P O L I T I K
A
A2296 Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 366. September 2002
GLOSSE
S
ehr geehrte Frau Kollegin, sehr ge- ehrter Herr Kollege, als erste Ab- solventin der Weiterbildung zur Fachärztin für Druck, Papier und Büro- kratie, kurz DPB, möchte ich mich vor- stellen.Welche(r) Kollege/in, ob niedergelas- sen oder im Krankenhaus tätig, fühlt sich noch der immer größer werdenden Flut von Formularen, Vorschriften und Richtlinien gewachsen? Allein Bestel- lung und Bevorratung der möglicher- weise benötigten Formulare erfordert inzwischen fast eine Arbeitskraft. Die vorhandene Abrechnungsmöglichkeit (wem was in Rechnung zu stellen ist) ist eine Wissenschaft für sich. Wissen Sie, wie viele Feuerlöscher Ihre Praxis
benötigt? Wartungsintervalle? Hängt der Hygieneplan aus? Nein? Wo besorgt man so einen Plan? Welche Zertifizie- rungsvorschriften? Sind die auszulegen- den Praxisvorschriften auf dem neue- sten Stand? Richtige Gewichtung der DRG? Gerätebuch vollständig? Tragen Ihre RR-Manschetten überhaupt noch die gültige Eichmarke? Wo ist das Prüf- protokoll für das BZ-Messgerät? (Ach, Sie wussten gar nicht, dass Sie ver- pflichtet sind, mithilfe einer Testlösung regelmäßig die Funktionsfähigkeit Ihres Gerätes zu prüfen und das Ergebnis zu dokumentieren?)
Liebe Frau Kollegin, lieber Herr Kol- lege, gehen Sie in sich: Haben Sie eine der Fragen mit „Nein“ beantwortet, oder sind Sie bei Ihren Überlegungen ins Stocken geraten, dann sind Sie ein Fall für mich. Die Trennung in einen ad- ministrativen (non patient care = npc) Sektor und einen kurativen war längst überfällig.
Nachdem ich mir beim 12 Jahre dau- ernden Spagat zwischen Patientenwohl und Bürokratenzufriedenheit beide Hüftgelenke ausgekugelt habe, habe ich mich dem npc-Segment zugewandt. Mit meinem Formulatorium, das alle nur er-
denklichen Formulare vorrätig hält, fah- re ich direkt zu Ihnen, und Sie laden Ihren ganzen Papierkrieg auf meinen mobilen Schreibtisch. Derzeit befindet sich dieser in einem Kleintransporter.
Aber mit zunehmender Globalisierung und dem Vordringen von EU-Richtlini- en, die keine deutsche Vorschrift erset- zen, sondern additiv hinzukommen, wird mein jetziges Formulatorium bald zu klein: Ich arbeite bereits am LKW- Führerschein.
Meine ausklappbare Satellitenanten- ne stellt sofort den Kontakt zum World Wide Web her, sodass ich die evidenzba- sierten Richtlinien der „American Asso- ciation for functional disorders of the right knee“ herunterladen kann.
Häufiger fallen zum Beispiel Ver- sorgungsamtsanfragen an. Da sich Deutschland zu einem Land von Invali- den entwickelt und es kaum einen über 65-Jährigen gibt, der nicht an einer de- generativen Gelenkerkrankung oder Hypertonie leidet, bietet mein einmali- ges Computersystem die Möglichkeit, Diagnosen und Textbausteine mittels Zufallsgenerator zu koppeln; es entsteht immer ein individuell erscheinender Be- fundbericht. Diese Vorgehensweise ist ökonomisch und trägt der minimalen Honorierung Rechnung. Alltäglichkei- ten wie das korrekte Ausstellen eines Physiotherapieformulares einschließ- lich Formulierung der Zielsetzung sind mit dem Programm eine Lappalie.
Habe ich Sie neugierig gemacht, wie Sie Ihren Praxisalltag von administrati- ven Zeiträubern entlasten können?
Gerne bin ich bereit, Ihnen mein Formu- latorium vor Ort zu demonstrieren.
Einen Wermutstropfen beinhaltet dieses Programm: Mit floatenden Punk- ten, zahlbar nach einem halben Jahr, bin ich nicht zufrieden; Euro, zahlbar in Fri- sten, wie sie im reellen Geschäftsleben üblich sind, müssten es schon sein.
Ihre Dr. med. Sabine Bührer-Erz
Dienstleistung einmal anders
hängigkeit von den Parteien, de facto handelt es sich aber bei dem Eckpunk- tepapier um ein deutliches Bekenntnis zur Politik von Bundesgesundheitsmi- nisterin Ulla Schmidt.
Auch Gewerkschaften sehen Schmidt auf richtigem Weg
Unterstützung bekommt Schmidt auch vom Deutschen Gewerkschafts- bund. Auf dessen Tagung „Gesundheit für alle“ in Berlin sagte DGB-Vize Ur- sula Engelen-Kefer: „Insgesamt fin- den sich die wesentlichen Eckpunkte des DGB zur Gesundheitsreform im SPD-Regierungsprogramm wieder.
Allerdings sind die vorgeschlagenen Maßnahmen noch nicht weitreichend genug.“ Erneut hat sich der DGB für mehr Kompetenzen der Krankenkas- sen bei den Verhandlungen mit den Leistungserbringern ausgesprochen.
Nur die Sicherstellung der Versorgung durch die Krankenkassen und die freie Vertragsgestaltungen zwischen Kas- sen und Ärzten ermöglichten die best- mögliche medizinische Versorgung der Patienten, behauptete Engelen- Kefer.
Ministerin Schmidt plädierte auf dem DGB-Kongress erneut für den Er- halt des Solidarsystems und sprach sich gegen Wahltarife und Selbstbehalte aus. Schmidt: „Am 22. September steht der Erhalt und die Weiterentwicklung der solidarisch finanzierten Gesetzli- chen Krankenversicherung auf dem Spiel.“ Dagegen bekräftigte der CSU- Gesundheitsexperte, Horst Seehofer, die Forderung, den Versicherten mehr Wahlmöglichkeiten bei der Gestaltung des Versicherungsschutzes einzuräu- men. Allerdings sei die Einführung von Selbstbehalten erst mittel- und langfri- stig möglich. Belastungen und Entla- stungen für die GKV müssten sich da- bei die Waage halten. Darüber hinaus kündigte Seehofer im Fall eines Regie- rungswechsels als eine der ersten ge- setzlichen Maßnahmen an, die Selbst- hilfeorganisationen in die Politikbera- tung und -entscheidung stärker einzu- beziehen. Zumindest in diesem Punkt ist der Union wohl die Zustimmung von Sozialverbänden und Patienten- vertretern gewiss. Samir Rabbata