gegenüberzusitzen. „Sozialfall!

Sozialfall!“ krähen die Neffen fröhlich. „Oder meinst du etwa, wir wären so blöd und studieren wie du zehn Jahre auf der Unität, um dann so komische Krankheiten wie Rekress zu kriegen?“ Dr. med. Thomas Böhmeke

„Rekress“

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

„60 Prozent Deutsch- lands sind damit orange“, kommen- tierte Hammerschlag und zeigte eine Deutschlandkarte, in der die Regionen mit arztspezifischen Ta- rifverträgen in der

Diese fallen (noch) nicht unter den Tarifvertrag für die Ärzte an Universitätskliniken, was beispiels- weise für einen Assistenzarzt im fünften Berufsjahr eine Gehaltsein- buße in

Im Gegenzug habe man aber auch sämtliche Forderungen der Arbeitgeberseite – vor allem eine Er- höhung der Arbeitszeit, eine leis- tungsorientierte Vergütung und eine Verschärfung

D ass man sich im Vorjahr bei den Tarifverhandlungen mit den öffentlichen Klinikarbeitgebern auf eine eigene Entgeltgruppe für die Oberärzte hatte einigen können, war für den

„Dabei hat vor allem die Tatsache, dass wir keine Streikkasse haben und viele streikende Ärzte somit auf Ge- halt verzichteten, um für ihre Belange zu kämpfen, entscheidend zur

Montgomery: „Sollte es Herr Möllring wagen, den seit neun Wochen streikenden Ärzten den Ver.di-Tarif- vertrag überzustülpen, wird er in den Unikliniken eine Streikexplosion

Die Große Tarifkommission emp- fehle den Delegierten, den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) abzulehnen und die Verhandlungsvoll- macht für die Vereinigte

Der MB for- dert alle Krankenhausträger auf, sämtli- che Kosten für Strahlenschutzkurse zu übernehmen, die junge Ärztinnen und Ärzte absolvieren müssen, um selbst- ständig