• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Zweisamkeit in Bronze und Stein" (05.11.1986)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Zweisamkeit in Bronze und Stein" (05.11.1986)"

Copied!
3
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Kulturmagazin

Die geschichtliche Entwicklung des Doppel- denkmals Im

Bereich der öffentlichen Kunst gelang dem bürgerlichen Denkmal im 19. Jahrhundert ein geradezu phänomenaler Sieges- zug. Das sich emanzipierende li- berale Bürgertum in Deutsch- land begann nun auch für sich die denkmalhafte Würdigung seiner geistigen Vorkämpfer in Anspruch zu nehmen. Wie Mon- archen und Fürsten seit Jahr- hunderten ihren Vorfahren „ewi- ge Ehrungen" in Marmor oder

Bronze erwiesen und seit dem Ende des 18. Jahrhunderts, der preußische König Friedrich II.

machte hiermit den Anfang, die- se Huldigungen auch ihren Feld- herren und Generälen darbrach- ten, so äußerte mit Beginn des 19. Jahrhunderts zunächst das obere und schließlich, etwa seit 1850, sogar das breite Bürger- tum seine vergleichbare steiner-

ne oder bronzene Verehrung großen Persönlichkeiten.

Erstmals nachweisbar ist diese Entwicklung mit dem 1790 in Hannover errichteten Rundtempel, in dem die Büste des Philosophen Gottfried Wil- helm Leibniz öffentliche Aufstel- lung fand. Die Art und Konzep- tion dieser denkmalhaften Wür- digung in antikem Zitat spiegelt vorbildlich den aufklärerischen

Zweisamkeit in Bronze

und Stein

Zeitgeist wider, in welchem der Philosophie erstrangige Stellung zukam.

Ursprünglich vom Rat der Stadt Mansfeld angeregt, wurde als monumentales Standbild ein Lutherdenkmal an der Wirkungs- stätte des Reformators in Witten- berg errichtet. Den Auftrag hier- für erhielt kein geringerer als Jo- hann Gottfried Schadow, ehe- maliger preußischer Hofbild- hauer und Direktor der Akade- mie der Künste zu Berlin. Ganze fünf Jahre dauerte das geplante Unternehmen, bis am 31. Okto- ber 1821, zur 300-JahrFeier, das erste bürgerliche Denkmal auf

deutschem Boden eingeweiht werden konnte. Schadows Lu- therdenkmal sollte der Anfang einer langen, heute nicht mehr zu überschauenden öffentlichen Denkmalskette werden. Dem Vorbild Wittenbergs entspre- chend besannen sich bald ande- re Städte auf ihre großen Söhne und Geisteskämpfer.

Die Waffenbrüder Hutten und Sik- kingen, vereint auf der Ebernburg;

drüben in Weimar halten dieweil Goethe und Schiller ihren Lorbeer Mit Vorliebe lieferten Jahrhun- dertfeiern von Geburts- und To- destagen jeweils den Anlaß für eine aufwendige kulturhistori- sche Stadtbereicherung. Eine Flut von Denkmalserrichtungen setzte ein, die dem freiheitlich empfundenen Nationalbewußt- sein sowie dem Erstarken des In- dividuums und der sich konse- quent durchsetzenden Säkulari- Ausgabe A 83. Jahrgang Heft 45 vom 5. November 1986 (69) 3127

(2)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Doppeldenkmäler

sation entsprangen; das Goethe- Schiller-Denkmal in Weimar (1853 von Ernst Rietschel), zu Goethes 100. Geburtstag 1849 geplant, fällt hierunter. Bei dem Vorhaben war man sich von An- fang an der schwierigen Aufga- be bewußt, daß zwei gleich gro- ßen Genies wie Goethe und Schiller dieselbe Ehrung zuteil- kommen müsse. Die Idee des Doppeldenkmals war geboren, das heißt die gleichrangige Wür- digung zweier Persönlichkeiten auf einem Sockel und auf einem öffentlichen Platz inmitten des Stadtbildes.

Ernst Rietschels realistisch bür- gerliches Zitat der beiden größ- ten deutschen Geister, Goethe und Schiller, ist zwar als Beispiel für ein Doppeldenkmal äußerst bekannt geworden, hat aller- dings kaum Nachfolger gefun- den. Die Stadt Köln plante auf Geheiß König Friedrich Wilhelm IV. Anfang der 40er Jahre des vo- rigen Jahrhunderts ein Doppel- denkmal für die Rheinbrücke, in welchem sich Vater und Sohn, König Friedrich Wilhelm III. und IV., auf die Errichtung des Kölner Brückenprojektes beziehen soll- ten. Der viele Jahrzehnte im Ze- nit seines Ruhmes stehende Ber- liner Bildhauer Christian Daniel Rauch lieferte hierfür einen Ent- wurf; die Planung gelangte je- doch zu keiner Ausführung.

Daß Rauch die Idee und Durch- führung eines Doppeldenkmals, das heißt einer Gruppe von zwei zu würdigenden Heroen, guthieß und bezüglich der plastischen Gesetzmäßigkeit und den hier- mit in Einklang zu bringenden hierarchischen und charakteri- stischen Persönlichkeitsbildern überzeugend zu lösen verstand, bewies er mit dem 1841 für den Posener Dom bestimmten Dop- peldenkmal der polnischen Kö- nige Mieczyslaw I. und Boleslaw I. Diesem Denkmal kam in seiner späteren Aufstellung und Ver- wendung in erster Linie eher sakrale Bedeutung zu, da es als glorifizierendes Ornat des jahr-

hundertelang gepflegten Heilig- tums der gemeinsamen Grab- stätte von Vater und Sohn zu die- nen hatte. Bei der Planung die- ses Denkmals, einer religiös-po- litischen Gedenkstätte, waren ursprünglich Friedrich Schinkel als Architekt und Ch. D. Rauch als Bildhauer herangezogen. Es sollte ein monumentales Natio- naldenkmal der beiden Staats- begründer Polens unter freiem Himmel geschaffen werden, als deutliche Stellungsnahme zu- gunsten des volkstümlichen öf- fentlichen Denkmals

Streiter verschiedener Herkunft —

doch gleichen Geistes

Auffällig bei Rauchs Posener und Rietschels Weimarer Bron- zeausführung ist, daß beide Künstler, obwohl ihnen vom Auf- traggeber bzw. Denkmalkomitee strenge Auflagen gemacht wor- den waren, eine volksnahe ent- mythologisierte Darstellung in historischer Tracht mit au- thentisch realistischen Gesichts- zügen gewählt haben. Das er- zählende Moment, bezeichnen- de Requisiten und vor allem eine Gestikulationssprache wurden zu einer allgemeingültigen Cha-

rakteristik. Die am Ende des 18.

Jahrhunderts so schwierig scheinende Lösung der Ge- wandfrage ist, wie wir selbst an den vorgestellten Beispielen der Figurengruppen sehen können, in der Mitte des 19. Jahrhunderts klar zugunsten der jeweils zeit- historischen Bekleidungsmode entschieden worden. Im Gegen- satz zu Rauchs starrer Verfech- tung einer idealisierten Verge- genwärtigung im antiken Sinne, sind Rietschels Figuren in zeit- genössischem Kostüm mit Schnallenschuh, Bundhose, We- ste, Jabotbluse bzw. Stehkra- genjacket mit Halsbinde und Ausgehrock wiedergegeben.

Schließlich wußte Rietschel auch das Problem der Rangord- nung beider Häupter dadurch zu

lösen, daß er den Lorbeerkranz zwar dem älteren Goethe in die Hand legt, gleichzeitig aber Schiller ihn umfaßt. Mit diesem Denkmalsbeispiel für Deutsch- lands größte Schriftsteller und Dichter in gleichrangiger Dar- stellungsform, Einzelbeispiele folgten unzählige bis ins 20.

Jahrhundert hinein, ist dem spä- teren Wahldresdner Ernst Riet- schel eine überzeugende Lö- sung gelungen, die sowohl den Forderungen des allgemeinen künstlerischen Zeitgeschmacks nachkam als auch dem diffizile- ren Problem zweier gleichrangi- ger Genies von grundverschie- denen Charakteren und Geistes- gesinnungen gerecht wurde.

War dem Weimarer Doppeldenk- mal von Anfang an größtes über die Landesgrenzen hinausrei- chendes Interesse gewidmet, so ist einem vergleichbaren Nach- folger im letzten Viertel des 19.

Jahrhunderts im pfälzischen Nahetal nur regionale Aufmerk- samkeit zuteil geworden. 1889 wurde unterhalb der Ebernburg bei Bad Münster am Stein das Hutten-Sickingen-Denkmal von Carl Cauer, dessen Todestag sich gerade zum 100. Male jähr- te, eingeweiht. Wiederum sind bei diesem monumentalen Werk zwei gleichrangige Persönlich- keiten auf einen Sockel erhoben, wiederum hat ihnen der Künstler ihr zeitgemäßes Gewand ange- tragen, nur den äußerst lebendi- gen Gesichtszügen standen in- tuitiv äußerlich vergleichbare Physiognomien Modell. Beim Ebernburger Doppeldenkmal handelt es sich um die beiden

„Vorkämpfer Deutscher Einheit und Größe" der Reformation, wie die Sockelinschrift.

Die ehemals alle Bürgerschich- ten durchdringende Geisteshal- tung der Aufklärungszeit in den 30er Jahren des vorigen Jahr- hunderts ließ konsequent den Ruf nach einer denkmalhaften Goethe-Schiller-Würdigung her- vortreten. Seit 1871 hatte sich ein Nationalgefühl formiert, das

3128 (70) Heft 45 vom 5. November 1986 83. Jahrgang Ausgabe A

(3)

Jakob und Wilhelm Grimm, 1896 verewigt in Hanau; die Kulisse hat sich seit diesem Vorkriegsfoto gewandelt, doch die Denker blieben standhaft

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Doppeldenkmäler

zur Rückbesinnung auf die deut- sche Geschichte und ihre jeweils epochalen Errungenschaften führte. Gerade im pfälzisch-rhei- nischen Raum fand dieses natio- nale Volksbegehren besonders emphatische Resonanz, was nach den vergangenen lang an- haltenden Besetzungen durch die Franzosen nicht verwunder- lich war. So wurde mit der Denk- malerrichtung der beiden Refor- mationsmitstreiter in patrioti- schem Eifer auch ein einheimi- scher Bildhauer beauftragt. Carl Cauer aus Bad Kreuznach (1828-1885) genoß längst über die deutschen Grenzen hinaus unangefochtene Anerkennung.

Als todkranker Mann im Februar

1885 aus den Staaten zurückge- kehrt, machte er sich sofort an die Arbeit für das Modell des

Hutten-Sickingen-Denkmals, konnte aber die Figurengruppe über ihre Entwurfsidee nicht mehr hinaus verwirklichen; die Söhne Hugo und Ludwig führten es schließlich aus.

Entscheidend für Carl Cauers künstlerische Leistung ist die Zusammensetzung der beiden von Herkunft zwar verschiede- nen, doch im Reich des Geistes gleichen Ulrich von Hutten und Franz von Sickingen. Es ist ver- gleichbar mit Form und Ausdruck von Ernst Rietschels Goethe- Schiller-Denkmal in Weimar.

Um diesen Denkmalexkurs abzu- schließen, sind im Anschluß noch einige weiterentwickelte Nachfolgeformen in diesem Be- reich zu erwähnen. Sogar noch kurz vor Carl Cauers Hutten-Sik- kingen-Denkmal hat 1883 Johan- nes Schilling sein Luther-Me- lanchthon-Denkmal in Leipzig ausgeführt, wobei der Bildhauer eine abgewandelte neue Darstel- lungsform mit einer sitzenden Person, der sich eine zweite ste- hende hinzugesellt, gewählt hat.

Im übertragenen Sinne erfährt das eigentliche Denkmal hier seinen ersten einschneidenden Auflösungsprozeß, da es ein psychologisierendes erzähleri- sches wie soziologisches Mo- ment in sich trägt. Im Leipziger Fall wird die freundschaftliche Beziehung von Luther und Me- lanchthon, allerdings unter Ein- räumung der Vorrangstellung des ersteren, betont.

Ein ähnlicher Sachverhalt ist beim Hanauer Doppeldenkmal der Brüder Jakob und Wilhelm Grimm (1896 von Syrius Eberle) festzustellen. Schließlich kamen um die Jahrhundertwende Grup- penbeispiele auf, wo zwar zwei oder gar mehrere Personen dar- gestellt wurden, aber das eigent- liche Denkmal einem einzigen gewidmet war, während die wei- teren Figuren assistierend eine sachbezogene erklärende, bis- weilen auch symbolische Rolle dem zu Würdigenden gegenüber einnahmen. Die rein figurale Auf- lösung hat hiermit im Denkmals- bereich ihren Einzug gehalten, die konsequent folgend bis zur bildhaften wie inhaltlichen Um- kehrung gelangte, wo Figürlich- Ornamentales an Umfang und Plastizität gewannen und eine im Verhältnis sehr bescheidene Bü- ste, ein Porträtmedaillon oder gar nur eine Inschrift noch als Denkmalshinweis dienten.

Anschrift der Verfasserin:

Dr. Elke Masa Fredericastraße 3 II 1000 Berlin 19

Ausgabe A 83. Jahrgang Heft 45 vom 5. November 1986 (73) 3129

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Jahren immer mehr zu Menschengesichtern hingezogen fühlt, ein Mensch, dessen Schaffenskraft ungebrochen ist, denn in der Ausstellung sind über siebzig vorher nie gezeigte Alterswerke

Oktober 1719 endlich meldet Siegl: Statua in völliger Arbeit, aber heuer wird sie nicht mehr fertig, Ver- goldung kostet über 100 Spezies Taler, mit dem Geding kommt er nicht

„welche Grundlagen für die Grösse der Fläche und ihrer einzelnen Theile vorhanden sind, so finden wir, dass Vermessungen aus der ältern und neuem Zeit vorliegen, dass aber

Erst wenn der Sohn das Gewand des Königs anzieht oder morgens im Bett der Königin entdeckt wird, klärt sich die Situation, wobei die Eltern den Sohn auf G r u n d

Bogarts Einzelgänger, der durch die Liebe seinen Idealismus wieder findet, hat ohne Zweifel seine propagandistische Wirkung nicht verfehlt. Gleiches gilt für eine der

HAU.. Bei der Person, die dazu kommt, handelt es sich um einen Mann der Parkaufsicht. Erzähle, was auf dem Spielplatz passiert. 2) Der Zeichner e.o.plauen kommt in

Die neue Ausgabe Deutsch mit Vater und Sohn bietet eine Auswahl von 10 Geschichten, die sich nicht nur besonders gut für das Erzählen eignen, sondern auch wegen ihrer

Die Menschen der Altsteinzeit bleiben nie längere Zeit an einem Ort. Sie sind Nomaden und ziehen immer hinter den Tierherden her. Dabei benutzen sie Höhlen zum Übernach- ten. Sie